Was ist neu

Schwarz

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16.04.2022
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Schwarz

Ich stecke den Schlüssel in das Türschloss und mein Blick streift den knallig blauen Herzanhänger, welcher daran baumelt. Hat man mich früher nach meiner Lieblingsfarbe gefragt, habe ich immer sofort Blau gesagt. Deswegen hat Mutter mir genau diesen Anhänger gekauft. Ich drehe den Schlüssel im Schloss und versuche möglichst leise, die Tür aufzuziehen. Ich denke, ich kann unbemerkt in mein Zimmer schleichen und so tun, als wäre ich schon seit Stunden da. Das kann ich gut, unsichtbar sein. Jahrelange Übung.
»Sag mal«, höre ich Mutter aus der Küche rufen und zucke zusammen. Dann kommt sie schon zu mir in den Flur gestapft, bleibt vor mir stehen, einen Arm in die Hüfte gestützt, den Kopf geneigt, »du hast es vergessen, oder?«
Das kann sie gut, mich durchschauen. Jahrelange Erfahrung. Aber ich möchte trotzig sein, wahrscheinlich weil mein Plan mit dem Ins-Zimmer-Schleichen nicht aufging, vielleicht auch weil ich keine Ahnung habe, wovon sie spricht.
»Was denn vergessen?«, frage ich.
Wir stehen uns wortlos einige Zeit gegenüber und starren uns an. Ich werde nicht nachgeben, so viel steht fest.
Da seufzt Mutter schwer, schüttelt den Kopf, fixiert mich, mit ihrem enttäuschten Blick. »Die Überraschung wartet in deinem Zimmer auf dich.«
Erst da fällt es mir wieder ein. Sie hat eine Überraschung angekündigt, schon vor Tagen. Hat versucht, eine große Sache daraus zu machen, immer mit diesem besonderen Lächeln und geheimnisvollen Andeutungen. Und ich habe es vergessen! Heute ist der große Tag. Ich hätte schon vor Stunden zuhause sein sollen. Ich habe es einfach vergessen.
Mutter geht zurück in die Küche, schneidet Tomaten, sagt nichts mehr, schnauft nicht einmal, macht einfach mit dem Essen weiter und ignoriert mich, wie ich sichtlich überfordert regungslos dastehe, mit meinen Gedanken beschäftigt. Wie konnte ich das nur vergessen!?
Ganz benommen gehe ich schließlich in mein Zimmer, was soll ich sonst machen? Noch bevor ich die Tür ganz geöffnet habe, nehme ich einen veränderten Geruch wahr, nach trockenem Gras oder Holz, irgendwie neu, definitiv anders als sonst und dann sehe ich es, direkt auf meinem Schreibtisch steht nun ein großer kuppelförmiger Käfig in Beige und Gold. Darin sitzt ein eisblauer Wellensittich. Vorsichtig nähere ich mich und spüre, wie er mich mustert.
»Hallo mein kleiner Freund«, sage ich ganz leise, »ich bin Lara.«
Ich setze mich an den Schreibtisch und beobachte den Vogel, der ganz still auf seinem Stöckchen sitzt. Der soll jetzt mir gehören? Gedankenverloren zupfe ich an seinem Käfig herum. Mutter hat die Angewohnheit, mir blaue Dinge zu kaufen, das war schon immer so. Meine Augen sind eisblau, dazu habe ich eine helle Haut und pechschwarze Haare, eigentlich eine schöne Kombination, außergewöhnlich und das wurde immer von allen bewundert, schon seit ich ganz klein war; besonders als ich klein war. Damals haben selbst Fremde, Mutter beim Einkaufen angesprochen, sind einfach stehen geblieben und haben mich wie ein Gemälde betrachtet, ganz ungläubig, sich an die Brust gefasst, so ein schönes Kind, so wunderschöne blauen Augen. Mutter hat mir dann immer häufiger blaue Sachen gekauft, blauen Schmuck und Haarbänder, unzählige kleine blaue Kleider, mein Kleiderschrank eine Sammlung aller Farbstufen von Blau. Hat man mich damals nach meiner Lieblingsfarbe gefragt, habe ich sofort Blau gesagt. Jetzt, nach all den Jahren, bin ich gar nicht mehr so sicher. Für Mutter ist das Blau meiner Augen immer noch das Schönste und deswegen auch der blaue Schlüsselanhänger, deswegen genau dieser Vogel. »Weißt du das?«, frage ich ihn, »weißt du, warum ausgerechnet du hier bist?« Er antwortet nicht, aber ich kann ihm ansehen, dass er es weiß. Er weiß es ganz genau.


Früher bin ich nach der Schule immer noch ein wenig umhergewandert, ohne zu wissen wohin. Bei einem dieser Streifzüge bin ich in die Irrgänge eines Maisfeldes geraten und wie zufällig auf einem mit Gras bewachsenen Hügel gelandet, welcher vollkommen abgeschirmt, ringsherum eingefasst von Maisfeldern, absolut verlassen dalag; nur das Summen von Insekten war zu hören. Seitdem verbringe ich meine Nachmittage meistens auf dem Hügel, werfe mich rücklings ins Gras, verschränke die Hände hinter dem Kopf und betrachte den ewig blauen Himmel. Manchmal mischen sich weiße Wolken in das Bild, riesige weiße Wattebäusche, die sich in meiner Phantasie dann zu großen Götterbildern entfalten, ohne mein Zutun zu einem phantastischen Film werden. Das ist viel spannender als mein eigentliches Leben, vor allem aber weniger einsam. Ich mag das Alleinsein. Doch Einsamkeit ist etwas ganz anderes. Ein Gefühl, als würde ein kaltes, dunkles Loch im Bauch sich immer weiter ausdehnen, bis es auch den Kopf einnimmt und dann? Ich spüre Einsamkeit am meisten, wenn ich Menschen um mich herum sehe, überall sind sie in Gesellschaft, nicht nur in der Schule, auch auf den Straßen und beim Einkaufen. Einmal hat mich der Verkäufer vom Kiosk gefragt, wo ich denn meine Freunde immer lasse und da bin ich einfach weggerannt, habe meine Papiertüte mit Schlümpfen und Erdbeeren zurückgelassen und bin gerannt. In den Kiosk bin ich nie wieder gegangen. Dasselbe kann ich mit der Schule ja nicht machen, da muss ich jeden Tag hin, noch für Jahre. Beim Gedanken daran wird mir ganz schlecht. Erst heute habe ich sie wieder über mich reden hören.
»Lara ist so komisch! Wie sie immer an uns vorbeischwebt und sich für keinen interessiert«, hat ein Mädchen aus meiner Klasse zu einem anderen gesagt, »Und besonders hübsch ist sie auch nicht.« Das andere Mädchen sagte darauf: »Ich finde sie sogar richtig hässlich. Die braucht sich mit ihren scheiß blauen Augen nicht einbilden, dass sie was besseres ist.«
Ich versuche, die Erinnerung wegzupacken, in eine Schublade zu stecken und diese abzusperren. Doch egal welche Schublade ich aufziehe, es fliegen mir nur mehr solcher Erinnerungen entgegen. Da schaue ich so lange in den Himmel, bis es keine Rolle mehr spielt.

