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Schnee zu Ostern

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27.04.2018
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Schnee zu Ostern

„Mamaaaa …“, hörten sie Anna-Melinas Schrei aus der Mitte des Solarfeldes. Als sie dort ankamen, lag er da.

War ja mal wieder klar, sagte sich der Kommissar, warum suchen die sich immer meine freien Tage aus?, als er den Telefonhörer auflegte.
Gerade hatten die Kollegen ihn darüber informiert, dass einige Mitglieder der örtlichen Solargenossenschaft die Leiche ihres Vorsitzenden, Felix Gelhart, gefunden hatten. Tags zuvor – das war Ostersamstag – hatten sich einige Familien auf dem Solarfeld getroffen um dort bunte Ostereier und einige kleine Geschenke für die Kinder unter und zwischen den Solarpaneelen zu verstecken und hatten sich heute Morgen zum Suchen mit den Kindern getroffen.

Müde – immerhin hatten die Kollegen ihn aus dem Bett geholt – und um ein gemütliches Sonntagsfrühstück geprellt, traf der Kommissar kurze Zeit später am Platz des Geschehens ein und beobachteten die Mitarbeiter der Spurensicherung in ihren weißen Kitteln dabei, wie sie zwischen den Paneelen nach Spuren suchten. Seltsame, weiß gekleidete Osterhasen dachte er dabei mürrisch.
„Frohe Ostern, Herr Kommissar“, waren die ersten gesprochenen Worte dieses Tages. Sie kamen von dem neuen Assistenten, der erst seit einigen Wochen in der Wache arbeitete und immer eine Spur zu gut gelaunt war. „Was wissen wir?“ war die kurze Antwort des Kommissars. „Heute Morgen gegen 9:30 Uhr fand diese Gruppe dort“, der Assistent machte eine ausladende Geste zu der Gruppe am Gartentor, „die vollständig bekleidete Leiche von Herrn Gelhard, dem Ersten Vorsitzenden der hiesigen Solargenossenschaft. Über die Todesursache kann man noch nicht viel sagen, außer dass der Tote sowohl eine riesige Wunde am Schädel als auch blaue Flecken am Hals hat.“
„Wer kommt auf die Idee, gerade an Ostern einen Mord zu begehen? Naja, sei‘s drum – zunächst mal brauche ich alle verfügbaren Informationen über das Opfer – Familiäre Situation, Finanzen, das Übliche eben. Und wenn Sie schon mal dabei sind, besorgen Sie mir bitte auch Informationen über diese Solargenossenschaft. Schaffen Sie das bis morgen? Gut, ich habe gleich ein paar Bekannte zum Osterbrunch eingeladen.“.
Langsam ging er zurück zu seinem Auto, vorbei an den langen Reihen glänzender Scheiben in denen sich die Wolken spiegelten. Als er schließlich den Zaun, der das ganze Areal umgab, erreichte beobachtete er aus den Augenwinkeln die abseits vom Tor stehende Gruppe aus vier Leuten, die offensichtlich in eine Diskussion vertieft waren.
„Komisches Wetter für Ostern oder? Gestern hat es sogar etwas geschneit“, begann die Mutter von Anna-Melina, die den Toten gefunden hatte. Worauf ein anderer aus der Gruppe antwortete: „Naja – du weißt ja: im April macht das Wetter oft noch was es will“ und zu einem anderen Mitglied der Gruppe gewandt, „Das war ja eine ganz schön heftige Auseinandersetzung zwischen Felix und dir. Ihr habt ja fast schon gestritten, wie es mit unserer Genossenschaft weitergehen soll“. „Stimmt, wenn ich mir vor Augen halte, dass es nach Ablauf der Bindungsfrist wahrscheinlich keine Vergütung mehr gibt, könnte es sein dass unsere Genossenschaft dann viele Mitglieder verliert und langfristig den Bach runter geht. Als ehemaliger Kaufmann und mit tatkräftiger Unterstützung des Genossenschaftsverbandes sehe ich unsere Zukunft im Verkaufsmodell!“, sagte Herr Peters, der Angesprochene, „zumal der Genossenschaftsverband uns den ganzen bürokratischen Kram abnehmen würde und andere Genossenschaften schon erlebt haben, dass dadurch die Attraktivität der Genossenschaften steigt und- wer weiß was die Politik und unser Versorger machen – schließlich werden Kohle oder Öl immer teurer.“ „Ich weiß nicht – ich glaube nicht , dass wir uns das Zutrauen können. Schließlich kennt sich mit kaufmännischen Dingen bei uns kaum einer gut genug aus. Klar, dass Verkaufsmodell hat seinen Reiz – aber ich sehe das Problem, dass sich über kurz oder lang bei uns auch alles nur noch ums Geld dreht“, sagte der Vater von Anna-Melina nachdenklich. „Stimmt, aber dass kaufmännische Gedankengänge in unserer Gemeinschaft Einzug halten werden, wird sich wahrscheinlich nicht ganz vermeiden lassen. Aber immerhin bliebe das Geld dann bei uns in der Region, und da das Stimmrecht bei uns nicht von der Einlage abhängt, sehe ich das Risiko, dass uns das Kapital kontrolliert, als eher gering an – schließlich dominiert bei uns nicht das Gewinnstreben!“
Im Vorbeigehen schnappte der Kommissar aus dem Gemenge der immer leiser werdenden Stimmen die Worte Streit und Verkaufsmodell auf. „Jetzt erstmal Kaffee“, dachte er, zog die Tür des Wagens zu und fuhr los.

Montag

„Guten Morgen Herr Kommissar! Wie war Ihr Wochenende?“ fragte der Assistent freundlich. „Zu kurz“, sagte der Kommissar, „aber mein Osterbrunch am Sonntag war gut. Haben Sie eigentlich die Dossiers es für mich schon fertig?“ „Klar, – ich hatte einen anstrengendes Wochenende und einige hitzige Diskussionen mit Mr. Google, aber ich denke dabei ist was Vernünftiges rumgekommen. Ich habe Ihnen die beiden Mappen rüber in ihr Büro gelegt“ „Danke“, sagte der Kommissar er die beiden Aktiendeckel neben einer Trasse dampfenden Kaffees liegen sah.
Sein Büro war in einen dichten Vorhang aus aromatischem Kaffeeduft gehüllt und er nahm erstmal einen kräftigen Lungenzug davon. „Manchmal ist das Leben doch ganz schön“, schoss es ihm durch den Kopf bevor er sich setzte und den Deckel der ersten Mappe mit dem Titel „Dossier: Genossenschaften“ öffnete.

