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Schwarzwaldklinik

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01.09.2005
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Schwarzwaldklinik

Trübe Augen blickten ihn aus dem Spiegel an. Sie waren welk und formlos wie der Rest von ihm. Mit denselben Augen hatte er einst Rita angesehen. So musste es gewesen sein, er glaubte es selbst nicht mehr so recht. Manchmal wog er ungläubig seine schlaffen Brüste in den Händen wie eine Frau in den späten Vierzigern. Ohne anzuklopfen riss der Mark die Tür auf.
„Huiuiui, Herr Riesner, was haben Sie denn vor?“
Der Mark macht noch dies, der Mark macht noch das, sagten die Schwestern immer, die lieben und die Fotzen gleichermaßen. Und dann bringt der Mark Sie ins Bett.
Willy zog seine Krawatte fest. Sie zu binden, hatte fast eine halbe Stunde gedauert. Die Finger voller Flecke taten ihm weh. Endlos ließ die Schlinge sich zuziehen, so dürr war sein Hals inzwischen. Er war einmal athletisch gewesen. Dann war er alt und fett geworden, aber er war schon lange nicht mehr einfach nur alt.
„Spazierengehen.“ Wessen Stimme war das? Ein Krächzen wie das eines sprechenden Raben in einem Märchen.
„Huiuiui.“ Der Mark machte ein beeindrucktes Gesicht und musterte ihn respektvoll von den sauberen Schuhen zum Sakko, von dem Willy stundenlang Haare und Flusen gepflückt hatte.
„Sie denken aber daran, dass Sie sich unten abmelden und genau sagen, wo Sie lang wollen, ja?“
Willy nickte.
„Und haben Sie an Ihre Packung gedacht?“
Willy nickte wieder und stellte sich vor, wie der Blitz ihn traf, falls der Mark ihn zwang, ein drittes Mal zu lügen. Obwohl er streng genommen tatsächlich an seine Windel gedacht hatte. Er hatte daran gedacht und sie mit voller Absicht nicht umgebunden. Fast ein Jahr harten Trainings hatte er nicht hinter sich gebracht, um die stolze Stimmung dieses Tages voller Souveränität und Selbstbestimmung durch das Tragen von Pampers zu ruinieren, auch wenn es die für Erwachsene waren.
„Na dann, alles gut“, sagte der Mark und unterstrich diese Einschätzung mit ausgestrecktem Daumen.

Willy hasste den Mark nicht. Für eine derart intensive Emotion hatte er keine Kraft mehr. Er mochte den unrasierten Bengel nur nicht besonders. Vorwürfe machte er sich deswegen keine. Wie sollte er einen Mann mögen, der ihn regelmäßig ins Bad begleitete und dort Zeuge einst zutiefst privater Vorgänge wurde? Der ihm die Achseln gewaschen hatte, den Schritt, die Füße und den Hintern? Da waren noch immer diese in den Spiegel gespuckten Augen, von denen er wohl annehmen musste, dass es seine waren. Die Rabenstimme war nämlich auch seine, ätsch. Kein Wunder also, wenn die Leute draußen ihn nicht einmal mehr als die Luft wahrnahmen, in die er sich mit Mitte sechzig verwandelt hatte. Er hatte irgendwann Geisterfinger bekommen, die nur an der Kasse sichtbar wurden, wenn sie viel zu lange nach Kleingeld wühlten, bis die aus den Lautsprechern säuselnde Einkaufsmusik und das Anpreisen der Schweinekoteletts im Angebot das ungeduldige Schnaufen hinter ihm nicht mehr zu übertönen vermochten. Inzwischen aß er nur noch, was die Schwestern und der Mark auf den Tisch stellten, und Schweinekoteletts waren das noch nie gewesen, jedenfalls nicht in nachvollziehbarer Form.
Willy lächelte, der komische Rabenvogel im Spiegel tat es ihm gleich. Heute war ein besonderer Tag, Gedanken so trüb wie die Spiegel-Augen entbehrten jeder Grundlage. Er fühlte sich vorbereitet und fit, und das hatte er dem Mark zu verdanken. Auch deshalb wäre es unfair gewesen, ihn zu hassen.

Seine Enkelkinder hießen Steffen und Christiane, oder Stefan und Christina, und ihre Gesichter waren genau so unbestimmt wie ihre Namen, so selten hatte er sie gesehen. Er war umgeben von Leuten, denen er sich zu jeder Mahlzeit aufs Neue vorstellen musste. Auf den Fluren roch es nach Putzmittel mit Limette, sie schienen die Gänge damit zu fluten, ab 19 Uhr, wenn alle sich hingelegt hatten, ein paar für immer. Hektoliterweise mussten sie das Zeug einsetzen, aber statt das Aroma eingekackter Betten zu übertünchen, vermengte es sich damit zu einem ganz eigenen Geruch: Sterile Scheiße.
Mit der resignierten Geduld eines Verdammten hatte er seine Zeit abgesessen. Wegen des Marks hatte er diese Geduld verloren und seine Leibesübungen aufgenommen. Ohne den Mark also auch kein Tag ohne Pampers. Der Mark verdiente es, nicht gehasst zu werden.

