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Schreiben zum Verstehen

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12.06.2018
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Schreiben zum Verstehen

Ich schreibe um zu verstehen.

Jede Geschichte beginnt mit Tränen und so sollte sie auch Enden.

Was ich als Kind gerne getan habe frage ich mich manchmal. Ich war gerne in der Natur, habe an einem Bachlauf gespielt, bis meine Füße nass waren. Ich ging nach Hause und meine Mutter schimpfte, dass ich wieder in den Bach gefallen sei. So ging es für viele Jahre.
Dann habe ich zum Leidwesen meiner Eltern angefangen Pfeil und Bogen zu bauen. Am Anfang aus einem dünnen Zweig und einem Bindfaden, den ich zufällig beim Spielen am Bach fand.
Jetzt beim Schreiben erinnere ich mich besser daran. Einmal half mir mein Vater und nahm einen Gummizug aus einem alten Hosenbund, befestigte diesen mit Sorgfalt an einem gebogenen Ast und baute mir einen passablen Bogen. Ich wusste damals nicht wie ein Bogen funktioniert. Dass die Zugkraft aus dem harten Holz kommen muss und nicht aus einem verformbarem Gummi. Aber der Bogen funktionierte und das reichte mir als Kind. Ich war glücklich über meinen neuen Bogen. Ich erinnere mich gut daran, obwohl ich so vieles andere vergessen habe.
Das sind echte Momente in einem Leben. Dafür weiß ich heute nicht einmal mehr wie ich mich gefühlt habe, als ich mein Examen zugeschickt bekam. Per Post versteht sich. Vom Postboten überreicht, der nicht einmal wusste, was er mir dort aushändigte. Den verdienten Lohn für jahrelange Arbeit.
Beziehungen sind an meinem Studium zerbrochen. In erster Linie wegen mir und dem Leben das ich geführt habe. Die Schuld trägt niemand sonst. Woran ich mich sonst noch aus meinem Studium erinnere? Etliche Nachtschichten im Krankenhaus. Die Pflege von kranken und sterbenden Menschen. Es sind viele gestorben. Die meisten alleine ohne dass ich es mitbekam. Häufig findet man sie einfach beim Rundgang. Tot im Bett liegend. Halb so wild, denkt man sich. Es war ja bekannt, dass sie sterben. Bei der Übergabe heißt es präfinal. Manchmal kommt man in die Zimmer, sieht dass es zu Ende geht. Dann wird die Tür wieder geschlossen und man kommt später wieder, wenn es vorbei ist. Das Ganze wird akzeptiert. Nur wenige Krankenschwestern finden die Zeit einen Menschen beim Sterben zu begleiten. Umso mehr schätze ich diejenigen, die es versuchen. Diese Aufgabe fällt eigentlich den Angehörigen zu, was richtig wäre. Aber häufig ist niemand da. Manchmal denke ich mir, dass könnte mein Vater sein, der dort liegt. Er ist ja nicht mehr bei bester Gesundheit. Mein Vater, der mir den Bogen vor vielen Jahren gebastelt hat.
Wer denkt mit dem Tod ist es dann zu Ende, täuscht sich. Die Verstorbenen werden fertig gemacht, damit, falls ein Angehöriger noch kommen sollte, er Abschied nehmen kann. Die Katheter und Zugänge werden entfernt, damit sie das Bild nicht trüben. Der Tod soll natürlich aussehen, als ob der Patient die letzten Monate ohne diese medizinische Hilfe gelebt hätte. Manchmal kommen Angehörige dann nachts auf Station, wenn alles vorüber ist. Ein Wort des Beileids in die häufig erleichtert wirkenden Gesichtern. Vielleicht tue ich den Menschen hier Unrecht. Ich weiß nicht, was in Ihren Köpfen vorgeht.
Aus dieser Zeit im Krankenhaus haben sich zwei Ereignisse in meinem Gedächtnis verankert. Ich werde sie jedoch nicht erzählen, da sie die meisten langweilen würden und viele wahrscheinlich ähnliche Erinnerungen teilen. Wenn ich danach gefragt werde, werde ich sie erzählen.
