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Schwer

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19.07.2008
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Schwer

Schwere. Das fühlte sie. Ihren Kopf nach hinten gelehnt und die Augen geschlossen. Sie war kurz vorm Einschlafen. Sarah warf den Kopf wieder hoch und blickte auf den Fernseher. Eine Band namens „Davi“ ballerte einen Schwall von Hass in die Kamera. Sarah schaltete weg. Ihr Mund roch nach Minze und ihr Haar lag sorgfältig glatt auf ihrem Hals. Sie war bettbereit. Sah sich den Schund im Fernsehen an und las eine Mode/Glamourzeitschrift, ein Ritual. So verarbeitete sie den Tag, den sie hinter sich hatte. Er lag wie Blei in ihrem Magen, das sie verdauen musste. Sie hatte Stunden von Arbeit mit recht unsympathischen Leuten hinter sich. An ihren cholerischen Chef hatte sie sich schon gewöhnt, nur eine Kollegin bereitete Sarah immer wieder Kopfschmerzen. Eine aufbrausende Kuh, die es nach vierzig Jahren immer noch nicht geschafft hatte, sich wie eine Erwachsene zu benehmen. Eine Frau, die Sarah manchmal wie eine Mutter, manchmal wie eine verzogene Tochter behandelte. Sie tat Sarah leid, doch das Ungeschick und die kleinkindliche Art der Kollegin machten es schwierig, ihr immer wieder eine Chance zu geben. Sarah überlegte kurz, rollte sich dann zu ihrem Koffer und öffnete das unterste Fach. Unter weiteren Mode/Glamourzeitschriften lag eine kleine durchsichtige Tüte, in der sich sowohl Gras als auch schon gerollte Joints befanden. Sarah zog einen der Joints und ihr gefälschtes Zippofeuerzeug heraus. Sie nahm den Joint in den Mund, sollte der Geruch nach Minze halt vergehen, war ihr doch egal. Sie öffnete die kleine Kappe des Feuerzeugs und hielt die Flamme an das gerollte Gras. Nach einigen Zügen rauchte der Joint und Sarah zog genüsslich. Ein paar Sekunden später bekam sie kaum noch Luft und begann zu husten, ein Anfängerfehler, den sie fünf Jahre nach ihrem ersten Joint immer noch machte. Sie klopfte sich grinsend auf die Brust, fühlte sich wie damals, als sie mit 15 unsicher eine gestreckte und völlig überteuerte Tüte mit ihren Freundinnen geraucht hatte. Sie schaltete wieder auf den Musiksender und sah den beiden Kerlen von „Davi“ beim Abgehen zu. Der Sänger schlug auf seine Gitarre ein und bespuckte, ja besabberte das Mikrofon beim Brüllen. Der Schlagzeuger war mitten in einem Wirbel und schrie ab und zu ebenfalls in das Mirkofon. Sarah lächelte und zog an dem Joint. Die Schwere schien sich endlich aufzulösen. Sie schloss wieder die Augen und dachte an das bevorstehende Wochenende.
Sie war mit zwei Männern verabredet, die sie auf der Arbeit kennen gelernt hatte. Das sollte das letzte Treffen werden, bevor sie sich endgültig für einen der beiden entschied. Das waren beeindruckende Männer, die sich aber völlig voneinander unterschieden. Sarah hatte mit beiden ein intensives, aber noch nicht allzu ernstes Verhältnis aufgebaut und wollte jetzt mehr. Es war eigentlich schade, aber sie wollte, konnte nicht mit zwei Männern gleichzeitig zusammen sein. Die beiden waren wie Yin und Yan, schwarz und weiß. Der erste, den Sarah kennen gelernt hatte, war das schwarze Teil aus dem Kreis, der das weiße unermüdlich verfolgte. Sein Name war Bruce. Er bereitete ihr schlaflose Nächte und konnte mit seiner Massivität, seiner Erfahrung und seiner Prägnanz Bäume ausreißen. Er war der Typ Mann mit dem Sarah schon oft zusammen gewesen war, eben nie besonders lange. Denn die Anmut, mit der sie solch ein Mann immer überrannt hatte, stellte sich bei den meisten nur als Fassade heraus. Doch dieser hatte keine Schwäche zu verbergen. Er war stark. Ein Mann, der, wenn er nackt war, in seiner Statur wie die Sonne glänzte, dessen bleicher Körper das Licht reflektierte. Ein Herr, der sich nie unterkriegen lassen würde.