Im Dritten hatten sie Der grüne Bogenschütze gezeigt. Willy hatte ihn im Kino gesehen, mit Rita. Klausjürgen Wussow spielte Jahre später einen Arzt in dieser furchtbaren Fernsehserie für Frauen. Willy hatte zu Rita gesagt, dass er tief gesunken war, der Inspektor von damals, aus dem Edgar-Wallace-Film. Sie hatten immer mal wieder über Wussows Karriere gestritten, es war so leicht gewesen, sie damit aufzuziehen. Er zettelte noch Dispute an, als die Klinikserie längst nicht mehr lief, bis Rita starb, und als er sechs Wochen nach der Beerdigung den Fernseher anmachte und der Wussow seinem Assistenzarzt in einer Wiederholung die Frauen erklärte, hatte Willy vor Erinnerungsschmerz aufgejault wie ein getretener Hund.
Die Wunde war längst zur Narbe gereift, als Der grüne Bogenschütze lief. Willy sah ihn, ohne zu jaulen. Gläubig gewesen war er nie, er wusste, dass er allein war. Trotzdem sagte er zu Rita: „Das waren noch Zeiten, der Wussow als Inspektor, was hat den bloß geritten mit dieser Krankenhaus-Quatschsendung?“
Etwas Wunderbares geschah.
„Wie viele Filme hast du denn schon gedreht, dass du über so etwas urteilen kannst?“, fragte Rita zurück, giftig wie zu Lebzeiten, sie mochte Wussow wirklich. Willy grinste in der Fernsehflimmer-Dunkelheit. Sie ließ sich noch immer so leicht foppen mit dem Thema. Einen Augenblick lang dachte er, er hätte sich die Stimme nur eingebildet, doch dann legte Rita nach.
„Ein gutaussehender Mann ist das, auch schlank, in dem Alter.“
So fies hatte sie ihn manchmal gestochen, damals, als er noch alt und fett gewesen war, bevor er die nächste Stufe erreicht hatte. Rita war hier mit ihm, sie gab seinen Frotzeleien Contra und lobte die sensible Männlichkeit des schönsten Arztes aller Zeiten. Der Schönste, für sein Alter unbedingt. Schade fand sie, dass man den nur fürs Fernsehen erfunden hatte. Gott sei Dank, fand Willy dagegen, war das alles nicht echt.
Der Art gemäß, in der der Mark die Tür aufriss, hätte er eigentlich in die Knie gehen und Willy mit einer Waffe bedrohen sollen: „Hände hoch, keine Bewegung!“ Das grelle Flurlicht schlug Rita in die Flucht. Jetzt war Willy wieder nach Jaulen zumute, aber er schluckte den Klagelaut hinunter.
„Huiuiui, Herr Riesner.“ Es war nach Mitternacht, erklärte der Mark, so als könnte er, der Willy, keine Uhr lesen.
„Den habe ich mal im Kino gesehen“, sagte Willy. Er zeigte auf die schwarz-weiße Welt in der Röhre. Das Licht aus des Marks limettiger Flurwelt durchdrang alles, in seinem Schein wurden Willy seine nassen Augen peinlich bewusst.
„Ach so“, sagte der Mark, kam langsam näher und legte Willy die Hand auf die Schulter, väterlich eher als freundschaftlich. „Was ist denn das?“
„Edgar Wallace.“
„Ach ja.“ Es klang, als hätte er den Namen noch nie gehört. Der Mark rieb seine Hand auf Willys Schulter und sagte, es wäre Zeit fürs Bett. Nochmal ins Bad, aber dann ins Bett.
Willy flüsterte ihren Namen, einfach so, und der Mark fragte: „Was?“
„Kann ich den Film nicht noch zu Ende sehen?“
„Um die Zeit? Haben Sie keine Angst, dass Sie morgen ganz kaputt sind?“
Er hatte lediglich Angst, der Mark könnte mit seinem Auftritt Rita unwiderruflich verscheucht haben. Statt zu antworten, schüttelte Willy nur verschmitzt grinsend den Kopf. Die Schwestern fanden es süß, wenn er das machte, er hatte sie darüber kichern hören. Bei dem Mark funktionierte es nicht. Er stellte den Fernseher aus, zog Willy unter dessen Protest eine frische Windel an und steckte ihn ins Bett.
„Morgen werden sie's mir danken“, sagte der Mark, und das tat Willy, gleich am nächsten Tag, als er entschlossen seine Übungen begann.