Nach diesen Nächten kommt man übermüdet und übernächtigt am nächsten Morgen in die Vorlesung, später dann ins Labor und quält sich durch den Tag, obwohl jede Faser im Körpers und jede Synapse im Kopf nach Erholung schreit. All das nur, um an Ende ein Blatt Papier von einem Postboten gebracht zu bekommen. Und ich weiß nicht mal, wie mir in diesem Moment zu Mute war. Ich müsste mich selber dafür hassen, wenn es mir nicht so egal wäre. Ich denke, ich muss in dem Moment glücklich gewesen sein, zumindest erleichtert, als ich die Urkunde in der Hand hielt. Aber ich weiß es nicht, verdammt noch mal. Ich glaube, ich saß in dem Moment in der Küche mit meiner damaligen Freundin. Ich kann mich täuschen.
Der Lohn bedeutungslos und um die ganze Ironie zu erfassen: Ich habe heute zu niemanden meiner Kommilitonen Kontakt. Nur das Examenszeugnis zeugt von dieser Zeit und das ist gut versteckt zwischen anderen Unterlagen, unsichtbar. Was hätte ich in dieser Zeit alles machen können. In 7 Jahren Studium - ja solange habe ich studiert. 7 Jahre in denen ich so viel mehr hätte machen können. Vielleicht hätte ich malen sollen…
Als Kind habe ich gerne gemalt. Heute besitze ich nicht mal ein Set anständiger Buntstifte. Das muss man sich erstmal vorstellen. Meine ganze Kindheit habe ich gemalt. Hunderte von Bildern, meist Dinosaurier. Ganze Ordner zeugen davon. Meine Mutter hat gewissenhaft die Bilder gesammelt und in Ordnern abgeheftet. Jetzt vermodern sie bei mir im Keller und ich besitze nicht einmal mehr Buntstifte.
Warum ich aufgehört habe das zu tun, was mir als Kind Freude bereitet hat…ich kann es nicht sagen. Nicht weil ich nicht will, sondern weil ich es nicht weiß. Vielleicht weiß ich es eines Tages und dann werde ich ganze Galerien mit den Bildern füllen, die es erklären. Es werden viele Dinos auf den Bildern sein, in allen Farben. Das weiß ich jetzt schon.
Aber jetzt verstehe ich es noch nicht. Vielleicht habe ich einfach das getan, was von mir erwartet wurde. Den Buntstift gegen den Taschenrechner getauscht. Ich will nicht mehr das tun, was man etwas von mir erwartet. Ist das falsch?
Natürlich war nicht alles schlecht in den letzten Jahren. Die Menschen, die ich kennenlernte waren echt und meine jetzige Persönlichkeit ist das Ergebnis aus diesen Erfahrungen. Zumindest würden Psychologen so etwas Ähnliches sagen. Ich war nie beim Psychologen. Und ich bin auch kein Psychologe, eher Wissenschaftler. Aus wissenschaftlicher Sicht sind die Spiegelneurone schuld. Also ich selbst.
Zumindest kann ich nicht leugnen, dass sich mein Charakter aus vielen Eigenschaften zusammensetzt, die in den letzten Jahren entstanden sind. Das zu leugnen, hieße mich selbst zu leugnen, mich selbst unbedeutend zu machen. Niemand ist unbedeutend. Das ist doch das Menschenbild, was uns beigebracht wird. Jeder Mensch ist einzigartig.
Heute nehme ich all das an. Das Glück, dass ich spürte als ich den Bindfaden für meinen ersten Bogen fand und auch die Gleichgültigkeit über mein Examen. Mir soll es eine Lehre sein.
Ich erzählte meiner damaligen Freundin, dass ich seit mehreren Jahren nicht mehr geweint habe, was, soweit ich es in Erinnerung habe, stimmte. Sie wunderte sich zu Recht. Ich erklärte es damit, dass ich einfach nicht nah am Wasser gebaut bin. Heute fließen die Tränen leichter. Ich denke, das ist gut.

