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Schwammkopf

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21.10.2018
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Schwammkopf

Sie hält die Luft an. Draußen klirrt es. Mit weinaufgerissenen Augen steht sie am Fenster und starrt in die Ferne. Das Glas liegt auf dem Boden und hat ein Viertel verloren. So weit hätte es nicht kommen dürfen. Sie merkt noch, wie es aus ihrer Hand gerutscht ist, das Glas und ihre Freundschaft. Wie konnte sie so naiv sein und glauben, dass das, was sie tagelang beschäftigt hat auch wirklich in der Welt Existenz findet. Auf dem Platz vor ihrem Fenster spielen zwei Kinder miteinander, sie jagen sich gegenseitig und lachen dabei. Lacht ihr nur, denkt sie, bis eins von euch hinfällt. Sie schaudert über sich selbst, eigentlich ist sie doch nur neidisch auf die da draußen. Neidisch, dass die noch nicht gefangen sind in ihren Gedanken. Sie fokussiert die Spiegelung in der Scheibe. Ihre Wimpern sind ganz gerade, dicht und schwarz, manchmal wünscht sie sich, sie hätten mehr Schwung. Aber sie ist schön, schöner als der Durchschnitt, das vergisst sie meistens, bis sie sich wieder im Spiegel ansieht. Das tut jetzt aber nichts zur Sache. Sie weiß, dass das Ganze gerade sehr lächerlich ist. Sich alleine zu betrinken, rumzustarren wie eine Irre und melancholisch in ihren Kopf zu versickern, darüber wird nur in Büchern geschrieben, keiner macht das in Echt und wenn, dann nur um nachzuspielen, was man in Büchern gelesen hat. Ein bisschen dramatisch sein, das ist albern. Sie windet sich aus ihrer Starre, indem sie sich zu dem Glas wendet, das sich auf den steinglatten, weißglasierten Fließen verteilt hat. Die weinfarbenen Spritzer erinnern sie an die Himbeermarmelade, die sie gestern in ihren Jogurt gerührt hatte. Es ist eklig, ein bisschen was ist bis vor zur Spülmaschine gespritzt, wo es jetzt Brotkrumen einfängt und sie zu kleinen roten Schwämmchen aufschwämmen lässt. Nebendran die Glassplitter, die funkeln und glitzern wie kleine Glassplitter.

Was machst du da?
Äh ich dachte, dass du das auch willst.
Hä wie kommst du darauf?

In ihrem Kopf war es ganz klar gewesen, eindeutig, mehr Anspielungen hätte sie nicht machen können. Wie kann man so aneinander vorbeidenken. Ihr gottverdammter Kopf ist Schuld, er hatte ihr eingeredet, dass da mehr ist, dass sie es auch will. Und jetzt steht sie hier lächerlich vor der Fensterscheibe und starrt runter auf den Boden. Sie waren danach aufgestanden und hatten gefrühstückt. Sie hatten beide versucht, es zu überspielen: sie, indem sie die Marmelade ganz gründlich in den Jogurt gerührt hat und sie, indem sie immer wieder neuen Zimtzucker auf den Milchschaum gekippt hat, bis sie ihn komplett weggelöffelt hatte, der Rest des Kaffees blieb stehen und wurde kalt und lasch. Manchmal hat sie das Gefühl, ihr Gehirn hängt sich an einem Gedanken auf und saugt sich so voll damit, dass es kein Platz mehr für andere Wahrnehmungen gibt. Es betrinkt sich wie die kleinen Brotkrumen und schaut sich dann in den Glassplittern an. Die können auch nichts dafür, dass der Wein sie überflutet, es liegt nunmal in ihrer Natur alles aufzusaugen bis sie voll sind und dann im Überflüssigen zu ertrinken. Aber kann nicht irgendjemand mal den ganzen Scheiß auswringen? Damit es endlich wieder leichter wird, leichter zu sehen, was tatsächlich ist und was nur eingebildet. Sie presst die Luft aus ihrer Lunge und beugt sich runter. Sie sammelt das Glas ein und die großen Scherben steckt sie in den übrig gebliebenen Kelch. Sie greift nach dem Lumpen auf der Spüle und wischt über die Flecken bis es wieder nur eine weiße Masse gibt. Der Lumpen hat jetzt alles eingesammelt: Wein, Glas, Brot. Sie schaut ihn an, er riecht säuerlich, aber wegschmeißen will sie ihn noch nicht, hat ihn ja letzten Dienstag erst gekauft. Sie hält ihn unter das Wasser und schaut zu wie der ganze Schmodder den Abfluss runtergurgelt - sie muss lächeln, so hat sie das noch nie gesehen.