Die Spaziergänge durfte er zunächst nicht allein machen, deshalb konnte er diesen Teil nicht täglich trainieren. Die Schwestern waren zu wenige, als das immer eine Zeit für ihn gefunden hätte. Durch die vielen Male, die er immer wieder unter Bewachung dieselbe Strecke zurücklegte, schaffte er es aber schließlich, sie davon zu überzeugen, dass er den Weg auch allein und notfalls ohne Brille bewältigen konnte. Die Mädchen und er lachten gemeinsam über diese herrliche Metapher für „blind“. Die war fast so süß wie sein goldiges Kopfschütteln mit dem pfiffigen Grinsen. Abmelden und Anmelden, das war die Bedingung. Keine Extratouren, keine Umwege. Mussten sie nur ein einziges Mal die Polizei einschalten, wäre es zu seinem eigenen Besten ganz schnell wieder vorbei gewesen mit der neuen Freiheit.
Doch zu derartigen Sanktionen kam es nie. Willy verhielt sich stets regelkonform. Etwa dreißig Minuten dauerte der Spazierweg, und er prägte ihn sich ein wie die extrem klugen Räuber in den Filmen die Blaupausen der Banken. Der Zebrastreifen vor dem Haus, die alte Schule auf dem Weg – vor der er immer kurz verharrte, um sich nicht daran erinnern zu können, hinter welchem der kaputten Fenster sich sein altes Klassenzimmer befand – das kurze Waldstück, die Brücke und wieder zurück. Bald gehörte sein autonomer Spaziergang für die meisten Schwestern zum Alltag, sie sagten nur: „Bis gleich, Herr Riesner“, und: „Sie waren heute aber schnell, Herr Riesner“, und verzichteten auf jeglichen Appell. Manchmal sahen sie kurz von irgendwelchen Formularen hoch und verabschiedeten sich mit einem Winken, irgendwann taten sie nicht einmal mehr das. Nur der Mark bestand weiterhin auf einen ordnungsgemäßen Ein- und Ausgang Willys, ein Pflichtbewusstsein, das er in einer früheren Phase seines Lebens gelobt hätte. In der Vorbereitungsphase, stellte er fest, konnte er nur sehr wenig damit anfangen, da hätte er sich ein bisschen mehr Mut zur Anarchie gewünscht.
Ebenso wichtig wie das Vertrauen der Schwestern in seine tägliche Rückkehr war die Wiederbelebung seiner Beinmuskulatur. Was davon geblieben war, musste er sich eingestehen, verdiente es ungefähr so sehr, Muskulatur genannt zu werden, wie die verschrumpelte Gurke zwischen seinen Beinen es verdiente, weiterhin den Namen Penis zu tragen. Zentimeter für Zentimeter tastete Willy sich an das Ziel heran, wenigstens das Bein noch einmal hochzubekommen. Zuerst zog er das Knie an und stellte den Fuß auf die Sitzfläche seines Fernsehsessels, immer wieder, rauf und runter, bis er für eine Bewegung gefühlt nicht mehr als zehn Sekunden brauchte. Als diese Praktik nach ein paar Wochen zur Routine geworden war, begann er, sein rechtes Bein auf die Lehne des Sessels zu heben. Beim ersten Mal stürzte und prellte er sich die Hüfte so hart, dass er auf dem Boden liegend anfing zu schluchzen, weil es so weh tat. Er wünschte sich Ritas Geist zurück, der ihn tröstete und ihm Mut machte, aber nach der Nacht, in der die Entscheidung gefallen war, hatte sie nie wieder von sich hören lassen. Statt ihrer Stimme drang ein alberner Singsang an sein Ohr. Der Lärm kam aus dem Aufenthaltsraum. Die Blagen waren wieder da, eine Grundschulklasse oder eine Kindergartengruppe. Ständig brachten sie Kinder herein, so als wollten sie die Insassen daran erinnern, was sie verloren hatten.
Willy stöhnte den Schmerz in seiner Hüfte weg und trainierte weiter, lächelte beim Mittagessen wie gewohnt, während sie ihm weiches Fleisch schnitten. Sie lächelten zurück, weil sie keine Ahnung davon hatten, was ihn wirklich so erfreute, und das machte ihn stolz. Es war etwas Besonderes, ein Geheimnis zu haben, wenn man sich nicht einmal mehr selbst den Hintern abwischte.

Es ging los. Gleich nach dem Zebrastreifen kam ihm ein dickes Mädchen entgegen, das einen Kinderwagen vor sich her schob. Weil sie auf ihrem tragbaren Telefon herumtippte – was, um Gottes Willen, waren das heutzutage für endlos lange Telefonnummern, dass die Leute ständig auf die winzigen Tasten einhacken mussten? – sah sie nicht, wie ihr Hund auf Willy zulief und ihn ansprang. Sie schien auch nicht zu hören, wie das Tier dabei bellte. Es war kein großer Hund, nur ein schwarzer Wadenbeißer mit ein paar weißen Flecken und drei weißen Pfoten. Trotzdem fürchtete Willy, der Kläffer könnte ihn aus dem Gleichgewicht bringen.
„Weg!“, krächzte er und wedelte mit der Hand. „Weg, weg!“
Stürzte er, würde er wahrscheinlich hilflos liegenbleiben, während der Hund ihm über das Gesicht leckte und die dicke Mutter mit ihrem tragbaren Telefon den Notarzt rief. Willy machte einen Schritt vom Bürgersteig runter. Der Hund sah ihm enttäuscht hinterher, so als stünde es für ihn außer Frage, auf der Straße weiterzuspielen. Er kläffte noch ein letztes Mal und setzte dann seinen Weg fort, um das Bein an einem Kettcar zu heben, das ein Kind auf dem Bürgersteig geparkt hatte. Die Herrin des Hundes und des Kindes im Wagen sah kurz von ihrem Telefon auf und Willy an. Ihrem Blick zufolge hielt sie es für das Mindeste, dass er den Weg für sie und ihr pinkelndes Haustier frei gemacht hatte.
„Guten Tag“, sagte Willy. Sie nickte kurz und wählte dann wieder ihre Endlosnummer.