Der andere der beiden, mit dem Sarah zusammen war, hieß Frank. Er war ein bodenständiger, erfolgreicher und, zugegebener maßen, attraktiver Kollege. Er hatte in den drei Monaten seit seinem Einstieg in der Firma schon mehr geschafft als die meisten. Er war klar, zielstrebig und diszipliniert, hatte einen guten Umgang und Manieren. Doch Sarah war sich nicht allzu sicher bei ihm. Immer wenn die beiden zusammen waren, machte er einen leicht unsicheren Eindruck. Er fragte sie was sie machen wollte, brachte erst, wenn sie sich äußerte, eigene Vorschläge ein. Er schien oft nicht zu wissen, woran er bei ihr war und lies somit Dinge wie den ersten Kuss auf sich zukommen, anstatt sie einfach zu nehmen. In dem Sinne schien er nicht allzu viel Erfahrung zu haben. Doch Sarah brauchte Sicherheit, die er ihr nur bei Aufforderung zu geben schien. War das männlich? Sie wusste es nicht. Aber Frank war perfekt, nur eben dieser Anflug von Schwäche, von Unerfahrenheit oder von was auch immer das nun sein mochte – es turnte sie ab.
Sie hatte die Augen wieder geschlossen. Der Joint kam ihrem Bettlaken gefährlich nahe. Sie hob den Arm und paffte weiter, um das Ding endlich zu Ende zu bringen. Sie konnte solche Sachen nicht unbeendet lassen. Wenn schon bekifft, dann wenigstens richtig. Sie starrte weiter auf den Fernseher. In den Nachrichten sagten wie was von der rechten Gewalt, die sich im Land ausbreiten sollte. Sarah hatte keine Ahnung. Einige Mitglieder der Antifa wurden interviewt. Sie klärten den Zuschauer über die Sachverhalte auf. Sarah sah den vielen Männern beim Aufbrausen zu. Verschwitzte Gestalten, die sich in Rage redeten und in die Schlacht ziehen wollten. Sie lag flach auf dem Bett und legte die Hand auf den Bauch. Ihre Hand glitt langsam aber sicher in die unteren Regionen ihres Körpers. Sie streifte das Nachthemd nach oben und streichelte ihren Bauch. Von dort kam die Hand schrittweise ihrem String näher, den sie nach einigen Sekunden ebenfalls unterschritten hatte. Die Finger drangen in ihren Körper ein. Es fühlte sich an, als wenn man eine Qualle anfassen würde. So jedenfalls stellte Sarah sich die weiche, feuchte Oberfläche einer Qualle vor. Ihre Pupillen sanken nach oben, sodass man in ihren Augen nur noch das Weiße sehen konnte. Sie stöhnte leise und fingerte sich langsam in Ekstase. Sie zog an ihrem Joint, doch dessen Wirkung war beim Masturbieren uninteressant. Zwei Betäubungen auf einmal waren ihr zuviel. Also ließ sie den Joint weg und rieb langsam aber sicher weiter. Sie sah sich selbst im Spiegelbild und lächelte sich an. Während des Stöhnens war ihr Lächeln eher ein Lachen. Lachte sie sich gerade selbst aus? Nein. Was sie auf dem Bett trieb war genau das Richtige.
Sie nahm das Klappern im Hintergrund nur unbewusst wahr, doch auf einmal war es ganz nah und Sarah blickte erschrocken auf. Vor ihrer Tür lief jemand umher. Der schwere Schritt und das in unregelmäßigen Abständen Verstummen desselben brachten Sarah mehr in Ekstase, als jeder einzelne ihrer Finger es jemals geschafft hätte. Sie dachte an Bruce. An die schlaflosen Nächte, die er ihr bereitet hatte.