»Wo warst du schon wieder die ganze Zeit? Ich habe mir Sorgen gemacht!«, höre ich Mutter rufen, noch bevor ich ganz zur Tür herein bin.
»Ich war doch nur draußen«, entgegne ich, schlüpfe aus den Schuhen und will direkt in mein Zimmer gehen.
»Mit jemandem aus der Schule?«
»Ja«, antworte ich, doch wir wissen beide, dass es gelogen ist.
»Ich mag es nicht, wenn du so spät noch unterwegs bist.«
Sie will eigentlich sagen, sie mag es nicht, dass ich alleine unterwegs bin. Nur darum geht es ihr. Meine eigene Mutter hält mich für eine Eigenbrötlerin. Das Schlimmste ist, sie hat Recht. Ich rolle nur mit den Augen.
»Du musst dich um den Vogel kümmern, Lara. Es ist nicht gut, wenn er den ganzen Tag alleine ist. Das ist ein lebendiges Wesen und du hast jetzt die Verantwortung dafür.«
»Echt jetzt? So eine riesige Scheiße!« Ich stürme in mein Zimmer.
»Junge Dame-«, höre ich Mutter noch rufen, doch da habe ich die Tür schon zugemacht und lehne mich mit meinem ganzen Gewicht dagegen, würde am liebsten mit voller Wucht zwanzig Türen zuknallen, dass es so richtig kracht. Doch so etwas mache ich nicht. Keine lauten Gesten. Laut wird es nur in meinem Inneren. Ich spüre ein Zittern in meiner Brust und meine Hände ballen sich zu Fäusten. Da macht der Vogel plötzlich einen Laut, zwitschert und schlägt ein paar Mal mit den Flügeln aus. Ich mustere ihn, während ich versuche, meine Atmung zu kontrollieren. Jetzt sitzt er wieder ganz ruhig auf seinem Stöckchen, doch verliert mich keine Sekunde aus den Augen, starrt mich reglos durch seine schwarzen Murmelaugen an. Es ist, als würde er mich vorwurfsvoll anglotzen, als würde er mir sagen wollen, wegen dir wurde ich von meinen Freunden getrennt, wegen dir kann ich nicht mehr fliegen und sitze in diesem kleinen Käfig fest, wegen dir bin ich einsam. Und er hat ja Recht, es ist das Blau meiner Augen, das sein Schicksal besiegelt hat. In meinem Kopf entsteht so etwas wie ein Plan, ganz logisch fügt sich ein Punkt an den anderen.
»Du willst nicht bei mir bleiben, oder?«, frage ich ihn, »Du willst nach draußen fliegen?«
Ohne seine Antwort abzuwarten gehe ich ans Fenster, löse die Verriegelung und öffne es weit. Ich verkeile es mit einem dicken Buch und lehne mich einen Moment nach draußen. Es ist angenehm und windstill.
»Wahrscheinlich hast du am Ende sogar Glück, dass du diese eisblauen Federn hast«, erkläre ich ihm, »denn anders als deine ganzen Freunde, die immer noch in dem Käfig im Laden eingesperrt sind, bist du derjenige, der in die Welt fliegen wird.« Ich öffne das Türchen des Käfigs und entferne mich ein Stück.
»Los, Vogel«, fordere ich ihn gönnerhaft auf. »Ich entlasse dich in die Freiheit.«
Schnell und mühelos fliegt er aus dem Käfig und setzt sich auf das Fensterbrett, verharrt dort für einen Moment, mustert mich ausdruckslos durch seine dunklen Augen. Da glaube ich tatsächlich kurz, dass er zögert.
»Oder willst du...«, fange ich an, doch mitten im Satz fliegt er einfach hinaus.
Meine Mundwinkel zucken, und ich spüre, wie meine Augen sich mit Tränen füllen, doch ich schiebe das Gefühl beiseite, unterdrücke den Impuls. Stattdessen mache ich das Fenster wieder zu und schaue in den Himmel. So viele Wolken.

Am nächsten Tag, als ich auf dem Nachhauseweg von der Schule wieder an meinem Haus ankomme, sehe ich den Vogel schon von Weitem. Es sieht aus, als würde er am Treppenabsatz sitzen und auf mich warten. Ich freue mich, weil er offensichtlich für mich zurückgekommen ist, weil er, wie es scheint, doch bei mir bleiben will. Also renne ich los, laufe lachend auf ihn zu, und erst als ich schließlich an der Treppe angekommen bin, erkenne ich, dass der Vogel auf der Seite liegt. Er bewegt sich nicht, auch nachdem ich ihn leicht anstoße, rührt er sich nicht.

Hat man mich früher nach meiner Lieblingsfarbe gefragt, habe ich stets ohne zu zögern Blau gesagt. Doch da ist nur Schwarz, viel zu lange schon nur Schwarz.

 

Hätte man sie davor nach ihrer Lieblingsfarbe gefragt, so hätte sie ganz sicher ohne zu zögern Blau gesagt.

Hallo,

wer ist hier genau der Erzähler? Wer erzählt mir diese Geschichte? Man kann sich dazu entscheiden, zu sagen, nun ja, spielt irgendwie nicht so die Rolle. Oder, Grauzone, keiner fragt so genau nach. Hier wird das aber aus anderem Grund interessant, denn:

Das hatte sich bei ihr ganz natürlich ergeben.
Das war wahrscheinlich der Ursprung, der Grund warum Blau für sie von Anfang an eine gute Farbe war.
Ihre Mutter hatte ihr natürlich auch immer blaue Sachen gekauft, wohl mit der Absicht ihre Schönheit zu unterstreichen, blauen Schmuck und Haarbänder, unzählige kleine blauer Kleider, ihr Kleiderschrank eine Sammlung aller Farbstufen von Blau.

Woher weiß das der Erzähler, diese intimen Details. Er ist imstande zu behaupten, das sei ganz natürlich passiert, das mit dem Blau, aber dann spekuliert er, weiß die Dinge plötzlich nicht mehr so ganz genau, wahrscheinlich, wohl mit Absicht. Ist das ein zuverlässiger Erzähler? Wolltest du das so? Und wenn die Mutter das Kind von Anfang an mit Blau zudeckt, sie quasi in diese Garderobe zwingt, dann ist doch Blau eben alles andere als eine organische und natürliche Wahl, dann ist das schon ein wenig oktroyiert, oder?