An der Schule blieb er vor dem Zaun stehen und klammerte sich an das Eisengitter wie an die Stäbe eines Zellenfensters. Der berüchtigte Folterknast Gegenwart, Stalins Gulags waren doch Taubendreck dagegen.
Er hatte Rita in diesem jetzt runtergekommenen Bau mit den zerschlagenen Scheiben kennengelernt. Ihm fiel noch immer nicht ein, wo einmal sein Klassenraum gewesen war, aber er kannte noch die geheime Ecke, in der Rita ihm einmal einen Kuss gegeben hatte, da waren sie was gewesen, zwölf, dreizehn? Max Kinkelbur hatte es gesehen, und Willy hatte sich mit ihm prügeln müssen, damit er aufhörte, es überall herumzutratschen. Der miese Querulant hatte den Kampf auch noch gewonnen, er war ein Bulle gewesen wie die Tiere auf den Wiesen seiner Eltern.
Den Sieg trug Max mit blutender Nase davon. Und überhaupt war es nach dem Kampf, als hätte Willy gewonnen. Der Bulle sagte nichts mehr, er ignorierte sie beide. Wahrscheinlich hatte er beschlossen, dass sie den Aufwand nicht wert waren. Es gab genügend Schulkameraden, die sich gar nicht wehrten. Max fand sie alle und Willy half keinem. Er war froh, mit Rita seine Ruhe zu haben. Erst Jahrzehnte später fragte er sich manchmal, ob er nach dem Tod irgendwie für diesen Egoismus würde büßen müssen. Dann starb Rita und er fragte sich, ob er schon tot war und büßte. Er war nie gläubig gewesen, aber Angst hatte er schon.
Leere Bierflaschen lagen da, wo sie sich einmal geküsst hatten. Zigarettenstummel. Bunte Schmierereien an den Wänden, die er aus der Entfernung nicht lesen konnte.
„Unmöglich, was?“
Willy fuhr zusammen. Neben ihm stand Max, die Rechte zur Faust geballt in der Linken ruhend, bereit zuzuschlagen und zuende zu bringen, was vor rund achtzig Jahren begonnen hatte.
Natürlich stimmte das nicht. Max war im Krieg gefallen. Angeblich hatte eine Mine ihn mit runtergelassenen Hosen in die Höhe katapultiert, nachdem er sich in einem russischen Wald zum Geschäft hinter ein paar Bäume zurückgezogen hatte. Auch so eine Sache, die Willy eigentlich nicht glaubte. Die Leute erzählten viel Mist über den Krieg. Trotzdem eine schöne Geschichte.
Statt des Quälgeistes von einst stand neben Willy ein kleiner dicker Glatzkopf von vielleicht sechzig Jahren auf der Suche nach einem Gespräch.
„Wird Zeit, dass die Stadt das alte Dinge endlich abreißt“, sagte der junge Mann. „Tagsüber spielen Kinder drin, irgendwann wird mal eins von einem Trägerbalken erschlagen. Und abends kann man sich hier nicht lang trauen, weil die Halbstarken auf dem Gelände herumlungern.“
Schimpfen auf die, die mehr Leben vor als hinter sich haben. Willy seufzte. Er war schon so viel weiter, sein Neid schlaff wie sein Zorn und sein Schwanz. Hier war keine Grundlage für ein Gespräch gegeben, aber der Kahle interpretierte den Seufzer als Einladung und stellte sich vor. Willy nahm die Hand und ignorierte den genannten Namen, ohne den eigenen preiszugeben. Er ging einfach weiter und hörte nach ein paar schlurfenden Schritten, dass der sich selbst Überlassende nicht länger über die Jugend, sondern über das demente Greisentum lästerte. Setz dich doch auf eine Mine, dachte Willy.

Das Waldstück brachte er hurtig hinter sich, sein nächster Halt war die Brücke. Einen Großteil des Weges hatte er nun geschafft. Wahrscheinlich hatte er sich zu lange an der Schule aufgehalten und sie suchten bereits nach ihm, schmiedeten Pläne zur Einschränkung seiner Privilegien. Er umklammerte das Geländer wie zuvor die Eisenstäbe des Zauns. Die Straße auf- und abgeblickt sah er Menschen, die sich um sich selbst kümmerten. Gut so. Schlecht war, dass er in einigen Metern Entfernung den Miesepeter wiedererkannte, der ihn vor der Schule angesprochen hatte. Erschrocken wich er Willys ertappendem Blick aus und fixierte den Hund, den ein Junge an der Leine spazieren führte.
Willy fühlte einen Fluch auf seiner Zunge tanzen, ein raues Wort, das ihm seit Jahrzehnten nicht mehr über die Lippen gegangen war. Es dachte an das teils schmerzhafte Training. Sollte alles umsonst gewesen sein, sollte eine einzige dumme Zufallsbegegnung sich nun zwischen ihn und Rita stellen? Wenn der Kahle das tat, würde er ihm die Nase blutig schlagen wie einst Max Kinkelbur? Wäre er dazu in der Lage, oder würden seine morschen Fingerknochen einfach am Gesicht des Verfolgers zerbrechen?
Das Geländer ging ihm bis über die Hüfte. Unten plätscherte der Fluss dahin. Eine Plastiktüte trieb vorbei. Willy schwang das Bein hoch, so schnell er konnte. Die Übung hatte sich ausgezahlt.
„Hallo, was machen Sie da?“, sagte der Miesepeter. Fragendes Gemurmel überall um ihn herum schwoll zu lauten Rufen an, während Willy das zweite Bein auf die andere Seite des Geländers zog. Der Junge rief etwas und sein Hund kläffte. Willy ließ los. Der Quatschkopf von vorhin hatte ihn erreicht. Die verspätete Hand reichte nutzlos über das Geländer in die Leere.
Willy fiel dem Wasser entgegen, erst in Zeitlupe, dann so schnell, huiuiui. Aus dieser Höhe war es hart wie Beton. Den Vergleich hatte er mal im Fernsehen gehört. Selbst der schönste Arzt der Welt würde ihm nur kopfschüttelnd ein Tuch über das Gesicht ziehen können wie dem Mordopfer in einem Edgar-Wallace-Krimi. Als wäre er nicht in die Weser gestürzt, sondern in die Themse, nach all der harten Arbeit.

 

Hi Proof,
ich habe vor einigen Tagen deine Geschichte gelesen, aber irgendwie konnte ich meinen Eindruck nicht so in Worte fassen. Ich probiers jetzt mal.

Was mir irgendwann so gekommen ist, ist, dass mich persönlich dieser Titel "Schwarzwaldklinik" am Anfang nur zaghaft die Story lesen ließ. Ich weiß schon, auf was du damit raus willst (seine Frau ihre Lieblingsserie), aber irgendwie verbinde ich die Schwarzwaldklinik auch immer mit total seichter Unterhaltung, die sich meine Oma reinzieht ;) Dieses Stigma hing deswegen beim Lesen irgendwie über den ganzen Text, und meine anfängliche Abneigung, hervorgerufen lediglich durch dieses Wort "Schwarzwaldklinik", hat einige Sätze gedauert, bis sie weg war. Für mich persönlich war es eben so. Du musst den Titel jetzt nicht ändern, aber wollte es dir bloß gesagt haben, dass es für mich so war.

