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Schreibblockade, oder Die Qual der Wahl

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17.12.2002
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Schreibblockade, oder Die Qual der Wahl

Da sitze ich wieder.

Allein vor meinem Computer und versuche eine lustige, zynische, gescheite oder wie auch immer geartete Geschichte zustande zu bringen.
Doch was passiert in solchen Momenten? Ich werfe den Computer an, starte das Textprogramm und sitze Stunde um Stunde an der Tastatur und finde nicht den richtigen Anfang, keine brauchbare Story, keine witzige Pointe. Der Bildschirm bleibt weiß... für etwa fünf Minuten. Dann wird der Bildschirmschoner aktiviert und mir fliegen Toaster um die Ohren oder Fische über den Monitor, die ich eine gewisse Zeit fasziniert beobachte. In krassen und depressiven Zeiten versuche ich dann noch, die Toaster mit dem Joystick zu lenken oder Fischfutter oben in den Monitor zu werfen. Aber auch dieser geistig gehaltvolle Zeitvertreib lockt keine vernünftig zu verwendende Geschichte aus den Innereien meines ach so genialen Hirns.

Also denke ich nach. Darüber, welche Filme ich kenne, welche Bücher oder auch welche Lieder. Denke nach über den Sinn der darin enthaltenen Stories. Suche nach einem Anhaltspunkt für meine eigene Idee, weil abkupfern kann ja jeder. Und dann, irgendwann, fällt mir auch kein Film, kein Buch, kein Lied mehr ein, das auch nur annähernd geeignet erscheint, als Ideengeber zu funktionieren. Es sind natürlich einige geniale Stücke dabei, aber wie gesagt, abkupfern kann ja jeder.

Weiter auf der Suche nach der Geschichte für den Literatur-Nobelpreis beende ich das Textprogramm und schmeiße mein Modem an. Vielleicht werde ich in einem der zahlreichen Chatsysteme im Internet fündig. Ich begebe mich zunächst in einen Chat, in dem mehrere bis viele, gelegentlich auch sehr viele Teilnehmer gleichzeitig über ein bis zwanzig verschiedene Themen kommunizieren und ich beteilige mich rege. Gebe hier und dort meinen Senf dazu, werde von einigen Bekannten gegrüßt, lese von jemandem einen der besonders alten Blondinen-Witze und versuche meinerseits einen nicht völlig idiotischen Eindruck zu hinterlassen, was wiederum zu den schwierigeren Aufgaben zählt, da ich nach einigen Minuten an etwa fünf bis acht, der in diesem Augenblick auszudiskutierenden Themen mit zwölf oder was-weiß-ich-wie-vielen Leuten beteiligt bin und deshalb das eine oder andere Mal leicht den Überblick verliere. Ich glaube, ich hätte doch damals den Steno-Kurs besuchen sollen.

Einer erzählt davon, daß es in seiner Heimatstadt schneit und das es gerade einundzwanziguhrsiebzehn geworden ist. Das stimmte zwar, aber ich schwöre dagegen Stein und Bein, daß es hier in Hamburg hellichter Tag sei und die Sonne kurze Schatten unter die braungebrannten Mädels dieser Stadt wirft. Ich empfange danach einige Ferndiagnosen über meinen Geisteszustand sowie diverse Angebote, meinen Wohnort mit einigen der ärmeren Schweine im Süden des Landes zu tauschen. Es fruchtet auch nichts, als ich direkt die Mitteilung schreibe, daß ich auf der Suche nach geeignetem Stoff für eine Kurzgeschichte oder einen Roman bin. Die Antworten darauf sind derart sinnentleert, daß ich hier, auch aus Jugendschutzgründen, nicht näher darauf eingehen will.