Die Schritte kamen der Tür näher. Wer konnte sie jetzt noch besuchen wollen? Sarah war in einem kleinen Hotel und verbrachte dort die Geschäftswoche, die am Wochenende vorbei war. Sie war von außerhalb hierhergekommen, hatte keine Kollegen bei sich. Die Klienten, die es hier zu besuchen galt, hatten Sarah nur beruflich gesprochen, sie hatte keinem von denen ihre Nummer oder dergleichen gegeben. Die Person vor der Tür klopfte tatsächlich an. Sarah stand vom Bett auf, drückte den Joint in ihrem Aschenbecher aus und ging ins Bad. Sie schnappte sich ihre Nagelfeile. Ein kleines, sehr robustes und vor allem spitzes Ding, das man nur den erwachsenen Mädels im Laden verkaufte. Sie konnte sich noch an den Verkäufer erinnern. Ein ekelhafter Kerl.
„Was hamse denn damit vor?“, hatte er mit einem schmierigen Zwinkern gefragt und ihr die eingepackte Pfeile übergeben. Etwas von ihrem Vater hatte in ihm gesteckt. Sie wusste nicht genau was. Dieses Schwache. Das um den Brei herum reden. Wenn er mit ihr vögeln wollte, dann sollte er das auch sagen, damit sie getrost nein sagen konnte. Mit seiner Anspielung hatte er sie gekränkt. Sehr sogar.
Die Tür war nicht abgeschlossen. Sarah schüttelte den Kopf. Wie blöd konnte sie eigentlich sein? Dachte an Sicherheit Privatsphäre in einem kleinen Hotel. Sie hätte wissen müssen, dass sich hier nur ekelhafte Gestalten herumtrieben. Dieses Nest war voller Spinner und Idioten. Denen konnte man nicht trauen. Warum musste man bloß die Geschäftswoche hierher verlegen? Warum ging das nicht in der Stadt? Sarah war ratlos. Die Tür knarrte derweil und langsam hörte man einen Mann eintreten. Es musste ein Mann sein. Der Schritt war schwer und bestimmt, auf dem Boden traten ganz sicher Stiefel auf.
Sarah wagte sich, einen kurzen Blick um die Ecke zu riskieren. Eine große Gestalt stand dort in der Tür. Sie trug einen Hoodie, die Kapuze lag auf ihrem Kopf und man konnte das Gesicht kaum erkennen. Ein weißer, vermutlich nicht allzu alt und trainiert. Sarah konnte das nur vermuten, sah sie doch nur die blassen Hände, von denen eine noch auf der Klinke ruhte. Waren das nicht immer die Kerle, die in Horrorfilmen alle Teenager umbrachten? Weiße, trainierte und wohlhabende Männer, die ihr Messer unglaublich gut zu verstecken und im Ernstfall auch unglaublich gut zu benutzen wussten? Ob das jetzt auch der Fall war? Sie hatte keine Ahnung. Auf einmal begann die Gestalt zu reden.
„Ich krieg dich…“, sagte er leise, verstohlen mit einem Hauch Hass in der Stimme. Sarah atmete heftig, versuchte den Laut zu unterdrücken. Sie verspürte neben der Angst aber noch eine merkwürdige Erregung, die sich unterschwellig durchsetzte und Sarah irgendwie beflügelte. Sie atmete wieder ruhiger und überlegte. Der Kerl musste bekämpft werden. Wenn er sich doch nur als Idiot herausstellte, der seinen Spaß haben wollte, dann konnte Sarah sich gut rausreden. Immerhin hatte er sie nachts in ihrem Zimmer überrascht, unangekündigt. Er musste nur tot sein, damit sie keine Klage an den Hals bekam, zum Beispiel für einen versuchten Angriff mit einer Nagelpfeile. Aber dass der Kerl nicht nur so zum Spaß aufkreuzte, war für Sarah eigentlich beschlossene Sache. Er sah dafür viel zu gefährlich aus. Sie musste das Licht ausschalten. Das würde ihn überraschen. Und vielleicht konnte Sarah die Dunkelheit für sich