Also entweder bist/warst du Pfleger in einem Altenheim, oder du hast dort öfter jemand besucht, weil die Details und das Gefühl - so ist es wirklich. Habe selbst einige Zeit in einem Pflegeheim gearbeitet, und diese ständige infantile Umgangsweise mit den Bewohnern muss für sie echt ätzend sein. Das versuchst du mit "dem Mark" immer beispielhaft zu zeigen, dieser Umgang zwischen respektlos, infantil bis hin zu fürsorglich. Das triffst du echt gut. Aber dieses "Huiuiui". Irgendwie hat das die ganze Ernsthaftigkeit aus der Geschichte genommen. Das machte den Mark irgendwie eher zu einer aufgedrehten Clownfigur, als zu einem respektlosen Pfleger. Finde ich. So wie ich es im Altenheim mitbekomen habe, haben die Pfleger da eher abgestumpft ihre Floskeln rausgehauen, und mit den Leuten so geredet, als ob man gelangweilt mit einem Kind reden würde. Weiß auch nicht. Irgendwie kam mir der Mark eben wegen diesem Huiuiui wie eine aufgedrehte Comicfigur oder so vor :)

Ansonst: Schreiben kannst du ja. Und lässt uns ganz tief in den Kopf dieses alten Mannes rein schauen. Du hast mich so arg mit ihm mitfühlen lassen, dass ich mich am Ende sogar gefreut habe, als er es geschafft hat, sich umzubringen - das muss man erstmal schaffen. Respekt.
Aber, ich weiß nicht, vielleicht ist es Geschmackssache, aber irgendwann ab hier

Willy hasste den Mark nicht. Für eine derart intensive Emotion hatte er keine Kraft mehr. Er mochte den unrasierten Bengel nur nicht besonders. Vorwürfe machte er sich deswegen keine. Wie sollte er einen Mann mögen, der ihn regelmäßig ins Bad begleitete und dort Zeuge einst zutiefst privater Vorgänge wurde? Der ihm die Achseln gewaschen hatte, den Schritt, die Füße und den Hintern?
bis ungefähr hier:
Der Schönste, für sein Alter unbedingt. Schade fand sie, dass man den nur fürs Fernsehen erfunden hatte. Gott sei Dank, fand Willy dagegen, war das alles nicht echt.
versinkt man ja beinahe in Willys Gedanken. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Irgendwie bekommt man, wie gesagt, einen richtig richtig guten Eindruck in sein Leben, aber irgendwie bleibt die Geschichte da auch auf der Stelle stehen, dreht sich im Kreis der Erinnerungen. Ich dachte mir irgendwann, vielleicht ist das ja gewollt, weil das Leben der alten Leute im Heim ja eigentlich so ähnlich ist: In Erinnerungen schwelgen, sich den Tag lang im Kreis drehen. Wenns so geplant ist, dann passts.

Auf den Fluren roch es nach Putzmittel mit Limette, sie schienen die Gänge damit zu fluten, ab 19 Uhr, wenn alle sich hingelegt hatten, ein paar für immer. Hektoliterweise mussten sie das Zeug einsetzen, aber statt das Aroma eingekackter Betten zu übertünchen, vermengte es sich damit zu einem ganz eigenen Geruch: Sterile Scheiße.
so ists einfach :D

Du hattest noch viele andere gute Stellen, aber dafür fehlt mir gerade die Zeit. Das war mein Highlight ;)

Hm alles in allem bin ich froh die Geschichte gelesen zu haben. Für alle, die noch nie in einem Altenheim waren: So ists wirklich. Man kommt sehr nahe an den Protagonisten ran, auch wenn es für mich irgendwie teilweise mühselig zu lesen war, muss ich gestehen.

Das sind so meine subjektiven Eindrücke, kann mir auch gut vorstellen, dass es für andere nicht so mühselig zu lesen ist, keine Ahnung, ich hoffe einfach, dass dich mein Eindruck zur Story irgendwie weiter bringt.

grüße, zigga! :)

 

Hallo Proof,

es ist natürlich klar, worauf diese Geschichte hinausläuft, aber du hast das sehr feinfühlig aufgebaut und das Thema mal umgekehrt dargeboten. Normalerweise hofft man ja, dass es dem Protagonisten nicht gelingt, sich das Leben zu nehmen, aber hier hast du das so hinbekommen, dass man den Tod wirklich als Erlösung betrachtet, und sich wünscht, dass der Willy es schafft, nach all dem Training. Das finde ich schon stark, auch, wie die Spannung da am Ende reinkommt mit dem Verfolger.
Ich finde die ganze Geschichte sehr authentisch und ich muss sagen, dass sie mich wirklich berührt hat. Kritik ist gar nicht aufgeploppt, so wie (mir) das meistens eigentlich beim Lesen passiert, und ich will jetzt auch nicht gezwungen danach suchen.
Trotz der traurigen Thematik habe ich die Geschichte sehr gern gelesen.
nur das:

Er hatte irgendwann Geisterfinger bekommen, die nur an der Kasse sichtbar wurden, wenn sie viel zu lange nach Kleingeld wühlten, bis die aus den Lautsprechern säuselnde Einkaufsmusik und das Anpreisen der Schweinekoteletts im Angebot das ungeduldige Schnaufen hinter ihm nicht mehr zu übertönen vermochten.
den Satz finde ich insgesamt zu lang, aber der erste Teil ist wirklich zum Niederknien!

grüßlichst
weltenläufer

 
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Hallo!

Trübe Augen blickten ihn aus dem Spiegel an. Sie waren welk und formlos wie der Rest von ihm.

Ich finde den Einstieg aus einer Reihe von Gründen nicht so günstig. Erstens weil hier schon nach dem ersten Satz ein Bruch folgt. Du beginnst mit den Augen im Spiegel, von denen „er“ angeblickt wird und im nächsten Satz wird diese künstliche Trennung zwischen Spiegelbild und dem, der davor steht wieder ausgewischt. Warum so beginnen, wenn man das so gar nicht ausführt. Warum dann nicht konsequent beibehalten und dem Blick des Protagonisten auf sein fremdes Spiegelbild folgen. Davon abgesehen sind mir da schon zu viele Adjektive, außerdem, na ja, das ist halt auch nicht so originell. Selbstentfremdung und Spiegelbild, das ist schon seehhr angestaubt ...