Jetzt brauche ich allerdings erstmal eine Zigarette. (Eines der Dinge, die ich in den letzten Jahren schätzen lernte.)

Ich muss leider los zu einem Treffen, denn auch ich bin auf die Selbstbestätigung anderer angewiesen.
Wenn es sich ergibt, erzähle ich ihr, dass ich angefangen habe ein Buch zu schreiben. Es ist immer eine Sie. Vielleicht zeige ich ihr einige Zeilen. Ich habe keine Ahnung wie sie reagiert. Immerhin ist mein Schreibstil miserabel ausgeprägt. Kein Wunder, der letzte zusammenhängende Text den ich schrieb, war zu meiner Schulzeit. Aber irgendwo muss ich anfangen.

 

Hej TomOderTim

und herzlich willkommen.

Davon mal abgesehen, dass dein Text orthographisch betrachtet bearbeitungswürdig ist, zum Glück sind wir eine Schreibwerkstatt ;), gefällt mir der Ton deiner Geschichte gut.

Ich mag es, wie der Protagonist an einem Punkt seines Lebens darüber nachdenkt, ab wann er ihm was abhanden kam und er mich mitnimmt in seine Kindheit, in den Verlauf seine Lebensstationen und am Ende sogar zu seiner Verabredung.

Ich mag, wie er Glück und Wohlbefinden an den kleinen Dingen seines Lebens festmacht, an Gummibändern, nassen Schuhen, ich mag, wie er über die Menschen nachdenkt, über das Sterben, über Einsamkeit und hätte mir tatsächlich gewünscht, der Autor hätte mehr Handlungsgeschichte eingearbeitet. Etwas Drumherum, eben einen Begegnung, einen Austausch, eine Wende ... so in der Art.

Ich wünsche dir viel Spaß bei der Bearbeitung und guck dich gerne um.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo TomOderTim,
ich habe deinen Text gerne gelesen. Nein, es ist keine Kurzgeschichte, eher eine Lebensbeichte, aber sie hat mich trotzdem berührt und ich konnte viele Dinge abnicken und deinen Protagonisten verstehen. Mir geht es oft ähnlich, wenn ich in alten Sachen krame und dann mein Abiturzeugnis in der Hand halte oder irgendwelche Klausuren, die ich aus irgendeinem Grund aufbewahrt habe. Und heute frage ich mich: Wozu das alles ...?

Mein Tip wäre, den Leser nicht direkt anzusprechen, bzw. nicht davon auszugehen, dass er bestimmte Fragen hat. Da reagiert mancher Leset allergisch drauf, weil er sich lieber seine eigenen Gedanken machen möchte. Auch den Einstieg finde ich etwas unglücklich gewählt.

"Jede Geschichte beginnt mit Tränen und so sollte die auch Enden" = enden (klein). Das ist schon eine ziemlich gewagte Behauptung, die du da aufstellst, deren Inhalt ich auch nicht teilen kann. Wenn du den Satz gerne behalten möchtest, würde ich ihn vielleicht eher an einer anderen Stelle des Textes unterbringen, so dass eher daraus hervorgeht, dass das eben die Gedanken deines Protagonisten sind, keine Allgemeinbehauptung am Textanfang.

Ein Leseeindruck und herzliches Willkommen meinerseits.

Viele Grüße,
Chai

 

Hallo TomOderTim,

ich fand die Stimmung deiner Geschichte sehr gelungen. Sie hat etwas so melancholisches, das gefällt mir sehr gut. Mir fehlt ein Bisschen die Handlungsebene, es ist ja viel mehr ein Lebensbericht, liest sich beinahe wie ein Brief an jemanden aus seinem Leben.

Jede Geschichte beginnt mit Tränen und so sollte sie auch Enden.

Was ich als Kind gerne getan habe frage ich mich manchmal. Ich war gerne in der Natur, habe an einem Bachlauf gespielt, bis meine Füße nass waren. Ich ging nach Hause und meine Mutter schimpfte, dass ich wieder in den Bach gefallen sei. So ging es für viele Jahre.

Aber die Geschichte beginnt dann ja gar nicht mit Tränen? Vielleicht habe ich den ersten Satz auch falsch verstanden, aber das hat mich ein bisschen gewundert.

In erster Linie wegen mir und dem Leben das ich geführt habe. Die Schuld trägt niemand sonst.
Diese Gedanken finde ich sehr gelungen. Nach meinem eigenen Studium arbeite ich seit ein paar Jahren an der Uni und erlebe immer wieder, wie Studenten sich durch den Druck (im Studium, aber auch finanziell) völlig von sich selbst entfernen. Das finde ich schrecklich und es gefällt mir, dass dein Text darauf eingeht.