 

Draußen klirrt es.
Der Einstieg verwirrt. Wenn man den Text gelesen hat wird klar was du meinst. Würd ich umformulieren.
bis es wieder nur eine weiße Masse
Verstehe ich nicht.

Ein wunderbarer Text. Viel Emotion, aber schön zurückhaltend vorgetragen.

Hat mir sehr gefallen.

Die Schlüsselstelle ist aber - noch - gar nichts:

Was machst du da? Äh ich dachte, dass du das auch willst. Hä wie kommst du darauf?

Statt Lautmalerei sollte hier mehr passieren, bzw genauer in die Gedankenwelt geschaut werden.

Gruss

 

Hej miiskn,

willkommen hier bei den Wortkriegern.

Ich hab gerade keine Zeit, Deinen Text ausführlicher zu kommentieren, daher nur ein paar Vorschläge querbeet:

Was machst du da? Äh ich dachte, dass du das auch willst. Hä wie kommst du darauf?
Spricht das eine Person oder zwei? Ich lese es so
1. Person Was machst du da?
2. Person Äh ich dachte, dass du das auch willst.
1. Person Hä wie kommst du darauf?
Dann mit Absätzen deutlich machen.
Wenn nicht so gemeint, bleibt mir der Sinn der Sätze im Zusammenhang unklar.

indem sie sich zu dem Glas wendet
dem Glas zu wendet

Schwämmchen aufschwämmen
aufschwemmen, wobei das durch die Lautwiederholung nicht so schön ist.

Sie sammelt das Glas ein und die großen Scherben steckt sie in den übrig gebliebenen Kelch. Sie greift nach dem Lumpen auf der Spüle und wischt über die Flecken bis es wieder nur eine weiße Masse gibt. Der Lumpen hat jetzt alles eingesammelt:
Das würde mit einem größeren zeitlichen Abstand vllt funktionieren. So wirkt es komisch, dass auf einmal der Lumpen eingesammelt hat, wo Du kurz vorher sie als Einsammlerin beschrieben hast.

Gruß
Ane

 

Hallo @miiskn, aus meiner Sicht ist dir der Text gelungen.

Auf dem Platz vor ihrem Fenster spielen zwei Kinder miteinander, sie jagen sich gegenseitig und lachen dabei. Lacht ihr nur, denkt sie, bis eins von euch hinfällt. Sie schaudert über sich selbst, eigentlich ist sie doch nur neidisch auf die da draußen.

Sie ist einsam und ratlos und steht grübelnd am Fenster, um anderen beim Leben zuzusehen. Den Kontrast zu den "jagenden" Kindern empfinde ich sehr bildhaft. Das sie über ihre Schadenfreude erschocken ist, macht sie sympatisch.

Sich alleine zu betrinken, umzustarren wie eine Irre und melancholisch in ihren Kopf zu versickern, darüber wird nur in Büchern geschrieben, keiner macht das in Echt und wenn, dann nur um nachzuspielen, was man in Büchern gelesen hat.

Es scheint, dass sie sonst nicht viel alleine ist. Denn das einsame Trinken empfindet sie als ungewöhnlich. Offensichtlich kennt sie auch niemanden in ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis, der so etwas macht. Die Stelle liest sich weltfremd.

Aber kann nicht irgendjemand mal den ganzen Scheiß auswringen?

Der Ton kommt für mich etwas überraschend und passt irgendwie nicht zu dem vorangegangenen Stil. Doch auch das ruhigste Gemüt muss sich mal Luft verschaffen - hier leider nur hilflos im Gedanken.

Sie hält ihn unter das Wasser und schaut zu wie der ganze Schmodder den Abfluss runtergurgelt - sie muss lächeln, so hat sie das noch nie gesehen.

Wäre schön, sich auf dieser Art und Weise von Ballast zu befreien. Ein stimmiger Abschluss.

Ich hoffe dir hilft es.

Grüße

Raspel

 

Der Einstieg verwirrt. Wenn man den Text gelesen hat wird klar was du meinst. Würd ich umformulieren.

Verstehe ich nicht.

Ein wunderbarer Text. Viel Emotion, aber schön zurückhaltend vorgetragen.

Hat mir sehr gefallen.

Die Schlüsselstelle ist aber - noch - gar nichts:

Statt Lautmalerei sollte hier mehr passieren, bzw genauer in die Gedankenwelt geschaut werden.

Gruss

Hallo Oskar :)
Danke für deine nette Kritik! Die Schlüsselstelle ist bewusst so offen gelassen und ich versteh, dass das vielleicht die Wirkung einschränkt, aber so hat es sich für mich gut angefühlt. Am Anfang habe ich ganz impulsiv geschrieben, vielleicht wirkt der erste Satz deswegen holprig.

Liebe Grüße,
miiskn

Hej miiskn,

willkommen hier bei den Wortkriegern.

Ich hab gerade keine Zeit, Deinen Text ausführlicher zu kommentieren, daher nur ein paar Vorschläge querbeet:

Spricht das eine Person oder zwei? Ich lese es so
1. Person Was machst du da?
2. Person Äh ich dachte, dass du das auch willst.
1. Person Hä wie kommst du darauf?
Dann mit Absätzen deutlich machen.
Wenn nicht so gemeint, bleibt mir der Sinn der Sätze im Zusammenhang unklar.

dem Glas zu wendet

aufschwemmen, wobei das durch die Lautwiederholung nicht so schön ist.

Das würde mit einem größeren zeitlichen Abstand vllt funktionieren. So wirkt es komisch, dass auf einmal der Lumpen eingesammelt hat, wo Du kurz vorher sie als Einsammlerin beschrieben hast.

Gruß
Ane


Hallo Ane :)
Danke für deine freundliche Begrüßung und deine Kommentare! Die Absätze finde ich eine gute Idee - habe sie direkt eingefügt!
Liebe Grüße,
miiskn

Hallo @miiskn, aus meiner Sicht ist dir der Text gelungen.

Sie ist einsam und ratlos und steht grübelnd am Fenster, um anderen beim Leben zuzusehen. Den Kontrast zu den "jagenden" Kindern empfinde ich sehr bildhaft. Das sie über ihre Schadenfreude erschocken ist, macht sie sympatisch.

Es scheint, dass sie sonst nicht viel alleine ist. Denn das einsame Trinken empfindet sie als ungewöhnlich. Offensichtlich kennt sie auch niemanden in ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis, der so etwas macht. Die Stelle liest sich weltfremd.

Der Ton kommt für mich etwas überraschend und passt irgendwie nicht zu dem vorangegangenen Stil. Doch auch das ruhigste Gemüt muss sich mal Luft verschaffen - hier leider nur hilflos im Gedanken.

Wäre schön, sich auf dieser Art und Weise von Ballast zu befreien. Ein stimmiger Abschluss.

Ich hoffe dir hilft es.

Grüße

Raspel


Hallo Raspel,
vielen Dank für deine netten Worte! Cool, dass du gleich so schön den Text interpretiert hast. Es ist spannend zu sehen, was von anderen entdeckt wird!

Liebe Grüße,
miiskn

 
Zuletzt bearbeitet:

Mit weinaufgerissenen Augen steht sie am Fenster und starrt in die Ferne.

Wir reden hier von Wein, oder? Hat sie sich zufällig zwei Pillen XTC ins Glas geworfen? Das letzte Mal, als ich Wein getrunken habe, hat mich das Zeug schläfrig gemacht und ich saß dann nicht mit aufgerissenen Augen in der Gegend herum. Will sagen: Weinaufgerissen passt zwar ganz gut zu dem, was sie da gerade macht, aber ich bin mir nicht sicher, ob es an dieser Stelle das passende Wort ist.

Das Glas liegt auf dem Boden und hat ein Viertel verloren. So weit hätte es nicht kommen dürfen.

Ein Viertel was? Inhalt? Glas? Da fehlt Bezug. Was hätte nicht so weit kommen dürfen? Dass das Glas runterfällt? Ja, echt blöd gelaufen.

Sie merkt noch, wie es aus ihrer Hand gerutscht ist, das Glas und ihre Freundschaft.

Die zweite Information wirkt total angepappt. Da könntest du Beliebiges ranzimmern:

"Sie merkt noch, wie es aus ihrer Hand gerutscht ist, das Glas und der Schlagbohrer."
"Sie merkt noch, wie es aus ihrer Hand gerutscht ist, das Glas und die saure Gurke."
"Sie merkt noch, wie es aus ihrer Hand gerutscht ist, das Glas und das Plot Device." (Es soll ja niemand sagen, dass ich nicht gemerkt hätte, dass diese Info den Plot starten soll.)

