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Schon wieder Tag

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16.02.2010
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Schon wieder Tag

Schon wieder Tag

Das Telefon ging. Ich nahm schnell die Kommunikationspille und befahl dem Computer abzuheben. Klick. „Wer da?“, fragte mein Gesprächspartner.
„Männlich.“, antwortete ich. Die weiblichen von den männlichen Stimmen zu unterscheiden, das hatte ich noch nicht drauf. War zu teuer - fünf Maggies die Pille!
„Schade.“, sagte mein Gesprächspartner und legte auf. Offenbar auch männlich. Na, man kann ja nicht immer alles haben. Ich setzte mich erstmal auf die Bettkante, schluckte eine Pille fürs Wachwerden. Ich würde sonst wahrscheinlich noch den ganzen Tag hier rumhängen. Es half nichts. Ich musste was tun. Die Firma wartet nicht.

Die Firma wartet auf Sie - einchecken
Ist ja gut, dachte ich und checkte ein. Mitch begrüßte mich. „Guten Tag, der Herr.“ Was hat der denn heute geschluckt? Wahrscheinlich ‘ne Pille mit der Kommunikation von vor dreihundert Jahren. „Ja ja, schon gut!“, meinte ich und sah zu, dass ich von Mitch wegkam. In mein Büro. Da wartete ein Stapel Akten auf mich. „Hallo!“ begrüßte mich jemand. Das war Sylvia, erinnerte ich mich. Ich wusste aber nicht mehr, ob männlich oder weiblich. „Re-Hallo“, grüßte ich zögerlich. Zum Glück hatte ich wenigstens schon die Kommunikationspille genommen. „Bist unsicher?“, fragte mich Sylvia. „Ziemlich“, gab ich zu. „Weiblich“, sagte Sylvia und grinste. Sie hatte heute wohl schon alle Pillen geschluckt. Ich befahl dem Computer, sich einzuschalten. Die Arbeit konnte beginnen.

Pause

In der Kantine oder dem, was davon übriggeblieben war, erwarteten mich meine Freunde aus dem zweiten Stock. „Hallo, M.“ „Hallo“ ‘re-te ich. „Wie geht’s dir?“, wurde ich gefragt. Oh nein, nicht schon wieder! „Weiß nicht“, sagte ich wahrheitsgemäß. „Willst ‘ne Gorbi-Eins?“, fragte mich Marc. Er wusste, was mir fehlte. „Wie viel?“, erkundigte ich mich. Zum Glück hatte ich schon meine Kommunikationspille genommen. „Drei.“ Das war okay. Sonst bezahlt man für die Dinger mindestens fünf. Ich reichte ihm die Kröten rüber und schnappte mir das abgefahrene Teil. Wasser? „Irgendwo hier auf’m Tisch“, sagte Marc, und gab mir ein Glas. Ich schluckte die Pille, nichts geschah. Aber das ist völlig normal. Gorbis wirken erst nach ungefähr zwanzig Minuten. Ich wartete. Aß auf.

Pausenschluss

Zurück im Büro. Sylvia saß mir gegenüber. Irgendwie sah sie anders aus als heute morgen. Schöner. Ihre Haare. Irgendwas war mit ihren Haaren passiert. Ich sah sie immer noch an. Sie schaute zurück, musste wohl was gemerkt haben. „Sollen wir?“, fragte sie. Irgendwie musste auch sie an eins dieser Gorbi-Dinger geraten sein. Das traf sich gut.

Schönen Feierabend

Die Sache mit Sylvia war gut gewesen, erinnerte ich mich. „Computer. Tür auf“, befahl ich. Die verriegelte Sicherheitstür glitt nach innen auf. Meine Wohnung war total unordentlich. Die Gorbi-Pille wirkte immer noch. Das sind gute Teile, aber manchmal sind sie einfach zu lange aktiv. Es half nichts. Ich musste aufräumen. „Computer. Aufräumen“, befahl ich und ertrug stumm die Prozedur. Dann noch ein bisschen Fernsehen. Irgendwo war ein Porno. Der interessierte mich aber nicht mehr. Gorbi hatte sich schlafen gelegt.

„Computer. Schlafmodus.“ Auch ich war jetzt müde. Gerade, als ich mich hinlegen wollte, ging das Telefon. Einmal, zweimal läutete es. Aber das störte mich jetzt eher, als dass ich mich darüber gefreut hätte. Ich konnte sowieso nicht mehr kommunizieren, ohne meinen Freund von Communications United. Die Pille wirkt halt nur elf Stunden, und man bekommt nur eine pro Tag. „Computer“, befahl ich, „Licht aus.“

 

Anmerkung des Autors zum Text:

Anmerkung: Diese Story erschien bereits im Story Center 1999/2000 des SFCD. Ich möchte von euch wissen, wie ihr diese Story findet und ob sie nach 10 Jahren immer noch aktuell ist.

Hinweise zum Text bitte immer separat posten.

 
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Hallo fictionality,
willkommen auf KG.de!
Das Telefon ging. – wohin? Nicht gehende Telefone gibt es, weil kaputt. Aber 'gehende' Apparate klingeln gewöhnlich oder machen sich auf andere Art und Weise bemerkbar.
Gute SF ist immer aktuell, auch wenn sie schon Vergangenheit geworden ist, zum Beispiel '1984'.
Ich habe mal eine Geschichte hier eingestellt, welche ich eineinhalb Jahre zuvor geschrieben hatte. Ich habe sie vorher noch einmal kurz überflogen und nach wie vor für gut befunden. Dann kamen die ersten Antworten … und ich habe nach kurzem Schmollen, weil leicht gekränkt, die Story mit viel Zeit und Fleiß überarbeitet. Das Ergebnis war eine Klasse besser! (Schiller wollte in seinen späteren Jahren von seinen ersten Dramen nichts mehr wissen! Aber gut, dass er sie nicht geändert hat. Für unsereiner sind sie bestens.)
Nur wenige Texte sind so fabelhaft, dass sie nie wieder geändert werden müssen.
Du hast uns gefragt und ich sage Dir: Inhalt O. k., Form geht besser.
Mit freundlichem Gruß
kinnison

 

Kommunikation ist, wie wir alle wissen, ein ziemlich schwierige Angelegenheit: Man weiß nicht, wie man ein Gespräch anfangen soll, drückt sich unklar aus, wird falsch verstanden, man wird versehentlich pampig. Was liegt da näher als Pillen für bessere Kommunikation?

Eine grandiose Idee, zumal der Hersteller sicher ne gute Mark damit macht. Ob die Pillen besonders gut wirken, lasse ich mal dahingestellt, vielleicht handelt es sich bloß um Placebo.

Die Form lässt in der Tat, wie kinnison schreibt, zu wünschen übrig. Zwar habe ich nichts gegen ein "gehendes" Telefon einzuwenden - das ist Umgangssprache, und der Text ist ein Stream of Conciousness. Ich hätte ihn allerdings komplett in Präsens geschrieben, was an ein paar Stellen Stolpersteine beseitigt hätte:

Das war okay. Sonst bezahlt man für die Dinger mindestens fünf.

Ferner interessant: Die eigentliche Arbeit wird mit keinem Wort beschrieben. Offenbar ist sie für den Erzähler völlig irrelevant. Auch eine Aussage...

Uwe
:cool:

 

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