„Die Idee, genossenschaftlich organisierte Verbände zur Versorgung insbesondere der ländlichen Bevölkerung zu gründen, ist im deutschsprachigen Raum eng verbunden mit den Namen Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulte-Delizsch.“, las er dort, „Im Jahr 1847 gründeten sie unabhängig voneinander eine Darlehenskasse und eine Einkaufsgenossenschaft gegen die finanzielle Not der ländlichen Bevölkerung. Der Erfolg dieser Idee war die Initialzündung für die Genossenschaftsgründungen auch in anderen Bereichen. So stellte sich im Zuge der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert heraus, dass auch die Versorgung mit Energie in ländlichen Gegenden schwierig wurde, da sich die größeren Kraftwerke meist in den Städten befanden. Kleine, genossenschaftlich betriebene Kraftwerke versuchten diesen Mangel auszugleichen. Gleichzeitig bemerkte man, dass die Belastung für Umwelt und öffentliche Gesundheit immer gravierender wurde und es entstand das Bedürfnis, die Energie aus regenerativen Quellen zu erzeugen.
Energiegenossenschaften in der heutigen Form zählen zumeist auf eine dezentrale, Konzern unabhängige und ökologische Energieproduktion. Sie bieten den Menschen auf regionaler und kommunaler Ebene die Möglichkeit zum Klimaschutz und Energiewende einen Beitrag zu leisten. Die am meisten vertretenen Rechtsformen sind EG, GbR, e.V. und GmbH & Co. KG.
Neben der Errichtung und dem Betrieb von z.B. Solaranlagen betätigen sich viele dieser Genossenschaften auch auf anderen Gebieten wie etwa Energieberatung, Öffentlichkeitsarbeit, Gas und Wärmewirtschaft oder bieten verschiedenste Dienstleistungen.
Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der Strom aus Gas, Öl, Kohle und Atomenergie immer günstiger und die öffentliche Gesundheit wurde durch die Fortschritte der Medizin besser, sodass viele der ökologischen und gesundheitlichen Schwierigkeiten weniger gravierend erschienen. In der Folge verloren die Energiegenossenschaften zunächst an Bedeutung. Etwa seit den späten 1990 er Jahren steigt ihre Zahl durch neuere politische Entwicklungen und die öffentliche Diskussion um ökologische Fragen jedoch erneut an.
Nach Angaben des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes, bei denen die meisten Genossenschaften organisiert sind, engagierten sich aktuell etwa 20.000 Personen in 850 Energiegenossenschaften und haben insgesamt ungefähr 1,5 Millionen € investiert.
Bisher war das Einspeisungsmodell sehr verbreitet, nach dem die Energiegenossenschaften einen festen Betrag für jede in das öffentliche Stromnetz eingespeiste Kilowattstunde erhielten. Durch neuere politische Veränderungen, wird die auf 20 Jahre festgelegte und gesetzlich garantierte Vergütung mehr und mehr zurückgefahren und viele Genossenschaften suchen nach alternativen Modellen. Mittlerweile wird das Verkaufsmodell immer beliebter. Hier vertreibt die Genossenschaft den produzierten Strom selbst.
Der größte Vorteil der Organisation als Genossenschaft (eG) liegt in der unabhängigen Bewertung und Kontrolle durch einen Genossenschaftsverband. Unabhängige Wirtschaftsprüfer prüfen die Bilanzen, wodurch die Glaubwürdigkeit und Kreditwürdigkeit gegenüber Banken erheblich steigt.
Gewöhnlich verfolgen Genossenschaften allgemein die folgenden Ziele: Freiwillige und offene Mitgliedschaft, ein Mitglied-eine Stimme-Prinzip, ökonomische Partizipation der Mitglieder, Autonomie und Unabhängigkeit, Ausbildung, Fortbildung und Information, Kooperation mit anderen Genossenschaften und Vorsorge für die Gemeinschaft.
Die LokEniergy eG entstand hier im Jahre 2005 aus einem gemeinnützigen Verein, den das Opfer 2001 gegründet hatte, um seinem Hobby nachzugehen. Mit einigen Gleichgesinnten stellte er verschiedene Geräte zur Stromproduktion aus Sonne, Wind, und Wasser her, die zu verschiedenen Zeiten ausgestellt wurden. Gleichzeitig gab es Vorträge zu diesem Thema.
Die hauptsächlichen Geldquellen der Genossenschaft sind die Beiträge der Mitglieder, die Einspeisevergütung, sowie eine geringe Unterstützung der Symbion AG.“
Mit dem Gedanken, dass dieses ganze eine recht interessante Sache ist und eigentlich gar nicht so sehr nach der Randerscheinung klang, als die sie oft dargestellt wird, schloss er die Akte, legte sie auf den Schreibtisch vor sich neben das Telefon und bat seinen Assistenten, ihm eine weitere Tasse Kaffee zu besorgen: Milch und Zucker – selbstverständlich!


Er nahm die 2. Akte zur Hand und las darauf die mit dickem schwarzem Filzstift handgeschriebenen Worte „Dossier: Felix Gelhard (Opfer)“
Mal sehen, wer das war, dachte der Kommissar bei sich und begann zu lesen: „Herr Felix Gelhard wurde am 3. Oktober 1970 als einziger Sohn von Helga und Helmut Gelhard in Heidelberg geboren. Sein Vater arbeitete damals als Kreditsachbearbeiter einer örtlichen Bank, seine Mutter als Hausfrau und Deutschlehrerin an einer Montessori Schule. Nach Beendigung der Vorschule besuchte Felix Gelhard den Montessorizweig eines Heidelberger Gymnasiums, wo seinen Lehren bereits sehr früh sein großes Interesse an Naturwissenschaften auffiel und dass er sich im Physikunterricht besonders für Fragen rund um Energie Interessierte. Nebenbei beschäftigte er sich die ganze Zeit über mit dem Bau von Gerätschaften, die aus Wind, Sonne und Wasser Strom erzeugen konnten und mit denen er zum Beispiel Vaters Rasierapparat, die Kaffeemaschine oder den Föhn der Mutter betreiben konnte. Im Anschluss an das Abitur absolvierte er auf Anraten der Eltern zunächst eine Ausbildung als Finanzbeamter mit mäßigem Erfolg. Nach deren Ende studierte er ab 1995 Wirtschaftsingenieurwesen in Heidelberg. Im Nebenfach studierte er Elektrotechnik an dem neu gegründeten Fachbereich für erneuerbare Energien. Während dieser Zeit lernte er seine Frau Petra kennen, die zu dieser Zeit gerade Soziologie studierte. Nach Abschluss des Studiums arbeitete er zunächst in der Nähe von Heidelberg als Energieberater eines kleinen lokalen Energieunternehmens. Anliegend finden Sie einen Bankbeleg über eine Lebensversicherung, die er zu Gunsten seiner Frau und der Kinder abgeschlossen hat.
Im Frühjahr 2001 übersiedelte er mit seiner Familie nach Niederwanzleben und übernahm die Stelle eines Sachbearbeiters im Vertrieb bei der Firma Symbion GmbH. Bei seinen Kollegen und Vorgesetzten war er geschätzt als netter und sehr kompetenter Kollege. Er arbeitete dort von seinem Umzug aus Heidelberg 2001 bis zu seiner Kündigung im Jahr 2008. In seiner Freizeit ging er auch weiterhin seinem Hobby nach, dem Bau von allen möglichen Gerätschaften die Strom aus Sonne, Wind und Wasser erzeugen können und gründete mit seinen Mitstreitern den Sonnenwind e.V. Zunächst beschäftigte sich der Verein mit kleineren Projekten, Vorträgen und Ausstellungen. Als das Interesse an größeren Projekten und die Mitgliederzahl anstiegen, wurde 2011 die LokEnergy eG gegründet.
Zu den Finanzen von ihm, seiner Frau und der Kinder finden sie anliegend einige Belege verschiedener Banken, aus denen meiner Meinung nach keine besonderen finanziellen Ungereimtheiten hervorgehen.“

Nachdem er sich die Versicherungspolice, Kontoauszüge und anderen Bankunterlagen ausgiebig gewidmet und den Kaffee gelehrt hatte, wandte sich der Kommissar an seinen Assistenten und sagte:
„Gute Arbeit! Was die finanzielle Situation von Herrn Gelhard und seiner Familie angeht, schließe ich mich ihrer Beurteilung an. Anscheinend gibt es doch eine größere Zahl von Menschen, die es ähnlich sehen wie er und die Sache mit dem Strom irgendwie anders Regeln wollen. Wir sollten unbedingt auch noch mit den übrigen Mitgliedern der Genossenschaft und dem Vorstand der Symbion GmbH reden, um uns ein rundes Bild zu machen.“


Was jetzt?