Dann auch andere Details. Warum genau fragen die fremden Menschen sie beim Einkaufen? Weil sie da am meisten gesehen wird? Würde man da nicht eher bei Bezugspersonen beginnen, die dem Kind an sich näher stehen: Großeltern, Geschwister, Onkel, Tanten, Nachbarn, Ärzte, Kindergärtner, Erzieher, Lehrer, andere Kinder? Ich frage deshalb, weil die Distanz und die Position des Erzählers wichtig ist für das Setting der Geschichte. Es macht sie eben glaubwürdiger oder nicht, da gibt es kein Richtig oder Falsch, sondern nur die für den Text richtige Wahl. Erzähle ich sehr nah, weiß vieles, muss ich mir überlegen, wer der Erzähler sein könnte; ein guter Freund, ein Geist, Gott.

hr Lieblingskleid damals war babyblau mit schmalen Träger und einem sehr weiten Rock, der, wenn sie sich drehte aufging, sodass sie von oben aussah wie eine aufgehende blaue Blume.
Ist natürlich auch ein wenig Kitsch. Noch extra die Blume, die aufgeht. Schon leicht übertrieben.

»Deine Augen, Lara«, sagte die Frau und alle hatten sie daraufhin ganz ernst angeschaut.
Warum schauen die ernst? Und ist ihr das wirklich nie aufgefallen, dass sie so besondere blaue Augen hat, wenn die Mutter die ganze Zeit das totale Tam Tam drum macht? Eher unwahrscheinlich, ich meine, die sind doch im Kindergarten schon was älter, oder? Die anderen Kinder müssten das ja auch mitbekommen haben.
Viel später hatte sie immer gerne im Gras gelegen und in den Himmel geschaut.
Was ist viel später? Viel später am Tag? So gegen halb sechs? Präzise Sprache ist wichtig, weil sie dem Text eine gewisse Schwerkraft verleiht. Ich weiß dann, der Autor hat sich Gedanken gemacht und nimmt seinen Text ernst, und so nimmt er auch den Leser ernst.
Sie hatte diesen Hügel entdeckt, unweit von ihren Zuhause, eingefasst von Maisfeldern, ihr geheimer Platz.
Ihr geheimer Platz sollte gezeigt werden, nicht einfach behauptet und in den Raum gestellt. Zeig doch, wie sie sich durch die Maisfelder schlägt an diesen versteckten, entfernten Ort, wo alles leiser ist und ihr Zuhause kaum wahrnehmbar, dann wird klar: ah ja, ihr geheimer Ort.

und die Weite des Himmels angesehen.
Kann man die Weite des Himmels ansehen? Wie sieht die aus? Ist es nicht eher so, dass sie in die Weite blickt?
Ihre Mutter hatte immerzu gesagt, sie solle sich zusammenreißen, sich auf ihre Zukunft konzentrieren und lernen. Aber sie lag am liebsten auf diesem Hügel und lies die Zeit verstreichen, lies Korn um Korn in der Sanduhr nieder rieseln, fühlte das Leben.
Fühlte das Leben. Das ist so ein Allgemeinplatz, der erstmal nicht verkehrt klingt in diesem Satz, aber man darf nicht so lange darüber nachdenken. Wie alt ist sie hier? Teenager? Was weiß sie denn über diese Implikation: Ich fühle das Leben. Das klingt schon recht esoterisch, und was genau ist damit gemeint? Fühlt sie das Leben, wenn sie da liegt und in den Himmel sieht und träumt? Ist das dann gemeint, wenn von Leben gesprochen wird? Eben sagt der Erzähler, sie lässt die Zeit verstreichen. Aber das tut sie ja eben nicht, wenn sie das Leben fühlt, oder? Das sind so Kleinigkeiten, die den Text vollkommen in sich zusammenfallen lassen, wenn man ihn genau liest.
»Lara, du kannst doch nicht einfach so deine Zeit vergeuden«, hatte sie ihr wieder und wieder vorgeworfen, »dein ganzes Leben liegt doch noch vor dir, du hast nur diese eine Chance.«
Auch hier. Du hast noch dein ganzes Leben doch noch vor dir. Passt das zu: Du hast nur eine Chance? Da höre ich jemanden sagen: Macht nichts, du hast noch sooo lange Zeit, träum ruhig mal was weiter. Da ist doch nichts Zwingendes dabei, oder? Wenn du mir aber die Zeit verknappst, wenn sie verbunden wird mit einem Ziel, das ich unbedingt erreichen muss, wie eine Prüfung oder sonstiges, dann passt das eher. Hier, Madame, du hast nur diese eine Chance, also setz dich auf den Arsch und lerne gefälligst! Oder willst du so enden wie ich?


Als sie wieder einmal am Hügel lag und im warmen Gras ein wenig schläfrig wurde, weckte sie die unangenehme Tatsache, dass die Sonne allmählich verschwand und sie nicht mehr von dieser einhüllende Wärme umgeben war. Beim Öffnen der Augen erblickte sie dicke und teils dunkle Wolkenschichten die sehr schnell vorüber zogen, als würden sie getrieben.
Alles sehr umständlich formuliert. Sie wachte durch die Kälte auf. Und wenn sie die Augen dann offen hat, sieht sie die Wolken dann nicht mehr? Du schreibst ja, sie sieht sie beim Öffnen der Augen.

Sie setzte sich auf und sah sich um, zu sehen war nur der Wind, der durch die Maisfelder fegte.
Ja, der Wind. Wie sieht der genau aus? Oder ist es der Wind, der durch die Felder streicht, dann sieht sie nicht den Wind, sondern die Bewegung der Halme, die vom Wind verursacht werden, oder?

Ihre Mutter hatte sich streng vor ihr aufgetürmt,
Wie sieht das aus, wenn sich jemand auftürmt? Gibt es das überhaupt? Eventuell eher aufbauen oder so?

ara war genervt und lies die Wut ungebremst durch ihre blaue Augen strömen, wie ein Sturm auf dem Meer, entgegnete nichts weiter, wartete.
Sie lässt die Wut durch die ihre blauen Augen strömen wie ein Sturm auf dem Meer. Das steht da. Strömt ein Sturm? Das ist ein schiefes Bild, finde ich. Gute Bilder sind sehr schwer. Ich glaube, nur die Meister beherrschen das wirklich. Deswegen, wenn du kein Meister bist, lieber weglassen. Die Gefahr, Stilblüten, schiefe Bilder und unfreiwillig komische Sätze zu produzieren ist sehr hoch.