In 7 Jahren Studium - ja solange habe ich studiert. 7 Jahre in denen ich so viel mehr hätte machen können. Vielleicht hätte ich malen sollen…
Als Kind habe ich gerne gemalt. Heute besitze ich nicht mal ein Set anständiger Buntstifte. Das muss man sich erstmal vorstellen. Meine ganze Kindheit habe ich gemalt. Hunderte von Bildern, meist Dinosaurier.
Das hat mich auch berührt, finde ich sehr gelungen ausgedrückt. Ich denke, dass sehr viele Menschen sich hier wiederfinden können. Wir alle geben doch Dinge auf, die wir lieben, um unser "erwachsenes" Leben zu führen. Das war mein liebster Teil in deinem Text.

Natürlich war nicht alles schlecht in den letzten Jahren. Die Menschen, die ich kennenlernte waren echt und meine jetzige Persönlichkeit ist das Ergebnis aus diesen Erfahrungen. Zumindest würden Psychologen so etwas Ähnliches sagen. Ich war nie beim Psychologen. Und ich bin auch kein Psychologe, eher Wissenschaftler. Aus wissenschaftlicher Sicht sind die Spiegelneurone schuld. Also ich selbst.
Zumindest kann ich nicht leugnen, dass sich mein Charakter aus vielen Eigenschaften zusammensetzt, die in den letzten Jahren entstanden sind.
Mh, ich weiß nicht, ob ich das alles ganz verstanden habe. Dass die Persönlichkeit stark durch die eigenen Erfahrungen geprägt wird würde ich auch so sehen, auch dass sie noch zur Zeit des Studiums recht stark beeinflusst und geprägt werden kann. Ob man das durch Spiegelneuronen erklären kann würde ich eher nicht unterschreiben. Spiegelneurone (zumindest so, wie sie zum aktuellen Forschungsstand verstanden werden können), haben ja viel mit Empathie und sozialer Interaktion zu tun, aber doch eher weniger mit der Ausbildung der Persönlichkeit. Meines Erachtens nach könnte man die Spiegelneuronen rausnehmen und einfach genereller über kognitive Neuropsychologie / differenzielle Neuropsychologie argumentieren.

Insgesamt habe ich den Text gern gelesen, auch wenn ich mir mehr auf der Handlungsebene gewünscht hätte für eine Kurzgeschichte.

Danke dir für's Teilen!
Liebe Grüße,
Maria

 

Hallo TomOderTim,

ich habe das unheimlich gern gelesen. Zum Einen, weil du aus der Ich Perspektive schreibst und ich das sehr mag. Zum Anderen, weil es die Art Beiträge sind, die ich selbst oft schreibe. Eine Kurzgeschichte ist das nicht, klar. Aber eben weil es Gedanken sind, dir jeder mal hat, Fragen die man sich stellt, Fragen zum Leben eben, fühlt man es so mit. Eigentlich recht nüchtern geschrieben, schwebt hinter dem Text eine Traurigkeit mit, die es dadurch rührend macht, ohne kitschig zu sein.

Schön das du es geschrieben hast!

Ganz liebe Grüße
Charly

 

Nee, bester AWM hierorts, nicht nur der erste, sondern auch der zwote Fehler findet sich schon im Titel, der üblicherweise ohne Satzzeichen endet, sofern es weder Frage noch Ausruf ist. Das interessante ist nun,

lieber TomOderTim -
und damit ersteinmal herzlich willkommen hierorts!,

der Titel ist von seinem Inhalt her so wahr, wie ein Titel nur sein kann. Worte, die eine halbtaube Nuss wie ich leichter aussprechen und niederschreiben kann als jede/r hellhörige Andere. Aber um das Formale so kurz wie möglich zu halten nur zu den Infinitivsätzen in Folge der Rechtschreibreform: Die gab nämlich vor, Infinitiv(sätz)e vom Komma zu befreien und schuf zugleich - keineswegs sinnlose - Ausnahmen wie etwa, wenn eine Konjunktion wie "um" vorangeht (wie im Titel) oder wie hier

Dann habe ich zum Leidwesen meiner Eltern angefangen[,] Pfeil und Bogen zu bauen.
von wenigstens einem Substantiv abhängt (vorsicht, ein Pronomen hat die gleiche Wirkung, steht es doch für ein Nomen/Substantiv!).

