Was ist neu

Schuhe

Mitglied
Beitritt
23.01.2002
Beiträge
7

Schuhe

"Vielleicht kann mir das ja "helfen"". Viele Leute glaubten nicht an ihn - eigentlich keiner. Und er wusste das. Das war sein Problem.
Sich dessen bewusst zu sein, niemals das Vertrauen oder die Zuwendung eines anderen Menschen gefühlt oder gar verdient zu haben, das machte ihn über die Jahre zu dem, was er nun war.
Ein Wrack, ein Abklatsch dessen, was wir „Mensch“ nennen.
Ja, er glich einer verunglückten Nachahmung – so wie wenn eine kleine Firma Schuhe herstellt, die genauso aussehen wie das Produkt einer großen, erfolgreichen Firma, aber durch die minderwertige Verarbeitung keinen Profit abwarfen – die Schuhe sahen zwar so aus wie die anderen, aber innerlich waren sie, mir fallt kein zutreffenderes Wort ein, schlecht. Irgendwo, irgendwann und von irgendwem hatte er mal den Satz „Nichtigkeit ist ein Wort – ich bin die Verkörperung“ aufgeschnappt.
So fühlte er sich.
Jeden Morgen mit dem Gefühl der Ablehnung anderer aufzuwachen konnte er nicht mehr ertragen. Er musste dem ein Ende setzen.
„Wenn Schuhe ausrangiert sind, wirft man sie weg.“, allein dieser Gedanke ging ihm am Vortag durch den Kopf – nichts anderes.
Daran glaubte er und so war es auch. Und in seinen Augen war er eben ein ausrangierter Schuh.
So stand er nun allein auf dieser Brücke. Im Umkreis von einem Kilometer war hier keine Menschenseele – schon gar nicht um diese Uhrzeit. Da war kein ungewohntes Gefühl für ihn, er fühlte sich eigentlich immer so.
Noch einmal blickte er über den jämmerlich niedrigen Rand der Brückenabsperrung.
„Wenn da einer mit dem Auto gegenfährt, hilft ihm diese kleine Mauer kein bisschen!“, schrie er so laut er konnte.
Aus irgendeinem Grund verspürte er Hass auf diese kleine Mauer.
Doch er war sich sicher – die Brücke war hoch genug, das musste auf jeden Fall reichen.
Er stellte sich auf die Absperrung, schloss die Augen und versuchte seinen letzten, wichtigsten Gedanken zu fassen:
„Vielleicht sollte mal jemand Schuhe mit Flügeln erfinden.“

 

Grundsätzlich gefällt mir die Geschichte gut. Eine realitätsnahme Beschreibung, halt so, wie es im wirklichen Leben mit den Randgruppen ist. Ich finde allerdings, dass du den Umstand der Person ruhig noch weiter hättest beschreiben können. Es ging dann doch etwas plötzlich.

Mit folgendem Satz konnte ich leider nichts anfangen:

„Wenn da einer mit dem Auto gegenfährt, hilft ihm diese kleine Mauer kein bisschen!“, schrie er so laut er konnte.

Warum sagt er das bzw. wie meint er das?
Und noch etwas zu deinem Schlusssatz:


„Vielleicht sollte mal jemand Schuhe mit Flügeln erfinden.“

Er will sich doch umbringen oder nicht? In diesem Fall würden ihm die Flügel doch nichts nützen.

Naja, das kannst mir ja vielleicht erklären. Bis dann

Gin

[Beitrag editiert von: Gina am 23.01.2002 um 17:49]

 

Gina: Ich stimmte dir zu - die Geschichte ist um einiges zu kurz und ungenau beschrieben, denn sie wurde leider unter starkem Zeitdruck verfasst, soviel dazu.

Was deine beiden Fragen betrifft:

Mit dem Satz „Wenn da einer mit dem Auto....“ will er grundsätzlich ausdrücken, dass die Hilfeversuche, die ihm (vielleicht) von der Gesellschaft angeboten wurden (oder werden), ihm nicht, und zwar überhaupt nicht weiterhelfen.
Und durch die lächerlich niedrige Mauer wird er daran erinnert.

Zum zweiten Satz:
Er will sich umbringen, das stimmt. Aber vielleicht könnte man ihn davon abhalten, indem man ihm auf irgendeine Art und Weise hilft und unterstützt, im Grunde will er vielleicht gerettet werden.
Oder er hofft für andere Menschen, dass ihnen nicht das gleiche Schicksal widerfährt.

Danke für deine Kritik und deine Fragen!

 

Lieber Dr. Gonzo!

Hallo auf kg.de! :)

Mir gefiel Deine Geschichte auch ganz gut, so kurz und prägnant hast Du darin doch einiges verpacken können.

Was mich an Deinem Protagonisten stört: Ich kann nicht glauben, daß jemand, der so pessimistisch und destruktiv ist, wie ein Selbstmörder, noch laut eine Gesellschaftskritik anbringt.
Wenn man kritisiert, dann doch mit der Hoffnung etwas zu verbessern, oder?.
Dahinter steckt aber m. E. Optimismus - der verträgt sich nicht mit Selbstmord.

Das sind aber nur meine Gedanken, Deine Geschichte ist trotzdem gut!

