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Schwanensee

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09.04.2018
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Schwanensee

Allein. Ganz allein. Allein? Er war nicht allein. Da war noch jemand. Er war allein! Ein Steg weiter, mit der blauen Mütze. Er sieht niemanden! Etwa einunddreißig Meter nördlich, dreißig Meter westlich. Da war sie, allein. Auch ganz allein, hier am See. Jetzt sieht er sie! Sie ist hübsch.

Er beobachtet sie. Schaut zu ihr. Kann den Blick nicht abwenden. Sie sieht ihn nicht, steht einfach nur da. Allein. Eingehüllt in ein schlichtes Gewand. Und neben ihr, diese Tiere. Große, weiße Tiere. Schöne Exemplare. Schwimmen auf dem Wasser. Friedlich.

Die Sonne! Sie war rot. Glühend. Heiß! Taucht die Landschaft in liebes Licht. Das Schilf steht hoch. Sehr hoch. Licht und Schatten fließen – laufen – brennen! Die Welt brennt!

Nun setzt sie sich hin, steht auf. Gefesselt, gefangen. An Händen, an Füßen. Der Blick: gesenkt. Er schaut noch immer, bewundert sie, himmelt sie an. Sie hört ihn nicht. Es wird Nacht. Die majestätischen Tiere schwimmen im Mondenschein. Sie waren allein. Ganz allein.

Er steht auf der Spitze eines hohen Berges. Matterhorn? Zugspitze? Egal! Ringsherum war nichts. Nur das schwarze, düstere, endlose Nichts! Plötzlich ist sie auch da, lächelt ihm aufmunternd zu. Darauf springt er, fliegt! Fällt! Schreit! … Und wacht auf. Schweißgebadet. Oder doch nur vom eisernen Tau durchnässt?

Die Sonne geht auf. Er schaut zu ihr rüber, wie in Trance. Sie ist nicht mehr da. Das Einzige, was von ihr übrig blieb, ist die blaue Mütze, die nun neben den weißen Vögeln ihre Kreise zieht, auf der endlosen Suche nach Halt. Der See wird getaucht in ein goldenes Licht. Die Welt ruft, sie singt! Der Hades hat gerufen.

Er geht, er rennt. Sieht nichts mehr, hört nichts mehr. Nur das schwarze, düstere, endlose Nichts. Als man ihn fragt: Großes, schlankes Mädchen, sechzehn Jahre, Simone Bauer, Kennzeichen blaue Mütze, zuletzt gesehen an 'ner Rheinaue, da wo dran steht „Bade_ verboten“, weil jemand das „n“ weggemacht hat, schüttelt er nur den Kopf. Er sagt nichts, weiß nichts, reagiert nicht. Er kam allein, war allein, ging allein. Ganz allein! Doch schon beim nächsten Mal, seinem letzten Mal, an dem die brennende Sonne im tiefblauen, eiskalten Wasser versinkt, setzt er sich hin, steht auf. Gefesselt, gefangen. An Händen, an Füßen. Der Blick: gesenkt.

Die Tiere schwimmen wieder im Wasser, Licht und Schatten fließen. Er lacht. Ein letztes Mal. Er war allein. Allein am Schwanensee.

 

Hej Rappi,

ich fand deinen Text im Prinzip nicht schlecht. Aus folgenden Gründen hat er mich nicht ganz überzeugt:

Allein. Ganz allein. Allein? Er war nicht allein. Da war noch jemand. Er war allein! Ein Steg weiter; mit der blauen Mütze. Er sieht niemanden! Einhundertdreißig Meter nördlich, Neunundsechzig Meter westlich. Da war sie. Sie war allein. Auch ganz allein, hier am See. Jetzt sieht er sie! Sie ist hübsch!
Mir drängen sich sofort Anmerkungen auf:
- wie kann er aus hundertdreißig Meter Entfernung beurteilen, ob sie hübsch ist?:confused:
- "Allein. Ganz allein. Allein? Er war nicht allein. Da war noch jemand. Er war allein!" Sorry, aber das liest sich wie Sprechdurchfall.
- Neunundsechzig kann eine sexuelle Anspielung sein, guckst du Wiki. Wenn unbeabsichtigt, besser ändern und klein schreiben.

Matterhorn? Zugspitze? Egal!
Das "Egal!" passt als umgangssprachliche Ausleihe nicht zum übrigen Ductus.

Grundsätzlich erschlagen mich die vielen Semikolons, Punkte, Doppelpunkte und Ausrufezeichen. Du könntest die meisten davon durch einfache Kommata ersetzen, ohne Tempo zu verlieren.