»Wo warst du schon wieder so lange? Ich habe mir Sorgen gemacht!«, die Stimme ihrer Mutter hatte diesen vorwurfsvollen Tonfall, diesen enttäuschten Klang und Lara konnte nur die Augen rollen.
Nichts anfügen. Durch den Dialog wird die Stimmung der Mutter bereits deutlich. Du verlierst den Leser, weil du ihn nicht ernst nimmst, er denkt dann, du möchtest ihn bevormunden und ihm extra nochmal deine Figuren und was sie tun erklären.
das sein Schicksal besiegelt hatte.
Moment, die Mutter hat ihn doch aus dem engen Käfig mit zehn anderen Tieren herausgeholt, da würde ich aber mal relativieren wollen, oder? Ich meine, er wird nicht gebraten und gegessen oder gefoltert.

Er hatte hier kurz inne gehalten und sie fast ein wenig nachdenklich durch seine schwarze Augen gemustert, als wolle er fragen, was wird aus dir, Lara?
Die beiden verbindet ja nichts. Wenn die jetzt Jahre lang gemeinsam einen Weg begangen hätten, dann könnte ich das nachvollziehen, aber so ging das recht fix. Will sagen, sehr viel Symbol auf sehr kurzer Zeit. Unglaubwürdig finde ich das schon.
»Mir fehlen die Flügel«, hatte Lara dem Vogel geantwortet.
Nee, sie hat doch keinen Mangel, oder? Will sie denn weg? So habe ich das jetzt nicht wahrgenommen, diese Seite ihres Lebens wird halt einfach nicht gezeigt, mir wird das im vorletzten Absatz als Wahrheit präsentiert.

Hätte man sie davor nach ihrer Lieblingsfarbe gefragt, so hätte sie ganz sicher ohne zu zögern Blau gesagt. Doch es war Schwarz, wahrscheinlich war es schon immer Schwarz gewesen.
Das Ende ist ein Trick, ein Effekt. Das ist gut, aber das passt nicht zusammen. Sie sagt im ersten Satz ohne zu Zögern, die Lieblingsfarbe sei Blau. Das stimmt aber demnach nicht, denn es ist Schwarz. Das hier ist ja eine Parabel. Die Mutter dominiert sie sogar soweit, dass sie für sie entscheidet, was ihre Lieblingsfarbe ist. Sie bekommt das Recht, selbst zu wählen, gar nicht zugestanden. Eine selbsterfüllende Prophezeihung. Niemand fragt sie, es ist bereits entschieden. Dafür steht auch der eingesperrte Vogel in der Lieblingsfarbe ihrer Mutter, das ist ja ein Symbol dafür, dass sie diesem vorherbestimmten Leben entfliehen will, sie entlässt den Vogel in die Freiheit, aber sie kann dem selbst nicht folgen, aus welchen Gründen auch immer, sie bleibt gefangen.

Tja, schwierig. Die Sache mit der Farbe ist an sich eine gute Idee, aber sie wirkt schon sehr konstruiert. Auch weil du falsch beginnst in meinen Augen, ihre Farbe muss schon immer Schwarz gewesen sein, aber sie wird einfach nie gefragt in dieser Fiktion. Du müsstest es so hinbekommen, dass der Leser das gar nicht mitbekommt, das auch für ihn klar wird: ihre Lieblingsfarbe ist Blau, es muss Blau sein, weil alle das sagen, ihre Augen und sowieso, und am Ende wird das kalt serviert: Was ist denn eigentlich mit ihr? Dann passt der erste Absatz nicht. Mit dem Vogel, das geht zu schnell, zu rasch. Sie müssten sich länger kennen, und das Mädchen müsste die Kraft finden, ihre eigene Entscheidung zu treffen und auch diese vertreten zu können, sich bräuchte die Entwicklung zur Selbstermächtigung, das ist ein enormer Akt, den Vogel freizulassen bedeutet, eine Entscheidung zu treffen, gegen den Willen anderer, gegen fast alle anderen, für sich selbst stehen lernen. Und dann noch die Frage: Wie kommt sie darauf, woher bekommt sie das Rüstzeug dazu? Lernt sie das auch sich selbst heraus, hat sie einen Mentor, und wenn ja, wer ist das und warum ist er da? Der Text stellt diese Fragen aus sich selbst heraus und kann sie sehr wahrscheinlich nicht beantworten.

Konstruktiv: Logische Strukturen erfassen im Text und konsequenter ausführen. Dialoge oraler und weniger beschreibend, den Erzähler versuchen, zu minimieren, weniger erklären, mehr zeigen. Den Charakteren und Lesern mehr vertrauen, mehr zutrauen. Präzise Sprache finde ich persönlich sehr wichtig, denn sie schärft auch den Blick auf das eigene Schaffen, auf die eigenen Charaktere, und - Sprache ist unser Werkzeug. Je genauer sie eingesetzt wird, desto genauer werden auch die Geschichten.

Gruss, Jimmy

 
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Hallo Marys_Bücherwald,

hm, mir ist nicht so richtig klar, was du mir mit dieser Geschichte erzählen willst.
Die Protagonistin ‚besteht‘ aus Blau und Schwarz. Sie wird auf das Blau reduziert, was sie nervt. Ihre Charakterentwicklung ist, dass sie von blau zu schwarz wechselt, sich also emanzipiert. Ja – und? Blau steht anscheinend für das ‚Schöne‘, bzw. für das, worauf die anderen ihren Fokus legen. Steht das Schwarz also für den anderen Teil von ihr? Oder für Dunkelheit? Wird sie also am Ende ‚böse‘? Das passt für mich nicht recht, denn das Schwarz sehen die anderen ja auch, gerade durch den Kontrast sind ihre blauen Augen ja so schön..
Der Wellensittich (im ‚goldenen Käfig‘) ist eine (ziemlich simple) Metapher für sie selbst? Sie hilft dem Wellensittich, doch mit unangenehmen Folgen? Das heißt? Spricht ja eigentlich eher dafür, dass sie beim Blau bleiben sollte?..
Im Grunde hat das was mit den Farben, aber irgendwie gehen da die Messages durcheinander. (Man könnte, um's noch symbolischer zu machen, auch Komplementärfarben nehmen (wäre bei blau orange) - falls du aber vom Schwarz ausgehst, wäre weiß natürlich sehr plakativ, dann würd ich's lassen)..)

Auf mich wirkt die Geschichte noch etwas unausgereift und streckenweise noch nicht sehr überarbeitet, sondern eher wie ‚runtergeschrieben‘, stellenweise auch etwas ‚laberig‘, da könnte man noch manches straffen (s.u.), und dafür andere Sachen besser einführen/ausbauen, z.B. den Konflikt mit der Mutter, der für mich ziemlich unbegründet und aus dem Nichts und holzschnittartig daherkam: Die Prot. ist genervt, dass ihre Mutter ihr sagt, sie solle sich auf die Zukunft konzentrieren. Das ist schlagwortmäßig. Was genau will die Mutter wie und aus welcher Motivation heraus? Warum genau ist die Prot. davon so genervt? (Denn das ist ja recht banal, dass Eltern die Kinder antreiben, was Richtiges zu machen, während die lieber chillen wollen.)