Es hilft auch nicht, dass es danach um etwas völlig Anderes geht. Das erzeugt nur noch mehr Verwirrung.

Ihre Wimpern sind ganz gerade, dicht und schwarz, manchmal wünscht sie sich, sie hätten mehr Schwung.

What.

Worum geht es hier gerade? Irgendwelche Kinder, die hinfliegen sollen, jetzt ihre Wimpern, die Freundschaft ist auch im Arsch und das Glas liegt auf dem Boden. Okay, gefangen in Gedanken, i see. Leider sind ihre Gedanken bis jetzt schwer zu fassen und schwer nachvollziehbar.

Aber sie ist schön, schöner als der Durchschnitt, das vergisst sie meistens, bis sie sich wieder im Spiegel ansieht.

Sagt das der Erzähler oder denkt sie das von sich selbst?

Die weinfarbenen Spritzer erinnern sie an die Himbeermarmelade, die sie gestern in ihren Jogurt gerührt hatte.

Dann hat der Wein eine ziemlich ungesunde Konsistenz.

Manchmal hat sie das Gefühl, ihr Gehirn hängt sich an einem Gedanken auf und saugt sich so voll damit, dass es kein Platz mehr für andere Wahrnehmungen gibt.

Ich habe eher das Gefühl, dass sie nicht lang genug bei einem Gedanken bleibt, als dass dieser genug Zeit hätte, um sich vollzusaugen wie ein Schwamm. Sie springt von Thema zu Thema. Wirkliche Gedankenschleifen sind für mich nicht erkennbar. Ich möchte dabei nochmal betonen, dass ich mich nur auf das stützen kann, was dein Text mir vorgibt. Wenn dieses "Vollsaugen" im off passiert, sehe ich davon nichts, was diesen Satz einfach zu einer Behauptung macht. Den Rest musst du mir zeigen.

****

Der Text ist vom Schreibhandwerk her gut. Keine Frage. Erzählerisch hat er mich allerdings nicht sooo gepackt, die Gründe kannst du oben mitverfolgen. Du versuchst, das Bild einer Depression zu erzeugen, aber das kaufe ich dir nicht ab. Hin und wieder wird ein Plot angedeutet, aber Details bleiben im Hintergrund. Das finde ich persönlich toll, denn dann kann sich der Leser selbst zusammenreimen, was vorgefallen sein könnte. So ergibt am Ende des Texts auch das Geschwurbel vom Einstieg mehr Sinn und lockert den Knoten der Verwirrung ein wenig, den du vorher gebunden hast. Bis dahin ist es aber ein - um es nach deinen selbstverfassten Worten zu sagen - "Hä wie kommst du darauf?"

Gut, dass der Text so kurz ist, sonst wäre die Ausstiegsgefahr mMn sehr hoch. Es fehlt mir an Fokus. Die Behauptungen, die der Erzähler - oder die Protagonistin selbst, ich weiß es nicht - stellt, werden nicht untermauert. Bleiben wir bei deiner eigenen Metapher: Ein Brotkrumen saugt sich voll, wenn es lang genug in einer Pfütze liegen bleibt, ja - aber hier wir der Brotkrumen immer wieder rausgenommen, bevor er die Chance hat, genug Flüssigkeit aufzunehmen. Dann wird ein neuer Krumen reingeschmissen und auch nur kurz gelassen. An sich ist das ja genau das, was du darstellst: Viele kleine Krumen, die sich mit Flüssigkeit vollsaugen, aber sie liegen meiner Meinung nach nicht lang genug. Es wird Vieles angedeutet, ab er zum Punkt kommt nichts. Da stehen Ideen, Vorwürfe und Ansätze, aber nichts Weiterführendes. Das ist "Ein bisschen verstimmt sein", aber noch längst keine Depression, die man im Alkohol ertränkt. Vielleicht sehe ich das Ganze ja auch etwas zu eng, denn ohne mein persönliches Nitpicking ist das eine brauchbare Geschichte, die mir in ihrem Verlauf immer mehr zugesagt hat.

Es sind Kleinigkeiten, an denen du arbeiten müsstest, denn die Struktur ihrer Gedanken kommt - wie du sicher am Anfang gesehen hast - viel zu verwirrend rüber, um ihnen ohne Vorwissen zu folgen.[/quote]

 

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