nutzen. Vielleicht. Sie lehnte sich leicht nach vorne. Der Kerl war an ihrem Bett und blickte auf den Nachttisch. Ein leises Prusten war zu hören, als er ihren Joint in dem Aschenbecher betrachtete. Er betastete den ausgedrückten Stummel und führte die Finger zu seiner Nase. Sarah kam schnell vor, langte um die Ecke und drückte den Lichtschalter. Das Zimmer war sofort dunkel. Die Gardinen waren zugezogen und in der Küche brannte auch kein Licht. Der Mann im Zimmer blickte verwundert durch die Gegend. Sarah ging sofort ins Zimmer zurück. Ihre Augen gewöhnten sich kurz an die Veränderung. Dann duckte sie sich und schlich wieder ins größere Zimmer. Gab es wirklich keinen anderen Weg? Eigentlich nicht. Es gab nur ein kleines Fenster im Bad und das lag zur Autobahn hin, Sarah würde dort herausstürzen und unter hunderte Autos geraten, worauf sie keine Lust hatte. Der Gedanke, mutwillig auf die Autobahn zu springen und sich unter einem 40-Tonner in Sicherheit zu wiegen brachte Sarah unweigerlich zum Lachen. Ein kleines Kichern, das sie schon auf dem Weg zu dem Kerl machte. Er blickte auf. Warum hatte sie jetzt gekichert? War die Lage nicht viel zu ernst, um jetzt zu kichern? Immerhin hatte Sarah eine Nagelpfeile in ihrer Faust und wollte einen Menschen umbringen. Aber das Marihuana, der ganze bescheuerte Tag und die immer noch anhaltende Erotisierung verbunden mit der ihr gegenüberstehenden Gefahr machten sie einfach wahnsinnig. Und lachhaft. Sie blieb auf der Stelle. Der Kerl winkelte seine Beine leicht an. Sie erkannte sein Gesicht nicht, doch sie fühlte sofort, dass er lächelte. Was er wohl mit ihr vorhatte? Sarah wollte es eigentlich nicht wissen. Sie war prägnant, sie brauchte keine Hintergrundinfos, sie wollte jetzt einfach töten. Langsam richtete sich auch ihr Körper auf. Jetzt standen sich die beiden gegenüber. Wie zwei Raubtiere sahen sie sich an, auch wenn keiner das Gesicht des anderen erkennen konnte. „Du kriegst mich nicht“, sagte Sarah leise. Der Einbrecher nickte nur, im Sinne von ich kann viel mehr als du, also sag mir nicht, was mit dir noch alles zu machen ist!
Sarah tat einen Schritt zur Seite. Eine hektische Bewegung, die ihren Gegenüber sofort alarmierte. Er sprang auf einmal aufs Bett, hüpfte wie ein Verrückter und lachte leise. In seiner Lache war nun etwas Angespanntes, etwas Aufgeregtes. Er schien sich zu amüsieren. Was ein kranker Spinner, dachte Sarah und trat vom Bett zurück. Der Kerl sprang und sprang, sprang höher und federte sich auf einmal ab, in Richtung Sarah und landete neben ihr, nahm ihren Hals in den Arm. Doch sie war schneller, hatte die Pfeile zwar in der Linken, konnte aber noch mit ihrer Rechten zuschlagen. Sie traf die Rippen des Kerls mit voller Wucht, sodass sich sein Griff schlagartig lockerte. Er lachte auf. „Hey.. Du bist gut!“, rief er. Sarah fasste neuen Mut, mehr als sie gerade eben schon gehabt hatte, und nickte. „Ich weiß!“ Sie nahm die Pfeile und setzte die Klinge unter den Handrücken. Die beiden schlichen wieder umeinander her, ein oder zwei Meter voneinander entfernt. Der Kerl hatte wohl genug vom Warten und ging näher an Sarah heran, verlies den Kreis und streckte den Arm aus. Sie wusste in dem Moment nicht, ob sie fliehen oder stehenbleiben sollte. Der Einbrecher entschied für sie und packte sie sanft am Genick. Dann drückte er ihren Körper an seinen. Sie spürte ihn. Sie spürte den Kerl und seinen Ständer, der gegen ihr Bein rieb. Sie konnte das Gesicht immer noch nicht erkennen. Ihre Köpfe schienen sich zwar fast zu berühren, doch es war einfach zu finster, um irgendwas unter der schweren Kapuze zu erkennen.