Nur ein paar formale Sachen, die mir besonders aufgefallen sind:

Bei wörtl. Rede am besten immer eine neue Zeile anfangen.

Die Vergangenheitsform von ‚lassen‘ ist ‚ließ‘, nicht ‚lies‘.

Hätte man sie davor nach ihrer Lieblingsfarbe gefragt, so hätte sie ganz sicher ohne zu zögern Blau gesagt. Das
Das meine ich mit laberig: Streich das doch einfach mal. Fehlt dann was? Ich finde, nicht.
Und da der erste Satz ja eine Klammer ist, die die Geschichte umfasst (so was mag ich), sollte hier mindestens ein Zeilenumbruch sein.

Das hatte sich bei ihr ganz natürlich ergeben. Ihre Augen waren eisblau […] Das war wahrscheinlich der Ursprung, der Grund warum Blau für sie von Anfang an eine gute Farbe war.
Unzuverlässiger Erzähler? Weiß er es jetzt oder nicht?

Damals hatten fremde Leute oft ihre Mutter beim Einkaufen angesprochen, sind einfach stehen geblieben
Auf die Zeiten achten: waren

Das erste Mal, dass sie direkt nach ihrer Lieblingsfarbe gefragt wurde, war im Kindergarten. Sie sollten nicht einfach die Farbe nennen
Wer ist plötzlich „sie“? (Klar, die Kinder, aber sollte klargemacht werden..)

ins Gras geworfen, die Hände hinter dem Kopf verschlagen und
gefaltet? Die Arme … verschränkt?

Sie hatte nicht wirklich über etwas nachgedacht, sie war einfach da und betrachtete dieses unvergleichbare Blau, dieses ewig friedliche Himmelblau, während die Zeit um sie herum verstrich.
Wieder etwas laberig..

Manchmal mischten sich weiße Wolken in das Bild, riesige weiße Wattebausche,
2x dasselbe - laberig.. (Außerdem: der Bausch, die Bäusche)

lies Korn um Korn in der Sanduhr nieder rieseln, fühlte das Leben.
Das ist plötzlich so ein komisches Bild, fühlt sich für mich an, als hättest du diesen Einfall beim Schreiben gehabt und einfach hingeschrieben, ohne zu hinterfragen, ob das so gut, ist, ob das was bringt. Außerdem: niederrieseln

Als sie wieder einmal am Hügel lag und im warmen Gras ein wenig schläfrig wurde, weckte sie die unangenehme Tatsache, dass die Sonne allmählich verschwand und sie nicht mehr von dieser einhüllende Wärme umgeben war.
Zu viele Adjektive, dadurch laberig

erblickte sie dicke und teils dunkle Wolkenschichten die sehr schnell vorüber zogen, als würden sie getrieben. Es war kaum mehr etwas vom Blau des Himmels zu sehen, es war fast finster, als hätte jemand das Licht gedimmt.
Du beschreibst hier mehrmals dasselbe Phänomen – knackiger wär besser

zu sehen war nur der Wind, der durch die Maisfelder fegte.
Nein, Wind ist unsichtbar, sie sieht den Mais, der vom Wind bewegt wurde. Das sind so kleine Sorgfaltsdinger, bei denen man merkt, dass da noch nicht so viel (genug) Mühe reingeflossen ist.

und lies die Wut ungebremst durch ihre blaue Augen strömen, wie ein Sturm auf dem Meer,
Wieder ein schiefes Bild.

Ihre Mutter hatte schwer geseufzt und dann gesprochen, in einer sehr harten Art gesprochen:
Nicht wiederholen; kürzer, prägnanter

Ihre Mutter war zurück in die Küche gegangen und hatte sich weiter um das Abendessen gekümmert, hatte nichts weiter gesagt, nicht einmal geschnauft, hatte einfach weiter gemacht und Lara ignoriert, die sichtlich überfordert regungslos dastand,
Wieder dieselbe Sache merhmals beschrieben

spürte sie bereits deutlich die Veränderung, irgendetwas war grundsätzlich anders
2x dasselbe

Vorsichtig hatte sie sich angenähert,
„genähert“ fände ich besser, das ist räumlicher; „sich annähern“ hat eher was von sich kennenlernen / sich einig werden

Sie hatte seine Antwort nicht abgewartet. Stattdessen ging sie an ihr Fenster, löste die Verriegelung und öffnete es weit.
Du hast ab und zu so Zeitenwechsel drin..

und war dann durch das Fenster in die Freiheit geflogen. »Mir fehlen die Flügel«, hatte Lara dem Vogel geantwortet.
Das finde ich schwach, weil die wörtl. Rede so wie noch hinten drangeklebt wirkt. Entweder sagt sie das, bevor er rausfliegt, oder so was wie und flog dann durch das Fenster in die Freiheit. “Mir fehlen die Flügel“, rief Lara ihm hinterher. Merkst du das? Schon durch den vermiedenen Wechsel zur Vorvergangenheit wirkt das ganz anders, der Abstand ist nicht so groß..

erkannte sie, dass der Vogel auf der Seite lag und normalerweise machten Vögel so etwas nicht.
Überflüssig, streichen

Er bewegte sich nicht, auch nachdem sie ihn leicht angestoßen hatte, bewegte er sich nicht.
Streichen

Also du hast die Grundidee und eine erste Fassung. Jetzt überlegen, worauf genau du hinauswillst und wie du da gut hinkommst (= welche Szenen tragen (nicht) dazu bei)..

Viele Grüße
Maeuser

 

Hallo @jimmysalaryman

danke für deine Zeit und deine Kommentare!

Woher weiß das der Erzähler, diese intimen Details. Er ist imstande zu behaupten, das sei ganz natürlich passiert, das mit dem Blau, aber dann spekuliert er, weiß die Dinge plötzlich nicht mehr so ganz genau, wahrscheinlich, wohl mit Absicht. Ist das ein zuverlässiger Erzähler? Wolltest du das so? Und wenn die Mutter das Kind von Anfang an mit Blau zudeckt, sie quasi in diese Garderobe zwingt, dann ist doch Blau eben alles andere als eine organische und natürliche Wahl, dann ist das schon ein wenig oktroyiert, oder?
Oktroyiert ist zwar jetzt ein wenig stark ausgedrückt, aber genau darum geht es. Wenn dir als Kind etwas so von den Eltern / bzw. der Mutter vorgegeben wird, und die Resonanzen sind immer positiv, z.B. weil alle darüber staunen, wird es für dich als Kind auch positiv. Ganz automatisch. Weil man da nicht hinterfragt. Das ändert sich bei ihr dann aber schleichend, weil dieses Gefühl der Besonderheit, welches sie von allen Seiten erfährt, dazu führt, dass sie ausgegrenzt wird, nie ganz rein passt, immer besonders ist. Das wollte ich am Anfang mit den ersten beiden Absätzen zeigen: erst ist es etwas durchweg positives für sie, weil sie ein Kind ist und alle sie aufgrund ihrer blauen Augen bestaunen. Dann erfährt sie zum ersten mal (symbolisch) die Ausgrenzung im Kindergarten, wobei sie selbst, dass gar bewusst wahrnimmt oder unbedingt versteht. Im weiteren Verlauf verstärkt sich das. Aber erst ganz zum Schluss realisiert sie es.

