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Serie Schwarz

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13.09.2007
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Schwarz

Er muss hier weg, so schnell wie möglich!
Vieles hat er schon erlebt, aber das...
Zahnprothesen zwischen Erbrochenem aus dem Klo fischen – an so was gewöhnt man sich. Tod in den verschiedensten Variationen – daran nicht. Auf seinem Rücken stapeln sich die Leichen, immer schwerer.
Tote neben Patienten, die zurück ins Krankenhaus gekommen waren, aus Angst vor ihrem eigenen unmittelbar bevorstehenden Sterben. Tod im 4-Bett-Zimmer, den die Mitpatienten dem Arzt meldeten.
Tod im Schlaf, beim Essen, während des Waschens, beim Herausheben aus dem Bett. Erschlaffenden Körpern schnarrt das Leben wie ein Furz aus der Lunge, dann des Todes Stille.
Angehörige, die ihm heulend in die Arme fallen. Warum immer ihm?
„Ja“, versichert er, an ihrer Trauer würgend, „ganz friedlich, nicht gelitten, wir haben alles getan.“ Wussten sie, dass er log?
Das Mädchen, das seine tote Mutter suchte. Zitternd, knochenbleich, hilflos wie er.
Die Tote, welche im Sterbezimmer wieder zum Leben erwachte. Sie hatten ihre Chronisch obstruktive Lungenkrankheit übersehen. So hatte die 4l Sauerstoffdusche zur Kohlendioxidnarkose geführt. Die Auferstandene freute sich nicht über den Plastikkranz neben ihrem Bett, zog sich schimpfend an und entließ sich selbst.
Er musste da weg, so schnell wie möglich, weg vom Chaos der Allgemeinstation. Hier, auf Intensiv, gibt es von allem mehr: mehr Personal, Struktur, Anspruch; Leid.
Der Bursche, noch keine zwanzig, der direkt nach der Transplantation ein Rezidiv entwickelte, hatte nun die Wahl, an diesem zu sterben oder mit der neuen Therapie durchzustarten. Dann kann ihn der Krebs nicht mehr erwischen, denn er stirbt an den Folgen der Chemo, da er sich vom vorigen Zyklus noch gar nicht erholen konnte. Fuck.
Das Leben ist kein Wunschkonzert. Jeden kann es treffen und es muss jemanden geben, der sich das ganze Fremdleid reinzieht. Sein Job, seit Jahren, 25 liegen hinter ihm, mindestens noch 20 vor ihm. Bisher hat er alles geschluckt, ohne zu jammern, aber das...
Heute Morgen ist er noch im Meer geschwommen. Sonne getankt, die ganze Woche.
„In der IT-Branche tätig.“, hat er gesagt, wenn jemand gefragt hat und „Ja, bei Apple.“
Keinen Bock auf: „Ich könnte das nicht. Toll!“
Nein, nicht im Urlaub. Abschalten. Sport, Party, Sex – das pralle Leben. Mit aufgeladenen Batterien zurück zur Nachtschicht.
Übergabe: „Herr Obermeier, erschrick nicht, er ist jetzt schwarz, negerschwarz, dunkler als ich es bin.“, sagte Malia.
„Hm, hm“, hatte er geantwortet und gedacht: 'Übertreibt mal wieder'.
Jetzt steht er an seinem Bett, glaubt nicht, was er sieht. Herr Obermeier ist schwarz, nicht pathologisch, sondern wie Malia, noch dunkler als sie. Kurze schwarze Locken kleben vereinzelt an seinem schweißnassen Kopf, die Haare wachsen langsam nach. Dunkel waren sie schon vorher, aber gelockt? Der rechte Fuß schaut unter der Bettdecke hervor. Er beleuchtet ihn mit der Taschenlampe: schwarz bis auf die Fußsohle, die ist hellbraun. Der Patient zieht den Fuß zurück, versteckt ihn unter der Decke.
Leise verlässt er das Zimmer, muss hier weg, so schnell wie möglich.
Herr Obermeier klingelt, er geht wieder hinein:
„Schönen guten Abend, was brauchen Sie? Schlaftablette oder lieber ein Tavörchen?“
'Tavor, könnte ich jetzt auch brauchen', denkt er sich. 'Mein seelischer Mülleimer ist voll, übervoll. Da passen keine 20 Jahre mehr rein. Irgendwie muss ich ihn leeren, nur wie?'