Einige Unis und auch Privatleute haben im Netz PDFs mit den Regeln eingestellt, die alle identisch sein sollten. Also eine PDF runterziehen, Verknüpfung erstellen und ggfs. anklicken.

Am sichersten und umfassend ist aber, Duden.de aufzurufen, weil Du Zeichensetzung und Rechtscheibung (ggfs. mit einer kleinen Notiz über Herkunft und Bedeutung des Wortes und eine kleine Grammatik - wichtig bei Präpositionen, die ja überall lauern können) geballt findest und amtlich beglaubigt.

Offensichtlich musstestu das, was Du niedergeschrieben hast, loswerden. Aber mit der Selbsterkenntnis

Immerhin ist mein Schreibstil miserabel ausgeprägt. Kein Wunder, der letzte zusammenhängende Text den ich schrieb, war zu meiner Schulzeit. Aber irgendwo muss ich anfangen.
sollte man ein Buch allein "für sich" und einem, dem man vertraut, beginnen,

meint der

Friedel,
der übrigens 20 Jahre lang in einem Krankenhaus gearbeitet hat und die Umwandlung des Patienten in einen Kunden, die in den 80-er Jahren mit Einführung der Dopik begann und mit der Kostenrechnung und der Einführung von Diagnoseschlüsseln (American way of life!) kurz vor der Jahrtausendwende endete - als wäre Gesundheit und somit Leben überhaupt "Ware" - ein kleines bisschen mit verursacht hat.

Wie dem auch sei,
vorsorglich ein schönes Wochenende!

