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Schnitt in die Seele

Beitritt
11.08.2011
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Schnitt in die Seele

Als Veronika die Wohnungstür aufschließt und auf den Flur tritt, empfängt sie nur Stille. Obwohl sie sich sicher ist, das Fenster im Wohnzimmer heute Morgen nicht geschlossen zu haben, scheint die Luft zu stehen. Veronika schlüpft aus ihren grünen Ballerinas, stellt sie achtlos neben das Schuhregal und tapst barfuß über das warme Parkett. Sie bleibt kurz stehen, bevor sie das Wohnzimmer betritt, atmet tief ein, als wolle sie Mut fassen. Die cremefarbenen Vorhänge wehen sachte im lauen Wind dieses schönen Tages, der Boden ist sonnengeflutet. Sie lässt sich auf der Fensterbank nieder und lässt ihren Blick durch den Raum schweifen. Nichts deutet darauf hin, dass ihr Leben seit gestern nicht mehr so sein wird wie vorher. Dass er einfach gegangen ist und sie und ihr Unglück allein gelassen hat. Die Weinflasche die sie in hastigen Schlucken geleert hat um sich zu betäuben, steht noch auf dem Couchtisch. Die Wolldecke mit der sie sich nach stundenlangem Weinen notdürftig zugedeckt hat, liegt auf dem Boden. Die ganze Nacht hat sie auf der kleinen Ikea Couch gelegen, war nach Einsetzen des Alkohols in einen leichten und unruhigen Schlaf gefallen. Jedes Geräusch von der Straße ließ sie hochschrecken und hoffen, dass er wieder zurückgekommen war. Aber als die Vögel langsam draußen zu zwitschern begannen und die Sonne aufging, war er immer noch nicht wieder da. Und auch dann konnte sie nicht ins Schlafzimmer gehen und sich ins Bett legen, sie hätte seinen Geruch auf den Laken nicht ertragen können.
Allein. Er hat sie einfach allein gelassen. Veronika lässt sich auf dem Teppich vor dem Fernseher nieder und knipst den Bildschirm an. Die Nachmittagstalkshowgäste, die sich um Sorgerecht und Geld streiten, flimmern ihr entgegen und durch sie hindurch. Sie starrt auf den Fernseher und sieht doch nichts. Sie möchte weinen, aber es ist als wären ihre Tränendrüsen plötzlich zu stolz geworden. Dabei würde weinen helfen, diesen langsam von ihrer Brust in den Hals hochsteigenden Druck zu reduzieren. Sie fasst sich an den Hals, schluckt. Obwohl sie hier oben im vierten Stock sehr wohl noch den Verkehr der Autos auf der Hauptstraße hören kann, erscheint ihr alles so totenstill. Er hat jegliche Geräusche und Leben aus der Wohnung mitgenommen, aus ihrer Wohnung, als er einfach gegangen ist. Zurück bleibt nur diese grausame Stille, wie ein schwarzes Loch. Veronika fasst sich an ihren flachen Bauch, auf ihre Brust. Genauso hier hat er ihr ein schwarzes Loch in sie gerissen, sie fühlt sich innerlich abgestorben. Miau. Der gestreifte Stubentiger schleicht sich von hinten an sie heran und schaut sie erwartungsvoll an. Veronika beginnt das Tier zu streicheln, lässt ihre Hand durch das Fell gleiten. Die Katze scheint zu merken dass ihr Frauchen mit den Gedanken ganz woanders ist und macht es sich lieber auf dem Sofa bequem.

Das Loch stopfen. Diese unbändige Leere, die sein Weggehen in sie gerissen hat, füllen. Kein Essen der Welt kann diese Leere füllen. Veronika steht auf, geht langsam ins Bad. Kritisch schaut sie in den Spiegel. Eine junge Frau mit heller Haut und vom Weinen geröteten Augen schaut sie an. Braune schulterlange Haare umrahmen das Gesicht, dass eigentlich sehr hübsch wäre, wenn da nicht diese zugequollenen Augen wären. Veronika zieht ihr Top hoch, betrachtet sich. Ihr Bauch ist schön, da gibt es keine Frage. Sie dreht sich um und blickt über die Schulter. Es muss an ihrem Hintern liegen, da ist sie sich sicher. Er ist einfach zu breit, und gar nicht knackig. Felix muss gelogen haben, in all den Nächten in denen er ihr geschworen hat dass sie die schönste und einzige Frau für ihn wäre. Gelogen wie bei allem anderen. Wie ein Gewitter prallen die Erinnerungen auf Veronika ein, sie schnappt nach Luft und setzt sich auf den Badewannenrand, so schwindelig ist ihr plötzlich. Dass sie ihn erdrücken würde mit ihren Forderungen und ihrer Eifersucht hat er gesagt. Dass er nicht mehr kann und erstmal ein wenig Abstand braucht. Weder ihr hysterisches Weinen, noch ihr Betteln hatte etwas geholfen, genauso wenig wie ihre Drohungen, sie tue sich etwas an wenn er weg sei. All das hat es nur noch schlimmer gemacht. Sie war wütend auf ihn, so wütend. Dabei war er ja selbst schuld, da er mit der hübschen Blonden Mittag gegessen hat, anstelle seine Freundin zu treffen. Veronika atmet tief durch. Jetzt fühlt sie sich plötzlich nur noch taub, wie abgestorben, als ob das Leben in ihr mit ihm gegangen wäre.

