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Schneeflöckchen, Weißröckchen

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19.04.2008
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Schneeflöckchen, Weißröckchen

Er fühlte sich erleichtert, so als wäre er gerade gerettet worden. Sich jetzt in sein Zimmer zurückziehen, auf dem Bett ausstrecken, einen Schluck trinken und irgendeinen Film ansehen. Sollte doch draußen das Unwetter toben! Langsam ließ seine Anspannung nach.
Der Plan, noch an diesem Abend über hundert Meilen zu fahren, war sowieso völliger Schwachsinn gewesen. Chattanooga würde ihm nicht weglaufen, Atlanta auch nicht. Er hatte jetzt eine ganze Woche Zeit, Urlaub. Niemand erwartete ihn. Er konnte herumstreunen, musste sich doch nicht an selbstauferlegte Pläne und Pflichten klammern.
Er würde sich jetzt hinlegen, noch einen Whiskey trinken oder zwei, oder drei, ausschlafen und morgen früh weiterfahren. Wahrscheinlich war das Wetter bis dahin auch wieder annehmbar. Es musste ja irgendwann aufhören zu schütten.

Diese ewige Kutscherei – Er versuchte, sich ein wenig zu strecken, was sein steifes Kreuz sofort mit einem ordentlichen Piekser quittierte, ziemlich genau über dem verlängerten Rücken.
„Dämliche Fahrerei! Zu blöd, dass die mir den Rudolph gestrichen haben.“
Claus war, wie er sich selber eingestand, ein lausiger Fahrer und fuhr deshalb auch nur sehr ungern und widerwillig selber. Er ließ lieber einen fahren, dann und wann.
Tja, aber dieses Jahr war wohl nicht das seine. Alles ging irgendwie schief. Und schuld war nur dieser alte Schleimer Djed! Der war’s doch gewesen, der dem Chef was von logistischer Optimierung, lean Management und getimten Abläufen ins Ohr gesäuselt hatte, oder?
Und sicherlich hatte dem Boss auch kein anderer gesteckt, dass er, der gute Claus, rein zufällig, bis zu drei Mal durch denselben Schornstein gerutscht war im letzten Jahr! – Ein klein wenig betütert, jaa, zugegeben …
„Ho, ho, ho! Ist doch noch lange kein Grund, mir den Rudolph wegzunehmen!“
Vor sich hin grummelnd kramte Claus das Waschzeug aus seiner Tasche und positionierte den mitgebrachten Whiskey auf dem Nachttisch. Noch in voller Montur schmiss er sich aufs Bett, kontrollierte pedantisch die bequeme Erreichbarkeit der Flasche und gönnte sich, weil er eben die so wunderbar punktgenau eingeschätzt hatte, einen ersten Belohnungsschluck. So im Nachhinein war er sich selber dankbar. Für diesen Abstecher hierher, nach Lynchburg, Geburtsort seines besten Freundes Jack, Nachname Daniels. Man gönnte sich ja sonst nichts.
Wie es hier weitergehen sollte, war ihm allerdings schleierhaft.
Rudolph war schließlich der einzige, der die Strecke wirklich kannte. Auch nach all den Jahren hatte Claus nur verschwommene Vorstellungen von Weg und Ziel, war auf dem hinteren Sitz immer nur tapfer schluckend damit zu Gange gewesen, seine Höhenangst zu bekämpfen.
Nüchtern springt schließlich kein Aas in irgendeinen Schornstein!
Und jetzt musste er also, völlig unvorbereitet, seine letzten freien Tage vor dem Startschuss damit verbringen, sich mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut zu machen, damit all die Kinder hier in der Gegend ... Was für eine Ochsentour!
Aber es stand viel auf dem Spiel: ganz konkret sein Job.
Es war ja nicht mehr zu überhören, wie man in der Zentrale mittlerweile über ihn tuschelte: Senilkonfus und so. Hatte er doch selbst gehört!
Und wer steckte dahinter, wieder mal?
Natürlich dieser „Aufsteiger“ Djed Maross, Künstlername „Väterchen Frost“!
Zugereist aus dem Osten, mischte der sich in Gefilden ein, in denen sich so einer unmöglich auskennen konnte. Und brachte einen rechtschaffenen Typen wie Claus in Misskredit!
Natürlich war klar, das hatte Claus schon gecheckt, dass dieser Parvenue, dieser Towaritsch Maross, ganz einfach sein Tätigkeitsfeld vergrößern wollte. Zeit war für so einen natürlich kein Thema – der tingelte ja nur ab diesem neumodischen Jolkafest bis zum siebenten Jänner durch die Kante, die Taiga hoch und runter sozusagen …
Der wollte ihm erzählen oder vielleicht noch vormachen, wie die Arbeit zu organisieren war?
Nein, unmöglich, dass einer wie dieser Djed überhaupt ahnen konnte, wie Modern Business hierzulande ging. Da, wo der herkam! Liefen da nicht noch die Bären auf den Straßen herum? Nein, nein, das war nur ein billiger Raffzahn, keine wirkliche Konkurrenz. Der konnte ihn doch mal kreuzweise. Oder, entsprechend etwaiger Vorlieben, auch mit anderem Muster ...
Umso befremdlicher aber, dass die Zentrale so einen wie den überhaupt so hoch kommen ließ! Und die größte Sauerei war ja, dass „Väterchen Frost“ seine leckere Assistentin, Snegurotschka, behalten durfte. Ihm, Claus, wurde das Personal gestrichen, und Djed Maross bekam noch eine Extrawurst gebraten!
Die Snegurotschka mochte Claus aber schon sehr gerne. Immer freundlich, das Mädel, hatte nie ein böses Wort. Und eine Augenweide sowieso. Bedauerlicherweise bildete sie ein festes Gespann mit Väterchen Frost, war nie ohne ihn anzutreffen.
Schade.
Er hätte zu gern mal unter ihr weißes Kittelchen gelunst.
„Ach ja, hart ist das Leben in den Bergen! Und immer kommt der Wind von vorne!“ Claus rappelte sich ächzend noch mal hoch. Nach einer Katzenwäsche gönnte er sich, die schäbige Gardine zur Seite schiebend, noch einen kurzen Blick auf die Außenwelt. Zufrieden registrierte er, dass die Reiseunterbrechung goldrichtig gewesen war.
Dicke Regentropfen, inzwischen stark mit Schneekristallen durchsetzt, klatschten schwer gegen die Scheibe und rutschten träge auf einem dünnen Wasserfilm gen Süden.
Kein Wetter für Überlandfahrten, jedenfalls nicht für ihn.
Es war doch eigentlich richtig nett hier. Und jetzt noch ein kleiner Plausch mit seinem guten Kumpel Jack Daniels ... Aber die eigene Neugier unterbrach ihn:
Was war denn das da draußen?
Lichter.
Scheinwerfer.
Ein weiterer Wagen platzierte sich vor diesem heruntergekommenen Motel.
Und eine Lady kletterte aus dem Gefährt.
Weißes Mützchen, weißes Mäntelchen …
Die Schneekönigin?
Aah, klar!
Das Schneemädchen, Schneeflöckchen, Snegurotschka!
Und auch noch ohne Djed Maross, was für ein herrlicher Zufall!
Vergnügt rieb sich Claus die Hände und war schnell wie der Wind an der Tür, um die Schöne zu begrüßen.
Dann stand sie vor ihm.
Die Wangen so weiß wie ihr Mäntelchen.
Die Augen groß, traurig, unvergesslich,
dunkel und tief wie eine stürmische Nacht auf dem Baikal …