Ich betreibe dann noch etwas Small-Talk mit den anderen, mir freundlicher gesonnenen Teilnehmern und verabschiede mich bereits nach etwa vier bis fünf Stunden von den, um etwa drei Uhr morgens verbliebenen, Nachtschwärmern des Systems. Der Grund dafür ist allerdings nicht die Müdigkeit, denn ich bin ja selbst erst so gegen fünfzehn Uhr aufgestanden, als vielmehr die nun dringend benötigte Abwechslung. In einem Dialogssystem der nicht jugendfreien Art versuche ich, meinen Wissensstand über mögliche oder unmögliche Sexpraktiken zu erweitern oder zu vertiefen. Doch ist hier Vorsicht geboten, da nicht jeder Teilnehmer das ist, was er zu sein scheint. Ein weiblicher Name verspricht noch lange nicht die holde Weiblichkeit des dahinter versteckten Teilnehmers. Aus nur den „Männern-mit-Frauenpseudos“ bekannten Gründen, versuchen solche nämlich unter der Behauptung lesbisch zu sein, den Kontakt zu homosexuell geneigten Damen zu finden, um mit diesen einen erotischen, heißen, derben, vulgären oder sonstwie prickelnden Dialog oder sagen wir Bildschirm-Liebesakt, zu vollführen. Diese Versuche sind jedoch derart häufig zum Scheitern verurteilt, weil Männer nun mal recht leicht zu durchschauen sind, daß es dem so veranlagten Manne sowas von peinlich sein sollte, daß er direkt und ohne Umschweife vor seinem Monitor im Boden versinken müßte. Doch weit gefehlt, denn das nächste Opfer naht.

Ich versuche also, die „echten“ Frauen ausfindig zu machen, die wirklich sehr dünn gesät sind, in diesen Systemen. Ich möchte von ihnen erfahren, was sie wie und wo am liebsten mögen. Denn vielleicht läßt sich daraus ein Bestseller basteln. Ich werde jedoch sehr bald eines Besseren belehrt, denn Bestseller sollten nach Möglichkeit für eine breite Käuferschicht und daher auch für die Jugend zugänglich gemacht werden können. Das Ergebnis eines Erlebnisberichtes aus diesem Erotik-Talk dürfte, wenn überhaupt, nur heimlich und wirklich heimlich unter dem Ladentisch verkauft werden. Wenn allerdings die Preise dementsprechend hoch ausfielen, daß die eine oder andere Mahnung auf meinem Schreibtisch amortisiert würde, vielleicht entschließe ich mich dann doch noch eines Tages zu solch einer Tat.

Aber zunächst versuche ich weiterhin etwas wirklich jugendfreies auf die Beine zu stellen. Ich denke jedoch, daß ich morgen weiter überlege, denn meine Uhr zeigt mittlerweile fünfuhrzweiundzwanzig an und mein Hintern sagt mir, daß ich nun lange genug auf diesem Bürostuhl gesessen habe. Ich schalte alle Geräte ab, gehe noch mal aufs Klo, ziehe mich aus, werfe mich ins Bett und ärgere mich, daß ich wieder zu keiner brauchbaren Idee für eine Geschichte gekommen bin.

 

Hi Delrino!

Da stelle ich mir jetzt also den Prot vor, mit samt seiner Schreibblockade und muss gestehen, dass er diesen Umstand bestens genutzt hat. Er hat es geschafft, eine wirklich gute Geschichte zu schreiben, die mich an so mancher Stelle sehr amüsiert hat.

Kurz ... hat mir gut gefallen!

Gruß ... Déjà-vu

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Aquinas!

Danke für Dein Kommentar und das Lob, dass ich darin entdeckt habe :)

Naja, ich muss gestehen, die Schreibblockade war natürlich vor dieser Geschichte und ich hab mir mal so angeguckt, was ich dann, wenn es mich erwischt, eigentlich so treibe. Ich lenke natürlich nicht die Toaster des Bildschirmschoners, aber chatten ist eine gute Abwechslung, ein brauchbarer Ideengeber, wenn man es schafft jemanden zu finden, der sich ernsthaft mit Dir unterhält :) denn jeder Mensch hat ja (mindestens) eine Geschichte zu erzählen.

