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Schon wieder

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Schon wieder

Ich mag es nicht. Ich mag es nicht, wenn er wieder kommt und mir weiße Rosen schenkt. Ich hasse weiße Rosen. Immer wieder dasselbe. Er kommt nachhause. Legt sich ins Bett. Er legt sich auf mich und ich spüre seinen schweren, stinkenden Atem. Ich versuche mich zu wehren und er schlägt mich. Immer wieder dasselbe.

Samstagnacht, es hat dreißig Grad. Der Fernseher läuft leise. Ich wälze mich in meinem Bett. Schon wieder ein Fußballspiel mit anschließendem Saufgelage. Ich lasse die Bilder wieder durch meinen Kopf laufen. Grölende Besoffene, halbnackte, vollbusige Flittchen, Lärm. Und er mittendrin.
Die Tür knarrt. Er ist da. "Bist du wach?" Ich antworte nicht, stelle mich schlafend. Ich komme mir in solchen Momenten vor wie diese Tiere, die sich tot stellen, aus Angst, gefressen zu werden. Ja, ich werde von ihm gefressen. Regelrecht aufgefressen.

Das Bett wackelt. Er liegt jetzt neben mir. Er rückt an mich heran, legt sich wieder auf mich. Ich rieche Bier und Schweiß. Mir ekelt vor ihm. Er versucht, mich auszuziehen, ich wehre mich. "Nun stell dich doch nicht so an!" Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr.
"Lass mich in Ruhe, geh weg von mir!" Ich höre meine Stimme, leise und zittrig, aber ich höre sie. Er lässt ab von mir, um mir im fast gleichen Moment ins Gesicht zu schlagen. Ich bin wütend, meine Wut verwandelt sich in Kraft und ich trete ihm in den Magen. Er versucht, mich festzuhalten, ich trete ein zweites Mal zu. Er liegt im Bett und wimmert. Ich lasse ihn wimmern und stürze zur Tür hinaus.
Ich sitze draußen, den Rücken an die Tür gelehnt.
Vielleicht sollte ich zu meiner Mutter gehen. Vielleicht sollte ich zu meiner Freundin gehen. Vielleicht sollte ich zur Polizei gehen. Ich stehe auf und öffne die Wohnungstür. Vielleicht liebe ich ihn ja.

[ 07.07.2002, 19:40: Beitrag editiert von: 15_jahre_anfängerin ]

 

Hallo Juliane,

Das Thema deiner Geschichte ist ziemlich beliebt, somit unterliegst du etwas dem schweren Konkurenzkampf. Das, was in der Realität traurigste Wahrheit ist, ist in der Fiktion nunmehr nicht nur Klischee, sondern auch kleinster gemeinsamer Nenner des Selbstmitleids.

 

Hi,

Deine Geschichte gefällt mir sehr gut. Das Thema der Mißhandlung (eng verknüpft mit der Liebe zum Täter, also Mißhandelnden) hatten wir hier schon einige Male - aber das macht ja nichts aus.
Ich mag die Sprache Deiner Geschichte. Und ich mag die Bilder, die Du mit ihr erzeugst.
Kritik fällt mir zu dieser Kurzgeschichte echt keine ein... ;)

Gruß,
stephy

 

Grüße Dich, :)
habe gestaunt :rolleyes: ,klingt alles so authentisch,
garnicht nach 15_jahre_anfängerin.
Bis bald Hot Soul. :)

 

Hallo 15

Hat mir gut gefallen. Besonders die Kürze des Textes und der flüssige, lebhafte, bildreiche Erzählstil.

Ein paar Kleinigkeiten noch:
Ich glaube Eidechsen stellen sich nicht tot, sondern verlieren ihren Schwanz wenn sie in Gefahr kommen gefressen zu werden. Ist aber eigentlich nebensächlich.
Außerdem klingt der letzte Satz ziemlich unrealistisch. Wie kann die Frau am Schluss denken, dass sie diesen Mann, der stinkt, sie schlägt, sie betrügt, der sie anekelt, den sie letztendlich sogar schlägt, noch lieben könnte?
Irgendwann hörts bei jedem auf.

Ich finde, bis auf den letzten Satz (und den Vergleich mit der Eidechse) ist die Geschichte gut gelungen.

Bis bald
Morticinus

 

Hi 15-jährige ...,

sehr gut geschrieben. Mein Kompliment! ... ich persönlich finde der letzte Satz gibt der Story den wundesten Punkt ...

Salute Bella

 

Hi,

ich finde gerade der letzte Satz entspricht voll der Realität, denn Personen, denen so etwas wiederfährt, verlieren in ihrer Lage oft die Kontrolle über ihre eigenen Gefühle, da sie so hilflos sind, dass sie die Schuld bei sich selbst suchen. Anscheinend scheint dann die einfachste Lösung für sie zu sein, so weiterzumachen wie vorher, und sich selbst einzureden dass sie noch Liebe empfinden, damit die Situation nicht noch schlimmer wird.
Aber das war nur meine Meinung, die Geschichte ist jedenfalls gut, sie lässt einem nicht viel Raum zum atmen, die Worte sind direkt und rutschen nicht in schmierigen Kitsch ab.

Ciao
ELLIOTT

 

Hi 15,

schließe mich meinen beiden Vorschreibern an. Im letzten Satz sehe ich die eigentliche Aussage der Geschichte. Dickes Kompliment für die Geschichte

meint Teleny

 

hallo ihr! ich konnte bis jetzt nicht zurückschreiben, das hat nie funktioniert! ivh danke euch für eure rückmeldungen, find ich toll, dass hier einige reingeschrieben haben! das mit dem letzten satz: es sollte eben der story den wundesten punkt geben.
biiiiiiiiiiiiiiiitte sagt mir ein tier, das sich tot stellt, ich wusste mal eines, aber mir fällts nicht mehr ein!! danke, eure ju

 

Die Ringelnatter stellt sich bei Gefahr oft tot.
Du lagst also bei den Reptilien schon richtig. :D

[ 07.07.2002, 19:59: Beitrag editiert von: Ginnyrose ]

 

Ich finde die Geschichte echt super. Der letzte Satz hat der Story den nötigen Pfiff gegeben. War wirklich eine verdammt gute Geschichte!!!! Respekt!

 

hallo! wollte gerade die sache mit der eidechse richten, aber ich lass es so. es muss ja was falsches dran geben, nicht? ;-)

 

Das mit dem Tier passt schon so. Kröten stellen sich auch tot, manche Insekten und einige Schlangen.......aber wie gesagt, lass es so.

auch mir ein Kompliment, der letzte Satz ist schlicht genial, er drückt alles aus......also daumen hoch!

grüße,
franzl

 

Hab mich am 22. gar nicht bedankt, ich danke euch wirklich für die tollen rückmeldungen! DANKESDANKEDANKE! Das gibt einem echt Auftrieb.

 

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