Nachdem seine dunkelblaue Limousine den Kiesweg hinauf gerollt und sicher in der Garage untergebracht war, betrat der Vorstandsvorsitzende seine Wohnung. Er dachte daran sich zur Entspannung einen Drink zu genehmigen und steuert schnurstracks auf die Minibar zu.
Als er sich ein schönes Glas Whisky einschränkte, dachte er noch einmal an die schwierige Sitzung mit den anderen Mitgliedern des Vorstandes. 3 Stunden!. Und das bis spät in den Abend hinein! Sie hatten sich unter anderem über das weitere Vorgehen gegenüber der immer erfolgreicher werdenden Genossenschaft unterhalten und einige seiner Kollegen äußerten große Bedenken, dass möglicherweise einige Kunden abwandern könnten und die Aktienkurse darunter leiden könnten. Das musste irgendwie verhindert werden. Schließlich sei man den Aktionären verpflichtet – teilweise Normalverdiener wie Familienväter, Handwerker und Selbstständige, die in der Hoffnung auf gute Renditen ihr sauer verdientes Geld investiert haben und nun eine stabile Energieversorgung und auch weiterhin vernünftige Renditen um die 10 % erwarteten.
Die anderen Tagesordnungspunkte wurden hingegen weniger kontrovers diskutiert. Es ging dabei um die Auswirkungen, die die ständig steigenden Kosten für Kohle, Öl und Gas haben könnten und ob es strategisch noch Sinn mache, in neue Kapazitäten zu investieren. Schließlich würde durch die Konkurrenz durch die Erneuerbaren der Strom an der Strombörse immer billiger und der Betrieb der alten Meiler bei steigenden Kosten immer unwirtschaftlicher. Andererseits könne man die einzelnen Kraftwerke nicht einfach schalten, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden und schließlich bauten viele Familien, wie auch die gesponserten Vereine, einen Teil ihrer finanziellen Existenz darauf, dass es der Firma finanziell gut geht.
Wie auch immer, als Vorsitzender des Vorstandes trug er eine enorme Verantwortung und war dafür verantwortlich, eine Lösung zu finden, dachte er auf dem bequemen Sofa sitzend und in Gedanken versunken in die endlose Dunkelheit draußen starrend. Etwas musste geschehen!


Gespräch mit den Genossen

In diesem Jahr war es erstaunlich kalt in der Zeit um Ostern und so beschlug die Brille des Assistenten als Sie die schweren Vorhänge beiseite schlugen und die warme Wirtsstube betraten. Der Kommissar und er den warmen Raum betraten. Im hinteren Bereich der Gaststätte stand am Tisch, auf dem einige Kleider riesiger Aschenbecher mit dem Schriftzug „Stammtisch“ um den sich einige der Genossen versammelt hatten – jeder mit einem Glas Bier vor sich.
„Guten Abend, ich bin Kommissar Weber von der Kripo Augsburg und dies ist mein Assistent Klein. Wir untersuchen die Hintergründe des bedauernswerten Ablebens des Vorsitzenden ihrer Genossenschaft.“, begann der Kommissar
„Zunächst einmal würde es uns interessieren, was genau sie motiviert in dieser Genossenschaft mitzuarbeiten“, ergänzte Klein sachlich.
„Naja, unsere Gesellschaft gründet auf Energie – insbesondere Strom – und Kohle, Gas oder Erdöl gehen zur Neige. Wir haben deshalb nach einer Alternative gesucht und uns dafür entschieden, unseren eigenen Strom aus Solarenergie zu gewinnen; was unsere üblichen 4 großen Strommultis bisher erfolgreich umgangen haben und unsere Umwelt zunehmend zu Grunde richten. Mit ihrer geschickten Lobbyarbeit, haben Sie uns über Jahre eingetrichtert das ist keine Alternative gäbe, als unseren Strom von diesen Unternehmen zu kaufen – und alle glauben es. Obwohl ist die schon lange gibt: schon Anfang des 19. Jahrhunderts haben Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulte-Delitzsch mit der Idee der Genossenschaften bewiesen, dass es einen anderen Weg gibt. Die Grundidee war, die verarmte Landbevölkerung günstig und aus eigener Hand mit dem zu versorgen, was benötigt wurde. Insofern war für uns die Gründung der LokEniergy eG nur logisch, weil viele unserer Mitglieder ihren Strom gerne selber produzieren möchten und dienen nicht mehr ihr Geld in den Rachen schmeißen wollen. Ich bin dabei, weil ich nicht das Geld für eine eigene Anlage habe und auch gerne Kontrolle habe, wo mein Strom herkommt und wo mein Geld landet.“, sagte der Aktivist – er sah aus des fleischgewordene Klischee. Er trug einen Nickelbrille und hatte seine schulterlangen, mittlerweile ergrauten Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Unter einem braunen Cord Jackett guckte ein weißer Rollkragenpulli hervor.
„Außerdem wollten wir einen Präzedenzfall schaffen und beweisen, dass es auch in größerem Maßstab funktioniert! Die meisten Menschen wollen, wie ich auch, unsere Umwelt schützen und unseren Kindern und Kindeskindern eine vernünftige Welt hinterlassen. Trotzdem zögern viele noch, weil sie glauben dass eine sichere Energieversorgung oder die großen Versorger nicht möglich, zu teuer oder wenn nur in kleinem Maßstab möglich ist. Bei uns kann man einen Anteil schon ab 300 € haben und wird dadurch Miteigentümer einer großen Anlage. Im Gegenzug erhalten Sie den Strom aus eigener Herstellung und die Einlage wird oft sogar gut verzinst. Das ist für Normalverdiener auch finanzierbar und hat viele unserer Mitbürger so überzeugt, dass wir in den jetzt gut 5 Jahren unseres Bestehens unsere Genossenschaft schon über 5000 Mitglieder quer durch alle gesellschaftlichen Bereiche. Wir haben Mitglieder sowohl hier aus dem Ort, als auch der ganzen Region. Für mich macht das Sinn, weil das Geld in der Region bleibt und wir bestimmen können was damit geschieht“, ergänzte Anna-Melinas Mutter. Eine kleine dunkelhaarige Frau mittleren Alters.
„Für mich als vor allem wirtschaftlich denkenden Menschen ist entscheidend, dass meine Investitionen etwas bringen.“, Tönte es vom anderen Ende des Tisches, „Ich hatte ein sehr erfülltes Arbeitsleben und bin gut abgesichert, insofern fällt es mir leicht, mich mit einer Rendite zufrieden zu geben die etwa 2-3 % über Bankprodukten wie etwa Fonds oder Festgeld liegt. Sie können sich meine Überraschung vorstellen, als ich gemerkt habe das sie für die nächsten Jahre garantiert bei etwa 7 % liegt und da die Bankzinsen im Moment sowieso sehr niedrig sind, macht für mich die Investition in reale Werte am meisten Sinn und ist erst einmal besser, als das Geld nur auf der Bank liegen zu lassen – so hat man wenigstens etwas Einfluss darauf, was mit dem eigenen Geld passiert. Und dass dabei noch ökologische Ziele erreicht werden und ich keinen Strom kaufen muss, ist umso schöner“. Der Kommissar erkannte in ihm Herrn Peters, der die Auseinandersetzung mit Felix Gelhard hatte, wieder. Er trug ein hellblaues Businesshemd und einen dunkelblauen Zweiteiler. Das ganze war garniert mit einem Goldkettchen und einer verspiegelten Sonnenbrille im Haar.
„Wo kam das Geld her?“, wollte der Assistent wissen.
„Wir haben unseren Strom bisher immer in das öffentliche Netz eingespeist und erhielten dafür, gesetzlich geregelt, eine Vergütung von der Symbion GmbH, der auch das Netz hier gehört, erhalten. Das ist für die nächsten 10 Jahre ausreichend damit ich auf 3-4 % Rendite für mein Kapital komme.“
„Natürlich waren am Anfang die Investitionskosten riesig. Schließlich mussten wir die ganze Infrastruktur wie die Photovoltaikanlagen und so erst bauen, aber da damals die Vergütung noch relativ hoch war hatte sich das schnell amortisiert. Jetzt profitieren wir davon, dass wir keine Kosten für Kohle, Öl oder Gas und die Entsorgung der Abfälle einkalkulieren müssen. Gerade Letzteres wird ja oft vergessen in die Kalkulation einfließen zu lassen. Außerdem, wie Frau Eibesfeld schon sagte, bleibt das Geld in der Region und wir machen uns nicht von irgendwelchen windigen Staaten abhängig“, warf Herr Bonk, der grauhaarige Aktivist, ein, „Die Kosten für die Herstellung des Stromes sind daher bei uns sogar geringer.“
„Das klingt alles recht interessant“, sagte der Kommissar, „den erzeugten Strom speisen Sie also ins Netz ein und bekommen dafür Geld. Wer entscheidet darüber, was mit dem Geld aus der Vergütung dann passiert?“
Anna-Melinas Mutter meldete sich zu Wort: „Das macht unsere Mitgliederversammlung. Unabhängig von der Höhe der Einlage hat jedes Mitglied, wir sagen Genosse, eine Stimme. Damit wollen wir verhindern, dass irgendwann nur das Kapital bestimmt nicht die Menschen. Je nachdem wie die momentane Lage ist, entscheiden wir uns dafür das Geld an die Genossen auszuschütten oder neue Infrastruktur zu kaufen oder zu reparieren. Für die nächsten Jahre wird das auch noch funktionieren, da die Vergütung ja auf 20 Jahre – also für unsere Anlage noch gut 10 Jahre – festliegt. “
„Und was planen Sie für die Zeit danach?“, fragte der Assistent.
„Darüber wird heftig diskutiert. Ein Teil unserer Genossen möchte weiterhin auf die immer weiter schwindende Vergütung setzen, ein anderer Teil will eine eigene Gesellschaft gründen, um den Strom unserer Anlagen auf eigene Rechnung zu verkaufen. Die Lösung favorisiere ich, wegen der besseren wirtschaftlichen Perspektive.“, Meinte Herr Peters in einem geschäftsmäßige Ton, „ Die Mehrheit unserer Mitglieder, wie auch unser Vorsitzender, misstrauen dem Modell der Selbstvermarktung etwas, vermutlich weil das kaufmännische Wissen fehlt und weil man natürlich ein höheres Risiko tragen muss als bei einer auf 30 Jahre festgesetzten Vergütung. Die kommende Sitzung mit der Wahl des Vorstandes hätte eigentlich Klarheit bringen sollen – aber das ist ja nun erst verschoben …“.
„Ja, das kann man wohl so sagen denke ich,“ sagte der Kommissar nachdenklich „ich würde gerne noch etwas mehr über die Entwicklung der Lokenergy eG erfahren. Können Sie mir da weiterhelfen?“
„Gerade ist unsere Imagebroschüre unserer Genossenschaft erschienen. Sie enthält ausführliche Informationen über die Entwicklung vom Verein zu der jetzigen Genossenschaft. Vielleicht hilft Ihnen das schon weiter – ansonsten können Sie sich vielleicht mit unserem Lehrer unterhalten, er war von Anfang an dabei.“ meinte der Aktivist und überreichte ihm eine gelbe Broschüre.

