Schwarzer Tag...
Sie kennen das sicher auch: es gibt da diese Tage, an denen alles, wirklich aber auch alles schief zu gehen scheint.
Das extremste Beispiel, was ich von Berufswegen her als Fernfahrer erlebte, bestand in sage und schreibe zwei Vollsperrungen an einem Tag! Und trotzdem schaffte ich es an diesem Tag noch von Passau bis nach Italien hinter Piacenza (wie Sie sich denken können, war es mit der Einhaltung von zulässiger Schicht- und Lenkzeit dann auch nicht mehr weit her!).
Es ging an diesem Tag morgens so kurz nach sechs Uhr in der Nähe von Passau los, wo ich zwei 6-Meter-Container mit Getränken und Fruchtsäften beladen lassen musste. Noch auf dem Betriebshof der Firma wurden die beladenen Container dann versiegelt und mit massiven Plomben versehen – bestimmt war die Ware für den Hafen von Genua und von dort weiter für Ägypten.
Für die Weiterfahrt nach Rosenheim benutzte ich ein kurzes Autobahnstück (nur von einer Anschlussstelle zur nächsten) bei Passau. Das war ein großer Fehler! Weder über das Radio, noch über das Funkgerät waren mir Warnmeldungen zugegangen und so kam ich schon nach wenigen Kilometern an das Ende eines offensichtlich längeren Staus. Minuten zuvor hatte ein Busfahrer sein Fahrzeug auf unserer Seite umgeschmissen und es schien sehr viele Verletzte zu geben. Auf jeden Fall dauerte es nicht lange und wahre Unmengen von Rettungsfahrzeu-gen bahnten sich ihren Weg durch den Stau zur Unfallstelle hin. Es handelte sich also um den schlimmsten denkbaren Fall auf einer Strecke – eine Vollsperrung! Da weiß man nie, wann es weitergeht und wenn es Tote gegeben hat, muss sogar vor Räumung der Unfallstelle noch der Staatsanwalt abgewartet werden. Wahrlich „schöne“ Aussichten!
Die Zeit zog sich dahin – und irgendwann durften auf polizeiliche Anweisung hin die Pkws umdrehen und zur letzten Anschlussstelle zurückfahren. Wir LKWs mussten weiter warten – insgesamt über fünf Stunden! Ich nutzte die Zeit (man hat ja schließlich im Fernverkehr eine gewisse Lebensmittel-Grundausrüstung dabei), mir was zu essen und einen Kaffee zu machen und mich schließlich auch schlafen zu legen. Das schien noch am Vernünftigsten!
Schließlich kam ich nach Rosenheim. Und da ereilte mich unerwartet die nächste Vollsperrung!
An einer Umleitungsstrecke in der Stadt wegen einer Unterführung mit niedriger Durchfahrtshöhe stand ich genau an einer Ampel neben einem Schnellimbiss. Und im Moment, bevor ich an der roten Ampel zu stehen kam, lief einem anderen LKW, der unmittelbar wohl vor mir um die Kurve in Richtung Autobahn gefahren war, genau vor dem Schnellimbiss eine alte Dame ins Fahrzeug und wurde mit tödlichen Folgen überrollt. Die Situation auf der Kreuzung war nun genauso, dass an ein Vorbeikommen an dieser Unfallstelle nicht im Mindesten zu denken war.
Es war widerlich zu beobachten, wie die Gäste im Schnellimbiss, die einen geradezu speziellen Blick auf die Unfallstelle und die überfahrene alte Dame, die man zwischenzeitlich wenigstens mit einer Plane abdeckte, hatten, sich so genüsslich ihre Hamburger schmecken ließen und sensationsgierig auf die Szene starrten! Als wenn man da noch Appetit haben könnte!
Herumstehende und gaffende Passanten draußen um die Unfallstelle waren auch nicht besser – was bitteschön soll denn das?! Diese miese Sensationslust ist wirklich das Allerletzte!
Nach zwei Stunden Wartezeit konnte ich endlich weiterfahren. Inzwischen war es schon längst Nachmittag und ich hatte noch den verdammt langen Weg nach Genua vor mir.
Ich fuhr, um die viele verlorene Zeit noch irgendwie wett zu machen, noch die Nacht durch bis etwa 4.30 Uhr, wo ich hinter Piacenza an der Autobahn dann zum Stehen kam und mir knappe und überaus notwendige sechs Stunden Schlafpause gönnte – nach über 21 Stunden Schichtzeit! Aber wie schon des Öfteren erwähnt, kennen die Spediteure ja meistens keine Gnade für ihre Fahrer – Verzögerungen wie diese Vollsperrungen unterwegs müssen halt irgend- und egal wie wieder eingeholt werden. Da kümmern dann keine gesetzlichen Vorschriften und der Fahrer kann schauen, wie er das auf die Reihe bringt...
Meine beiden Container konnte ich rechtzeitig im Hafen von Genua abliefern – später sollte sich noch herausstellen, dass auf dem eigentlich bewachten Hafen- und Reedereigelände die beiden Container aufgebrochen und einiges von der Ware gestohlen wurde. Aber eigentlich kein Wunder, wenn man sich anschaut, was für eine Art von „Volk“ überall in Hafenbereichen so unterwegs ist und rumlungert. Als LKW-Fahrer sollte man sich schon genau überlegen, ob und wo man in solchen Gebieten über Nacht stehen bleibt.