Veronika weiß nicht ob sie ein paar Sekunden oder einige Stunden so dagesessen hat. Als sie schließlich aufsteht, spürt sie den Schmerz nicht mehr. Weder den Seelischen noch den, den die Rasierklinge verursacht hat, mit der sie sich ein paar mal in den Unterarm geschnitten hat. Veronika betrachtet das rote Blut, das auf den Boden fließt und ein Rinnsal bildet. So saube rund rein sieht es aus, und der Anblick beruhigt sie. Sie ist jetzt ganz entspannt, als sie ihren Arm notdürftig mit Pflaster und Verband versorgt. Der Grund, warum sie auch im Sommer meist langärmliche Shirts trägt. Und das Einzige Mittel, das ihr in Situationen wie dieser helfen kann. Veronika legt sich auf das Sofa, schließt die Augen und träumt davon, dass er sich meldet. Irgendwann. Dann wird er anrufen und sagen, dass es ihm leid tut. Die Stellen am Arm wird sie dann versuchen vor ihm zu verstecken solange es geht. Und wenn er bei ihr ist, dann braucht sie das Schneiden eh nicht. Denn dann fühlt sie sich wieder komplett.

 

Moin, und willkommen auf Kg.de.
Ich bin noch nicht sehr überzeugt von Deiner Geschichte, weil Du zwar gut die Wohnung beschreibst, aber Deine Protagonistin für mich dennoch zu farblos bleibt. Es regt sich kein Mitgefühl in mir, nicht einmal, als sie sich schneidet. Mir genügt es noch nicht, dass quasi nur zwischen den Zeilen die Trennung von Ihm thematisiert wird, und vor allem Ihre eigenen Anteile, die IHN zur Trennung veranlassten, sollten hier mehr Selbstreflektierten Raum erfahren. Entschuldige bitte, wenn ich die Geschichte erst einmal als solche wahrnehme, vielleicht ist es ja eher ein "Verarbeitungsbericht", und dann wäre es verständlich, ändert aber nichts daran, dass mir die Sichtweise dieser Geschichte zu einseitig und larmoyant geraten ist.
Ein paar Fehler verstecken sich auch noch drin, und darum wäre eine Überarbeitung schön.
Dennoch; Erzählerisches Talent hast Du definitiv, und ich wünsche Dir viel Spass dabei, es hier auf Kg.de weiter zu entwickeln und zu verfeinern.
Gruß
Lord

 

Hallo ZarahsGeschichten,

und Willkommen bei KG.de.

Deine Geschichte gefällt mir zu gleichen Teilen, wie sie mir auch nicht gefällt. Da sind hübsche Sachen drin, feine Beobachtungen und auf der anderen Seite - ach je :).

Vorab erst einmal, dass ich ein persönliches Problem mit der Auflösung von Problemen durch Ritzen in Geschichten habe. So oft, wie man das liest, scheint es, als ob man heutzutage in der Apotheke Rasierklingen bekommt, wenn man nach einem Schmerzmittel fragt. Was ich damit sagen will, wenn man sich als Autor einem solch häufig bemühtes Thema zuwendet, dann sollte man dem Leser auch was Neues/Interassantes bieten. Das kann die Sichtweise, der Stil sein, irgendetwas was mich dazu bewegt, es interessant zu finden. Aber das ist jetzt ein sehr persönliches Empfinden, andere mögen da noch nicht so übersättigt sein wie ich.

Textzeugs :)

Als Veronika die Wohnungstür aufschließt und auf den Flur tritt,

oha

Die cremefarbenen Vorhänge wehen sachte im lauen Wind dieses schönen Tages, der Boden ist sonnengeflutet.

Klingt wie ein Satz aus einem Groschenroman ;)

Sie lässt sich auf der Fensterbank nieder und lässt ihren Blick durch den Raum schweifen.

Wortwiederholungen sind immer unschick.

Dass er einfach gegangen ist und sie und ihr Unglück allein gelassen hat.

Und so allgemeingültige Weltschmerzsätze auch.

Die Weinflasche die sie in hastigen Schlucken geleert hat um sich zu betäuben, steht noch auf dem Couchtisch.

Und so Erklärungen auch :). Weiß der Leser doch, braucht man ihm nicht zu erklären. Kann man gut weglassen. Dann wäre der Satz sogar sehr schön. Außer vielleicht - geleert hatte

Aber als die Vögel langsam draußen zu zwitschern begannen und die Sonne aufging,

Wie geht denn langsames Zwitschern?

Allein. Er hat sie einfach allein gelassen.

Das ist Holzhammerdramatik. Allein - so allein - einfach allein - Taschentuch - Tränen - Schmerz - Ach ne :)

Sie möchte weinen, aber es ist als wären ihre Tränendrüsen plötzlich zu stolz geworden.