Er schaut zu ihr rüber
Umgangssprache, besser herüber oder hinüber

Das Einzige, was von ihr übriggeblieben, ist die blaue Mütze
"übrig geblieben ist" oder "übrig blieb"

Sie war allein. Auch ganz allein, hier am See. Jetzt sieht er sie!
Nun setzt sie sich hin, ... Sie waren allein
Der See wird getaucht in ein goldenes Licht. Die Welt ruft, sie singt! Der Hades hat gerufen
Du springst zwischen Präsens, Präteritum und Perfekt. Absicht?

Oder doch nur vom eisernen Tau durchnässt?
Der Tau ist aus Eisen? Oder meintest du eisig?

an 'ner Rheinaue; da wo dran steht „Bade_ verboten“, weil jemand das „n“ weggemacht hat
Umgangssprache, s.o., das mit dem "n" finde ich in dem Kontext banal und ablenkend

Den Blick: gesenkt.
Wenn so, dann: "Der Blick: gesenkt".

An einigen Stellen gelingt es Dir gut, mich mit Bildern zu füttern und das Tempo zu gestalten. An anderen geht das in die Hose und ich als Leser komme aus o.a. Gründen ins Stolpern.
Es fehlt mir noch der Feinschliff, der den Text homogen und stimmig macht.

Peace, linktofink

 

Hallo, Rappi

Ich stimme linktofink vollumfänglich, v.a., was das Formale angeht, zu. Das mit dem "neunundsechzig", das wird klein geschrieben, "eiserner Tau", das ist komisch. Vielleicht meintest Du "eisigen Tau"? Aber das wurde ja schon angesprochen.

Ich möchte noch hinzufügen, dass ich glaube, dass Du kein einziges Semikolon brauchst. Ersetze die einfach komplett durch Kommata. Das bedeuten sie, so wie Du sie benutzt, nämlich eigentlich.

Generell finde ich es beeindruckend, wie Du dieses Stilmittel, dieses super abgehackte, diese Wiederholungen, für Dich entdeckst und das durchziehst. Ich glaube, das können nicht viele, dazu sind beinahe dichterische Fähigkeiten notwendig.

Mir gefällt es in der Masse nur leider nicht so gut. Ich habe das Gefühl, ab dem vierten Absatz, da passiert irgendetwas Wichtiges, aber davor geht es drei Absätze nur darum, dass zwei Leute allein sind. Und da hast Du mich ein wenig gelangweilt. Ich würde Dir empfehlen, diese ersten drei Absätze zu einem einzigen zu vermengen. Dieses Stilmittel ist anstrengend zu lesen, es kann eine/n Leser/in nicht lange in Deinem Bann halten. Deshalb darfst Du es auf keinen Fall unnötig in die Länge ziehen. Sonst nutzt sich das ab. Und am Anfang, da habe ich das Gefühl, dass es sich abgenutzt hat. Später wird es besser, aber da hast Du mich schon fast verloren.

Also, den Anfang würde ich wirklich, wirklich kürzen. Wenn Du vermengst, dann das Wesentliche. Dafür ist das Stilmittel ja nützlich. Du entledigst Dich jedem unnötigen Satzteil, also würde ich Dir auch empfehlen, Dich jedem unnötigen Inhalt zu entledigen. Das wäre ja nur konsequent.

Also: Make it work!

Frühlingshafte Grüße,
Maria

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo und vielen Dank für die konstruktive Kritik,
ich habe den Text so mit 14 in der Schule geschrieben und seitdem nicht mehr drüber geschaut, daher die Semikolons und die unrealistische Entfernung, hätte ich eigentlich schon vorher verbessern können.
linktofink, die Umgangssprache muss sein, es ist ja aus der Perspektive eines Jugendlichen geschildert, die Redundanzen, Ronja, nutze ich gerne als Füllmasse für einen glatteren Lesefluss, ist vielleicht auch eine schlechte Angewohnheit, müsst ihr entscheiden. Die Zeitensprünge sind ebenfalls durchaus Absicht.

Natürlich meine ich eisig, TeddyMaria, aber eisern klingt besser, oder? Allgemein baue ich häufig Elemente ein, bei denen man nie aufört, sich dran zu stören, so eine Art Unperfektionismus :) Man kann es auch doppeldeutig sehen, dann entsteht ein ganz anderes Bild.

Ich werde mir Zeit bis morgen nehmen, den Text zu überarbeiten.

Viele Grüße,
Jonathan


Nachtrag: Die Zeitensprünge beziehen sich auf das eigentliche Thema der Geschichte, die Vergänglichkeit des Lebens.

 

Hallo, Rappi

Ich bin's nochmal kurz. :D

Natürlich meine ich eisig, TeddyMaria, aber eisern klingt besser, oder?