Nachdem sich die beiden von der Gruppe verabschiedet hatten und ins Kommissariat zurückgekehrt waren, nahm sich der Kommissar bei einer Tasse Kaffee die gelbe Broschüre vor.
„Die heutige Genossenschaft begann im Jahr 2001 zunächst ganz klein als Verein von Enthusiasten. Der Sonnenwind e.V. beschäftigte sich von Anfang an theoretisch und praktisch mit den Möglichkeiten erneuerbarer Energien.“, begann er zu lesen.
Ziel und Zweck des Vereins war zunächst das Herstellen von Apparaturen, mit denen Strom aus Wasser, Wind und Sonne erzeugt werden können. Zunächst begann der Verein seine Tätigkeit in einem von der Symbion GmbH zur Verfügung gestellten Raum. Später traf man sich in einer Werkstatt der Schule und der Verein begann damit, ebenfalls verschiedene Experimente für den Physikunterricht zu bauen. Als weiteren Beitrag zur Bildungsarbeit der Schule wurden regelmäßig Vorträge und Workshops zu verschiedenen Themen der Energieerzeugung durch erneuerbare Energien gehalten. Diese Vorträge und Workshops erreichten eine große öffentliche Resonanz und es kam zu einer Ausstellung und einem Workshop im Rathaus.
Als der Verein dann immer mehr und mehr Mitglieder bekam, entstand langsam die Idee Anlagen der Stromproduktion auch in größerem Maßstab zu bauen. Die ersten größeren Anlagen wurden auf den Dächern der Schule und anderer Lehrgebäude sowie später auch Privathäusern, sowie dem Solarfeld dass die Gemeinde Niederwanzleben dem Verein zur Verfügung gestellt hatte, errichtet.
Später dann wurde hauptsächlich aus rechtlichen Gründen entschied man sich, den Verein in eine Genossenschaft zu überführen. Da man größere Projekte anpeilte, war es entscheidend das eine Genossenschaft von Finanzinstituten als kreditwürdiger eingeschätzt werde weil sie durch den Genossenschaftsverband unabhängig überprüft wird.
Auf Seite 15 fand der Kommissar eine Tabelle, die die gesamte Entwicklung von den Anfängen bis zur heutigen LokEnergy eG darstellte:


Wie alles begann …

2001
Der Sonnenwind e.V. wird gegründet. Von Anfang an beschäftigte sich der Verein sowohl theoretisch als auch praktisch durch den Bau von Geräten zur Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen. Zum Jahreswechsel zieht der Sonnenwind e.V. in die Schule um und unterstützt die Bildungsarbeit z.B. durch den Bau von Experimenten für den Physikunterricht, Vorträge und Workshops. Anlässlich der Feier zum 25. Jubiläum in der Schule entsteht die Idee Vorträge und Workshops auch in der Gemeinde anzubieten.
2006
In Reihen der Mitglieder entsteht langsam die Idee, Projekte auch in größerem Maßstab zu realisieren. Es werden die ersten Projekte auf schulischen oder privaten Gebäuden realisiert. Durch Einspeisung des produzierten Stroms ins öffentliche Leitungsnetz kann sich der Sonnenwind e.V. bald zum großen Teil selbst finanzieren.
2007
Nach einer 2-jährigen Entwicklung und in einer Bauzeit von rekordverdächtigen 7 Monaten wird die große Anlage auf dem Solarfeld feierlich eingeweiht. Der Bürgermeister stellt sich als Schirmherr zur Verfügung.
2008
Durch eine Ausstellung und Workshops z.B. im Rathaus sind die Mitgliederzahlen stark gestiegen und der Sonnenwind e.V. realisiert zunehmend größere Projekte. Zur Finanzierung werden zusätzlich zu Mitgliederbeiträgen und Einspeisevergütung auch Bankkredite benötigt.
2011
Im Anschluss an die Feierlichkeiten zum 10 jährigen Bestehen des Sonnenwind e.V. findet die Gründungsitzung der LokEnergy eG statt. Als erster Vorstand wird Herr Gerhard gewählt. Die neu gegründete Genossenschaft hat bereits jetzt 300 Mitglieder quer durch alle gesellschaftlichen Ebenen.
Aktuell und zukünftig
Da der Gesetzgeber neue Regeln beschließt und die Höhe der Einspeisevergütung tendenziell wahrscheinlich sinken wird gibt es erste Überlegungen, wie man einem eventuellen Mitgliederschwund nach der Bindungsfrist entgegentreten könnte. Zur Diskussion steht aktuell die Gründung einer Gesellschaft zur Selbstvermarktung des Stromes oder der B eibehaltung des bisherigen Modells. Über den zukünftigen Kurs unserer Genossenschaft sollen bei der nächsten Vorstandswahl abschließend entschieden werden.


Gemeinsame Jahre

Das Spannende am Beginn eines neuen Semesters ist es immer, die „Neuen“ kennen zu lernen. Durch die Gläser seiner Brille, die er damals noch trug und die später durch Kontaktlinsen – der Optik wegen – ersetzt wurden, musterte er die Klingelschilder am Eingang des Studentenwohnheims: zu Beginn der Semesterferien hatte der Hausmeister einige der Schilder durch namenlose ersetzt. Die Matrix der Klingelschilder am Eingang des Studentenwohnheims hatte damals, aus einigen Schritten Entfernung betrachtet, ausgesehen wie ein Smiley.
Jetzt, zu Beginn des neuen Semesters waren die Lücken gefüllt und das Muster erinnerte eher an eine ausgepackte Tafel Schokolade. Naja, mal sehen wir den neuen so sind, dachte er bei sich, nächste Woche ist ja die Semesteranfangsparty und eine gute Gelegenheit Sie kennen zu lernen. Und wahrscheinlich ist sogar der neue WG Bewohner dabei.
In jedem Stockwerk des Wohnheims gab es 5 Wohnungen, die jeweils aus einer geräumigen Küche mit Aufenthaltsraum und 5 Zimmern bestanden. Frank Meinhardt, studierte damals bereits im 3. Semester Wirtschaftsingenieurwesen, wohnte im 3. Stock und in seiner WG war zum Semester Ende ein Zimmer frei geworden, da sein früherer Bewohner es vorgezogen sein Studium der Energietechnik an einem anderen Ort fortzusetzen.
Am darauf folgenden Dienstagabend war es dann soweit: Semesteranfangsparty! Der Keller des Studentenwohnheims füllte sich und er sah viele neue Gesichter, aber auch einige der alten Hasen waren dabei und auch Sie war da. Petra studierte Sozialpädagogik im 4. oder 5. Semester und sie hatten sich damals bei einem gemeinsamen Praktikum kennen gelernt.
„Sieh mal Petra, da drüben ist mein neuer Mitbewohner – cooler Typ, muss ich dir unbedingt vorstellen“ sagte er und sie gingen auf die andere Seite des Raumes, vorbei an den anderen Studenten, die zu den Klängen von Ramstein tanzten. „Er interessiert sich auch für erneuerbare Energien und experimentiert damit rum – hat sogar schon im Gymnasium begonnen.


Gespräch mit dem Vorstand der Symbion AG

„Natürlich kenne ich ihn – Entschuldigung kannte ihn –“, begann er nüchtern zu erzählen. „Er hat früher bei uns gearbeitet und war stets sehr beliebt bei seinen Kollegen und Vorgesetzten wegen seiner korrekten Art und seiner gewissenhaften Arbeitsweise“
„Wann haben sie sich kennen gelernt, ich habe gelesen Sie haben gemeinsam studiert?“, fragte der Kommissar.
Er könne sich noch gut an die Zeit des gemeinsamen Ingenieurstudiums erinnern, antwortete Herr Meinhardt. Sie waren damals gut befreundet, hatten damals im gleichen Studentenwohnheim gewohnt und dass er sich schon damals für alternative Wege der Energieerzeugung interessiert hatte – zeitweise arbeitete er sogar bei der Anti-Atom-Bewegung mit. „Er war kein Aktivist, eher ein Sympathisant und interessierte sich weniger für Demonstrationen oder politische Dinge, sondern eher für die Entwicklung von sinnvollen Alternativen.“, betonte er.
„Und wie beurteilen Sie seine Aktivitäten im privaten Bereich, insbesondere die Sache mit der Genossenschaft?“, setzte der Assistent nach.
„Anfangs haben wir die Sache ja etwas belächelt und nicht wirklich ernst genommen, aber dann… Naja, Konkurrenz belebt das Geschäft – wie man so sagt. Aber sehen Sie, als Vorsitzender des hiesigen Energieversorgers sehe ich die Konkurrenz in diesem Bereich eher zwiespältig. Einerseits hilft sie uns, immer besser zu werden, andererseits nimmt sie uns möglicherweise Kunden weg.“ war seine Antwort. „Sehen Sie, unser Bestreben ist, unseren Kunden den Strom zu einem möglichst geringen Preis zu liefern. Deshalb produzieren wir auch ausschließlich in großen Kraftwerken – eine Technologie, die schon seit Jahren bewährt ist und auf eine Infrastruktur zurückgreift, die schon besteht und nicht erst aufgebaut werden muss..“
„Insofern haben Sie es sicher kritisch beobachtet, dass die Genossenschaft immer mehr Mitglieder bekam. Könnte man sagen, dass die Genossenschaft zu einer ernsthaften Konkurrenz für Ihr Unternehmen geworden ist?,“ wollte der Assistent wissen.
„Natürlich sah ich darin eine Bedrohung für unseren Marktanteil! Umso mehr, als sie sich jetzt auch mit dem Gedanken tragen, selbst ins Energiegeschäft einzusteigen. Ich wollte sogar Gespräche mit der Genossenschaft aufnehmen und die Situation etwas zu entschärfen, doch zu diesem Gespräch mit meinem Freund kam es leider nicht mehr.“
„Eine Möglichkeit, diese Konflikte zu bereinigen hätte darin bestehen können die Konkurrenz einfach zu übernehmen“, warf der Assistent ein. „Sie scheinen über die Vorgänge innerhalb der Genossenschaft doch recht gut informiert zu sein…“
„Natürlich habe ich als Manager im Sinne meines Unternehmens versucht, bei unserer Konkurrenz einen Fuß in der Tür zu haben. Auch aus nostalgischen Gefühlen war mir daran gelegen, denn er war wie gesagt mein Schulfreund. So sorgte ich z.B. auch dafür das die Genossenschaft im Rahmen des Sponsorings für unsere Schule, regelmäßig mit kleinen Geldbeträgen unterstützt wird.“

