Kritikerkreis
Hallo Jaster,
mir scheint es so, als ob Du keine bestimmte Interpretation Deiner Geschichte erwartest. Eine Parabel ist aber nicht so definiert, dass man verschiedenes in sie hineininterpretieren kann.
Streng genommen ist eine Parabel keine Kurzgeschichte. Ich sehe den Text weniger als Parabel, sondern halbwegs als parabolische Kurzgeschichte.
Ich denke, Du willst mit Deinem Text einen philosophischen Aspekt berücksichtigen. Ein philosophischer Text kann kurz sein, ich hätte auch den ungewöhnlichen Stil begrüßt, denn
man kann durchaus mit Worten und Klängen spielen, wie Du es mit dem „Schreiten“ machst, doch sollte es nicht Selbstzweck sein, sondern den Inhalt der Geschichte unterstützen. Eine parabolische Verzerrung findet nur auf der formellen, nicht inhaltlichen Ebene statt.(Dies ist allerdings gut gelungen). Es sollten auch inhaltliche Aussagen verändert dargestellt werden, damit die Abgrenzung zur realistischen Kurzgeschichte deutlich wird (das plötzliche Beinstellen ist im verwendeten Bild durchaus realistisch, eine Wendung hin zum Nicht-Realem wäre aber interessanter).
Die `Fortgeschrittenen Schritt-Worte´ könnten z.B. als Parallele für die sich immer wieder `windend- wiederholenden Wortgedanken´ der Protagonistin dienen, doch- es kommt ihr ein klärender Gedanke „nicht mehr in den Sinn“. Bei „Oh weia, was nun?“ unterbrichst Du auch den Sprachstil, man ahnt schon: Nach so einer unbeholfen-naiven Aussage ist nichts mehr Wesentliches von der Protagonistin zu erwarten. (Und man sieht: Der Text ist bald beendet...).
Man könnte sicher etwas philosophisches in den Text hineininterpretieren (z.B. die `Nichtigkeit des Tuns´), doch für eine echte philosophische Aussage fehlen Angaben, die man abwägen oder ergründen könnte.
So bleibt:
Warum tut sie, was sie tut?
Sie weiß es selbst nicht.
Sie bleibt bei ihrem Tun, wegen der Mitmenschen (eher ein gesellschaftlicher Aspekt)
Sie weiß nicht, warum sie so handelt, aber weiß, dass es sinnlos ist. (Woher kommt die Erkenntnis, ist sie wahr? Bei sinnlosem Tun wäre die Frage nach dem ´Warum´ vergeblich).
Ihr wird ein Bein gestellt.
Sie fällt.
Sie erfährt die grausame Realität. (Warum ist die Realität grausam, wird sie doch aus den kreisenden Gedanken des sinnlosen Nichtwissens gerissen? Mußte sie nicht auch in der Realität gewesen sein, als sie die Sinnlosigkeit erkannte, ihr Handeln an den Menschen ausrichtete? So wirft der Text Fragen auf, aber es sind keine von allgemeinem Interesse, sondern sie dienen der Ergründung eines Widerspruchs in der Geschichte).
Es ist schade, dass dieser formell interessante Text- ganz gleich ob parabolische Kurzgeschichte, oder nicht- keine durch `Hintergrund´- Inhalt bestimmbare Fragen aufwirft, vielleicht sogar unerwartete Aspekte aufzeigt. Eine parabolische Kurzgeschichte kann durchaus sehr offen für Interpretationen sein, dieser fehlt aber eine Diskrepanz, die auf das Ungewöhnliche hinweist und dadurch zur Reflexion des Textes anregt.
Anhang:
Bei „Prall auf den Boden“ müßte es Aufprall heißen, doch dann hat man das „Auf“ doppelt. Es könnte z.B. `Ein harter Fall´ heißen.
Änderungsvorschlag für den Schlußsatz: Wie grausam kann doch die Realität sein!
Die Angabe des Geschichtstypus gehört nicht in die Überschrift.
Tschüß... Woltochinon