„Jack, sie haben mit meiner Kreditkarte Whiskey gekauft!“
Claus war verwirrt. „ Snegurotschka, erkennst du mich nicht? Ich bin´s doch, Claus, Santa Claus!“
Snegurotschka blinzelte irritiert, fasste sich aber schnell.
„Jaaa, aber sicher, wie konnte ich! Jetzt wird alles gut … lieber Claus, eine kleine Spritze, Sie kennen das schon …“
Sie tat ihm nicht weh.
Vollkommen ruhig ließ er sich ein weißes Jäckchen anziehen.
Wo kamen jetzt all die Leute her?
Zwei von ihnen, auch ganz in Weiß, fassten Claus behutsam und dirigierten ihn zum Wagen.
Schlafwagen? Er durfte sich auf einer Pritsche ausstrecken.
Schön …

Sanfte Motorengeräusche.
Stimmen.
Schneeflöckchens Stimme:
„Hier Dr. Snow … Ja, wir haben ihn … Nein, scheint ganz ungefährlich. Ich befürchtete erst, er hält sich wieder mal für Jack the Ripper. Sie wissen ja, was dann los ist! … Nein, nein, eher Weihnachtsstimmung … Heute ist er als Santa Claus unterwegs … Ja, gewiss, der Helikopter soll sich bereithalten, wir wissen noch nicht, wie wir durchkommen … das Wetter …“
Sie wandte sich um, ihre weiß behandschuhte kleine Hand auf's Telefon gepresst: „Schläft er schon? Dosiert lieber noch mal nach, er kann gehörig Radau machen, wenn er noch mal hochkommt!“
Dann sprach sie wieder in ihr Handy. Verschwommen, verweht hörte er ihr Silberstimmchen:
„Sie können schon alles vorbereiten …
Ja, das Herz ist gesund und kräftig …
Die Leber?
Nicht mal gebraten!
Das können Sie natürlich selber prüfen, wenn Sie mir nicht glauben.
Sagen Sie Ihrem Patienten, man kann nicht alles haben.
Nein nein, nicht mal zu Weihnachten!“

 

Verzeih, Butterblume01,

aber Du schreibst es selbst (Zitat:“ Er ließ lieber einen fahren, dann und wann.“).
So kommt mir auch dieser Text vor; er ist irgendwie ‚rausgepubst‘.
Er kommt für mich gestelzt herüber, Textstellen wie „Geburtsort seines besten Freundes Jack, Nachname Daniels. Man gönnte sich ja sonst nichts.“sind einfach platt und ausgelutscht. Und auch das Ende überrascht nicht wirklich.

Dies ist für mich keine Geschichte. Es ist für mich eine Aneinanderreihung von Phrasen, die nicht einmal gut zusammengestellt sind.
Leider kann ich Dir aus Zeitgründen keine ausführliche Kritik schreiben.
Sei nicht böse, aber wir sind hier, um zu lernen und auch mit einer Kritik wie dieser umzugehen.

Lieben Gruß
Jadro

 

Hey butterblume01,

ach so schlimm wie mein Vorgänger finde ich die Geschichte nun nicht. Ja, auch mir kam der ein oder andere Gag mehr als Phrase rüber und der Whiskey, naja - habe schon verstanden, dass er gern ins Glas schaut, da muss man nicht so oft ... auch das Ende kennt man, dafür ist Deines doch ziemlich langatmig für mein Empfinden.

Aber was mir gut gefallen hat, ist die Idee des Konkurrenzkampfes zwischen Väterchen Frost und Santa Claus. Die Passagen des knallharten Kapitalismus zwischen den Kulturen, die haben mir schon gefallen und mich zum Schmunzeln gebracht. Ich überlege die ganze Zeit, wenn es nun kein "Irrer" wär, ich glaube Deiner Geschichte würde nichts fehlen.

Übrigens würde ich Tawarisch schreiben, so aus meiner Erinnerung der Aussprache heraus. Aber ich war noch nie gut in russisch.

Beste Grüße
Fliege

 

@ Fliege
Tawarisch ist O. K.

Mein Verriss galt der vorgelegten Geschichte, nicht dem Potenzial, das möglicherweise darin steckt. Der von Fliege hervorgehobene Konflikt hat Potenzial. Es bedarf aber eines neuen Aufbaus und vor allem des Streichens banaler Redewendungen und dümmlicher Plattitüden.

Gruß
Jadro

 

Liebe(r) Jadro, liebe(r) Fliege,
zunächst erst einmal danke, dass Ihr Euch mit meinem Santa Claus beschäftigt habt und natürlich für Eure Rückmeldung.
@ Jadro:
Klar verzeih ich Dir, Du hast ja nur Deine Meinung gesagt. Und die zeugt einfach nur von einem anderen Anspruch an Geschichten, als ich ihn habe, einfaches Hahnenfußgewächs, wie ich bin. Aber es muss ja nicht jedem alles gefallen und ich schreib halt, wie mir der Schnabel gewachsen ist.
Und ich mag die Geschichte mitsamt ihren Phrasen im Moment schon sehr. Schließt aber nicht aus, dass ich in Zeitabständen nochmal streiche und/oder etwas dazuschreibe, wenn die Story mir wieder unter die Finger kommt. Keine meiner wenigen Geschichten ist da vor mir sicher.
Interessieren würde michs zwar schon, was denn da so schlecht zusammengestellt ist, aber das will ich Dir dann doch lieber nicht zumuten. Wenn Du „Zeitmangel“ sagst, dann hört sich das schwer nach Arbeit an, falls Du explizit die Finger auf die Wunden legen würdest. So wichtig ist die kleine Geschichte aber nicht. Ich danke Dir für Deine Rückmeldung, auch wenn ich daraus nur lesen konnte, dass das nun überhaupt nix war.