Ich schreibe um zu verstehen. Jede Geschichte beginnt mit Tränen und so sollte sie auch Enden. Was ich als Kind gerne getan habe frage ich mich manchmal. Ich war gerne in der Natur, habe an einem Bachlauf gespielt, bis meine Füße nass waren. Ich ging nach Hause und meine Mutter schimpfte, dass ich wieder in den Bach gefallen sei. So ging es für viele Jahre.
Am Anfang aus einem dünnen Zweig und einem Bindfaden, den ich zufällig beim Spielen am Bach fand.
Jetzt beim Schreiben erinnere ich mich besser daran. Einmal half mir mein Vater und nahm einen Gummizug aus einem alten Hosenbund, befestigte diesen mit Sorgfalt an einem gebogenen Ast und baute mir einen passablen Bogen. Ich wusste damals nicht wie ein Bogen funktioniert. Dass die Zugkraft aus dem harten Holz kommen muss und nicht aus einem verformbarem Gummi. Aber der Bogen funktionierte und das reichte mir als Kind. Ich war glücklich über meinen neuen Bogen. Ich erinnere mich gut daran, obwohl ich so vieles andere vergessen habe.
Das sind echte Momente in einem Leben. Dafür weiß ich heute nicht einmal mehr wie ich mich gefühlt habe, als ich mein Examen zugeschickt bekam. Per Post versteht sich. Vom Postboten überreicht, der nicht einmal wusste, was er mir dort aushändigte. Den verdienten Lohn für jahrelange Arbeit.
Beziehungen sind an meinem Studium zerbrochen. In erster Linie wegen mir und dem Leben das ich geführt habe. Die Schuld trägt niemand sonst. Woran ich mich sonst noch aus meinem Studium erinnere? Etliche Nachtschichten im Krankenhaus. Die Pflege von kranken und sterbenden Menschen. Es sind viele gestorben. Die meisten alleine ohne dass ich es mitbekam. Häufig findet man sie einfach beim Rundgang. Tot im Bett liegend. Halb so wild, denkt man sich. Es war ja bekannt, dass sie sterben. Bei der Übergabe heißt es präfinal. Manchmal kommt man in die Zimmer, sieht dass es zu Ende geht. Dann wird die Tür wieder geschlossen und man kommt später wieder, wenn es vorbei ist. Das Ganze wird akzeptiert. Nur wenige Krankenschwestern finden die Zeit einen Menschen beim Sterben zu begleiten. Umso mehr schätze ich diejenigen, die es versuchen. Diese Aufgabe fällt eigentlich den Angehörigen zu, was richtig wäre. Aber häufig ist niemand da. Manchmal denke ich mir, dass könnte mein Vater sein, der dort liegt. Er ist ja nicht mehr bei bester Gesundheit. Mein Vater, der mir den Bogen vor vielen Jahren gebastelt hat.
Wer denkt mit dem Tod ist es dann zu Ende, täuscht sich. Die Verstorbenen werden fertig gemacht, damit, falls ein Angehöriger noch kommen sollte, er Abschied nehmen kann. Die Katheter und Zugänge werden entfernt, damit sie das Bild nicht trüben. Der Tod soll natürlich aussehen, als ob der Patient die letzten Monate ohne diese medizinische Hilfe gelebt hätte. Manchmal kommen Angehörige dann nachts auf Station, wenn alles vorüber ist. Ein Wort des Beileids in die häufig erleichtert wirkenden Gesichtern. Vielleicht tue ich den Menschen hier Unrecht. Ich weiß nicht, was in Ihren Köpfen vorgeht.
Aus dieser Zeit im Krankenhaus haben sich zwei Ereignisse in meinem Gedächtnis verankert. Ich werde sie jedoch nicht erzählen, da sie die meisten langweilen würden und viele wahrscheinlich ähnliche Erinnerungen teilen. Wenn ich danach gefragt werde, werde ich sie erzählen.
Nach diesen Nächten kommt man übermüdet und übernächtigt am nächsten Morgen in die Vorlesung, später dann ins Labor und quält sich durch den Tag, obwohl jede Faser im Körpers und jede Synapse im Kopf nach Erholung schreit. All das nur, um an Ende ein Blatt Papier von einem Postboten gebracht zu bekommen. Und ich weiß nicht mal, wie mir in diesem Moment zu Mute war. Ich müsste mich selber dafür hassen, wenn es mir nicht so egal wäre. Ich denke, ich muss in dem Moment glücklich gewesen sein, zumindest erleichtert, als ich die Urkunde in der Hand hielt. Aber ich weiß es nicht, verdammt noch mal. Ich glaube, ich saß in dem Moment in der Küche mit meiner damaligen Freundin. Ich kann mich täuschen.
Der Lohn bedeutungslos und um die ganze Ironie zu erfassen: Ich habe heute zu niemanden meiner Kommilitonen Kontakt. Nur das Examenszeugnis zeugt von dieser Zeit und das ist gut versteckt zwischen anderen Unterlagen, unsichtbar. Was hätte ich in dieser Zeit alles machen können. In 7 Jahren Studium - ja solange habe ich studiert. 7 Jahre in denen ich so viel mehr hätte machen können. Vielleicht hätte ich malen sollen…
Als Kind habe ich gerne gemalt. Heute besitze ich nicht mal ein Set anständiger Buntstifte. Das muss man sich erstmal vorstellen. Meine ganze Kindheit habe ich gemalt. Hunderte von Bildern, meist Dinosaurier. Ganze Ordner zeugen davon. Meine Mutter hat gewissenhaft die Bilder gesammelt und in Ordnern abgeheftet. Jetzt vermodern sie bei mir im Keller und ich besitze nicht einmal mehr Buntstifte.
Warum ich aufgehört habe das zu tun, was mir als Kind Freude bereitet hat…ich kann es nicht sagen. Nicht weil ich nicht will, sondern weil ich es nicht weiß. Vielleicht weiß ich es eines Tages und dann werde ich ganze Galerien mit den Bildern füllen, die es erklären. Es werden viele Dinos auf den Bildern sein, in allen Farben. Das weiß ich jetzt schon.
Aber jetzt verstehe ich es noch nicht. Vielleicht habe ich einfach das getan, was von mir erwartet wurde. Den Buntstift gegen den Taschenrechner getauscht. Ich will nicht mehr das tun, was man etwas von mir erwartet. Ist das falsch?
Natürlich war nicht alles schlecht in den letzten Jahren. Die Menschen, die ich kennenlernte waren echt und meine jetzige Persönlichkeit ist das Ergebnis aus diesen Erfahrungen. Zumindest würden Psychologen so etwas Ähnliches sagen. Ich war nie beim Psychologen. Und ich bin auch kein Psychologe, eher Wissenschaftler. Aus wissenschaftlicher Sicht sind die Spiegelneurone schuld. Also ich selbst.
Zumindest kann ich nicht leugnen, dass sich mein Charakter aus vielen Eigenschaften zusammensetzt, die in den letzten Jahren entstanden sind. Das zu leugnen, hieße mich selbst zu leugnen, mich selbst unbedeutend zu machen. Niemand ist unbedeutend. Das ist doch das Menschenbild, was uns beigebracht wird. Jeder Mensch ist einzigartig.
Heute nehme ich all das an. Das Glück, dass ich spürte als ich den Bindfaden für meinen ersten Bogen fand und auch die Gleichgültigkeit über mein Examen. Mir soll es eine Lehre sein.
Ich erzählte meiner damaligen Freundin, dass ich seit mehreren Jahren nicht mehr geweint habe, was, soweit ich es in Erinnerung habe, stimmte. Sie wunderte sich zu Recht. Ich erklärte es damit, dass ich einfach nicht nah am Wasser gebaut bin. Heute fließen die Tränen leichter. Ich denke, das ist gut.