 

Lieber Alex,
vielen Dank für deine umfangreiche, konstruktive Kritik.
Ich werde alles gründlich überdenken und wahrscheinlich vieles umsetzen.
Lg und happy Halloween, Damaris ;)

 

Hallöle Damaris,

ganz ehrlich, irgendwie hat mir die Geschichte nicht gefallen. Das Thema ist interessant, der Prot nachvollziehbar ... aber auch etwas platt. Tjo, er ist Krankenpfleger, steht kurz vorm Burnout und Leid und Tod werden ihm zuviel. Kann ich nachvollziehen, aber es fehlt dem Prot an Seele.

Zahnprothesen zwischen Erbrochenem aus dem Klo fischen – an so was gewöhnt man sich. Tod in den verschiedensten Variationen – daran nicht.

Meiner (wirklich nur bescheidenen) Erfahrung nach kann man sich an den Tod durchaus gewöhnen. Das vorangehende Leid, lange hinvegetieren, die Hilflosigkeit, die ein Pfleger verspürt, die Angst der Patienten selbst; diese Dinge machen den Meisten wesentlich mehr aus als der Tod selbst.

Auf seinem Rücken stapeln sich die Leichen, immer schwerer.

Tote neben Patienten, die zurück ins Krankenhaus gekommen waren, aus Angst vor ihrem eigenen Sterben. Tod im 4-Bett-Zimmer, den die Mitpatienten dem Arzt meldeten.

Ganz ehrlich, das wirkt beides etwas unglaubhaft auf mich. Der Umgang mit dem Tod, noch dazu in der Häufigkeit, wie sie einem in der Pflege begegnet, ist natürlich schwierig. Hier wirkt es aber auf mich, als würde sich der Prot die Schuld für jeden einzelnen Toten geben, was zum Einen unrealistisch ist - und zum Anderen hat er damit eigentlich in diesem Beruf nichts verloren, besonders nicht am "Sterbe-Hotspot" Krankenhaus.

Und Angst vor dem Tod ist (zumindest hier in Österreich) kein ausreichender Grund für Aufnahme in ein Krankenhaus. Auch melden Patienten den Tod eines Anderen zumeist nicht dem Arzt, sondern der nächsten Schwester, die dann entweder einen Arzt holt oder Alarm schlägt.

Angehörige, die ihm heulend in die Arme fallen. Warum immer ihm?
„Ja“, versichert er, an ihrer Trauer würgend, „ganz friedlich, nicht gelitten, wir haben alles getan.“ Wussten sie, dass er log?

Das ist gut beschrieben, hat mir gefallen.

'Tavor, könnte ich jetzt auch brauchen', denkt er sich. 'Mein seelischer Mülleimer ist voll, übervoll. Da passen keine 20 Jahre mehr rein. Irgendwie muss ich ihn leeren, nur wie?'

Dieser Gedankengang wirkt auf mich auch unrealistisch. 'Mein seelischer Mülleimer' ist eine an sich gute Metapher, die der Prot sich aber kaum denken würde. In einem Gespräch hätte ich diese Zeile besser gefunden - womit ich beim nächsten Punkt wäre: Der Prot spricht nie mit seinen Kollegen, zumindest wirkt es so. Nach 20 Jahren müsste er doch einige (ex-)Kollegen haben, mit denen er über seine Überforderung reden könnte.

Also, deine Geschichte ist gut geschrieben, der Stil ist aber etwas zu flüchtig - mehr Details, mehr Fokus auf den Prot würden der Geschichte in meinen Augen gut tun.

MfG
Rick S

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Kollege ;),
danke für deine Kritik. Das fehlen der Seele ist Absicht, soll die Verdrängung der Belastungssituation verdeutlichen. Seele wird in Fortsetzungen näher beleuchtet.
Also ich, und damit mein Prot., können sich nicht an den Tod gewöhnen. Immer wieder aufs neue Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit. Trauer, die im Klinikalltag nicht gelebt werden kann, stapelt die Leichen auf unsere Rücken. Das Sterbedrama an sich ist auch dafür verantwortlich - wer kann heutzutage auf Station schon die Patienten in menschlicher Würde beim Sterben begleiten?