Gespräch mit dem Lehrer

Es läutete. Die letzte Stunde war vorbei und der Kommissar bog auf den Gang zum Lehrerzimmer ein wo er sich mit dem Lehrer, der sich angeblich am besten mit der Entwicklung der Genossenschaft auskannte, verabredet hatte.
„Kurz nachdem damals – in den frühen 2000er Jahren meine ich wäre das gewesen – Herr Gerhard mit seiner Familie in unserem beschaulichen Ort gezogen war, gründete er mit seinen bekannten einen Verein Sonnenwind e.V. Er sprach damals viel über seine Lieblingsthemen und seine Überzeugung, dass wir Menschen uns nicht länger auf atomare Tauchsieder, wie er sagte, und andere fossile Quellen verlassen dürften, um unsere Energie zu erzeugen, scharten sich recht schnell mehrere Enthusiasten um ihn und überzeugte sie davon mit ihm diesen Verein zu gründen.“
„Was war das für ein Verein?“
„Anfangs waren wir nur ein Haufen von Aktivisten, die den großen Energieunternehmen etwas auswischen wollten – wie naiv wir damals waren. Zunächst trafen wir uns einfach nur zu einem Stammtisch hier im Dorf Krug und Herr Gelhart sagte, er wolle etwas tun und nicht nur reden – zeigen dass es Alternativen gibt und dass er bereits seit dem Gymnasium tüftelt, bastelt und z.B. einfacher Solaranlagen gebaut hat. Das würde er auch gerne hier weiter tun, sucht aber Mitstreiter und einen Raum. Als Lehrer an der hiesigen Dorfschule erschien es mir eine gute Synergie, ihm den Werkraum anzubieten. Ich sah auch die große Chance für unsere Schule Geräte und Versuchsaufbauten zu bekommen, mit denen ich meinen Schülern im Physikunterricht die Kraft des Windes oder der Sonne zur Stromerzeugung näher bringen konnte. Wir trafen uns, bastelten und die Mundpropaganda sorgte dafür das wir irgendwann einmal genügend Leute waren um einen Verein gründen.“
„Und wie kam es dann zu der Genossenschaft?“, wollte der Assistent wissen. „Naja, im Laufe der Jahre kamen natürlich viele Geräte zusammen mit denen wir demonstrieren konnten, wie man aus Wasser Wind und Sonne Strom erzeugen kann, schließlich liefert unsere Sonne Jahr tagtäglich etwa zweieinhalb Mal mehr Energie als wir auf der Erde eigentlich brauchen. Zudem hielt Herr Gelhardt Vorträge vor Interessierten und wir hatten die Gelegenheit, unsere Geräte auch z.B. in unserem Rathaus auszustellen. Da Herr Gelhard in seinen Vorträgen ja ständig davon sprach, dass man die bisherigen Wege verlassen müsse und sich an der Motivation der Menschen nur etwas ändere, wenn man sehe, dass es eine wirklich machbare Alternative gebe, entstand die Idee Anlagen zur Produktion von Strom zunächst aus Sonne in etwas größerem Maßstab zu entwickeln und zu bauen und der Bevölkerung zu demonstrieren, dass es auch in größerem Maßstab sehr gut funktioniert.“
„Klingt teuer! Woher kann das Geld? Der Verein hatte doch bestimmt nicht genügend Eigenmittel.“
„Unsere ersten Projekte finanzierten wir tatsächlich durch Spenden und Beiträge – aber irgendwann ging es ohne Kredite halt nicht mehr. Unter unseren Mitgliedern entstand also die Idee, den Verein zu einer Genossenschaft umzugestalten, da Genossenschaften unter der ständigen Überwachung von Genossenschaftsverbänden stehen und z.B. gegenüber Banken als wesentlich kreditwürdiger gelten als kleine Vereine. Und da zum damaligen Zeitpunkt die Vergütungen für die Einspeisung in das öffentliche Netz noch recht groß waren, hatten wir auch von daher ein gewisses Polster. Heutzutage senkt die Regierung die Einspeisevergütung immer weiter ab und unsere Genossenschaft verlor einige Mitglieder. Mit der Zeit wurden Stimmen laut, sich nicht mehr aus die staatlichen Leistungen zu verlassen, sondern den produzierten Strom selbst zu verkaufen. Ein Modell, das einige unserer Mitglieder um Herrn Peters wegen der größeren Renditemöglichkeiten sehr favorisierten – wovor andere jedoch zurückschreckten, wegen der hohen organisatorischen Anforderungen und mangelnder kaufmännischer Kenntnisse.“
„Ihre Dorfschule hier scheint relativ klein zu sein, wie finanzieren Sie sich?“
„Das ist richtig, schließlich sind wir eine kleine Gemeinde. Es gibt eine sehr aktive Schulpflegschaft die uns großzügig unterstützt und der lokale Versorger stellt uns den Strom zu einem verbilligten Tarif zur Verfügung, wofür wir ihm sehr dankbar sind.“


Theorien

Zurück im Kommissariat wandte sich der Kommissar stirnrunzelnd an seinen Assistenten:„Was hältst du davon: als loyaler Vorstand versucht Herr Meinhardt die Interessen seiner Firma zu schützen . Er sieht den großen Erfolg und die wachsende Konkurrenz durch die Genossenschaft und steht unter Erfolgsdruck, weil seine Vorstandskollegen ihn unter Druck setzen. Er möchte das Problem lösen und sucht das Gespräch mit seinem Freund aus Studienzeiten, dieser lehnt jedoch ab und gleichzeitig stellen ihm die Aktionäre die Pistole auf die Brust: Entweder, das Problem wird schnellstmöglich gelöst oder er verliert seinen Job. Er sucht das Gespräch, sieht das es aussichtslos ist und bringt ihn um“, überlegte der Kommissar laut an seinen Assistenten gewandt. „Durchaus möglich: nach allem was man so hört, hat sich die Genossenschaft hier zu einem recht starken Konkurrenten entwickelt. Aber deswegen gleich einen Mord?“, Überlegte der Assistent laut,„So gesehen hätte Herr Peters ebenfalls ein starkes Motiv gehabt. Mail angenommen, der Kaufmann hätte eine größere Menge Geld in die Genossenschaft investiert in der Hoffnung, dass die Gelder aus der Einspeisevergütung auch weiterhin sprudeln. Jetzt merkt er nun, dass diese Vergütung immer weiter eingeschränkt wird und weniger Geld fließt. Als kaufmännisch denkender Mensch der an Rendite interessiert ist, sieht er sicher seine Fälle davon schwimmen und möchte deswegen auf das andere Modell umschwenken weil er dort größere Chancen für sich sieht. In der Hoffnung dass der Widerstand bröckelt und er seine Chancen auf die Wahl als neuer Vorstand verbessern kann, versucht er seinen Rivalen mundtot zu machen.“

„Herr Meinhardt sagte doch, dass er die Vorgänge in der Genossenschaft durch einen Strohmann beobachtet. Wenn nun dieser Strohmann der Lehrer war und er für für seine Tätigkeit von der Symbion AG entlohnt wird, würde das nur klappen, solange er Mitglied der Genossenschaft bleibt. Angenommen der Herr Gelhard hätte davon Wind bekommen und gedroht, ihn auszuschließen wenn er die Verbindung zum Energieversorger nicht beendet – hätte der Lehrer nicht auch ein gewisses Interesse gehabt Herrn Gelhard auszuschalten?“, Überlegte der Assistent.

Das Gespräch im Solarfeld

Die Sonne ging bereits unter und es regnete leicht, als die dunkelblaue Limousine des Vorstandsvorsitzenden die letzte Häuserreihe des Ortes verließ und auf den Schotterweg in Richtung des Solarfeldes einbog. Er hatte seinen Freund um ein klärendes Gespräch gebeten, um mit ihm durchzusprechen, wie man die Konkurrenzsituation zwischen dem Versorger und der Genossenschaft entschärfen könnte. Mal sehen, wie es so läuft, dachte er düster als er sich an das Telefongespräch zurück erinnerte. Mit Schall und Mantel bekleidet stieg er aus seinem Wagen und lief die letzten Meter über die unbefestigte Schotterpiste.
„Hallo Felix“, rief der Vorsitzenden der Symbion AG erfreut, als er durch das Tor der Umzäunung eintrat und seinen Freund aus Studienzeiten lässig an eines der Paneele gelehnt erblickte. „Ich freue mich, dich mal wieder zu sehen“, und mit dem interessierten Blick eines Neards blickte er auf das Solarfeld, „das ist ja grandios, was ihr hier aufgebaut habt.“. „Ja, hier ist der Traum eines Ökopioniers Realität geworden“, versetzte Felix Gelbauer grinsend. „Komm mit, lass uns ein bisschen spazieren gehen und reden“, sagte er mit einer einladenden Geste und wandte sich zu gehen.
„Wie ich ja schon am Telefon erwähnt habe und du dir sicher vorstellen kannst,“, begann der Vorsitzende nach einigen Minuten das Gespräch, „haben einige bei uns im Vorstand große Probleme mit dem geschäftlichen Aktivitäten der Genossenschaft. Schließlich haben eine ganze Menge Normalverdiener in unsere Aktien investiert und verlangen natürlich auch eine vernünftige Rendite für Ihr angelegtes Geld. Wir haben auf der letzten Vorstandssitzung intensiv diskutiert – und das war sehr unangenehm, kannst du mir glauben – wie wir die Situation entschärfen können. Einige meiner Kollegen sehen deine Genossenschaft hier als ernsthafte Konkurrenz und eine Gefahr für den Marktanteil unseres Unternehmens hier im Ort – insbesondere, wenn ihr wie viele andere Energiegenossenschaften, den Strom selbst vermarkten würdet. Man fürchtet, dass ihr uns Kunden weg schnappt und hat sogar von mir verlangt, dein Werk zu zerschlagen.“
Felix merkte auf, er war sich sicher dass dieses weder in der Broschüre noch sonst wo publiziert worden war – denn schließlich war der Verkauf eine Idee unter vielen und schon gar nicht spruchreif.
„Naja, in der Tat die Einspeisung bringt kaum noch etwas und wir suchen nach einem alternativen Geschäftsmodell. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass in den letzten Jahren die Mitgliederzahl etwas gesunken ist und die Stimmen die nach einer gewissen Rendite verlangen, werden immer stärker. Anscheinend gibt es keine Idealisten mehr!“, sagte er.

„Nein, leider nicht“, versetzte Herr Meinhardt, „die meisten Leute möchten natürlich vor allem eine vernünftige Rendite für ihr sauer verdientes Geld haben. Ich möchte noch einmal auf meinen Vorschlag vom Telefon eingehen, weil ich glaube dass wir das noch nicht ausreichend Sprachen haben. Eine Kooperation zwischen uns und der Lokenergy eG hätte einige Vorteile für euch. Ihr würdet weiterhin der Betreiber der Anlage bleiben, müsstet euch auch um den Vertrieb des Stromes nicht kümmern und während trotzdem nichts mehr von der Einspeisevergütung abhängig. Ich habe schon mal etwas im Internet geguckt und festgestellt, dass andere Genossenschaften solche Kooperationen schon länger erfolgreich haben.“
„Nein verdammt“, sagte Felix erbost, „ich habe dir doch schon am Telefon gesagt, dass das gar nicht infrage kommt. Unsere Mitglieder wollen von rein kommerziellen Interessen unabhängig sein Marke und außerdem will ich unsere Genossenschaften nicht als billiger Jakob opfern, bloß damit ihr relativ einfach und günstig euer Ökoimage aufmöbeln könnt. Dafür gebe ich meine Genossenschaft nicht her!“
Bei diesen Worten gestikulierte er so stark, dass er das Gleichgewicht verlor und nach hinten kippte. Mit einem dumpfen Aufprall schlug er sich an dem Fuß eines der Solarpaneele den Hinterkopf an und der Schnee darunter begann sich langsam rot zu verfärben.
Aus der Vogelperspektive sah er sich auf den Rücken liegend auf dem feuchten Gras. Der Vorstand beugte sich über ihn, fühlte seinen Puls und schrie in Panik so etwas wie „Oh Gott Felix! Steh doch auf …“ Dann war alles dunkel.

Es war schon schwarze Nacht, als er einige kühle Flocken auf seinem Gesicht spürte und erwachte. Mit pochen den Schmerzen im Kopf schlug er die Augen auf, befühlte vorsichtig die Wunde an seinem Hinterkopf und setzte sich auf, den Rücken an einen Stahlträger des Ständers gelehnt. Die Wunde an seinem Hinterkopf blutete stark und er überlegte mühsam, was er jetzt tun könne. Da das Haus nur wenige 100 m von dem Eingang des Solarfeldes entfernt lag, entschied er sich für den Lehrer.
Mit stark brummen dem Schädel rappelte er sich auf und stützte sich an dem Stahlträger des Gestänges ab. Er lief los und das Blut hinterließ hier und da kleine Tropfen im weißen Schnee.

„Felix“, rief der Lehrer entsetzt, „was ist denn mit dir passiert? Komm schnell rein, es ist kalt heute Abend.“ Felix betrat die Wohnung, strauchelte ein wenig und wurde vom Lehrer gestützt. Als sie ins Wohnzimmer kamen, bedeutete der Lehrer ihm zunächst sich aus der Couch niederzulassen und verließ das Zimmer um kurz darauf mit einem gut ausgestatteten 1.-Hilfe-Kasten wiederzukommen.
„Zeig mal her,“ sagte der Lehrer und griff vorsichtig an den Hinterkopf des Ingenieurs und untersuchte die Wunde „wie ist denn das passiert?“
Felix begann zu erzählen dass er sich am frühen Abend mit dem Vorsitzenden, seinem früheren Chef, auf dem Solarfeld zu einer Aussprache getroffen hatte.
„Zunächst war alles ganz normal. Wir unterhielten uns über die Anlage und er stellte einige Fragen, weil er Tags zuvor unsere Broschüre gelesen hatte. Derweil gingen wir ein Stück durch die Reihen und – Aua – dann kam er damit raus, worum es bei unserem Gespräch eigentlich gehen sollte: er meinte, sein Vorstand hätte ihm aufgetragen die Konkurrenz durch unsere Genossenschaft zu beseitigen und er dachte an eine Fusion mit der Symbion GmbH, wodurch wir jedoch unsere Eigenständigkeit verlieren und unsere Ziele verraten würden. Er meinte, dass jetzt wo wir ein neues Geschäftsmodell für unsere Genossenschaft suchen würden und eventuell den Strom selbst vermarkten wollen, doch eigentlich eine gute Gelegenheit dazu wäre. Dass er das wusste, hat mich zunächst doch ziemlich überrascht, da diese Überlegung doch erst ungefähr ein halbes Jahr alt ist und auf jeden Fall nicht in der Broschüre stehen kann.“ „Das ist allerdings merkwürdig, zumal wir gerade diskutieren. Und wie meinst du sollte er sonst davon erfahren haben?“, fragte der Lehrer und löste die Plastikverpackung einer weiteren Binde. „Ich glaube, wir haben einen Maulwurf in unseren Reihen, der einige aktuelle Informationen aus der Genossenschaft an den Energieversorger weitergibt. Ich kann dir sagen, wenn ich den erwische fliegt er Hochkant raus“, meinte Felix aufgebracht.
Der Lehrer hielt kurz inne, klebte den letzten Strang des Verbandes mit einem Pflaster fest und sagte „Aber hallo, das ist doch wohl das mindeste für so ein Schwein!“.
Felix merkte gerade noch, wie sich 2 Hände um seinen Hals schlossen …