Tränendrüsen zu stolz - ist ein schräger Vergleich - stolze Tränendrüsen, was soll das sein?

Er hat jegliche Geräusche und Leben aus der Wohnung mitgenommen, aus ihrer Wohnung, als er einfach gegangen ist. Zurück bleibt nur diese grausame Stille, wie ein schwarzes Loch.

Das ist hübsch, auch wenn ich gut ohne das Dicke könnte.

Und so weiter. Ich höre an dieser Stelle mal auf, weiß ja nicht, ob Du an diesem Text überhaupt arbeiten möchtest. Wie gesagt, da sind schöne Sachen drin, nur leider eben auch einiges, was eine liebende Autorenhand ausmerzen könnte.

In diesem Sinne,
Beste Grüße Fliege

 

Danke für Euro Anmerkungen und Tipps. Ich werde auf jeden Fall noch an der Geschichte arbeiten. Vielleicht stell ich sie nochmal online, vielleicht schreibe ich auch eine Neue.
Liebe Grüße
Zarah

 

Ich werde auf jeden Fall noch an der Geschichte arbeiten. Vielleicht stell ich sie nochmal online, vielleicht schreibe ich auch eine Neue.

Nur für den Fall das ... dann bitte den Originaltext bearbeiten (mit Hilfe des kleinen Buttons unter dem Text) und nicht nochmal neu posten ;).

 

Hallo Zarah

Der Kern der Geschichte weckte mir Verständnis, ja Sympathie. Das Geschehen hat etwas Alltägliches, Beziehungsknatsch, der sich aus menschlicher Unvollkommenheit bildet, das egozentrische fokussierend. Die Individualität der Prot. ist spürbar, wenn auch nur schemenhaft gezeichnet. Es transportiert sich einzig über ihr Verhalten, ihre zu stark eingekerkerten Gedanken.

Die Geschichte vermag aber nicht auszubrechen, aus dem engen Korsett von Selbstschmerz. Die Erzählstimme öffnet nicht weit genug die Perspektive auf Veronika. Auch lässt die Prot. ihren Gedanken nicht ausreichend freien Lauf. Als Leser stehe ich ausserhalb, ohne wirklich in die Tiefe gelangen zu können. An einigen Stellen wären Gefühle und Gedanken der Prot. selbst direkter, anstelle der Erzählstimme.

Obwohl sie sich sicher ist, das Fenster im Wohnzimmer heute Morgen nicht geschlossen zu haben, scheint die Luft zu stehen.

Wieso scheint? Natürlich ist es ihre subjektive Empfindung, aber sie nimmt es so wahr, dann ist es für sie Tatsache, oder sie erkennt, dass es nur an ihrer Empfindung liegt.

Die cremefarbenen Vorhänge wehen sachte im lauen Wind dieses schönen Tages, der Boden ist sonnengeflutet.

Ist das Fenster nun doch geöffnet? Es liest sich widersprüchlich zu vorgehend erwähntem Satz.

Dass er einfach gegangen ist und sie und ihr Unglück allein gelassen hat.

Ihr Unglück wirkt mir hinweisend auf eine Gegebenheit, die nicht in direktem Bezug auf die Beziehung steht. Doch denke ich, dass hier eben der Beziehungsbruch ihr Unglück ist. Das Schneiden, welches sich am Schluss offenbart, hatte sie ja nicht gebraucht, wenn er da war. Wenn du doch das meinst, finde ich Unglück dafür die falsche Bezeichnung. Es wäre mir dann mit Zwang besser gekennzeichnet.

Die ganze Nacht hat sie auf der kleinen Ikea Couch gelegen, war nach Einsetzen des Alkohols in einen leichten und unruhigen Schlaf gefallen.

Der Name des Möbelhauses bringt hier keinen Informationswert, ausser vielleicht, dass es kein Designerstück ist. Doch das ist unwesentlich. Und, Einsetzen des Alkohols dünkt mich unglücklich, besser etwa Wirkung.

Genauso hier hat er ihr ein schwarzes Loch in sie gerissen, sie fühlt sich innerlich abgestorben.

Genauso, setzt voraus, dass ein vergleichbares Beispiel vorangeht, was nicht der Fall ist. Folglich: genau.

Meine Lesersicht ist natürlich subjektiv. Aber du siehst an obigen Beispielen vielleicht, worin ich Unschärfen wahrnehme. Es wäre schade, wenn du die Geschichte nicht bearbeiten, ihr mehr Konturen geben würdest. Wie sie letztlich ausgestaltet ist, liegt natürlich in deiner Hand. Als Leser nehme ich nur daran teil, um mich mehr oder weniger gut zu unterhalten.

Dass das Ritzen erst am Schluss auftritt, ohne grosse weitere Umschreibung, finde ich gut, denn es würde den Raum vereinnahmen und den Menschen dahinter verstellen.

Auch wenn es mir teilweise noch an Anschaulichkeit fehlt, gern gelesen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

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