Schwarze Ehre
Schon wieder landeten Bomben und endeten in einer Explosion und einer Schockwelle, die dem Fenster das Letzte gaben. Die Splitter flogen durch das ganze Zimmer, trafen mich aber zum Glück nicht. Der Fliegeralarm, der in unserem Dorf stand, heulte schon seit mehr als einer Stunde. Ein grauenvolles Geräusch. Als ich aus dem zersplitterten Fenstern sah, konnte ich meinen Augen nicht trauen. Zerstörte Häuser in beiden Richtungen der Straße, verletzte Menschen, die in den Trümmern der Häuser Schutz suchten, um den nächsten Angriff der Bomber zu überleben und Meter hohe Rauchsäulen, die in den Himmel stiegen und dort in der Dunkelheit der Nacht verschwanden. Ich erinnerte mich noch genau, wie es am Tag zuvor hier aussah, Kinder spielten auf der Straße, Frauen mit Tüchern in der Hand huschten von Haus zu Haus, um sie zu verteilen und ab und zu marschierte ein oder zwei Soldaten durch die Straße und fragten, ob sie bei etwas behilflich sein konnten. Doch das Bild, was ich in meinem Kopf hatte, wurde immer unerkennbarer, umso länger ich auf die Trümmer starte. Ich versuchte mir das Bild im Kopf zu behalten und schaute in den Himmel auf, doch dort sah es noch schlimmer aus. Die drei Suchscheinwerfer, die unser Dorf besaß, leuchteten alle in den Himmel, wenn man genau hinsah, sah man neben den Rauch und den Funken, riesige Silhouetten. Die Bomber, um genauer zu sein amerikanische Boeing B-17. Ich wusste nicht genau wie viele es waren, man sah in den Lichtkegeln nur Teile von ihnen und es war zu Dunkel um den Rest zusehen. Die einzige Flak, die unser Dorf besaß, war damit beschäftigt die Bomber vom Himmel zu holen, doch sie war zu alt und es musste wohl sehr schwierig sein, ein Flugzeug auf so einer Höhe überhaupt zutreffen. Zum Glück konnte ich mir das merken, was wir darüber gelernt hatten. Vor einer halben Stunde war der Generalleutnant der Armee, die in unserem Dorf stationiert war, hier, er hat zu meiner Mutter gemeint, dass Flakpanzer auf den weg waren und auch LKWs, die die Zivillisten sicher aus dem Dorf holen würden, das war vor einer halben Stunde so, jetzt waren die Straßen verschüttet oder ganz zerstört und langsam fragte ich mich was mehr Flaks bringen sollten, unser Dorf war sowieso schon zerstört. Auf einmal stoppte das Heulen des Fliegeralarms und eine Durchsage begann: „Alle die sich noch selbst retten können sollen zur Nordseite des Dorfes kommen, dort stehen LKWs, die sie sicher zum nächsten Militärlager bringen“. Die Durchsage wurde noch zweimal wiederholt, danach ging das Heulen weiter. „Brennon!“, das war meine Mutter „Komm wir müssen schnell zu den LKWs, bevor sie ohne uns losfahren.“. Ich ging von meinem zersplitterten Fenster weg um zu meiner Mutter zugehen. Als ich die Treppe hinunterging waren die meisten Bilder von der Wand gefallen und die Tapete fing an, sich durch die Hitze der Brände die um das Haus wütenden und auch von den Erschütterungen, von der Wand zurollen, ich wunderte mich immer noch warum unser Haus nicht von den Bomben getroffen worden war. Als ich meine Mutter sah, war das erste was ich bemerkte, dass sie mich anlächelte, doch als ich ihr in die Augen blickte, sah ich die Verwirrung, die Angst, die Trauer und die Erschöpfung, die an ihr nagte. Nachdem wir das Haus verlassen hatten, spürte man erst richtig die Hitze, die von den Trümmern der Häuser kam, andere Familien versuchten durch die Trümmer, zur Nordseite zukommen, doch sie scheiterten daran, weil Trümmer Stücken oder Feuer ihren weg blockierten. Meine Mutter und ich gingen über die Straßen, oder was von ihnen noch übrig war, zu dem Treffpunkt. Sie hielt mich an der Hand und zerrte mich Regelrecht. Als wir fast da waren, knallte es auf einmal Laut neben uns und eine Schockwelle riss uns beide auseinander. Ich landete unsanft auf dem Rücken und spürte, wie die Luft mir aus der Lunge gedrückt wurde. Als ich mich wieder aufrappelte, sah ich wie meine Mutter ungefähr 20 Meter von mir entfernt auf dem Bauch lag. Ich bekam Angst und frage mich, ob sie Tod war, doch ich sah, wie sie vor Schmerz zitterte. Ich wollte gerade losrennen, als ich ein lautes Knacken vernahm und das Haus, was genau neben meiner Mutter war, anfing auf sie zu stürzen. Die Angst, die ich vorher hatte, kam wieder zurück. Ich rannte los, so schnell ich konnte, „MAMA!“, ich rief sie immer wieder, doch sie antwortete nicht. Sie drehte sich langsam um, immer noch vor Schmerz zitternd. Kurz bevor das Haus sie traf, sah ich ihr ins Gesicht, die Zeit fühlte sich an, als würde sie sich nur für diesen Moment verlangsamen, sie weinte, aber sie lächelte auch, „Es… tut… mir Leid“, das war, dass letzte, was ich von ihr hörte, obwohl sie so weit entfernt war. Mit einem lauten Knall stürzte das Haus auf dem Boden, ich spürte wie die Erde zu zittern begann und wurde von einer zweiten Schockwelle, die von Staub verfolgt wurde, auf dem Bauch geworfen. Ich wurde für kurze Zeit Bewusstlos. Als ich wieder zu mir kam, drückte ich mich hoch und humpelte zu den Trümmern des umgefallenen Hauses. Ich blieb genau davorstehen und sackte auf die Knie „nein… Nein… NEIN!“, das schrie ich mehrmals in den Himmel, ich wusste das sie Tod war, so etwas konnte keiner Überleben, aber warum, warum musste meine Mutter sterben, sie war die netteste und fürsorglichste Frau die ich je in meinem Leben getroffen hatten. Ich spürte, wie das Schreien mir Kraft raubte und sackte weiter auf meine Arme zusammen. Tränen flossen von meinen Augen über meine Wangen und tropften auf den Staub verdeckten Boden. Ich sah Bilder vor mir, Zeiten als ich noch Jünger war und mit ihr gespielt habe oder ihr geholfen habe, wenn Papa auf der Arbeit war. Ich erinnere mich auch noch an den Zeitpunkt als der Krieg begann und mein Vater zur Armee musste, nachdem er das Haus verlassen hatte, hielt meine Mutter meine Hand und sagte zu mir das alles gut wird, „Es wird nichts gut Mama, GAR NICHTS!“. Ich setzte mir ein Ziel. Wenn ich das hier überleben würde, werde ich zur Armee gehe und so lange kämpfen, bis die Feinde untergehen und dafür bezahlen, was sie mir genommen hatten.