Nachtrag:
Aquinas hat offenbar seinen/ihren Kommentar zu dieser Geschichte wieder entfernt. Schade.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey deja-vu!

Ich freu mich, dass Dir meine kleine Geschichte gefallen hat.

Ich finde, Schreibblockaden sollten, ebenso wie andere Ereignisse auch, in der Literatur als ernsthaftes Thema behandelt werden, über das man durchaus etwas schreiben kann :)

Ich wäre sehr gespannt darauf, was die anderen Autoren bei kg.de darüber berichten würden!

 

hi!!
mir hat deine geschichte gut gefallen.
tja, schreibblockaden sind schon scheiße, besonders wenn sie so lange wie bei mir momentan andauern. ich hab zwei geschichten angefangen, doch ich komm nicht weiter.
aber zur geschichte zurück: du hast aquinas geschrieben, dass du natürlich nicht versuchst den toaster zu lenken, aber vielleicht versuchst du die fische zu füttern???;)
wer weiß?
bye und tschö

 

hi moonshadow,

tja, ein wenig geheimnis sollte jeder sache innewohnen, nicht wahr? :)

danke, dass du sie gelesen hast, schön, dass sie dir gefallen hat!

happy new year!
Karsten

 

Hi Delrino!

Nette kleine Geschichte über das Los eines jeden Schreiberlings. Aber für eine Kurzgeschichte reicht es mir nicht. Mir fehlt von allem etwas: Zu wenig Spannung, zu wenig Aussage, zu wenig Witz. Vielleicht liegt es nur daran, dass ich dem Thema Schreibblckade wenig abgewinnen kann - schließlich hab ich oft genug auch eine! :D
Nimms also nicht so schwer, okay? Auf jeden Fall ist sie flüssig geschrieben und lässt sich ebenso lesen.

Lieben Gruß

chaosqueen :queen:

 

hey chaosqueen!

Natürlich fehlt Spannung, Witz, Aussage! Wenn es dies beinhaltet hätte, hätte ich es nicht "Schreibblockade" genannt, sondern dem Ganzen eine Story gegeben, einen Witz hier und da eingestreut und den Protagonisten etwas extrem spannendes erleben lassen :)

Ich nehms nicht schwer, ich finds schön, wenn das, was ich zu sagen habe, auch irgendwie beachtet wird ;)

Liebe Grüsse,
Karsten

 

Hej Karsten!

Naja, auch eine Schreibblockade kann man für den Leser spannend beschreiben. Und vor allem witzig. Denn das Ziel sollte immer sein, den Leser auf die eine oder andere Art zu unterhalten, oder? Und das fehlt mir halt ein bisschen in Deiner Geschichte.

Lieben Gruß

chaosqueen :queen:

 

Hey Chaosqueen,

schade, dass dich meine Zeilen nicht unterhalten haben, aber so ist es bei vielen anderen Dingen sicherlich auch: Es wird niemals jedem gefallen.

Liebe Grüsse,
Karsten

 

Hej Karsten!

Da hast Du sicher Recht! Es wäre ja auch traurig, wenn alle haargenau das Gleiche mögen würden, die Welt wäre dann ziemlich trostlos!

Allerdings finde ich sie nicht schlecht, sondern hätte gerne einfach etwas mehr gehabt (siehe erstes Posting), um sie dichter und runder zu machen. Dann wäre sie in meinen Augen eine wirklich gute Geschichte über den täglichen K(r)ampf eines Schreiberlings.

Lieben Gruß

chaosqueen :queen:

 

Hi Delrino,

bin neu hier und les mal ein bisschen quer durch, wobei ich auf deine "Schreibblockade" gestossen bin. Ich muss chaosqueen recht geben, denn auch ich kann deinen Text nicht wirklich als "Geschichte" durchgehen lassen. Gibts hier nicht auch so etwas wie eine "Plauderecke"? Da hätte er, meinem Gefühl nach, besser hineingepasst. Denn das was du schreibst, erzählt im Grunde ja nur von einer echten Schreibblockade. Du, der Autor, hat eine. Und das quält dich, also schreibst du darüber. Weisst du was ich meine?

Du schreibst "Natürlich fehlt Spannung, Witz, Aussage [...]". Natürlich?
Dein Text ist ein gutes Beispiel für den Punkt, an dem man zu diskutieren beginnen könnte, ab wann ein Text eine Geschichte ist und ab wann nicht mehr. Wenn sich der Autor in den Mittelpunkt der "Geschichte" stellt und zwar als das was er ist - nämlich der Autor selbst - und er auch nichts dazu erfindet, keine fremde Identität annimmt, wirds für mein Empfinden immer ein bisserl haarig. Im besten Fall kann man es dann noch als Experiment der Selbstreflexion einstufen, im schlechtesten, als den Unwillen oder die (temporäre) Unfähigkeit (was ja noch nicht negativ sein soll), sich doch zu einer Geschichte durchzuringen oder ganz einfach, sich eine Auszeit zu gönnen.

Ich kenne diese Zeiten der Schreibblockaden sehr gut (wer nicht). Und ich weiss auch, wie schwierig es ist, sich zu überwinden und im Zweifel dann lieber nichts zu schreiben, als einfach nur drauflos. In diesem Sinne: Nichts für ungut.

Grüße
Visualizer

 

Hi Visualizer!

Danke schonmal für Deine lange und auch konstruktive Kritik, bzw. Deine Anmerkungen.

Tja, wann ist eine Geschichte eine Geschichte und nicht nur eine Erzählung von etwas erlebten? Sicher eine gute Frage. Für die Plauderecke (Kaffeekranz) fände ich sie ein wenig zu lang. Unter "Alltag" wäre sie möglicherweise ebenfalls richtig platziert.

Wenn es denn keine Geschichte ist, stünde es den Moderatoren ja frei, sie zu löschen, oder zu verschieben.

Im Übrigen ist allerdings einiges von den erwähnten Dingen von mir erfunden worden. ich weiss zb, dass es diese Toasterbildschirmschoner gibt, aber ich hab den nicht :)

"Im Zweifel nichts zu schreiben, als einfach drauflos" halte ich für keine so gute Idee, denn manchmal entsteht ja doch etwas Konkretes bei solchen "Schreibversuchen".

Ich habe mir aber die Kritiken hier zu Herzen genommen und werde in Zukunft darauf achten, meine Erzählungen unter Alltag und meine Geschichten in den entsprechenden Rubriken einzusortieren. Wenn ich mit der Einsortiererei mal falsch liege, sagts mir einfach und macht mich zu einem "besseren, wertvolleren Mitglied dieser (KG)Gesellschaft" :)

Liebe Grüsse,
Karsten

 

hey, ja ich denke auch das diese dinge fehlen. und genau deswegen gefällt sie mir so gut. nicht jeder schafft es seinen Texten Aussdruck zu verleihen ohne die ach so geliebte Spannungskurve. Du schon. deswegen auch so gut. das macht deine story aus, das sich eben NICHT jeder damit identifizieren kann. du hast deinen eigenen kopf und das ist das beste was man haben kann
mfg utopia

 

hey Utopia!

DAS ist doch mal eine "Kritik" nach meinem Geschmack :)
Nicht weil sie ausschliesslich positiv ist, sondern weil Du bereit bist, den Autor als Individuum zu sehen, mit eigenem Kopf, eigenen Ideen und Gedanken. Ich war schon dabei zu glauben, auf KG.de könne man lediglich "Mainstream-Geschichten" veröffentlichen...

Danke!

Liebe Grüsse,
Karsten

 

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