@ Fliege:
Danke für Deinen Kommentar. Du hast auch die Phrasen im Visier. Sind dann schon zwei, die sich dran stoßen. Ich denke drüber nach, auch wenn ich es grad noch nicht so recht einsehen will. Den Konflikt (Santa und Väterchen Frost) wollte ich eigentlich nicht weiter auswalzen. Ich hatte das Gefühl, dass mehr in dieser Richtung zu viel wäre. Wenn der „Kampf der Welten“ zu sehen ist, reicht das m.E. Da wöllte ich nicht weiter reinbohren. Das langatmige Ende – da muss ich erst mal nachdenken. Die ganze Sache ist doch ziemlich kurz. Nimmt da das Ende tatsächlich zu viel Raum? Eigentlich sollte es ein Spaß (nagut, nach meinem Spaßgefühl, was ja anscheinend nicht jeder teilen kann) sein. Dass Du das wenigstens rudimentär mitgehen konntest, dafür DANKE!

So, da ist noch der „Towaritsch“, der nach Eurer Meinung ein „Tawarisch“ werden soll.
Ich sags mal so: Die Macht der Gewohnheit lässt mich beim „Towaritsch“ bleiben.
Das „o“ steht im Russischen im Wort „Товарищ“ und wird hier mitnichten wie ein „a“ gesprochen, ist eher was zwischen „a“ und „o“. Für mich ist fürs Schreiben eher das „o“ relevant, weils ja auch im Original geschrieben wird.
Am Schluss steht ein „Щ“(schta)(das Häkchen unten machts),dafür haben wir im Deutschen keine Entsprechung. Es ist aber kein „Ш“(scha), wie es für den weichen Laut bei „Школa“ genutzt wird. Das „Щ“ ist was zusammengefriemeltes aus „Ш“ und „Т“.
Hab ich mir nicht ausgedacht, aber deshalb bleibt für mich das t im Towaritsch.
Wer es sich anders denkt, meinetwegen, kein Problem. Ich möchte das aber so halten, wie geschrieben.

Vielen Dank Euch nochmal, entschuldigt, dass ich nicht gleich reagiert habe, Arbeit halt.

Zu Deiner letzten Äußerung, Jadro: „dümmlicher Plattitüden.“
Ich wünsch Dir, dass Du Dich bei selbigen nie erwischen lässt.

Danke und
LG butterblume

 

Hallo butterblume01,
alles das, was Du da schreibst, stimmt irgendwie; es gibt unterschiedliche Ansprüche, aber ‚Hahnenfußgewächse‘ sind selten die, die Literatur verschlingen und schon gar nicht schreiben. Wer immer den Drang verspührt zu schreiben und dies konsequent verfolgt, zählt für mich nicht zu den genügsamen Pflänzchen.
Dass Dir Deine Geschichten selbst gefallen, ist so etwas von normal, dass ich heute froh bin, nicht mehr meiner ‚Ergüsse‘ gepostet zu haben. Und dennoch habe ich hier so manchen Schrott eingestellt. Der feste Wille später einmal, möglicherweise etwas an einer Geschichte zu ändern, zeigt zum einen, man ist nicht richtig zufrieden mit dem Produkt und hält einen zum anderen nicht davon ab, den Lesern etwas ‚Unfertiges’ zu zumuten.
Es gibt keine ‚kleinen Geschichten‘. Wer mit einem solchen Anspruch an einen Text herangeht, sollte sich die Arbeit ersparen und die Zeit nutzen in seinem Garten oben genannte Pflanzengattung zu gießen.
Möglicherweise befindest Du Dich in einer Phase, die wohl jeder der alten Hasen hier durchlebt hat. Es gibt im Kopf einen überwältigenden Wust an Ideen und die müssen raus, auf Papier gebracht werden. Auf diese Weise wurde schon viel potenziell Gutes verbraten. Nimm Dir Zeit für eine Nachbearbeitung; eine Stunde schreiben und dann drei Stunden überarbeiten ist angesagt.
Es gibt so viele Tipps hier im Forum, nutze sie.
Gruß
Jadro

 

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