Das stimmt irgendwie schon, und ich verstehe, dass Du hier praktisch absichtlich einen Stolperer für den/die Leser/in eingebaut hast. Ich weiß nur nicht genau, wie ich dazu stehen soll. Denn wenn ich mir das Bild vorstelle, dann ergibt es halt keinen Sinn. Richtig episch wäre es halt, Du würdest mit der Erwartung (hier "eisig") brechen, und das Bild würde dann auch noch Sinn ergeben (also nicht "eisern"). Weißt Du, was ich meine? Weil, eiserner Tau? Nee ...

hätte ich eigentlich schon vorher verbessern können.

Das zum Abschluss: Ja. Bitte tu das in Zukunft immer, bevor Du einen Text hochlädst. Ist nervig für Dich und für uns, wenn man Dinge anmerkt, die Du selbst weißt. Ich persölich ärgere mich immer tierisch, wenn einer was sagst, und ich denke: "Mist, das hätte ich ja selbst hinbekommen." Das hält uns alle ja nur auf.

Beinahe-Feierabendliche Grüße,
Maria

 

Hey zusammen,
der Text ist überarbeitet. TeddyMaria, ich kann nicht ganz nachvollziehen, was ich da noch an Inhalt streichen soll. Wenn der Stil ermüdet, würde ich eher den dritten Absatz etwas länger machen, sodass sich der Leser "ausruhen" kann.
Was das andere betrifft, bleibe ich bei meiner Meinung, es sei denn, ihr habt noch andere Argumente.

Viele Grüße,
Jonathan

 

Hallo, Rappi

Wenn der Stil ermüdet, würde ich eher den dritten Absatz etwas länger machen, sodass sich der Leser "ausruhen" kann.

Also, jetzt hast Du mich zum Lachen gebracht. Der/die Leser/in ermüdet ja normalerweise nicht, weil es so verdammt spannend ist und man dringend eine Pause braucht. Das kann auch passieren (als Kind habe ich manchmal tatsächlich Bücher weggelegt, weil die Spannung so unerträglich war), ist aber selten und wäre in meinen Augen eher ein Gütekriterium. Meistens ermüde ich beim Lesen eher, weil ich mich langweile. Und das wird durch eine "Atempause" nicht besser, sondern schlimmer.

Tendenziell glaube ich wirklich, dass der Stil sich schnell abnutzt, weil er tatsächlich ein wenig anstrengend (nicht anspanennd) zu lesen ist. Wenn man ihn gut beherrscht, würde ich Dir für die Zukunft raten, Texte mit solchen Ausrufen aufzufrischen. Da dieser Text aber nur aus solchen Ausrufen besteht, sei es. Es ist ein Experiment. Ich würde Dir einfach raten, die ersten drei Absätze zu einem zusammenzufassen, denn die inhaltliche Essenz ist ja: Zwei Leute sind allein, und die Sonne scheint.

Ich gucke jetzt nochmal auf die Details:

Schöne Exemplare.

Bei Lebewesen von Exemplaren zu sprechen, finde ich immer etwas fad. Und Du sagst ja schon, sie seien groß, weiß und friedlich. Da ist das auch irgendwie überflüssig. "schön" ist ja auch ein eher inhaltsleeres Wort. Das würde ich z.B. streichen. Denn "Exemplare", das ist unschön, und "schön", das ist so eine Worthülse.

Die Sonne! Sie war rot. Glühend. Heiß! Taucht die Landschaft in liebes Licht.

Das hier passt nicht zusammen. Die Sonne brennt total grausam, und das soll dann lieb sein? "lieb", das heißt doch "zart", "lieblich", "wundervoll anzusehen". Mit brennender, glühender, schneidender Hitze hat das nichts zu tun.

Diese beiden Sachen sind mir nur beim Lesen noch aufgefallen. Ich gebe zu, dass Kürzungen schwierig sind. Es bleibt auch immer Deine Entscheidung. Ich betone nur nochmal, dass ich sicher keine Atempause brauche, weil das so verdammt spannend ist. Nach den ersten drei Absätzen denke ich mir eher: "Meine Güte, ich hab's kapiert. Können wir zum Punkt kommen?" Tatsächlich sind die blaue Mütze und die Einsamkeit, das sind die Elemente am Anfang, die man am Ende wiedererkennen sollte. Die Mütze geht aber etwas unter. Da war ich beim ersten Lesen verwirrt und musste nochmal zurückgehen, weil Du anfänglich die Aufmerksamkeit mehr auf das Licht und die Schwäne legst. Das gebe ich auch nochmal zu bedenken.

Aber wie gesagt, es bleibt Dein Text. Alles ist Deine Entscheidung. Make it work!

Liebe Grüße,
Maria

 

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