Der Mark macht noch dies, der Mark macht noch das, sagten die Schwestern immer, die lieben und die Fotzen gleichermaßen. Und dann bringt der Mark sie ins Bett.

Wen bringt er ins Bett, die Schwestern oder den Protagonisten?

Die Finger voller Flecke taten ihm weh.

Nee, das kann man so nicht sagen.

Ein Krächzen wie das eines sprechenden Raben in einem Märchen.

Krächzen reicht doch. Eine Stimme zu beschreiben, indem man sie mit etwas vergleicht, das es in Wirklichkeit nicht gibt und das man noch nie gehört hat, ist halt auch ... Das erleichtert es dem Leser doch nicht. Entweder er kann sich eine krächzende Stimme vorstellen, oder halt nicht. Macht es einen Unterschied, ob er da noch an einen Raben denkt? Überhaupt: Krächzen – Rabe. Das ist mir viel zu naheliegend. Das läuft bei mir automatisch mit, wenn ich Krächzen höre denke ich Rabe. Muss nicht gesagt werden.

Wie sollte er einen Mann mögen, der ihn regelmäßig ins Bad begleitete und dort Zeuge einst zutiefst privater Vorgänge wurde?

Einst zutiefst ließt sich ganz furchtbar.

Sorry, ich hab jetzt nicht mehr weiter gelesen, das hat mir gerade zu viel Geduld abverlangt. Da sind für mich zu viele Fehler und achtlose Formulierungen drin. Vielleicht schau ich ja später noch mal rein.

Gruß

Hal

 

Hi Proof,

hat mir gefallen, ist alles solide beschrieben und ordentlich miteinander verflochten. Pflegeroboter "der Mark", die Erinnerungen an die Frau und die großen Kämpfe seines Lebens, die beide mit Rita zu tun haben. Gegen Max, den er irgendwie doch gewann, und gegen den Herrn Professor, den er verloren haben dürfte, wie es wahrscheinlich fast allen gegangen wäre. gut dargestellt auch die Beschreibung stark eingeschränkter Mobilität und Souveränität, des Verlusts der Würde.
da ist es insgesamt schon nachvollziehbar, dass er sein letztes Training absolviert, um danach nichts mehr erreichen zu müssen. und soweit man das als Außenstehender beurteilen kann, klingt es auch glaubwürdig.
ob das Wasser wirklich so hart wie Beton sein wird und der Alte gnädigerweise beim Aufprall das Bewusstsein verliert? kann man ihm wohl nur wünschen, ist ja nicht gerade die effektivste und sauberste Art, sein Leben zu beenden, sich irgendwo hinunterzustürzen, da irren sich die Leute immer wieder. aber was soll er machen, Selbstmord wird einem ja nicht gerade leicht gemacht, vor allem in seiner Lage. also der Sturz in die Weser.
seine Situation ist bedrückend, der letzte Schritt hingegen hat ja was befreiendes, Suizid als letzter Ausweg aus dem "Gefängnis der Gegenwart", wenn es keine Hoffnung mehr gibt auf Besserung einer Lage, die man sich ohne viel Phantasie als quälend vorstellen kann. jedes altersschwache oder kranke Tier wird eingeschläfert, aber Menschen müssen bis zum Letzten in solchen Verwahranstalten gehalten werden, bis sie krepieren.
in dem solide steckt natürlich die Einschränkung, dass mich die Geschichte nicht vom Hocker reißt. sie wirkt durchdacht und wird konsequent auf den Endpunkt fortgeschrieben, fast jede Szene hat ihre Funktion, und all die kleinen Einzelszenen ergeben ein schlüssiges Gesamtbild.
dem es allerdings ein wenig an Leben mangelt, es scheint mir eben wie die literarische Abhandlung eines bestimmten Themas, nicht wie eine Geschichte, die wirklich erzählt werden will, die von dem drängenden Anliegen des Erzählers angetrieben wird.

beim Titel weiß ich nicht recht, ideal scheint es nicht, einfach den Namen der Serie zu übernehmen - der impliziert eher Tod durch Langeweile, als den Einbruch des Todeswunsches in die Gleichförmigkeit seines Alltags. ich denke, das Wort wäre schon ein legitimer und guter Startpunkt, weil "Schwarzwaldklinik" immer noch sehr bekannt ist und auch etwas grausliges hat, müsste aber irgendwie verändert, abgewandelt werden, so dass etwas mehr dabei rausspringt, als es selbst der Verweis auf eine wichtige Erinnerung ist. etwas, das das spezifische Thema andeutet, weißt du ja.

dieses "Huiuiui" zeigt, wie er wahrgenommen und behandelt wird, es ist wirklich etwas lästig, das immer wieder lesen zu müssen. andererseits ist es halt auch ausdrucksstark. zu "dem Mark" hat der Protagonist ja die intensivste Beziehung, und welcher Art diese Beziehung ist, das zeigt eben auch "Huiuiui".

Grüße
Kubus

 
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Hallo Proof,

bin vielleicht ein bisschen spät dran, weil das meiste von meinen Vorrednern schon erwähnt wurde, aber möchte mich noch mit einem großen Lob anschließen. Ja, mich hat es auch total berührt.

Mir gefällt der Aufbau; eine durchdachte und glaubwürdige Geschichte, wie ich finde. Da ist alles in sich stimmig - authentisch. Man erfährt sehr viel über den alten Mann und es war gar nicht schwer, sich da reinzudenken. Deine anschauliche Schilderung ließ mich tief in Willys Welt eintauchen.

Entweder hast du eine sehr feine Beobachtungsgabe, oder (wie zigga es schon vermutet hat)
in irgendeiner Form schon einmal Bekanntschaft mit einem Altenheim gemacht.

Ziemlich schnell war klar, auf was es hinausläuft. Als wenn es nicht schon deprimierend genug wäre, dass sich der körperliche Verfall im Alter nicht aufhalten lässt, erkennt Willys klarer Verstand auch noch, in welch gräßlicher Lage der Hilflosigkeit er sich befindet und schlimmer noch, ... den Verlust der Würde.


Mit der resignierten Geduld eines Verdammten hatte er seine Zeit abgesessen. Wegen des Marks hatte er diese Geduld verloren und seine Leibesübungen aufgenommen.


An vielen Stellen bringst du Willys unerträgliche (oder sollte ich besser sagen beschissene?!) Situation stark zum Ausdruck.

hier:

Willy stöhnte den Schmerz in seiner Hüfte weg und trainierte weiter, lächelte beim Mittagessen wie gewohnt, während sie ihm weiches Fleisch schnitten. Sie lächelten zurück, weil sie keine Ahnung davon hatten, was ihn wirklich so erfreute, und das machte ihn stolz. Es war etwas Besonderes, ein Geheimnis zu haben, wenn man sich nicht einmal mehr selbst den Hintern abwischte.

und hier:

Willy hasste den Mark nicht. Für eine derart intensive Emotion hatte er keine Kraft mehr.


Einmal kurz meckern ist doch erlaubt? Über diesen Satz bin ich nämlich auch gestolpert.


Wie sollte er einen Mann mögen, der ihn regelmäßig ins Bad begleitete und dort Zeuge einst zutiefst privater Vorgänge wurde?

"einst zutiefst" hört sich nicht gut an. (wie auch schon von Hal kritisiert wurde.)

Ansonsten könnte ich haufenweise schöne Formulierungen zitieren; habe eine Menge Highlights entdeckt! ;)


ach hier - noch ein kleiner Fauxpas:

Der Mark macht noch dies, der Mark macht noch das, sagten die Schwestern immer, die lieben und die Fotzen gleichermaßen. Und dann bringt der Mark sie ins Bett.

bissel verwirrend, wer wen ins Bett bringt. Gänsefüßchen: „Und dann bringt der Mark sie ins Bett."


Obwohl man sich das alles eigentlich gar nicht vorstellen mag und beängstigende Gedanken - wie auf den seltsamen Pfleger, "den Huiuiui-Mark" angewiesen zu sein -, weit wegschieben möchte, wird man doch von deinem Text gefesselt und in die grausame Welt der Hoffnungslosigkeit hineingezogen. Man fühlt und leidet mit Willy, spürt die Resignation. Ja, man beginnt zu begreifen, warum er keinen Sinn mehr in seinem Leben sieht und als Leser sogar bereit ist, den Selbstmordplan deines Protagonisten zu akzeptieren.
Nein, ihm - zum Ende hin - (als sein Plan durch den Verfolger kurzzeitig gefährdet ist) sogar wünscht, dass sein Selbstmord doch gelingen möge und ihn von seinen Qualen erlöst.

(Obwohl ich es ganz schrecklich finde, wenn jemand freiwillig aus dem Leben scheidet, weil er keinen Ausweg mehr sieht .. und hier plötzlich eine ganz andere Perspektive geboten wird!)


Zum Titel: "Schwarzwaldklinik" ergibt sich aus dem Text und von daher finde ich ihn gar nicht schlecht.
Nur fällt mir da sofort der grauselige Onkel Doktor wieder ein, Ritas Schwarm. :schiel:
Wir müssen den Titel doch ändern, :idee: in "ER" = emergency room mit George Clooney, dann passt der Text wieder. (*g*)

und lobte die sensible Männlichkeit des schönsten Arztes aller Zeiten. Der Schönste, für sein Alter unbedingt.

doch dann legte Rita nach.
„Ein gutaussehender Mann ist das, auch schlank, in dem Alter.“

Ja, sag mal Proof, äh .. Rita, :confused: ich glaub`, ich bin im falschen Film! :lol:


Eine gelungene Geschichte, sehr gerne gelesen!
(wenn man das von einem traurigen Inhalt überhaupt so sagen kann.)


Liebe Grüße,

Darkeyes

 

Hallo Proof

Schon in den ersten Absätzen fiel mir der Gegensatz zu andern Geschichten von dir auf, nicht weniger professionell, aber verstärkter humorvoll. Das Châssis déformer und die Inkontinenz des Alten, sind da in einen anschaulichen Rahmen gesetzt. Manches, was da als Geschichte überspitzt klingt, scheint mir doch recht wirklichkeitsnah. Wenngleich, vereinzelt traten auch Sätze auf, die mir trotz der Kauzigkeit des Alten etwas abgehoben erschienen. Nicht die Stimme des Raben, diese war mir in ihrer Bildsprachlichkeit gut vorstellbar.

Der Mark macht noch dies, der Mark macht noch das, sagten die Schwestern immer, die lieben und die Fotzen gleichermaßen. Und dann bringt der Mark sie ins Bett.

Unmissverständlich, doch denkt der Willy Riesner in diesen Worten? Es muss nicht unmöglich sein, doch stolperte ich darüber.

Klausjürgen Wussow spielte Jahre später einen Arzt in dieser furchtbaren Fernsehserie für Frauen.

Ach darum dieser Titel. Ich hatte nicht damit gerechnet einen direkten Bezug im Stück zu finden, liegen zwischen Klinik und Altenheim doch eine fragile Grenze. Aber damit finde ich ihn gut gewählt.

Weil sie auf ihrem tragbaren Telefon herumtippte – was, um Gottes Willen, waren das heutzutage für endlos lange Telefonnummern, dass die Leute ständig auf die winzigen Tasten einhacken mussten?