Dann auch andere Details. Warum genau fragen die fremden Menschen sie beim Einkaufen? Weil sie da am meisten gesehen wird? Würde man da nicht eher bei Bezugspersonen beginnen, die dem Kind an sich näher stehen: Großeltern, Geschwister, Onkel, Tanten, Nachbarn, Ärzte, Kindergärtner, Erzieher, Lehrer, andere Kinder? Ich frage deshalb, weil die Distanz und die Position des Erzählers wichtig ist für das Setting der Geschichte. Es macht sie eben glaubwürdiger oder nicht, da gibt es kein Richtig oder Falsch, sondern nur die für den Text richtige Wahl. Erzähle ich sehr nah, weiß vieles, muss ich mir überlegen, wer der Erzähler sein könnte; ein guter Freund, ein Geist, Gott.
Ich habe mir ehrlicherweise über den Erzähler gar keine Gedanken gemacht. Aber ich kann deine Einwände hier vollkommen nachvollziehen.

Ist natürlich auch ein wenig Kitsch. Noch extra die Blume, die aufgeht. Schon leicht übertrieben.
Vielleicht ist es Kitsch, aber ich finde, es ist ein sehr schönes Bild für ihre Kindheit, die Unschuld, Naivität.
Warum schauen die ernst? Und ist ihr das wirklich nie aufgefallen, dass sie so besondere blaue Augen hat, wenn die Mutter die ganze Zeit das totale Tam Tam drum macht? Eher unwahrscheinlich, ich meine, die sind doch im Kindergarten schon was älter, oder? Die anderen Kinder müssten das ja auch mitbekommen haben.
Es geht hier in erster Linie um die Ausgrenzung. Die anderen Kinder schauen ernst, weil der Fokus während dem Spiel direkt auf Lara gelenkt wird, weil sie schön ist, weil sie etwas besonderes an sich hat. Da wird von den anderen Kindern zum ersten Mal Neid erfahren - aber weil es Kinder sind, können sie dass nicht so einordnen.
Jetzt wird mir auch klar, dass ich den Erzähler viel besser konstruieren muss...

Was ist viel später? Viel später am Tag? So gegen halb sechs? Präzise Sprache ist wichtig, weil sie dem Text eine gewisse Schwerkraft verleiht. Ich weiß dann, der Autor hat sich Gedanken gemacht und nimmt seinen Text ernst, und so nimmt er auch den Leser ernst.
Gut, vielleicht führe ich ein wenig deutlicher durch die verschiedenen Entwicklungsschritte und werde präziser in der Sprache. Tatsächlich habe ich mir hier auch keine genauen Zeitangaben gedacht, sondern einfach locker den Faden verfolgt. Aber wenn das beim Lesen negativ auffällt, ist das natürlich nicht gut.

Ihr geheimer Platz sollte gezeigt werden, nicht einfach behauptet und in den Raum gestellt. Zeig doch, wie sie sich durch die Maisfelder schlägt an diesen versteckten, entfernten Ort, wo alles leiser ist und ihr Zuhause kaum wahrnehmbar, dann wird klar: ah ja, ihr geheimer Ort.
Sehr guter Punkt!

Fühlte das Leben. Das ist so ein Allgemeinplatz, der erstmal nicht verkehrt klingt in diesem Satz, aber man darf nicht so lange darüber nachdenken. Wie alt ist sie hier? Teenager? Was weiß sie denn über diese Implikation: Ich fühle das Leben. Das klingt schon recht esoterisch, und was genau ist damit gemeint? Fühlt sie das Leben, wenn sie da liegt und in den Himmel sieht und träumt? Ist das dann gemeint, wenn von Leben gesprochen wird? Eben sagt der Erzähler, sie lässt die Zeit verstreichen. Aber das tut sie ja eben nicht, wenn sie das Leben fühlt, oder? Das sind so Kleinigkeiten, die den Text vollkommen in sich zusammenfallen lassen, wenn man ihn genau liest.
Hm. Ok, hier hatte ich tatsächlich eine Erfahrung im Kopf von der meine Schwester mir erzählt hat und die ich ziemlich beeindrucken fand. Sie hat nämlich irgendwann in der Grundschule einen Moment gehabt, wo sie zum ersten Mal wirklich begriffen hat, was Zeit ist. Darüber hat sie dann ewig viel nachgedacht: über Zeit, wie wir unsere Zeit einteilen, was Kinder machen / was Erwachsene machen... aber ihr Zugang zu dem Ganzen Thema war rein über das Gefühl - über das Gefühl von Verstreichender Zeit als Lebens-Zeit. Ich finde das tatsächlich ziemlich cool. Da geht es nicht darum, was sie in diesen jungen Jahren vom Lebens wissen kann - es geht darum wie sie das Leben und die Zeit fühlt.

Auch hier. Du hast noch dein ganzes Leben doch noch vor dir. Passt das zu: Du hast nur eine Chance? Da höre ich jemanden sagen: Macht nichts, du hast noch sooo lange Zeit, träum ruhig mal was weiter. Da ist doch nichts Zwingendes dabei, oder? Wenn du mir aber die Zeit verknappst, wenn sie verbunden wird mit einem Ziel, das ich unbedingt erreichen muss, wie eine Prüfung oder sonstiges, dann passt das eher. Hier, Madame, du hast nur diese eine Chance, also setz dich auf den Arsch und lerne gefälligst! Oder willst du so enden wie ich?
Guter Punkt. An diese Stelle hat mir auch immer etwas nicht gefallen aber ich wusste aber nicht was.

Sie lässt die Wut durch die ihre blauen Augen strömen wie ein Sturm auf dem Meer. Das steht da. Strömt ein Sturm? Das ist ein schiefes Bild, finde ich. Gute Bilder sind sehr schwer. Ich glaube, nur die Meister beherrschen das wirklich. Deswegen, wenn du kein Meister bist, lieber weglassen. Die Gefahr, Stilblüten, schiefe Bilder und unfreiwillig komische Sätze zu produzieren ist sehr hoch.
Argh, ein schiefes Bild, Stilblüten... ich bin ja nun wirklich kein Meister (werde ich auch nie), aber an Bildern will ich mich trotzdem versuchen :silly:

Moment, die Mutter hat ihn doch aus dem engen Käfig mit zehn anderen Tieren herausgeholt, da würde ich aber mal relativieren wollen, oder? Ich meine, er wird nicht gebraten und gegessen oder gefoltert.
Er ist alleine, darum geht es. Ein Sinnbild für sie und ihre erlebte Ausgrenzung.

