Schnitt
Schwarz und Weiß. Ein Gegensatz. Eine klare Trennung. Ein Schnitt.
Es ist dunkel. Ich bin allein. Ich bin verloren. Niemand ist da, nur ich und meine Gedanken, die sich langsam zu ordnen scheinen. Die Welt und meine Umgebung sehe ich nur verschwommen. Nichts kann ich erfassen. Nichts kann mich erfassen. Um mich herum ist alles schwarz. Spitzen ragen aus dem Boden und zeigen bedrohlich wie Pfeile auf mich. Unter meinen Füßen liegt schwarzes Geröll, abgestoßen von der Erde. Ich höre nur meinen Puls, wie er in meinem Kopf schlägt, ein ständiger Klang der mich erfüllt. Wie eine Melodie spielt er in meinem Körper und füllt diesen ganz aus. Ich muss an nichts denken. Denn ich bin im Nichts. In der völligen Leere. Und ich verschmelze mit ihr und ihrem Schwarz. Ihrem unheilvollen Dunkel. Ich bemerke nicht, was mit mir geschieht, es zieht mich runter. Wirft mich zu Boden. Bis ich mich verliere. Beim Versuch mich zu wehren spüre ich, wie das Nichts, die Leere, das Dunkel mich zwingen meine Panik zu unterdrücken. Geröll und spitze Gegenstände bohren sich in meine Hände, fressen sich wie kleine Bestien in mein Fleisch und nähren sich von meiner Angst, die mich einnimmt. Es lässt mich aufschreien. Nur das da nichts ist, was meine Schreie auffängt. So verstummen sie direkt in meinem Mund und ich schweige. Ich leide. Die Melodie in meinem Körper ist zu einem unerträglichen Hämmern geworden.
Es drückt von außen, ich kann nichts tun. Ich will, doch ich kann nicht. Ich darf nicht. Ich muss mich dem Dunkel beugen. Es übernimmt mich. Steuert mich, will mich einnehmen. Klägliche Versuche dem Dunkel zu zeigen, dass ich es nicht brauche, scheitern. Ich habe versagt und muss nun mit den Folgen leben. Unter diesen leiden. Doch ich will bei mir bleiben und nicht ins Leere übergehen. Nicht zu einem schwirrenden Nichts in der Dunkelheit werden. Ich kann nicht jetzt vergehen, nur weil ich zu schwach bin. Nur weil ich Angst habe. Lähmung tritt in meinem Körper ein und das Schwarz beginnt mich einzunehmen. Nur in meinem Kopf kann ich noch allein sein. Doch hier herrscht Chaos. Panik nimmt ihn ein und ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Langsam kriecht das Schwarz an meinem Körper hoch und versucht mich zu überwältigen, mich zu verbannen. Es will mich, doch nicht meinen Willen sondern meine Beugung.
Wie kann ich dem entkommen? Was soll ich tun, wenn ich Nichts bin? Wenn ich in der Leere vergehe?
Ich muss mich dem Schmerz widersetzen sonst gibt es keine Zukunft für mich. Kein Leben und kein Tod.
Da bemerke ich ein Funkeln. In der Dunkelheit ist es nicht zu übersehen. Es glänzt, schimmert in einem beruhigenden Weiß. Langsam versuche ich meinen Kopf zum Licht zu neigen. Als ich es erblicke, gibt es mir Kraft. Ich kann wieder klar denken und das Schwarz hört einen kurzen Moment auf mich einzunehmen.
Es merkt, dass ich an Stärke gewinne und einen Ausweg finden könnte und beginnt mit seiner brutalen Macht das letzte bisschen meiner Seele in sich aufzusaugen. Doch ich spüre wie das Licht mich retten will. Ich muss nur selbst heraus finden wie. Ich konzentriere mich auf die Wärme die der Glanz des Lichts ausstrahlt. Nun kann ich deutlich etwas erkennen. Eine Linie, eine Grenze, einen Schnitt. Er zieht sich zwischen dem erdrückenden Schwarz und dem friedlich daliegenden Weiß. Es ist wie eine Mauer und aus ihr heraus ragt eine schimmernde Pforte. Sie strahlt einladend auf einen Weg ins Weiß. Friedlich liegt er dort. Nur wenige Meter trennen mich von der Pforte. Es ist der einzige Ausweg aus dieser schwarzen Finsternis.
Immer noch will die Dunkelheit mich einnehmen und über mich herrschen. Es will mich und meinen Körper besitzen. Doch ich möchte allein in mir sein, mich nicht vom Dunkel unterdrücken lassen. Das Nichts darf auf keinen Fall Besitz von meiner menschlichen Hülle ergreifen. Doch allein kann ich es nicht schaffen, nicht überleben.
Wenn ich es allein in meinem Körper nicht mehr aushalte, es nicht mehr zu Stande bringe in ihm zu herrschen. Dann soll weder das Nichts noch ich in ihm hausen.
Ich will ins Weiß. In den Frieden. Ohne meine falsche Fassade. Ohne meine Hülle, die durch das Schwarz beschmutzt wurde.
Doch wie kann ich sie verlassen und ins Weiß übertreten? Wie kann ich mich lösen?
Ich höre den Frieden flüstern. Das Glitzern des Weißes kitzelt in meinem Ohr und lässt mich nicht lange über die gehörten Worte nachdenken. Es ist richtig so. Ich muss es tun.
Langsam spüre ich wie meine Hand zu etwas Scharfem schweift. Die Finsternis persönlich gibt mir die Chance ins Weiß einzutreten. Langsam gleiten meine Finger über den Gegenstand, fühlen wie spitz er ist und das es nur diese Möglichkeit gibt um das Dunkel zu besiegen. Ich nehme den Gegenstand, der wie eine Pfeilspitze geformt ist und ziehe ihn zu mir hoch. Zuvor hat das Dunkel mich bedroht, doch nun hilft es mir alles hinter mir zu lassen und aus der Finsternis heraus zu treten.
Zu spät erkennt das Schwarz meinen Plan, es kann mich nicht mehr aufhalten. Denn das Rot fließt bereits.
Der Druck lässt nach, das Hämmern hört auf und ich spüre wie ich aus meinem Körper austreten kann. Ich bin gelöst. Nun kann mir das Schwarz nichts mehr anhaben. Meine elende Hülle ist nutzlos.
Langsam schreite ich auf das schimmernde Tor zu. Es zeigt einladend auf den Frieden den das Weiß mir bieten kann. Mit einem Fuß in der Pforte, drehe ich mich noch einmal um und starre in das schwarze Nichts. Voller Wut rast es auf mich zu. Doch es kann mir nichts anhaben.
Ich bin frei.