Tote neben Patienten, die zurück ins Krankenhaus gekommen waren, aus Angst vor ihrem eigenen Sterben. Tod im 4-Bett-Zimmer, den die Mitpatienten dem Arzt meldeten.
Werde ich verdeutlichen : aus Angst vor ihrem eigenen, bevorstehenden Sterben.
D.h, palliative Pat wurden für ihre letzte Zeit nach Hause entlassen und kommen zurück wg dieser Angst. Gibts auf Onko ständig.
Tod im 4-Bett-Zimmer, den die Mitpatienten dem Arzt meldeten.
Nichts wirkt unrealistischer als die Realität, ganz ehrlich!
Hier wirkt es aber auf mich, als würde sich der Prot die Schuld für jeden einzelnen Toten geben, was zum Einen unrealistisch ist - und zum Anderen hat er damit eigentlich in diesem Beruf nichts verloren, besonders nicht am "Sterbe-Hotspot" Krankenhaus.
Womit begründest du deine Auffasung, das "er" sich die Schuld gibt? Das tut er nicht! Er ist einfach "angekotzt", also überlastet, Burn Out gefährdet.
'Mein seelischer Mülleimer' ist eine an sich gute Metapher, die der Prot sich aber kaum denken würde. In einem Gespräch hätte ich diese Zeile besser gefunden - womit ich beim nächsten Punkt wäre: Der Prot spricht nie mit seinen Kollegen, zumindest wirkt es so. Nach 20 Jahren müsste er doch einige (ex-)Kollegen haben, mit denen er über seine Überforderung reden könnte.
Ach, das denkt er schon. Er ist ein empathischer, kreativer (2.Teil, Schatten) Mann.
Warum er mit niemanden spricht? Er hat Nachtschicht, ist allein auf Station. Soll er sie anrufen und wecken? Oder mit Hrn. Obermeyer seinen Seelenmüll bequatschen?
Aber, selbst wenn noch jemand Dienst hätte, für diese Sequenz der KG ist es wichtig, dass er sich allein damit auseinandersetzt. Außerdem muss er vorsichtig sein mit Offenbarungen seiner Belastungssituation, die werden, wie es bei dir schon anklang, in unserem Beruf meist als Schwäche verurteilt.
Vielen Dank und lG Damaris :)

 

Hello again Damaris :),

Womit begründest du deine Auffasung, das "er" sich die Schuld gibt? Das tut er nicht! Er ist einfach "angekotzt", also überlastet, Burn Out gefährdet.

Ehrlich gesagt ... keine Ahnung. Ist jetzt nicht eine bestimmte Textstelle, aber insgesamt wirkt es auf mich so, als würde sich dein Prot schuldig fühlen :hmm:

Warum er mit niemanden spricht? Er hat Nachtschicht, ist allein auf Station. Soll er sie anrufen und wecken?

In Deutschland ist man im Nachtdienst im KH allein auf der Station? Bei uns sind sie immer zu zweit ...
Aber ich meinte eig, dass er im Tagdienst darüber reden könnte.

Aber, selbst wenn noch jemand Dienst hätte, für diese Sequenz der KG ist es wichtig, dass er sich allein damit auseinandersetzt. Außerdem muss er vorsichtig sein mit Offenbarungen seiner Belastungssituation, die werden, wie es bei dir schon anklang, in unserem Beruf meist als Schwäche verurteilt.

Letzteres hängt eindeutig von den Kollegen ab, ich würde das nie als Schwäche verurteilen - darüber zu reden verlangt einiges an Stärke (aber ich schweife ab ...)
Dass er sich an diesem Punkt alleine damit auseinandersetzen muss, okay, besonders, wenn's eh eine Serie ist, also noch mehr kommt.

Wie gesagt, diese KG ist an sich gut, nur eben gefällt sie mir nicht :sealed:

Mit immer freundlichen Grüßen,
Rick S

 

Hallo Rick,
ihr glücklichen Österreicher, hat euch der Pflegenotstand noch nicht im Griff?
Aber das gehört wohl nicht in diese Kategorie.
Liebe Grüße, Damaris :)

 

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