Konstruktiv: Logische Strukturen erfassen im Text und konsequenter ausführen. Dialoge oraler und weniger beschreibend, den Erzähler versuchen, zu minimieren, weniger erklären, mehr zeigen. Den Charakteren und Lesern mehr vertrauen, mehr zutrauen. Präzise Sprache finde ich persönlich sehr wichtig, denn sie schärft auch den Blick auf das eigene Schaffen, auf die eigenen Charaktere, und - Sprache ist unser Werkzeug. Je genauer sie eingesetzt wird, desto genauer werden auch die Geschichten.
Vielen Dank für deine Zeit und deine sehr ausführliche Kritik! Ich habe offensichtlich noch einiges zu lernen... :read:

Gruß

Mary

 

Hallo @Maeuser

auch dir danke für die ausführliche Kritik und die Zeit, die du dem Lesen meiner Geschichte gewidmet hast :)

hm, mir ist nicht so richtig klar, was du mir mit dieser Geschichte erzählen willst.
Die Protagonistin ‚besteht‘ aus Blau und Schwarz. Sie wird auf das Blau reduziert, was sie nervt. Ihre Charakterentwicklung ist, dass sie von blau zu schwarz wechselt, sich also emanzipiert. Ja – und? Blau steht anscheinend für das ‚Schöne‘, bzw. für das, worauf die anderen ihren Fokus legen. Steht das Schwarz also für den anderen Teil von ihr? Oder für Dunkelheit? Wird sie also am Ende ‚böse‘? Das passt für mich nicht recht, denn das Schwarz sehen die anderen ja auch, gerade durch den Kontrast sind ihre blauen Augen ja so schön..
Der Wellensittich (im ‚goldenen Käfig‘) ist eine (ziemlich simple) Metapher für sie selbst? Sie hilft dem Wellensittich, doch mit unangenehmen Folgen? Das heißt? Spricht ja eigentlich eher dafür, dass sie beim Blau bleiben sollte?..
Im Grunde hat das was mit den Farben, aber irgendwie gehen da die Messages durcheinander. (Man könnte, um's noch symbolischer zu machen, auch Komplementärfarben nehmen (wäre bei blau orange) - falls du aber vom Schwarz ausgehst, wäre weiß natürlich sehr plakativ, dann würd ich's lassen)..)
Dein Beitrag und auch der vorherige von @jimmysalaryman haben mir offensichtlich gemacht, dass die Geschichte nicht so rüberkommt, wie ich sie mir gedacht habe... bzw., dass ich an einigen Stellen viel deutlicher werden muss, damit man die Geschichte so versteht, wie ich sie meine. Da werde ich noch daran arbeiten.

Auf mich wirkt die Geschichte noch etwas unausgereift und streckenweise noch nicht sehr überarbeitet, sondern eher wie ‚runtergeschrieben‘, stellenweise auch etwas ‚laberig‘, da könnte man noch manches straffen (s.u.), und dafür andere Sachen besser einführen/ausbauen, z.B. den Konflikt mit der Mutter, der für mich ziemlich unbegründet und aus dem Nichts und holzschnittartig daherkam.
Tatsächlich tue ich mir noch sehr schwer mit dem richtigen überarbeiten. Ich weiß nicht, sobald ich eine Geschichte geschrieben habe, kann ich sehr schwer eine distanzierte Haltung dazu gewinnen und Fehler finden o.ä. Deswegen bin ich hier in diesem Forum gelandet, weil ich Leser wie euch brauche, die mir zeigen, was nicht funktioniert. Mir ist jetzt auch klar, dass ich an einigen Stellen kürzen/verdichten sollte und der Konflikt mit der Mutter ist tatsächlich viel zu allgemein...

Nur ein paar formale Sachen, die mir besonders aufgefallen sind:
Bei wörtl. Rede am besten immer eine neue Zeile anfangen.
Die Vergangenheitsform von ‚lassen‘ ist ‚ließ‘, nicht ‚lies‘.

Hätte man sie davor nach ihrer Lieblingsfarbe gefragt, so hätte sie ganz sicher ohne zu zögernBlau gesagt. Das
Das meine ich mit laberig: Streich das doch einfach mal. Fehlt dann was? Ich finde, nicht.
Und da der erste Satz ja eine Klammer ist, die die Geschichte umfasst (so was mag ich), sollte hier mindestens ein Zeilenumbruch sein.

Danke für die Hinweise!

Das hatte sich bei ihr ganz natürlich ergeben. Ihre Augen waren eisblau […] Das war wahrscheinlich der Ursprung, der Grund warum Blau für sie von Anfang an eine gute Farbe war.
Unzuverlässiger Erzähler? Weiß er es jetzt oder nicht?
Gleich mal gegoogelt. Ich kannte das mit dem unzuverlässigen Erzähler gar nicht :susp: Also nein, ich hatte keinen unzuverlässigen Erzähler im Hinterkopf, nur einen, der eben viel weiß. Mache ich eindeutiger.

Als sie wieder einmal am Hügel lag und im warmen Gras ein wenig schläfrig wurde, weckte sie die unangenehme Tatsache, dass die Sonne allmählich verschwand und sie nicht mehr von dieser einhüllende Wärme umgeben war.
Zu viele Adjektive, dadurch laberig
Zu viele Adjektive ist nie gut :sad:

zu sehen war nur der Wind, der durch die Maisfelder fegte.
Nein, Wind ist unsichtbar, sie sieht den Mais, der vom Wind bewegt wurde. Das sind so kleine Sorgfaltsdinger, bei denen man merkt, dass da noch nicht so viel (genug) Mühe reingeflossen ist.
Guter Einwand.

Vorsichtig hatte sie sich angenähert,
„genähert“ fände ich besser, das ist räumlicher; „sich annähern“ hat eher was von sich kennenlernen / sich einig werden
Stimmt!

und war dann durch das Fenster in die Freiheit geflogen. »Mir fehlen die Flügel«, hatte Lara dem Vogel geantwortet.
Das finde ich schwach, weil die wörtl. Rede so wie noch hinten drangeklebt wirkt. Entweder sagt sie das, bevor er rausfliegt, oder so was wie und flog dann durch das Fenster in die Freiheit. “Mir fehlen die Flügel“, rief Lara ihm hinterher. Merkst du das? Schon durch den vermiedenen Wechsel zur Vorvergangenheit wirkt das ganz anders, der Abstand ist nicht so groß..
Da denke ich nochmal drüber nach.