* :thumbsup: * :thumbsup: * :thumbsup:

Liebe Grüße aus Wien
Susi

 

Dankeschön Susi,

du musst wissen, er übt keine bewusste Kritik an der Gesellschaft – viel mehr un(ter)bewusst. Er „entlädt“ sich im Grunde vor seinem Tod.

Meiner Meinung nach steckt nicht hinter jeder Kritik Optimismus, eher im Gegenteil.

(bin aus Graz – da sind wir ja fast Nachbarn)
:)

 

Hallo Dr. Gonzo!

(Zu oft Fear and Loathing ... gesehen, was?? Ich liebe diesen film!)

Endlich mal jemand, der seinen Kritikern antwortet!

Ja, ich finde auch, die Umstände sollten geklärt werden, aber ansonsten gefällt mir deine Geschichte sehr gut, auch wenn der Titel... sagen wir, durchschnittlich klingt. Auf den Titel kanns ja auch nicht immer ankommen.

Und ich muss dir völlig Recht geben: Krtik und Optimismus?? Pessimisten kritisieren alles und glauben auch nicht an Besserung. Nein, nein, wie man das durcheinander bringen kann, will mir nicht in den KOpf.
Denn: Sind Gesellschaftskritiker nicht die schlimmsten Pessimisten?? (Meistens!) :dagegen: :dagegen: :dagegen:

mfg,
kc

 

@credosupernova:

Zitat:
"Nein, nein, wie man das durcheinander bringen kann, will mir nicht in den KOpf."

- Das könnte ich genauso sagen. Aber wir können auch verschiedene Meinungen haben, ok? Man kann sie sich sagen, um über die Argumente des anderen nachzudenken, aber auch Du kannst (wie ich) nicht davon ausgehen, daß D(m)eine Meinung die einzig Richtige ist, deshalb habe ich auch Nichts "durcheinandergebracht", sondern sehe nur die Sache anders. Gut?

Was ich meine: Die Kritik ist das Erste am Weg zu Veränderungen, oder? Wie soll jemand etwas ändern, wenn dem nicht eine Kritik vorausgeht?
Ein Mensch, der so wenig Sinn im Leben sieht, so wenig Chance erkennt, etwas zu ändern, daß er damit Schluß macht, ist einer, der alles hineinfrißt, nichts herausschreit.
Möglich, wie im gegebenen Beispiel, so kurz vor dem Sprung ein Entladen, vielleicht ja, ich bin auch kein Selbstmörder und weiß es nicht.

Aber Kritik an sich ist niemals Pessimismus! Würde ich hinter einer Kritik keinen Sinn sehen, etwas zu ändern, könnte ich sie mir doch sparen, oder?! ;)

Alles liebe
Susi :)

[Beitrag editiert von: Häferl am 24.01.2002 um 15:46]

 

@Häferl:
Mein Gott, nun fühl dich nicht gleich in deinen demokratischen Grundfesten erschüttert, wenn ich mal eine Behauptung aufstelle. Ich habe noch niemanden erschossen, der mir widersprochen hat.

Gut, Kritik ist nicht in jedem Fall Pessimismus, aber Pessimisten sind die besten Kritiker. Würden sie alles ganz toll finden, wären sie schließlich keine Pessimisten. Und diese Kritiken sind meist wenig hoffnungsvoll.

Ob nun kritischer Pessimismus oder pessimistische Kritik. Ich glaube, unsere Kritik nützt dem Autor reichlich wenig .

so long,
kc

 

Credosupernova:
Hätte nicht gedacht, dass hier jemand weiß, wo mein Name herkommt. :)
Stimmt, Schuhe ist wirklich ein ziemlich schlechter Titel, hab ich bis jetzt noch nicht so richtig drüber nachgedacht.

P.S.:
Den Satz: "Ob nun kritischer Pessimismus oder pessimistische Kritik.", find ich irgendwie echt beeindruckend...

Susi:
Ich bin nicht der Meinung, dass Kritik das Erste am Weg zur Veränderung ist, es kann (muss aber nicht) ein Anstoss zur Verbesserung verschiedener Sachverhalte an eine ANDERE Person sein, es sei denn, es handelt sich um Selbstkritik, die in diesem Falle aber nicht vorhanden ist.
Außerdem KANN Kritik schon Pessimismus enthalten – und zwar die „sinnlose“.
Wenn die Kritik nur den Zweck erfüllt, etwas „fertigzumachen“ (das Wort passt nicht so gut, mir fällt im Moment kein anderes ein...), ohne eine hilfreiche Aussage zu geben, so enthält diese meiner Meinung nach Pessimismus.

[Beitrag editiert von: Dr.Gonzo am 24.01.2002 um 18:32]

 

@Gonzo:
Hey, das ist mein absoluter Lieblingsfilm mit Benicio Del Toro... (Lieblingsszene: Ganz eindeutig der Versuch, von der drehenden Bar runterzukommen... GENIAL!!)
:stoned: :stoned: :stoned: :stoned:

(Wo ist der LSD-Smilie??? Webmaaaaaschter!!! :baddevil: )

mfg,
kc

 

@Gonzo & credosupernova:

Ist ja schon gut, jedem Seines. :)
Ich bin halt von Grund auf eher optimistisch und glaube immer an Verbesserungen. - Deshalb auch meine Sichtweise. ;)

Alles liebe
Susi

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom