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Schräg einfallendes Licht
Gelb schickte mir eine Nachricht an diesem Morgen, nur ein paar Sätze, in denen er mich bat, vorbeizukommen – es sei dringend. Wir hatten uns sowieso treffen wollen, später am Tag, deshalb dachte ich mir nicht viel dabei, und weil ich nichts zu tun hatte wie jeden Freitag, fuhr ich sofort los.
Als ich vor seiner Wohnungstür ankam, klebte ein Zettel daran, auf den mit Bleistift das Wort "Dachboden" gekritzelt war. Gelb wohnte im vierten Stock, aber das Haus hatte sechs Stockwerke, und ich war noch nie weiter oben gewesen. Ich stieg die zwei weiteren Treppen empor, fand im sechsten Stock neben den Wohnungstüren auch eine alte, graue Metalltür, die halb offen stand, und kletterte dahinter noch ein paar steile, knarrende Holzstufen hinauf.
Der Dachboden war viel größer, als ich erwartet hätte. Er hatte ja die Grundfläche von einem ganzen Stockwerk, auf dem sich immerhin normalerweise drei ganze Wohnungen befanden. Außerdem war er so gut wie leer, bis auf einige alte Möbel und Kartons in einer Ecke. Die Decke war natürlich schräg, und der Boden war mit grauem Linoleum ausgelegt. Es roch nach Staub.
Gelb saß an die Wand gelehnt, die der Tür gegenüberlag, unter einem großen Fenster, das sich weiter oben in der Wand befand, aber noch unterhalb des Teils, der schräg nach innen kippte. Ein Strahl Sonnenlicht fiel dadurch auf den Boden und zeichnete in der Luft den Weg einiger wirbelnder Staubflocken nach. Durch das Fenster konnte man den fast weißen Morgenhimmel erkennen.
"Was ist los?" fragte ich und ließ meine Tasche auf den Boden fallen. Gelb blickte auf, als hätte er mich bisher nicht bemerkt.
"Da bist du ja," sagte er langsam.
"Da bin ich" sagte ich, ging zu ihm hinüber und streckte meine Hand aus, um ihm aufzuhelfen. Es dauerte einen Moment, in dem er nur ins Leere starrte, dann nahm er sie.
"Also –", sagte ich, während ich ihn hochzog, "warum sollte ich hier raufkommen?"
Gelb, der jetzt stand, blickte kurz an mir vorbei aus dem Fenster, dann fragte er: "Warst du schon einmal hier oben?"
Ich schüttelte den Kopf. "Nicht, dass ich mich erinnern könnte. Wieso?"
Er zuckte die Schultern. "Ich dachte, vielleicht... Aber ist auch egal." Ich wartete einen Moment. Dann schien er einen Entschluss zu fassen. "Was genau siehst du hier oben?"
Die Frage verwirrte mich. "Äh... was?"
"Hier oben, auf dem Dachboden. Sieh dich um und sag mir, was du siehst."
Ich konnte mir immer noch nicht vorstellen, wozu er mich darum bat, aber ich beschloss, erst einmal zu tun, was er wollte. Er war offensichtlich von irgendetwas verstört worden, und ich hatte keine Ahnung, was es war. Weil mir nichts Besseres einfiel, drehte ich mich also langsam um mich selbst und beschrieb dabei laut, was ich sah.
"Gut, na ja, ein Fenster erst mal – den Boden, die Decke... Wände natürlich auch... Kartons, Kartons... dich und mich natürlich, und äh –", ich stockte. Für einen kurzen Augenblick verstand ich nicht, was ich mit meinen eigenen Augen sah. Gleichzeitig war mir klar, dass dies der Grund war, warum Gelb mich heute hierher hatte kommen lassen, und warum er sich so seltsam benahm: An der hinteren Wand des Dachbodens (links, wenn man aus dem Fenster blickte) stand, von Schatten verhüllt, eine große Maschine – von der ich mir sicher – vollkommen sicher – war, dass sie noch nicht dagewesen war, als ich weniger als eine Minute vorher durch die Tür gekommen war.
Ich öffnete meinen Mund, um etwas zu sagen, aber nichts kam. Mein Verstand hatte keine Chance, mit dieser Situation umzugehen, es gab keinen Präzedenzfall, keine Erklärung. Trotzdem spuckte mein Gehirn sofort alle möglichen Ausreden und Gründe aus, warum das hier doch ganz natürlich sein könnte. Ich hatte die Maschine schlicht übersehen. Ich halluzinierte, und auf diesem Dachboden war eine Gasleitung geplatzt. Ich halluzinierte, und jemand hatte mir gestern irgendeine verrückte Droge in mein Bier gemischt. In Wahrheit lag ich mit Schaum vor dem Mund auf dem Boden. Ich halluzinierte nicht, und Gelb hatte sich das ganze ausgedacht, als einen sehr elaborierten Streich, und während er mich ablenkte, hatten Helfer heimlich die falsche Wand entfernt, hinter der –
Während mir all dies durch den Kopf ging, sah mich Gelb fast lauernd von der Seite an. Irgendwann drehte ich den Kopf und starrte ihn mit ungläubigem Blick an. Gelb nickte befriedigt, zeigte auf die Maschine und sagte: "Du siehst sie also auch!"
"Was sehe ich?" fragte ich drängend. "Was ist das? Wieso ist es – ". Meine Stimme verklang mitten im Satz. Ich wusste nicht, was ich eigentlich fragen wollte. Gelb sah mir immer noch prüfend in die Augen. "Setz dich erst mal", sagte er dann.
Wenig später saßen wir einander gegenüber, er wieder unter dem Fenster, ich an die Tür gelehnt. Ich drehte mir mit einiger Mühe eine Zigarette, während Gelb erzählte.
"Ich bin ja nicht oft hier oben. Beim Einzug hat mir der Vermieter einmal alles gezeigt, aber danach war ich, glaube ich, nur noch ein einziges Mal hier, und das ist schon Monate her. Damals habe ich irgendwas gesucht, ich weiß nicht mehr, was. Ich glaube auch nicht, dass sonst viele Leute hier raufkommen, wir haben ja auch einen Keller pro Wohnung, wo wir unsere Sachen aufbewahren können. Deshalb ist auch nichts davon" – er wies mit dem Kinn auf die Kartons – "meines oder das von meinem Mitbewohner." Ich nickte und zog mein Feuerzeug aus der Tasche.
"Und du willst mir jetzt erzählen, dass –", begann ich, aber er unterbrach mich.
"Ja, als ich damals hier war, war dieses Ding noch nicht da. Aber, was noch viel wichtiger ist, als ich heute Morgen wieder hier war, war es am Anfang auch nicht – wie bei dir gerade. Ich habe es erst gesehen, nachdem ich aus dem Fenster geschaut hatte."
"Aber wie soll das gehen? Wie ist das überhaupt möglich?!" fragte ich, oder besser, rief ich schon fast.
Gelb zuckte die Achseln. "Sag du's mir."
Darauf fiel mir nichts ein. Ich blickte über seinen Kopf in den weißen Himmel hinein, während der Rauch aus meinem Mund sich in die Wolken hinter der Scheibe einpasste.
"Hast du sie dir schon genauer angesehen?" fragte ich dann.
"Ein... bisschen. Das ist auch einer der Gründe, warum ich dir geschrieben habe. Aber untersuch du sie erst mal, vielleicht fällt dir noch was auf, das ich übersehen habe", antwortete Gelb.
Ich hatte eine eigentümliche Scheu davor, mich der Maschine zu nähern. Jetzt, da ich den ersten Schreck überwunden hatte, fielen mir zum ersten Mal einige andere seltsame Details auf. Unter anderem schien der Raum noch größer geworden zu sein; die Maschine begann erst ungefähr da, wo vorher die Wand gewesen war – wenn sie tatsächlich da gewesen war.
Insgesamt war die Maschine mehr oder weniger quaderförmig, wobei die Seite, die dem Raum zugewandt war, fast quadratisch war. Wenn ich davor stand, überragte sie mich um etwas mehr als einen Kopf. Sie bestand, soweit ich das sehen konnte, aus Eisen, das an einigen Stellen schon rostzerfressen zu sein schien. Nur zwei Seiten waren zugänglich, die Rückseite und die rechte Seite waren direkt an die Wände angepasst. In der quadratischen Vorderseite befand sich, auf meiner Brusthöhe, eine große Klappe, ungefähr so groß wie die eines Ofens, mit einem langen, altmodischen Holzgriff, auch ungefähr da, wo er bei einem Ofen gewesen wäre. Das Holz war alt, staubig und an manchen Stellen gesprungen, die Klappe aus dem gleichen Metall wie der Rest der Maschine. Sonst war die Wand fast vollkommen leer, es gab keine Knöpfe, keine Hebel oder Schläuche, nur zwei kleine Lämpchen direkt neben der Klappe, ein rotes und ein grünes. Als ich mir die längere Seitenwand ansah, fielen mir die dicken Schrauben auf, die entlang der Naht liefen, wo sich die beiden Wände trafen. Die Seitenwand war fast genau so leer wie die Vorderseite. Auch hier gab es eine Klappe, aber sie war wesentlich kleiner als die andere, und der Griff war hier nicht aus Holz, sondern aus Metall. Außerdem befand sich daneben statt eines Lichtes ein langer Hebel, den man von oben nach unten ziehen konnte, er doch wieder mit einem Holzgriff. Sonst schien es keine Bedienelemente zu geben.
Ich blickte versuchsweise hinter die Maschine, dort, wo die Rückwand an die Außenwand stieß. Dort hinten war es so dunkel, dass ich nur wenig erkennen konnte, aber was ich sah, machte mich auch nicht schlauer: Zwischen Spinnweben und Staub machte ich viele Rohre aus, mache sehr dick, andere viel dünner, die aus der Rückwand der Maschine kamen und in der Hauswand verschwanden. Die meisten schienen aus Bronze oder Kupfer zu sein, waren aber auch teilweise von irgendeiner Kruste überzogen; in der Dunkelheit konnte ich nicht sagen, ob es Rost oder etwas Anderes war.
"Komisch", sagte ich, als ich wieder in den hellen Teil des Dachbodens zurück trat. "Es sieht auf jeden Fall so aus, als wäre sie schon ewig hier – mit dem Rost und allem. Außerdem müssen die Rohre doch irgendwo hin führen, sowas bewegt man nicht mal einfach so!"
Gelb war inzwischen auch wieder aufgestanden. "Ich weiß", sagte er.
Ich deutete auf die Klappe in der Vorderwand. "Hast du schon nachgesehen, was drin ist?"
Er neigte den Kopf. "Ja und nein."
"Was soll das heißen?"
"Versuch mal, sie zu öffnen."
Ich zog an dem alten, rauen Griff, zuerst mit einer, dann mit zwei Händen. Nichts geschah; die Klappe bewegte sich kein Stück, als wäre sie nur ein Teil der Wand.
"Die da geht noch nicht auf", sagte Gelb und ging an die Seite der Maschine. "Ich habe es vorhin schon versucht. Aber die hier –", er zog an dem kleineren Griff in der Seitenwand, und das, was ich für eine Klappe gehalten hatte, entpuppte sich als eine Art Schublade, "schon."
Die Schublade war völlig leer, nicht einmal Staub oder Spinnweben waren darin.
Gelb sagte leise: "Ich hab einfach ein bisschen Staub vom Boden genommen und reingetan."
"Willst du es noch mal – Ich meine, ist was passiert, oder...?" fragte ich.
Er zeigte auf den Boden. "Mach nur."
Es dauerte nicht lange, und ich fand einen größerem Staubflusen, den ich zwischen Daumen und Zeigefinger klemmte und dann in die Schublade fallen ließ. Gelb schob sie wieder zu. Sie schien sich leicht bewegen zu lassen und machte kein Geräusch dabei.
Als sie geschlossen war, blickte ich fragend von Gelb zu dem großen Hebel neben mir. Er nickte ermutigend, also zog ich vorsichtig daran. Auch er bewegte sich ohne Schwierigkeiten, allerdings relativ langsam, wenn man sich beim Ziehen nicht anstrengte.
Nachdem ich den Hebel losließ, rastete er wieder nach oben. Ich wartete nervös darauf, dass irgendetwas geschah, aber einen Moment lang passierte gar nichts. Dann begann die Maschine, aus ihrem tiefsten Inneren ein Geräusch von sich zu geben. Es war ein sehr seltsamer Klang, den ich noch nie zuvor irgendwo gehört hatte. Am ehesten ließe er sich beschreiben als eine Mischung aus dem Wind, der in den Blättern eines Baumes rauscht, und tausend menschlichen Stimmen, die durcheinander flüsterten – so leise, dass man keine Wörter verstehen, nicht einmal einzelne Stimmen ausmachen konnte, aber dennoch klang es eindeutig, auf eine fast schon unheimliche Weise, wie ein organischer, kein mechanischer Laut.
"Hat es das letztes Mal auch schon gemacht?" fragte ich mit leicht erhobener Stimme, um das Rauschen zu übertönen.
"Ja", sagte Gelb. "Es macht mir irgendwie Angst." Dem konnte ich nichts hinzufügen. Wir beide machten unwillkürlich ein paar Schritte zurück, weg von der Maschine.
Nach einer Weile hörte das Geräusch auf. Erneut geschah etwas Seltsames: Ich konnte schon in der nächsten Sekunde nicht mehr sagen, wie es geendet hatte – ob es abrupt, wie abgeschnitten, gestoppt hatte oder langsam verebbt war. Im gleichen Moment leuchtete das grüne Lämpchen neben der großen, vorderen Klappe auf. Das rote daneben blieb weiterhin dunkel.
"Jetzt geht es", sagte Gelb mit Blick auf die Klappe. Ich zog wieder an dem hölzernen Griff, aber dieses Mal ließ sich die Klappe ganz leicht nach unten bewegen. Dahinter war ein geräumiges Fach, genauso leer und sauber wie die kleine Schublade – bis auf den Staubflusen, der genau in der Mitte lag. Soweit ich erkennen konnte, war es derselbe, den wir in die Schublade gelegt hatten.
Ich drehte mich zu Gelb um. "Und das ist letztes Mal auch passiert?"
Er nickte. "Und ich habe den Staub dann rausgenommen. Also ist das hier ein neuer."
Ich dachte nach. "Also nehme ich an, die Schublade ist jetzt leer?"
Ohne seine Antwort abzuwarten, ging ich um die Maschine herum und zog an dem kleinen Metallgriff. Aber jetzt war plötzlich er es, der sich keinen Zentimeter weit bewegen ließ, obwohl ich mit zusammengebissenen Zähnen daran rüttelte.
"Ich glaube, das andere Fach muss zu sein, damit das funktioniert", sagte Gelb, der die Staubflocke aus der Vorderwand herausgenommen hatte und sie sich vor die Augen hielt.
"Siehst du irgendwas?" fragte ich und lehnte mich an die Wand hinter mir.
Er drehte den Flusen zwischen seinen Fingern. "Nichts. Ist einfach nur Staub."
"Hm." Die Maschine war jetzt wieder vollkommen stumm. Mich überkam der Drang, mit meiner Fußspitze leicht dagegen zu treten; es gab einen tiefen, hallenden Ton, als wäre sie ganz hohl. Gelb erschrak bei dem Geräusch und ließ den Staub auf den Boden fallen. "Lass das lieber!" sagte er mit zusammengezogenen Brauen.
Ich antwortete nicht, sondern schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. "Hast du noch was anderes reingetan?"
Es dauerte eine Weile, bis eine Antwort kam. "Soweit war ich noch nicht gekommen."
Immer noch mit geschlossenen Augen sagte ich: "Wir sollten es mit etwas anderem probieren. Weißt du, irgendwas... Substantielleres."
"Was, zum Beispiel?"
Ich öffnete die Augen und stieß mich von der Wand ab. "Keine Ahnung." Dabei schob ich die Hände in meine Hosentasche und ließ mich erneut zurück gegen die Wand fallen. Auf einmal spürte ich zwischen den Fingern meiner linken Hand einen kleinen, zerknüllten Zettel, den ich wohl schon länger mit mir herumtrug. Es fühlte sich an wie ein Kassenbon aus einem Supermarkt. Ich zog ihn aus meiner Tasche und hielt ihn Gelb hin.
"Das hier?"
Er besah das Papier mit zusammengekniffenen Augen. "Warum nicht", sagte er dann. "Erst mal klein anfangen." Während er die große Klappe schloss, öffnete ich die kleine Schublade, ließ den Zettel, so wie er war, hineinfallen, und stieß sie mit dem Handballen wieder zu.
Auf das Ziehen des Hebels folgte dasselbe verwirrende Geräusch wie beim ersten Mal. Es war die gleiche Mischung aus laut und leise und dauerte auch, nach meinem Gefühl zumindest, genau so lang wie zuvor. Dieses Mal achtete ich darauf, wann genau es aufhören würde, und kam zu dem Schluss, dass es doch ziemlich plötzlich endete – beschwören hätte ich es aber nicht wollen.
"Okay", sagte Gelb mit Blick auf das grüne Lämpchen. Dann zog er den Griff der großen Klappe nach unten. Ich konnte, von der Seite der Maschine, wo ich immer noch stand, nicht sehen, was darin war, und beobachtete deshalb seine Reaktion. Zuerst war sein Gesicht ruhig, doch dann zogen sich seine Augenbrauen in Überraschung in die Höhe. Er langte in das Fach hinein.
"Sieh dir das mal an." In seinen Fingern hielt er den Zettel – wenn es tatsächlich der Zettel war. Es war, wie ich richtig vermutet hatte, ein Kassenbon, mit zwei oder drei Artikeln, die untereinander gelistet waren, und einer Rechnungszeile darunter. Der Grund, warum ich das nun so gut erkennen konnte, war, dass er nicht mehr zerknüllt war. Nicht einmal mehr die kleinste Falte war darin, er sah aus, als wäre er direkt aus dem Drucker gekommen. Auch die Schrift auf dem Zettel war sauber, schwarz und leserlich; gar nicht so, als hätte ich ihn schon wochenlang in der Tasche gehabt.
Verwundert sah ich auf. "Wozu das alles?" fragte ich. "Ich meine, wer braucht denn eine Maschine, die..." – "Ich weiß es doch auch nicht. Aber – hör mal, ist es nicht eigentlich so, dass man einmal gefaltetes Papier unmöglich wieder glatt bekommen kann? Das habe ich mal im Fernsehen gesehen, genau, da haben sie erklärt, warum man Stoff bügeln kann und Papier nicht ... weil es so ist, als würde darin etwas zerbrechen, weißt du, denn es besteht ja aus tausenden kleinen Fasern."
Während er redete, untersuchte ich weiter den Bon, den ich ihm aus der Hand genommen hatte. Mir war noch etwas Komisches aufgefallen: Obwohl die Schrift darauf so deutlich war wie am ersten Tag, fehlten wichtige Teile der Rechnung; namentlich die Geldbeträge. Oben standen das Datum, die Filiale, all das, was man erwarten würde. Dann folgten die gekauften Artikel: Rechts standen die Dinge, die ich damals gekauft hatte (als erstes "Kaffeefilter"), links daneben stand oben "EURO", und darunter... nichts. Das setzte sich auf dem gesamten Zettel fort, als hätte jemand absichtlich ausschließlich die Eurosummen ausradiert. Auch der Gesamtbetrag ganz unten war verschwunden.
"Was ist?" fragte Gelb, dem aufgefallen war, dass ich immer noch wortlos auf das Papier starrte. Ich gab es ihm zurück. "Fällt dir was auf?" Er besah sich fragend den Zettel, bewegte stumm die Lippen, sah dann hoch. Seine Augen spiegelten meine Verwirrung.
"Was soll das?" fragte er. Ich zuckte grimmig die Achseln. Er sah wieder hinunter auf den Zettel. "Vielleicht... war es ja schon vorher so. Hast du ihn dir vorher angesehen, oder ihn gleich so reingetan?"
"Gleich so, ärgerlicherweise", antwortete ich. "Aber sieh ihn dir doch an, der kann gar nicht so sauber gewesen sein." Gelb nickte. "Ich habe oft solche Dinger bei mir rumfliegen, und die Schrift verschwindet immer ganz schnell... aber nur die Zahlen, das kommt mir auch unwahrscheinlich vor."
Seufzend ging er hinüber zum Fenster und legte den Zettel behutsam auf die Fensterbank.
"Und jetzt?"
Mir war ein Gedanke gekommen. "Warte mal kurz." Ich ging durch den staubigen Lichtstrahl hindurch zu meiner Tasche, die immer noch nahe der Tür auf dem Boden lag, und suchte mit einer Hand darin herum, während ich mit der anderen den Gurt hielt. Sie war fast leer, bis auf einige Seiten Papier und eine alte, ebenfalls fast leere 0,5–Liter–Plastikflasche, nach der ich griff. Ich schüttelte sie ein bisschen hin und her, und der kleine Schluck Wasser, der noch darin war, schwappte hin und her.
Gelb sah mir zweifelnd zu. "Ich bin nicht mal sicher, ob die reinpasst." Darüber hatte ich noch nicht nachgedacht. "Lass es mich doch zumindest versuchen", erwiderte ich. "Oder hast du eine bessere Idee?" Er machte nur eine unbestimmte Handbewegung, wie um zu sagen: Aber nicht auf meine Verantwortung.
Ein wenig unsicher kehrte ich zur Maschine zurück. Gelb hatte recht gehabt, dachte ich zuerst, denn die Schublade war klein – nicht breit genug, als dass ich die Flasche hätte hineinlegen können, nicht hoch genug, damit sie stehend hineinpasste. Aber ich fand heraus, dass es doch funktionierte, wenn ich die Flasche leicht kippte; sie passte jetzt gerade so hinein, als hätte es jemand so geplant.
Ein drittes Mal zog ich am Hebel, wobei mir jetzt wieder beinahe so unbehaglich war wie am Anfang, und trat dann einen Schritt zurück. Und ein drittes Mal begann die Maschine zu rauschen, zu rascheln und zu flüstern, bis das Geräusch immer leiser wurde und irgendwann ganz verklang.
Diesmal stellte ich mich neben Gelb, als er die vordere Klappe aufmachte. Über seine Schulter sah ich die Flasche, noch bevor er danach griff und sie langsam herauszog. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen, als wir beide die rote Flüssigkeit betrachteten, die das Wasser ersetzt hatte, aber ich hörte, wie er scharf einatmete. Vielleicht bildete er sich, so wie ich, im ersten Moment ein, Blut vor sich zu haben, bis er erkannte, dass der Inhalt der Flasche dafür zu dunkel, zu dünnflüssig und zu klar war. Es war kein Blut, sondern etwas Anderes, das wir beide wesentlich öfter vor uns hatten, das wir oft schon miteinander getrunken hatten; es war, da war ich mir fast vollkommen sicher, Wein.
"Wein", sagte ich tonlos. Gelb reagierte nicht darauf, sondern begann, langsam und fast mechanisch, den Deckel der Flasche abzuschrauben. Dabei fiel mir auf, dass er darauf achtete, die Öffnung nicht direkt auf sein Gesicht zu richten. Als der Deckel lose war, hielten wir beide einen Moment lang den Atem an, bevor er ihn vom Flaschenhals wegzog. Nichts geschah, die Flasche blieb ruhig in Gelbs Hand, die rote Flüssigkeit schwappte träge hin und her. Gelb näherte die Öffnung vorsichtig seiner Nase und atmete dann ein. Danach erst sah er mir ins Gesicht.
"Es ist Wein", sagte er. "Aber wie –"
Ich schüttelte den Kopf und blickte weiter auf das dunkle, das Licht schluckende Getränk. Etwas an ihm zog mich in seinen Bann, ich konnte meine Augen kaum davon abwenden. Zur gleichen Zeit regte sich ein Gedanke in meinem Hinterkopf, den ich nicht einordnen konnte.
"Wir haben Wasser reingetan", sagte ich. Meine Stimme klang dünn. "Und jetzt ist es Wein geworden."
Auch Gelbs Blick wanderte zurück zu der Flasche in seiner Hand. Er bewegte sie leicht, und der Wein bewegte sich mit ihr, wie jede andere Flüssigkeit es auch getan hätte. "Sie hat – die Maschine hat – ", sagte Gelb. "Sie hat Wasser in Wein verwandelt..." Er sprach langsam, mühsam, als könne er selbst nicht an das glauben, was er gerade aussprach.
"Aber das ist doch –", redete er weiter, " – und wozu überhaupt das Ganze? Ich meine, wenn das wirklich eine... eine... was ist los?"
Ich hatte ein Geräusch von mir gegeben, eine Mischung aus Husten und Lachen, das er offensichtlich nicht verstand. Er sah mich verwirrt an, während ich mit den Füßen auf dem Boden herumscharrte und, fast lächelnd, mit meiner rechten Faust leicht gegen die kalte Wand der Maschine hämmerte.
Mir war etwas eingefallen. "Staub zu Staub", erklärte ich auf Gelbs Blick und wies mit dem Kopf auf die Schlieren, die meine Schuhe in der staubigen Schicht auf dem Boden hinterließen. "Verstehst du? Asche zu Asche, Staub zu Staub..." Erneut lachte ich beinahe, aber es war kein fröhliches Lachen.
Gelbs Arm, der die Flasche hielt, fiel auf einmal schlaff herab, während er gleichzeitig einen Schritt zur Seite machte, so als habe er sie loslassen wollen, sich aber im letzten Moment dagegen entschieden. Sofort danach bückte er sich und stellte die Flasche auf den Fußboden, obwohl wir nur einige Schritte vom Fensterbrett entfernt standen. Als er sich wieder aufrichtete, war sein Gesicht verlegen, aber auch etwas wie Trotz lag darin. Ich nickte.
"Scheiße."
Ich drehte noch zwei Zigaretten, während Gelb ruhelos auf dem Dachboden umherwanderte. Dabei schwankte er vor allem zwischen der Tür und dem Fenster, während er die direkte Nähe der Maschine mied. Irgendwann jedoch blieb er kurz stehen, nahm die Flasche vom Boden und ging entschlossen zum Fenster, wo er sie abstellte. Neben ihr lag immer noch der Zettel.
Wir rauchten schweigend, diesmal beide nahe der Tür auf dem Boden sitzend. Das helle Licht schien immer noch durch das Fenster herein und ließ den Wein in der Flasche auf dem Fensterbrett, über unseren Köpfen, dagegen noch dunkler wirken.
Ich trommelte mit den Fingern meiner linken Hand auf dem Boden herum. "Weißt du, was wir machen sollten?" fragte ich dann und versuchte, meiner Stimme einen sorglosen Klang zu geben.
Bevor er antwortete, drückte Gelb seine Zigarette mit konzentriertem Gesicht auf dem Boden aus. "Nein, was?" sagte er dann.
"Habt ihr", ich räusperte mich, "habt ihr zufällig Fisch da?"
Er verstand nicht, was ich meinte. "Wieso Fisch?"
"Oder Brot? Weißt du, wegen..."
Gelb nickte hastig, ohne dass ich weitergesprochen hätte. "Fisch weiß ich nicht. Könnte sein, im Tiefkühler irgendwo. Aber Brot auf jeden Fall."
Ich wartete, aber er sprach nicht weiter. "Also, willst du... es versuchen?" Meine Augen wanderten hinüber zu der Klappe in der Vorderwand der Maschine, die, jetzt leer, immer noch offen stand. Ich hörte, wie Gelb ein zustimmendes Geräusch von sich gab. "Mir egal. Meinetwegen."
Keiner von uns beiden machte Anstalten, aufzustehen. "Gut", sagte ich nach ein paar Augenblicken. "Wollen wir das Brot holen gehen?"
Wir beide gingen zusammen die Treppen hinunter. Gelb schloss die Wohnungstür auf, und ich riss währenddessen die Nachricht ab, die er vorher für mich geschrieben hatte. In der Küche waren auf der Theke noch die Reste eines Frühstückes verstreut; ein altes Holzbrett, ein Glas Marmelade, ein krümeliges Messer und auch etwa ein Drittel Brotlaib, den Gelb mir in die Hand drückte. Dann öffnete er den Kühlschrank und suchte nach Fisch. "Wenn es welchen gibt", sagte er, während sein Kopf fast in einer der Schubladen verschwand, "dann gehört er auf jedem Fall meinem Mitbewohner. Ich bin sicher, ich habe in letzter Zeit keinen gekauft."
Mein Ellbogen stieß gegen eine noch nicht ganz leere Kaffeetasse, als ich mich gegen die Küchentheke lehnte. "Würde es ihm was ausmachen?"
"Unter diesen Umständen? Unwahrscheinlich." Seine Stimme klang, als würde er lächeln. Wir beide waren etwas ruhiger geworden, seit wir den Dachboden verlassen hatten. Gelb tauchte wieder auf.
"Nichts."
"Das Brot reicht ja auch erst mal."
Er stand wieder auf und schloss die Kühlschranktür. "Da hast du recht. Also – gehen wir wieder rauf?"
Ich nickte entschlossen. "Nach dir."
Gerade wollte ich hinter Gelb die Küche verlassen, als mein Blick zufällig auf einem Apfel liegen blieb, der – ohne Schüssel oder Teller als Unterlage, und ganz allein – neben der Kaffeemaschine lag. Die glänzende Röte seiner Schale erinnerte mich an den Wein, der oben auf der Fensterbank stand. Ohne wirklich zu wissen, warum, griff ich danach. Dann folgte ich Gelb die Treppe hinauf.
Dieses Mal gesellte sich zu unserer Nervosität auch eine Art schuldbewusste Albernheit. Gelb nahm mir das Brot ab und legte es in die kleine Schublade. Dabei kicherte er ein wenig in sich hinein. Ich wartete an der großen Klappe, die ich vorher geschlossen hatte. Nach Gelbs Zug am Hebel trat er neben mich. Dabei bemerkte er den Apfel, den ich immer noch in meiner linken Hand gefasst hielt.
"Was hast du da?" fragte er über das Rauschen und Zwitschern der Maschine, das mir ein wenig lauter vorkam als bisher.
Ich erwiderte: "Nichts", und zuckte mit den Schultern. In diesem Moment verstummte die Maschine, und das Licht sprang an. Weil er letztes Mal die Klappe geöffnet hatte, zog ich sie dieses Mal auf. Dabei sah ich absichtlich nicht auf die größer werdende Öffnung dahinter, sondern schräg daneben auf die leere Wand der Maschine. Erst, als die Klappe völlig offen stand, schaute ich hinein. Doch da hatte ich bereits den Geruch von einer ganzen Menge Brot bemerkt.
Das gesamte Fach war voll davon. Es war gerade so viel, dass nichts herausfiel, nachdem die Klappe offen stand. Doch sonst war kein Platz mehr darin. Es schien mir die gleiche Art von durchschnittlichem Graubrot zu sein, aus der auch der Teil bestanden hatte, den wir hineingetan hatten; der, der jetzt wahrscheinlich nicht mehr da war. Das Brot in dem Fach setzte sich allerdings nicht nur aus Stücken, wie das Original eines gewesen war, sondern auch aus ganzen Brotlaiben zusammen, allerdings waren diese bedeutend weniger. Zwischen den größeren Teilen waren kleinere, teilweise kaum größer als Krümel, verteilt, sodass keine größeren Lücken vorhanden waren. Es duftete sehr angenehm, und ich, der heute noch nichts gegessen hatte, spürte auf einmal, dass ich hungrig war. Langsam streckte ich die Hand aus und griff ein ungefähr handtellergroßes Stück heraus. Ich konnte nichts Auffälliges daran finden.
Gelb beobachtete mich. "Willst du das essen?" fragte er dann mit gerunzelter Stirn.
"Ich weiß nicht", sagte ich. "Wieso denn nicht?"
"Na ja, weil – keine Ahnung. Aber irgendwie ist das doch schon..." Er suchte nach einem passenden Wort. Aber bevor ihm eins einfiel, entschied ich mich bereits. "Nein, du hast recht. Besser wohl kein Risiko eingehen." Ich murmelte den letzten Teil eher, als dass ich ihn sagte. Das Stück Brot legte ich neben der Flasche und dem Zettel auf die Fensterbank. Gelb sah immer noch auf das mit Brot gefüllte Fach. Dann drehte er sich um.
"Tja", sagte er tonlos. "Was jetzt?"
Ich fühlte mich auf einmal sehr müde und kraftlos. Das Licht vom Fenster erleuchtete die rechte Seite meines Gesichts und blendete mich, sodass ich mein Auge schloss. Mir fiel nichts ein, was ich Gelb antworten konnte. Vielleicht eine Minute lang standen wir einfach nur da. Ich dachte darüber nach, mich wieder hinzusetzen, konnte mich aber nicht dazu durchringen, mich zu bewegen. Gelb verschob ein wenig seine Füße, stand aber sonst still und blickte zu Boden.
Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Plötzlich wurde ich ärgerlich. Ich ging hinüber zur Maschine und griff nach dem Hebel der großen Klappe. Wir hatten sie noch nie wieder geschlossen, während sich noch etwas im Fach befand, aber sie ließ sich genauso gut bewegen wie sonst. Sie schloss sich mit einem leisen Klacken. Gelb sah mir zu, ohne etwas zu tun oder zu sagen.
Als ich vor der geschlossenen Klappe stand und meinen Blick zu den Lämpchen schweifen ließ, die nun beide wieder dunkel waren, fiel mir auf einmal der Apfel wieder ein. Ich hatte meine linke Hand in den letzten Minuten offenbar weder benutzt noch auch nur an sie gedacht, denn der Apfel befand sich immer noch darin. Seine Schale war sehr glatt gegen meine Handfläche, aber er war nicht mehr so kühl wie anfangs, als ich ihn aus der Küche mitgenommen hatte. Jetzt übergab ich ihn von meiner linken in meine rechte Hand und hielt ihn hoch, sodass Gelb aufmerksam wurde.
"Was ist denn hiermit?" fragte ich und merkte, dass ich lächeln musste; oder eigentlich war es eher eine Art Grinsen, das schon fast feindselig war, so, als würde meine Haut, vom Hinterkopf ausgehend, über meine Zähne gespannt. Ich konnte nichts dagegen tun. Trotz meiner Müdigkeit spürte ich eine Art Energie oder Überspanntheit in meinem Hinterkopf.
Gelb trat einen Schritt zurück, die Augen auf dem Apfel. Er verzog das Gesicht. "Ich bin nicht sicher, ob –", begann er, aber ich wartete nicht darauf, dass er zu Ende sprach. Der seltsame Trotz, der mich gepackt hatte, ließ mich rasch zu der kleinen Klappe gehen und sie öffnen, den Apfel hineinlegen oder besser werfen, und sie fast wieder zuknallen. Erst dann, mit der Hand schon am Hebel, zögerte ich und sah Gelb von der Seite an. Er stand immer noch da, mit leicht erhobenen Händen und geöffnetem Mund. Die eine Seite seines Kopfes wurde von dem Licht, das immer noch voll durch das Fenster hereinschien, stark erhellt. Er sagte nichts, sah mir nur wortlos zu.
Ich zog an dem Hebel. Direkt danach ging ich einige Schritte weg von der Maschine und blieb in der Nähe des Fensterbretts stehen. Ich achtete darauf, nicht zu schnell zu gehen, obwohl ich innerlich gern gelaufen wäre. Atemlos wartete ich, und die Zeit schien auf einmal viel langsamer zu gehen. Auch Gelb starrte mit zusammengepressten Lippen auf die beiden Lämpchen in der Wand, von denen nun das rote flackernd anging – zum ersten Mal an diesem Tag. Gleichzeitig begann die Maschine ihr bekanntes Flüstern. Doch dieses Mal klang es, nachdem es mir schon bei dem Brot lauter vorgekommen war als sonst, eindeutig anders als zuvor: Das Rauschen, dass vorher dem Wind geähnelt hatte, klang tiefer als zuvor, eher so wie ein Wasserfall, und die stimmenhaften Geräusche im Hintergrund waren weniger ausgeprägt. Es wirkte nun auf unbestimmte Art bedrohlich. Besorgt trat ich noch einen Schritt zurück.
Das Geräusch dauerte an, viel länger als zuvor, und wurde dabei unmerklich lauter. Gelb, der immer noch auf das rote Licht sah, schüttelte neben mir leicht den Kopf und biss die Zähne aufeinander. Und während der Klang zu einem Dröhnen anschwoll, fiel mir auf einmal auf, dass das Licht, das durch das Fenster hereinschien, immer heller zu werden begann. Anfangs dachte ich, ich würde es mir einbilden, doch bald war es nicht mehr zu leugnen: Zuerst musste ich mein rechtes Auge schließen, das dem Licht zugewandt war, doch bald war auch mein linkes geblendet. Dabei wurde es allerdings kein bisschen wärmer im Zimmer.
Immer lauter wurde die Maschine. Das tiefe Rauschen begann, den Boden unter unseren Füßen vibrieren zu lassen. Ich spürte es tief in meiner Brust, in meinem Kopf, meinem Magen – ich wusste nicht, ob die Übelkeit, die mich überkam, darauf oder auf Angst zurückzuführen war. Auch das Licht wurde immer heller, so sehr, dass ich meine Hände hob und sie vor meine Augen hielt, weil es durch meine Lider durchschien. Nun sah ich nichts mehr, hörte nur noch das schrecklich laute Grollen der Maschine, das ich mittlerweile auch in meinen Ohren und Zähnen fühlen konnte. Dann gab der Boden unter mir nach und ich taumelte zur Seite, fiel gegen das Fensterbrett und rutschte zu Boden.
Plötzlich war es still. Ich hörte immer noch ein leises Ringen in meinen Ohren, nachdem das Geräusch verstummt war, eine Art hohes Klingen, wie bei einem Weinglas, mit dem angestoßen wurde; doch es begann bereits, schwächer zu werden. Ich richtete mich langsam auf und öffnete vorsichtig meine Augen; auch das Licht war wieder normal. Was ich dann sah, überraschte mich – kurioserweise, wie ich später dachte – kaum: Die Maschine war nicht mehr da.
Wo sie gestanden hatte, war nur noch leerer Dachboden, so, wie ich es gesehen hatte, als ich zum ersten Mal hier herauf gekommen war. Doch während es mir damals, als die Maschine plötzlich aufgetaucht war, so vorgekommen war, als hätte diese erst da begonnen, wo sich vorher die Hauswand befunden hatte, war die Wand nun immer noch da, wo die Maschine aufgehört hatte, sodass eine große leere Fläche vor uns lag. Doch sie war gar nicht vollkommen leer: In der ungefähren Mitte des Rechtecks, das die Maschine ergeben hätte, wäre sie noch da, lag der Apfel auf dem staubigen Linoleum.
Ich sah mich nach Gelb um. Auch er war offenbar vorhin zu Boden gefallen, denn gerade stützte er sich mit einer Hand auf, während die andere an der Wand nach Halt suchte, um sich daran hochziehen zu können. Er hatte den Apfel noch nicht bemerkt. Ich kam auf die Füße und blieb, die Augen immer auf dem Apfel, stehen. Gelb hustete. "Mann –", sagte er, "– du hast wirklich –". Dann sah er, worauf ich schaute.
Einen Moment lang stand er stumm neben mir, dann schlug er mir leicht auf den Arm.
"Los!" sagte er. "Hol ihn dir. Es war deine Idee!"
Zuerst wollte ich ärgerlich zurückschlagen, aber überlegte es mir anders, als ich schon halb die Hand erhoben hatte. Stattdessen ging ich zögernd auf den Apfel zu. Bevor ich meinen Fuß in den Bereich setzte, den vorher die Maschine eingenommen hatte, ließ ich ihn kurz in der Luft darüber hängen. Doch ich fühlte nichts Besonderes; die Luft, der Boden, die Temperatur war die gleiche wie auf dem Rest des Dachbodens.
Der Apfel lag etwa fünf Schritte entfernt. Jeder schien mir eine Ewigkeit zu dauern. Dann erreichte ich ihn, beugte mich – langsam, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren – hinab und hob ihn vom Boden auf. Er war nicht mehr so glatt wie vorher, sondern von Staub und kleinen Stücken Dreck oder Holz bedeckt, vor allem an der Unterseite, wie man es von einem Apfel erwarten würde, der auf einem staubigen Dachboden gelegen hat. Aber kühl war er immer noch, und auch sonst unverändert – er schien noch genauso viel zu wiegen wie zuvor. Ich umschloss ihn mit meiner Faust.
Auf einmal spürte ich eine Unregelmäßigkeit an meinem Ringfinger, die vorher nicht dagewesen war. Als ich den Apfel umdrehte, entdeckte ich, dass er sich doch verändert hatte – ein kleines, kreisrundes Loch war in der Schale, als hätte sich ein Wurm hinaus gebohrt. Der Rand des Loches war jedoch vollkommen glatt und sauber. Ich fuhr noch ein paar Mal mit dem Daumen darüber.
"Sieh mal –", begann ich, während ich mich zu Gelb umdrehte und den Apfel so hielt, dass er das Loch sehen konnte. Ich unterbrach mich, als mir zum ersten Mal, seit die Maschine verschwunden war, eine weitere Veränderung auffiel: Das helle Licht, das zum Fenster hereingeschienen war, war verblasst, sodass man auf dem ganzen Dachboden keine deutlichen Licht– und Schattenbereiche mehr sah, sondern alles gleichmäßig, wenn auch schwächer als zuvor, beleuchtet wurde.