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Schnupperkurs Hölle

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29.03.2013
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Schnupperkurs Hölle

„So – Sie haben also den Wunsch geäußert, einmal ganz unverbindlich bei uns reinzuschauen?“
„Eigentlich hab ich nur mal kurz dran gedacht“, sagte Mike. „Man hört ja ne ganze Menge über den Laden.“
„Aha, ist das so? Und was hört man denn? Vermutlich keine Reiseberichte, möchte ich meinen.“ Der Bote aus der Hölle kicherte, ohne den Blick von Mike zu wenden. Seine Lippen formten ein O, und ein gelber Rauchring drang aus seinem Mund.
Der Park leerte sich allmählich. Bis auf zwei schachspielende Rentner und einige Kinder, die auf dem Ententeich ihre ferngesteuerten Boote fahren ließen, war niemand mehr zu sehen. Mike fragte sich, ob außer ihm noch jemand in der Lage war, den Mann, der so plötzlich neben ihm aufgetaucht war, zu sehen.
„Nee, keine Reiseberichte. Das Übliche eben. Die einen glauben das Geschwätz vom ewigen Feuer, von Folterqualen und dem ganzen Zeug. Andere denken, daß es da ein bißchen unterhaltsamer als im … ääh … Himmel abgehen könnte. Was weiß ich …“
Der Rauchring löste sich langsam auf und hinterließ einen leichten Geruch nach faulen Eiern.
„Also, wollen Sie es denn nun wirklich wissen?“ Der Mann stand auf und betrachtete Mike mit einem freundlichen Lächeln. Sein schmächtiger Körper war an einigen Stellen transparent und das Licht der untergehenden Sonne schien durch ihn hindurch.
„Na ja …“ sagte Mike lahm, „warum eigentlich nicht?“ Es wunderte ihn selbst, daß er so gar keine Angst vor diesem Kerl verspürte, der da buchstäblich aus dem Nichts aufgetaucht war und nun in seinem merkwürdigen roten Anzug vor ihm stand. Eigentlich sah der Typ ganz normal aus. Keine Hörner auf der Stirn, kein Pferdefuß, keine glühenden Augen …
„Haben Sie jetzt gerade Zeit? Für einen kleinen Schnupperkurs, sozusagen?“
„Ist das Ihr Ernst?“
„Natürlich. Also?“
„Kann ich mir noch eine drehen?“
„Selbstverständlich.“ Wenigstens darf man dort rauchen, dachte Mike. Immerhin …

Dann ging alles sehr schnell. Der Bote schnippte mit den Fingern und im nächsten Augenblick war der Park verschwunden. Statt seiner breitete sich eine asphaltierte, kreisrunde Fläche vor ihnen aus, die von einer verklinkerten Mauer umgeben war. In regelmäßigen Abständen waren eiserne Türen darin eingelassen. Mike drehte sich einmal. Es waren zwölf.
„Was sind das für Türen?“
„Nun, zehn von ihnen öffnen sich für die, welche gegen die zehn ääh... sogenannten Gebote verstoßen haben. Dort treffen Sie auf lauter Gleichgesinnte. Also nehmen wir zum Beispiel mal die notorischen Lügner – die finden sich dort“, er zeigte auf eine Tür rechts von ihnen, „unter Ihresgleichen. Dort glaubt keiner irgendwem irgendwas. Sehr spaßig, finden sie nicht? Oder nehmen sie diese da: lauter Ehebrecher – “
„Und die beiden anderen Türen?“ unterbrach ihn Mike, der nicht den geringsten Wert darauf legte, zu erfahren, was man sich hier für die Fremdgeher hatte einfallen lassen.
„Hinter einer wohnt der Chef.“ Der Bote hielt inne, starrte vor sich hin und murmelte etwas, das sich wie ‚das wird eng‘ anhörte.
„Und hinter der anderen? Was ist da los?“
„Das ist die Abteilung Unterhaltung. Das perfekte Grauen. Moment …“ Wieder sah der Mann im roten Anzug zu Boden. Über seiner Nasenwurzel bildeten sich tiefe Falten. Für einen winzigen Moment glaubte Mike kleine weiße Maden auf der Stirn und im Haaransatz des Boten zu sehen.
Na wunderbar. Von wegen Schnupperkurs. Gute Promotion geht anders. Und wie das hier riecht!
„Unterhaltung klingt doch gut. Also, wenn ich mir das mal ansehn könnte?“
„Natürlich, sehr gerne. Wenn Sie mir folgen wollen. Natürlich dürfen Sie nicht hinein, aber ein Blick ist durchaus erlaubt. Schließlich sollen Sie sich ja ein Bild machen können.“

Nach wenigen Sekunden war Mike klar: auf keinen Fall würde er hier einchecken. Nicht für alle Kohle der Welt. Niemals. Allein schon das Gedränge!
Bis zum Horizont erstreckte sich der Menschenozean. Alle Männer, junge wie alte, trugen das Gesicht von Justin Bieber, und alle Frauen hatten diese ‚Mutti-ist-heute-frech-mit Rückenwind‘ Frisuren. Die Bieber, die deutlich in der Unterzahl waren, schienen ohne Unterlass zu singen. Jedenfalls hatte es den Anschein, denn zu hören war nicht das Geringste. Die Frauen bejubelten die Sängerknaben mit erhobenen Armen, öffneten und schlossen ihre Münder und gebärdeten sich wie hysterische Teenager. Viele schwenkten Nordic-Walking Stöcke.
Gut, dass man das idiotische Gekreisch nicht hören muß, dachte Mike erleichtert. Kinder gibt ‘s hier keine. Haben ja auch nichts zu suchen in der Hölle. Logisch.
„Das reicht mir erstmal. Jetzt würde ich gern einen Blick in die Abteilung Wollust werfen, wenn’s erlaubt ist.“
Der Höllenbote zwinkerte ihm zu. „Das möchten die meisten. Nur der Chef weiß, warum. Ich persönlich kann beim besten Willen nichts an dem finden, was dort geschieht. Aber bitte.“ Er blies einen weiteren Ring aus Rauch in die Luft, der jedoch nicht nach faulen Eiern, sondern irgendwie nach Zahnarzt roch.
Neben der Tür hing ein Kondom-Automat, der Mike vorher nicht aufgefallen war.
„Was soll das denn?“
„Ein Scherz des Chefs. Keine Ahnung, was daran lustig sein soll.“
Die Hand des Boten lag bereits auf der Türklinke, als plötzlich eine Stimme zu hören war, die gleichzeitig aus den Mauersteinen, dem Boden, und der Tür vor ihm zu dringen schien. Sie kam Mike irgendwie vertraut vor. Scheiße! Nicht mal in der Hölle ist man sicher!
„Mike?“
Nicht jetzt, wo‘s gerade spannend wird!
Zuerst warf die Luft Blasen, dann lösten sich nacheinander der Höllenbote, die Tür, die Mauer und schließlich auch der Asphalt unter seinen Füßen auf. Alles wurde porös und durchsichtig und wich schließlich einem grellen Licht, vor dem er die Augen schließen mußte.
„Mike! Junge! Sehen sie mal, seine Augen … Er wird wach!“

„Erinnern sie sich an irgendetwas, Herr Weber?“
„Erinnern?“
„Ja. Haben sie vielleicht Albträume gehabt? Nach dem zu urteilen, was wir in ihrem Blut gefunden haben, wäre das nämlich kein Wunder.“
Mike bemühte sich. Doch das Einzige, an das er sich erinnern konnte, war das Gesicht von Boris, der ihm im Park eine winzige Pille in die Hand gelegt und gesagt hatte: „Hier, probier das mal – is was ganz neues. Ne Schnupperprobe, Alter. Du wirst dich wundern – echtes Teufelszeug!“

 

Hallo harry!

Das ist ein schöner Einstieg für eine Geschichte ... aber sie hört leider gleich wieder auf. Ich hätte gern hinter mehr als eine Tür geschaut, denn der Text liest sich so flott und amüsant ... aber dann endet es sehr abrupt und lässt mich ein bisschen enttäuscht zurück. Also ich verlange hier keine Göttliche Komödie von dir wo man durch sämtliche Höllenkreise wandert. Aber ein bisschen mehr dürfte es ruhig sein.
Solche "es war alles nur ein Traum" (bzw. ein Trip)-Enden finde ich nicht so toll, aber für so eine humorvolle Geschichte kann man es durchgehen lassen :) (die könnte übrigens ruhig in der Humorrubrik stehen, finde ich).

Hier ist noch ein bisschen Textkram:

„So – sie haben also den Wunsch geäußert, einmal ganz unverbindlich bei uns reinzuschauen?“
Sie als Anrede muss groß geschrieben werden - der Fehler zieht sich durch den ganzen Text

Die Bieber, die deutlich in der Unterzahl waren, schienen ohne Unterlaß zu singen.
Unterlass

Gut, das man das idiotische Gekreisch nicht hören muß, dachte Mike erleichtert. Kinder gibt ‘s hier keine. Haben ja auch nichts zu suchen in der Hölle. Logisch.
dass
Die Gedanken von Mike erscheinen mir irgendwie zusammenhanglos. Vielleicht hat das was damit zu tun, dass er high ist, aber wie kommt er von "man kann die Leute nicht schreien hören" auf "hier gibt's keine Kinder"? Und außerdem glaub ich das nicht, dass da nichts zu hören ist. In der Hölle hört man garantiert Teenie-Pop, und zwar überall! :baddevil:

„Das reicht mir erstmal. Jetzt würde ich gern einen Blick in die Abteilung Wollust werfen, wenn’s erlaubt ist.“
Versteh ich nicht - vorher hat er noch gemeint, er hätte kein Interesse daran, was mit den Ehebrechern passiert. Oder sind die Wollüstigen noch was anderes bei dir? Außerdem ist Wollust von den zehn Geboten gar nicht wirklich abgedeckt, das ist eine der sieben Todsünden.

Das wären aber vielleicht sowieso die besseren Themen für deine Türen. Ich meine, gibt es wirklich eine Extraabteilung für Leute, die den Sabbat nicht heiligen oder den Namen Gottes missbrauchen? Die zehn Gebote sind eigentlich nicht ... wie soll ich sagen, ausschließlich moralbezogen, viele davon sind eher kulturell und spielen heute de facto keine Rolle mehr. Die ganz bekannten, wie "du sollst nicht töten" und "du sollst nicht ehebrechen" sind natürlich moralischer Natur - aber mit den sieben Todsünden würdest du das auch abdecken.

Tja ... es ist eine nette kleine Geschichte, aber es wirkt wie ein Schnellschuss - es ist nicht alles durchdacht, und es ist ganz schnell wieder vorbei. Mein Tipp wäre neun Türen - sieben Todsünden + Boss + Unterhaltungssektor, und es sollten mindestens drei Türen aufgehen. :)

Grüße von Perdita

 

Hallo Perdita!
Danke für den Hinweis, dass man Sie bei einer Anrede groß schreiben sollte. Ich habe das korrigiert (hoffentlich kann ich mir das auch für die Zukunft merken). Was die beiden ss angeht, sollte ich wohl mal ein ernstes Wort mit dem Word Korrekturprogramm wechseln. Was ist übrigens aus dem guten alten ß geworden? Ersatzlos gestrichen?
Was die Wollust angeht - da hast du recht. Todsünden. Eine etwas andere ( und in der Tat besser geeignete ) Liga als die 10 Gebote. Ich werde es trotzdem nicht ändern oder näher darauf eingehen, weil ich tatsächlich nur einen Schnellschuß im Sinn hatte. Nur eine Seite wäre mir noch lieber gewesen, aber so was muß man können - ich kanns nicht. Auf jeden Fall ein guter Hinweis.
Ach ja - als Mike sich darüber freut, dass er die Menschen nicht kreischen hören muß, sind ihm deshalb sofort Kinder eingefallen, weil die lieben Kleinen sich schließlich nicht zuletzt durch einen enorm hohen Geräuschpegel auszeichnen ( jedenfalls,wenn sie so richtig in Fahrt sind ). Wer wie ich in der Nähe eines Spielplatzes wohnt, weiss, wovon ich rede ...

Schöne Grüße
harrytherobot

 

Hallo harry!

Das Ende überzeugt mich nicht. Es passt nicht zur Geschichte. Die Handlung ist eher ein Traum, als ein Albtraum, denn der Alb erscheint als recht netter Fremdenführer. Ich kann auch nichts Drogenverbrämtes erkennen. Dazu ist die Führung, oder besser gesagt, die beinahe Führung durch die Hölle, viel zu „normal“. Außer der Sache mit den Biebermasken, irgendein ein Bieber namens Justin, aber das hängt irgendwie in der Luft. Davon müsste mehr kommen, der Ansatz ist ja nicht schlecht. Vielleicht überhaupt alles so Tiere, passend zu den Sünden.

Also … ach, wo ich grad „also“ schreibe: Der Höllentyp sagt in fast jedem Satz „also“. Da würd ich entweder mit aufräumen oder es zu einer Marotte erheben. Beispiel:
„Nun, zehn von ihnen öffnen sich für die,
„Also, zehn von ihnen öffnen sich für die,

Es sind einige durchaus witzige Passagen drin. Beispiele:
Viele schwenkten Nordic-Walking Stöcke.
Wenigstens darf man dort rauchen, dachte Mike. Immerhin …

Ja, Rauchverbot im Untergeschoss, das wär echt die Hölle! :D

Gruß

Asterix

 

Hallo harrytherobot,

flotte Schreibe, schön zu lesen und ich finde es auch nicht zu kurz. Ist ja ein Schnupperkurs. Aber auch ich meine, nach einem sehr vielversprechenden Start fällt die zweite Hälfte ab, die Beschreibung der Bieberhölle ist für mich nicht überzeugend und die Erklärung 'Drogenwahn' ein nicht ganz passender Notausgang. Die Grundidee ist aber so interessant, dass ich an deiner Stelle trotz 'Schnellschuss' noch mal die 2. Hälfte überarbeiten würde, ich meine, das könnte sich lohnen.

Beste Grüße,

Eva

P.S.

ß - nach langem Vokal (Grüße)
ss - nach kurzem Vokal (muss)

 

Hallo Asterix - hallo Eva,
Danke für eure Kommentare. Eventuell werde ich das Thema noch mal aufgreifen und eure Ratschläge beherzigen. Bis dann also...

Schöne Grüße
Harry

 

Hallo Harry,

ich hab gerade Deine Kurzgeschichte gelesen und musste doch an der einen oder anderen Stelle schmunzeln.
Mir hat sie gut gefallen und ich finde, du hast deine geschaffene Welt gut durchdacht.
Ich hätte mich auch noch über noch mehr Handlung gefreut, finde das Ende aber doch gelungen.

Lieben Gruß,
Saiana

 

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