Jetzt brauche ich allerdings erstmal eine Zigarette. (Eines der Dinge, die ich in den letzten Jahren schätzen lernte.)

Ich muss leider los zu einem Treffen, denn auch ich bin auf die Selbstbestätigung anderer angewiesen.
Wenn es sich ergibt, erzähle ich ihr, dass ich angefangen habe ein Buch zu schreiben. Es ist immer eine Sie. Vielleicht zeige ich ihr einige Zeilen. Ich habe keine Ahnung wie sie reagiert.

 
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Nee, bester AWM hierorts, nicht nur der erste, sondern auch der zwote Fehler findet sich schon im Titel, der üblicherweise ohne Satzzeichen endet, sofern es weder Frage noch Ausruf ist. Das interessante ist nun,

lieber TomOderTim -
und damit ersteinmal herzlich willkommen hierorts!,

der Titel ist von seinem Inhalt her so wahr, wie ein Titel nur sein kann. Worte, die eine halbtaube Nuss wie ich leichter aussprechen und niederschreiben kann als jede/r hellhörige Andere. Aber um das Formale so kurz wie möglich zu halten nur zu den Infinitivsätzen in Folge der Rechtschreibreform: Die gab nämlich vor, Infinitiv(sätz)e vom Komma zu befreien und schuf zugleich - keineswegs sinnlose - Ausnahmen wie etwa, wenn eine Konjunktion wie "um" vorangeht (wie im Titel) oder wie hier

Dann habe ich zum Leidwesen meiner Eltern angefangen[,] Pfeil und Bogen zu bauen.
von wenigstens einem Substantiv abhängt (vorsicht, ein Pronomen hat die gleiche Wirkung, steht es doch für ein Nomen/Substantiv!).

Mein Tipp ins Sachen Infinitivsatz lautet daher, im Zweifel immer ein Komma in Sachen Infinitivkonstrukt - es ist nicht verboten.

Einige Unis und auch Privatleute haben im Netz PDFs mit den Regeln eingestellt, die alle identisch sein sollten. Also eine PDF runterziehen, Verknüpfung erstellen und ggfs. anklicken.

Am sichersten und umfassend ist aber, Duden.de aufzurufen, weil Du Zeichensetzung und Rechtscheibung (ggfs. mit einer kleinen Notiz über Herkunft und Bedeutung des Wortes und eine kleine Grammatik - wichtig bei Präpositionen, die ja überall lauern können) geballt findest und amtlich beglaubigt.

Offensichtlich musstestu das, was Du niedergeschrieben hast, loswerden. Aber mit der Selbsterkenntnis

Immerhin ist mein Schreibstil miserabel ausgeprägt. Kein Wunder, der letzte zusammenhängende Text den ich schrieb, war zu meiner Schulzeit. Aber irgendwo muss ich anfangen.
sollte man ein Buch allein "für sich" und einem, dem man vertraut, beginnen,

meint der

Friedel,
der übrigens 20 Jahre lang im Gesundheits(un)wesen gearbeitet hat und die Umwandlung des Patienten in einen Kunden, die in den 80-er Jahren mit Einführung der Dopik in den Krankenhäusern begann und mit der Kostenrechnung und der Einführung von Diagnoseschlüsseln (American way of life!) kurz vor der Jahrtausendwende endete - als wäre Gesundheit und somit Leben überhaupt "Ware" - ein kleines bisschen mit verursacht hat.

Wie dem auch sei,
vorsorglich ein schönes Wochenende!

 

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