Also vielen Dank nochmal für die nützlichen Hinweise :schiel:

Schönes Wochenende!

Gruß

Mary

 

Hallo @Blaukehlchen

Ich habe "Schwarz" von Anfang an gerne gelesen. Ich fühlte mich von dir sofort in die Zeit zurückversetzt, als Mutti noch ins Taschentuch gespuckt hat um mir meinen Schmutz aus dem Gesicht zu wischen.
Freut mich sehr, dass du die Geschichte gerne gelesen hast. Schön auch, dass du ein wenig von dem Gefühl mitgenommen hast, dass ich transportieren wollte. :rolleyes:

Gestutzt habe ich allerdings bei der Szene im Kindergarten. Ich hätte erwartet, dass die Kleine erst einmal verunsichert ist, wenn alle Kinder über ihren Schlumpf-Vergleich loslachen. Das so ohne Weiteres richtig einzuordnen, wäre mir in dem Alter wohl nicht gelungen.
Sie kann es in dem Moment auch nicht einordnen. Mir ist klar geworden, dass ich den Erzähler noch ein bisschen bearbeiten muss, bzw. allgemein an einigen Stellen präziser sein muss.

Sich auf dem Rücken liegend im Himmelblau zu verlieren, finde ich wunderbar beschrieben, macht man später ja auch noch ab und an. Schade, dass viele Erwachsenen vergessen haben, wie schön es ist, einfach mal so im Hier und Jetzt zu sein.
Ja, da gebe ich dir voll und ganz recht. Je älter man wird, desto weniger Zeit bleibt genau dafür... was echt schade ist.

Lara hatte nie verstanden, was an ihrer Art zu leben falsch war, sie genoss es mehr als die meisten, lebte sicher intensiver als ihre Mutter; und mit der Zeit wurde ihr egal was die anderen sagten, sie war eins mit dem Himmel, eine Einheit in Blau und wie der Himmel auch, war sie für die anderen nicht erreichbar.
Hier habe ich allerdings ein kleines Problem damit, wie weise Lara schon sein soll, dass sie vergleichen kann, wie sehr andere ihre Art von Dasein genießen im Vergleich mit ihr selbst. Das kann ich übrigens heute noch nicht einschätzen. Wie auch?
Und dass einem Kind egal wird, was andere sagen, denke ich nicht. Das erfordert definitiv eine längere Entwicklung, aber etwas Ähnliches wurde ja schon erwähnt.
Ja, das werde ich nochmal überarbeiten.

Mich hast du mit dem Schwarz am Ende überzeugt. Ich persönlich finde nicht, dass das vorher schon vorkommen müsste. Denn dass der Vogel stirbt fühlt sich wirklich nach Schwarz an. Hat es auch für mich. Und dass es eigentlich schon immer Schwarz war, merkt sie vielleicht erst in diesem Augenblick. Das Kind so richtig es selbst sein lassen, war bei der Mutter ja nicht wirklich drin, wie ich es verstehe. Da kann man schon denken: Wahrscheinlich war es schon immer Schwarz gewesen.
Das freut mich sehr :)

Es ist schon die zweite Geschichte, die ich von Dir gelesen habe, ich finde beide schön. Mir gefällt, wie du formulierst, ich hatte einen flüssigen Lesespaß und freue mich auf mehr.
Juhuuu :) Das freut mich total! :rotfl:

Ich danke dir fürs Lesen und für deine Anmerkungen. Ich werde definitiv noch ein wenig an dem Text werkeln.

Schönes Wochende!

Gruß

Mary

 

Hallo @Marys_Bücherwald,

ich habe diese Geschichte schon gelesen, als sie neu war. Jetzt bin ich zufällig wieder darauf gestoßen und sie liest sich ganz anders, als ich sie in Erinnerung habe! Das liegt nicht nur an der veränderten Erzählperspektive, die jetzt viel besser passt. Die zu ändern, ist mit viel Aufwand verbunden, weil man dann fast jeden einzelnen Satz ändern muss. Ich respektiere diese Entscheidung und finde, dass sich die zusätzliche Arbeit am Text gelohnt hat.

Wenn ich nur die Zusammenfassung der Handlung lesen würde, wäre ich wahrscheinlich gar nicht so interessiert an der Thematik. Mädchen erkennt, dass ihre Lieblingsfarbe eine ganz andere ist wie die, die ihr von ihrer Mutter zugeteilt wurde – so könnte die Aussage lauten, aber dahinter steckt noch viel mehr. Die Gefahr, einen teenagerhaften Text zu schaffen, der Tiefe im Sinne von "ich mag Farben nicht, in meiner Welt ist alles schwarz" vorgaukelt, wurde gekonnt umgangen und übertroffen. Alle erzählten Emotionen fühlen sich echt an. Ich kann die Reaktion, sich unsichtbar zu machen und sein Umfeld so zu akzeptieren, wie es eben ist, gut nachvollziehen. Und das Bedürfnis, von all dem doch irgendwie zu entfliehen.
Dann ihre Entscheidung, den Wellensittich freizulassen. Ein Akt der Rebellion, den sie sofort bereut und der sich als fatal herausstellt.

Mein einziger Änderungsvorschlag ist, einzeln isolierte Absätze wie diesen hier zu vermeiden:

Heute habe ich sie in der Schule wieder über mich reden hören.
Den könntest du an den nächsten Absatz anhängen und würdest dadurch nichts verlieren.
Ansonsten finde ich deinen Schreibstil angenehm zu lesen. Weiter so!

Viele Grüße
Michael

 

Hallo @Michael Weikerstorfer

vielen Dank für dein Feedback. Ich war erstmal sehr erleichtert, als du meintest es hat sich gelohnt. Ich hatte echt Angst, dass ich’s schlimmer gemacht hab… umso besser, dass du beide Versionen kennst :) ich danke dir also, dass du sogar zweimal gelesen hast!

Alle erzählten Emotionen fühlen sich echt an.
Das war mir tatsächlich am wichtigsten und es freut mich ungemein, dass du es so empfunden hast <3
Ein Akt der Rebellion, den sie sofort bereut und der sich als fatal herausstellt.
Ja, ich wollte einfach, dass sie etwas erlebt, dass ihr zeigt, dass sie durch ihr Verhalten in die Einsamkeit rutscht- auch wenn sie es „eigentlich“ nicht will….
Mein einziger Änderungsvorschlag ist
Gleich übernommen. Beim kopieren haben sich einige Absätze hier gebildet, die eigentlich nicht gewollt waren.
Ansonsten finde ich deinen Schreibstil angenehm zu lesen
Danke!
Vielen Dank für deine Zeit und dein Feedback!!

Liebe Grüße

Mary

 

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