Sarah genoss den Augenblick fast schon. Die beiden waren sich ganz nahe und es schien, als ob nun endlich Ruhe in den Abend eingekehrt wäre. Es waren nur die zwei, mit ihnen die Dunkelheit und das eigentlich romantische Zimmer. Sein Atem prallte leicht gegen ihr Gesicht und es roch nach billigem Kaugummi, eigentlich ein schöner Geruch. Er hielt sie, nicht zu fest und nicht zu leicht. Trotz seiner schwarzen Verkleidung, der Kapuze und der massiven Stiefel schien er jemand zu sein, der wusste, wie man Frauen beeindruckte. Ein guter Moment. Daraus konnte etwas werden!
Aber er war der Einbrecher.
Sarah hob blitzartig den Arm und rammte die Pfeile in die schwarze Höhle vor sich. Ein erschrockener Schrei ertönte, der sie gleich viel mutiger machte. Sie stach auf das schwarze Ungetüm ein, wieder und wieder, bis es nur noch winselnd und Blut spuckend am Boden lag. Sie zog die Pfeile aus der Kehle und leckte sie ab. „Du kannst mich mal!“, sagte sie laut. Sie blickte durch das Zimmer. Alles lag auf dem Boden verstreut, obwohl sie nur ein paar Minuten miteinander gekämpft hatten, hatten sie das Zimmer völlig verwüstet. Der Kerl bewegte sich nicht mehr. Bäuchlings lag er auf dem Teppich, den er vollblutete. Sarah nahm ihr Handy hervor und rief die Polizei. Sie ging vom Bett runter, schaukelte ein wenig. Immerhin hatte sie gerade jemanden umgebracht. Sie betätigte wieder den Lichtschalter. Die grelle Lampe blitzte auf. Sarah blickte auf den Mann am Boden. Irgendwie kam ihr die Kleidung bekannt vor. Sie ging ein paar Schritte näher heran, nun viel mehr erschrocken als erleichtert, und streifte dem Kerl die Kapuze herunter. Wen hatte sie umgebracht? Es war Frank. Er röchelte leise. Blut quoll aus seinem weit geöffneten Mund und seine Augen waren aufgerissen, die Pupillen starr nach oben gerichtet. Sarah kreischte auf. Sie hatte Frank getötet. Natürlich. Er hatte noch erfahren, in welches Hotel sie gehen wollte, in welcher Ortschaft sie für eine Woche sein würde. Er hatte sich die Mühe gemacht, von der Stadt hierher ins Umland zu fahren und wollte sie überraschen. Hatte Wegen dem Regen und dem Hagel schwere Klamotten angezogen. Und ein Spiel mit ihr begonnen, das sie nicht richtig verstanden hatte. An Sarahs Wange lief eine Träne herunter. Sie schniefte und wischte sie sich weg. Ihre Nasenhöhle schmerzte dabei. Ihr blau angelaufenes Auge, das Bruce ihr gefärbt hatte, hätte Frank eh nicht sehen sollen. Er hätte sich bloß wieder aufgeregt. Sarah ging ins Bad, wusch die Pfeile ab und stach sich damit in die Hüfte. Nur ganz leicht. Damit es echt aussah, aber nicht wirklich echt war. Der Schmerz durchflutete sie, doch Sarah atmete tief ein und packte sofort einige Scheiben Toilettenpapier darauf. Sie betatschte den Griff mit Franks lebloser Hand um seine Abdrücke darauf zu hinterlassen und fasste die Waffe dann selbst an. Die Waffe hatte sie ihm abgenommen und sich damit nur gewehrt. Die Lüge war nicht allzu schwer. Sarah schüttelte wieder den Kopf. Konnte es so schwer sein? Eine unbeschwerte Geschäftsreise zu führen? Ungestört einen Joint zu rauchen? Sich den richtigen Mann zu suchen? Sie war sich nicht sicher. Schwere. Das war es, was sie spürte. Sie legte den Kopf in den Nacken und blickte an die Decke.