Diese Einfühlsamkeit in das Denken der Alten fand ich erfrischend originell. Meine Schwiegermutter hatte mit 84 ihr Handy aufgegeben, da ihr die Tastatur zu klein war und sie mit abbauender Motorik sich zu oft verwählte, manchmal wurde gar die ursprüngliche Werkeinstellung erforderlich. Aber daraus schliesse ich, dass Willy noch ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel hat.

Das Ende fand ich überraschend, keineswegs realitätsfremd, doch auch dieses mit einer Prise Humor verpackt.

Also bei Gelegenheit muss ich die Geschichte in Grossschrift ausdrucken und meiner Schwiegermutter in den Alt-Damenstift bringen, zur Erheiterung.

Ich habe mich über diese Seite des Alltags sehr amüsiert, obwohl es natürlich auch herbe Wirklichkeit widerspiegelt, die du sehr gelungen eingefangen hast.

Schöne Grüsse

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

Les enfants,


zigga:

Also entweder bist/warst du Pfleger in einem Altenheim, oder du hast dort öfter jemand besucht

Weder noch. Ich mach von Beruf Journaille, und es ist ein Klischee, aber es stimmt tatsächlich: Man bekommt die Gelegenheit, hinter unheimlich viele unterschiedliche Kulissen zu gucken. Der Umgang mit alten Leuten in unserer Gesellschaft bricht mich aber prinzipell ziemlich an, insofern denke ich da oft drüber nach.


Das versuchst du mit "dem Mark" immer beispielhaft zu zeigen

Mir geraten Figuren manchmal zu arschig. Der Mark macht auch nur seinen Job, denke ich.


Aber dieses "Huiuiui".

Tut mir leid, aber ich mag's.


dass ich mich am Ende sogar gefreut habe, als er es geschafft hat, sich umzubringen

Eigentlich sollte es eine Pointen-Geschichte sein. Leser sollten denken „Will er jetzt türmen, oder was, wie aus'm Knast“?


Respekt.

Throw ya muthafuckin' gunz in the air!!!


Ich dachte mir irgendwann, vielleicht ist das ja gewollt, weil das Leben der alten Leute im Heim ja eigentlich so ähnlich ist

So lala. Hier im Forum gibt es viele Selbstmordgeschichten, in denen es nur um den Knalleffekt des Suizids geht (Ooooooh, geht’s dem schlecht …). Ich wollte es nachvollziehbar machen. Außerdem wollte ich selbst verstehen, es zumindest versuchen, was in jemandem vorgeht, der, naja, in einem Alter, in dem man sagen könnte, die paar Monate hätte er jetzt auch noch warten können … Bin auf die Geschichte gekommen, weil vor zwei Jahren in Hameln ein über 90-Jähriger von einer Brücke gesprungen ist.


weltenläufer:

es ist natürlich klar, worauf diese Geschichte hinausläuft

Schade.


Ich finde die ganze Geschichte sehr authentisch und ich muss sagen, dass sie mich wirklich berührt hat.

I frei mi.


Hal:

Ich finde den Einstieg aus einer Reihe von Gründen nicht so günstig.

Tatsächlich hadere ich selbst noch mit dem Einstieg, wenn auch aus banaleren Gründen. Zu einen mag ich den Klang von „ihn“ und „ihm“ in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen nicht, zum anderen fällt der erste Absatz schon ganz schön mit der Tür ins Haus. In letzteren Vorbehalt gehört dann vielleicht auch das Spiegelthema.


Wen bringt er ins Bett, die Schwestern oder den Protagonisten?

Irre, was so'n Buchstabe ausmacht. Das „Sie“ muss natürlich groß.


das kann man so nicht sagen.

Seh' das Problem nicht.


Die Raben-Metapher … hm, hm, hm. Weiß nicht, vielleicht habe ich da weniger Schwierigkeiten mit, weil ich viel phantastisch unterwegs bin. Das Argument „Warum mit etwas vergleichen, das es gar nicht gibt?“ klingt ansonsten schon einleuchtend. Muss ich mal drüber nachdenken.


Einst zutiefst ließt sich ganz furchtbar.

Ja, beim laut Lesen fällt's auf.


Da sind für mich zu viele Fehler und achtlose Formulierungen drin.

?


Kubus:

ideal scheint es nicht, einfach den Namen der Serie zu übernehmen

Ich hab's s mit etwas rotzig anmutenden Ein-Wort-Überschriften. Außerdem scheint es mir passend, weil der Serientitel für eine Welt steht, die so heile ist, dass man schreien und etwas kaputt schlagen möchte, so dick ist die Lüge.


dieses "Huiuiui" zeigt, wie er wahrgenommen und behandelt wird, es ist wirklich etwas lästig, das immer wieder lesen zu müssen

Ich glaube, es kommt doch insgesamt nur dreimal vor?


Darkeyes:

in irgendeiner Form schon einmal Bekanntschaft mit einem Altenheim gemacht.

Mich freut dieses Kompliment immer. Bei „Schinesisch“ haben auch einige Leser gedacht, ich hätte das so oder so ähnlich selbst erlebt.


An vielen Stellen bringst du Willys unerträgliche (oder sollte ich besser sagen beschissene?!) Situation stark zum Ausdruck.

Ich hatte irgendwie das Gefühl, ich übertreib's ein bisschen mit den vollgeschissenen Hosen.


man beginnt zu begreifen, warum er keinen Sinn mehr in seinem Leben sieht und als Leser sogar bereit ist, den Selbstmordplan deines Protagonisten zu akzeptieren.

Ja, das ist ja das Ding bei Suizid im hohen Alter. Was willst du dem entgegen halten? Mensch, Alter, mach keinen Scheiß (haha), du hast doch so viel, wofür es sich zu leben lohnt (hahahaha).


Vielen Dank für Eure Kritiken, Anmerkungen, Verbesserungen!


Grüße
JC

 

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