 

Hey Jackass!

Normalerweise lese ich Geschichten solcher Länge kaum zu Ende, weil mich der Anfang bereits desinteressiert lässt.
Mich hast du mit deiner Protagonistin ziemlich neugierig gemacht.
Und selbst wenn einem vielleicht ziemlich schnell klar wird, dass der "Einbrecher" höchst wahrscheinlich einer ihrer beiden Anwärter ist, hab ichs sehr gerne gelesen.
Die Atmospäre die du schaffst, hat mich irgendwie gepackt. Kompliment.

Aber vielleicht habe ich deine Intention auch irgendwie nicht recht geblickt, weil ich mich frage, warum das hier bei Satire ist? Meinst du, weil es ironisch ist, dass sie kifft, und über die Kerle nachdenkt, narzistisch an sich selbst rumfingert und dann einen, der tatsählich da ist absticht? (Vermutlich ein bisschen gaga durch das Kiff?) Hum... das wäre meine offene Frage.
Ansonsten, von mir ganz einfach betrachtet, mag ich das Teil auch so,

Timo

 

Hallo Jackass,

alles in allem fand ich die Geschichte angenehm zu lesen und denke, sie passt mit etwas gutem Willen in diese Rubrik. Bei manchen Passagen war ich der Meinung, dass sie für das Erzählen der Geschichte nicht nötig sind und du solltest mehr Absätze machen. Inhaltlich habe ich mich nicht unbedingt angesprochen gefühlt: Eine verhuschte Frau zwischen zwei Männern tötet versehentlich einen davon. Möglicherweise liegt es an den unpersönlichen Beschreibungen deiner Protagonisten, dass mir ihr Schicksal so egal ist.

Etwa hier:

An ihren cholerischen Chef hatte sie sich schon gewöhnt, nur eine Kollegin bereitete Sarah immer wieder Kopfschmerzen. Eine aufbrausende Kuh, die es nach vierzig Jahren immer noch nicht geschafft hatte, sich wie eine Erwachsene zu benehmen. Eine Frau, die Sarah manchmal wie eine Mutter, manchmal wie eine verzogene Tochter behandelte. Sie tat Sarah leid, doch das Ungeschick und die kleinkindliche Art der Kollegin machten es schwierig, ihr immer wieder eine Chance zu geben.
Was macht diese Firma? Der Chef bekommt das Akjektiv "cholerisch" verpasst und verschwindet gleich wieder aus der Geschichte. Die Kollegin bleibt gesichtslos. Hier gilt: zeigen, nicht sagen! Beschreibe eine Szene, in der diese Kollegin sich wie ein Kleinkind verhält, dann kann man sie sich viel besser vorstellen. Der vorletzte Satz lässt unklar, wer da wen wie behandelt.

Noch so ein Abschnitt mit wenig Informationswert:

Sie war mit zwei Männern verabredet, die sie auf der Arbeit kennen gelernt hatte. Das sollte das letzte Treffen werden, bevor sie sich endgültig für einen der beiden entschied. Das waren beeindruckende Männer, die sich aber völlig voneinander unterschieden.
Sie hat tatsächlich ein Date mit zwei Männern gleichzeitig? An dieser Stelle wissen wir immer noch nichts über die beiden Männer: Was machen sie in der Firma? Wie hat Sarah sie kennengelernt?

Und noch so ein bedeutungsleerer Satz:

Er bereitete ihr schlaflose Nächte und konnte mit seiner Massivität, seiner Erfahrung und seiner Prägnanz Bäume ausreißen.
"Prägnanz" passt in dem Zusammenhang nicht.

Die Tür knarrte derweil und langsam hörte man einen Mann eintreten. Es musste ein Mann sein. Der Schritt war schwer und bestimmt, auf dem Boden traten ganz sicher Stiefel auf.
Besser wäre, Sarah aus dem schweren Schritt auf einen Mann schließen zu lassen: Sie hört jemanden eintreten. Schwerer Schritt, also ein Mann.

Sarah tat einen Schritt zur Seite. Eine hektische Bewegung, die ihren Gegenüber sofort alarmierte. Er sprang auf einmal aufs Bett, hüpfte wie ein Verrückter und lachte leise. In seiner Lache war nun etwas Angespanntes, etwas Aufgeregtes. Er schien sich zu amüsieren.
Dass er sich zu amüsieren schien, geht aus seinem Verhalten hervor. Es heißt "ihr Gegenüber", auch wenn es sich um einen Mann handelt.
Anschließend sticht sie ihn ziemlich bedenkenlos ab - was ich etwas unglaubhaft fand.

Am Schluss eine richtig schöne Stelle:

Sarah schüttelte wieder den Kopf. Konnte es so schwer sein? Eine unbeschwerte Geschäftsreise zu führen? Ungestört einen Joint zu rauchen? Sich den richtigen Mann zu suchen? Sie war sich nicht sicher. Schwere. Das war es, was sie spürte.

Beste Grüße,

Berg

 

Hey,
vielen Dank für eure positiven Feedbacks, freut mich, dass euch die Geschichte gefallen hat!
Viele Grüße

 

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