Was wurde aus seiner Schule werden, was aus seinen Schülern, wenn herauskäme dass er dahinter steckt, schoss es dem Lehrer durch den Kopf. Wenn es Felix wieder besser ginge, würde er sicher seinen Verdacht auch mit anderen teilen und wenn er dann zufällig auf den Bericht aus der Lokalzeitung über die Verbindung zwischen der Schule und der Symbion GmbH stoßen würde, wäre das das Aus. Und dann … Keine Unterstützung mehr von dem Energieversorger, die Stromkosten würden dazu führen dass er den Unterricht einschränken muss, vielleicht sogar die Schule schließen – sein Lebenswerk! Nein, das musste er unbedingt verhindern!
Er zog den leblosen Körper mit dem verbundenen Kopf von der Couch und zog ihn an den Beinen zur Tür. Draußen war es schon stockdunkel, als der Lehrer mit einer Stirnlampe ausgerüstet den Leichnam über den Boden hin zum Solarfeld schleppte.
Er öffnete das Tor und suchte mit seiner Stirnlampe die roten Blutstropfen und Fußstapfen in der dünnen Schneedecke. Er schleifte den Körper entlang dieser Linie bis zur zehnten Reihe, bog in diese ein und legte ihn zu Füßen des Paneeles ab, an dem der Unfall passiert war. Er löste den Verband vom Kopf des Toten und achtete genau darauf, dass die eine blutverschmierte Ecke des Betonsockels genau in die Einbruchdung des Schädelknochens passte. Um die Spuren machte er sich dabei weniger Gedanken, denn er hatte heute Nachmittag im Radio gehört das über Nacht Tauwetter einsetzen sollte und der Regen alle Schleppspuren und seine Fußstapfen unkenntlich machen würde.
Nachmittags klingelte es an der Tür und der Lehrer öffnete. „Wir hätten dann noch ein paar Fragen...“, sagte der Kommissar die schicksalhaften Worte.
Er und sein Assistent wurden höflich hinein gebeten und gebeten, Platz zu nehmen.
„Gerne, wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte der Lehrer interessiert. „Bei unserem Gespräch in der Schule sagten sie, dass ihnen die Symbion AG den Strom für ihre Schule zu besonderen Konditionen überlässt. Wie kam es dazu?“, Begann der Assistent.

„Unser Ort, Niederwantzleben, liegt wie Sie wahrscheinlich wissen in einem strukturschwachen Gebiet mit einer relativ hohen Arbeitslosigkeit und einem geringen Bildungsniveau. Ich möchte, dass unsere Kinder etwas lernen und durch gute Bildung diesem Teufelskreis entkommen können. Das hat wahrscheinlich auch die Symbion AG so gesehen und uns dankenswerter Weise in ihr Sponsoringsprogramm aufgenommen“
„einfach so?“, Wollte der Kommissar wissen, „oder war das verbunden mit irgendwelchen Bedingungen? Sportvereine sollen z.B. oft das Logo des Sponsors auf dem Trikot tragen. Gab es bei Ihnen etwas Ähnliches?“ „Nein, eigentlich nicht.“ „Das verstehe ich nicht,“ meinte der Assistent „das wäre doch eine willkommene Gelegenheit gewesen etwas aus 1. Hand zu erfahren. Sind da ab und zu Informationen geflossen?“ „Naja, ab und zu vielleicht …“, Meinte der Lehrer kleinlaut. „Der V orstandsvorsitzende der Symbion AG erzählte uns, dass er aus nostalgischen Gefühlen heraus auch die Genossenschaft mit regelmäßigen Zahlungen unterstützt. Wussten Sie davon?“, wollte der Kommissar wissen. Ja, das sei ihm bekannt gewesen, sagte der Lehrer, aber es habe ihn immer ein wenig überrascht. Die beiden Polizisten verabschiedeten sich und dankten für die interessanten Informationen.

Zurück auf der Wache begann der Kommissar, „Der Kaufmann hätte ein Motiv gehabt einen unliebsamen Konkurrenten zu stürzen und seine Chancen bei der nächsten Vorstandswahl der Genossenschaft zu verbessern. Aber ich glaube nicht, dass er deswegen einen Mord begeht. Der Vorstandsvorsitzende der Symbion AG hätte ebenfalls ein Motiv, da er auf der letzten Sitzung von seinen Kollegen ultimativ dazu aufgefordert wurde, die Sache zu lösen. Und um seinen Posten nicht zu verlieren, versuchte er die Genossenschaft erst zu übernehmen und dann zu zerschlagen indem er deren Vorstand beseitigte. Aber ich habe einen anderen im Verdacht.“

Gegen Abend klingelte der Kommissar mit seinem Assistenten und 2 Uniformierten Beamten an eine Tür.

10 Minuten später hatte die Schule einen Lehrer weniger.

 

Moin @Eisvogel,

irgendwie soll man ja auf Zeichen hören - also mir flog heute früh beim Schwimmen ein Eisvogel über den Weg - daher fühle ich mich jetzt versucht, etwas zu Deiner Geschichte zu sagen. Doch erst einmal herzlich willkommen bei den Wortkriegern.

Alles was jetzt kommt, ist einfach nur subjektiv meine Meinung und es geht ausschließlich um diesen Text, also nicht persönlich nehmen ... So einen fremden Text durchschauen und seine Meinung auszuformulieren ist eine tolle Übung, da nehme ich als Kommentatorin mindestens genauso viel mit, wie der Autor. Versuche es ruhig mal bei anderen, das erhöht eventuell auch die Anzahl der Komms unter Deinen Geschichten. Aber vor allem schärft es den Blick.

Ich liebe lange Geschichten, daher hatte ich Deine bereits am Erscheinungstag ausgedruckt und gelesen. Da es aber auch extrem viel Text ist (und ich zugegebener Maßen recht bald ins Straucheln kam) fasse ich einiges mal allgemein zusammen.

1. Der Titel lockt jetzt nicht wirklich, da Du keine Tags vergeben hast, habe ich also Null Ahnung, was mich erwartet. Im Nachhinein weiß ich allerdings auch nicht so ganz, was Dein Ziel war. Für einen Krimi musst Du dringend nochmal ran, obwohl durchaus Ansätze da sind. Wenn es eine Werbebroschüre für alternative Energiegewinnung sein sollte, kriegst Du von mir ein Empfehlungsschreiben. Allerdings habe ich nicht kontrolliert, ob Du nicht eventuell Quellenverweise auf Dr. Google Ergebnisse machen müsstest.

2. Prima fand ich, das Du in Szenen geschrieben hast. Leider konnte ich die Logik der Reihenfolge nicht immer nachvollziehen, aber das könnte durchaus persönliche Lesegewohnheit sein. z.B. "Gemeinsame Jahre", warum erinnert sich Meinert an dieser Stelle an die gemeinsame Studienzeit? Er wird anschließend erst verhört, da erschiene mir die Rückblende logischer ...

3. Du schreibst über einen Polizeieinsatz in einem Dorf, eine über zehn Jahre währende Zusammenarbeit/-Leben von Menschen mit sehr gemeinsamen Zielen und alle siezen sich und reden, als wenn Sie gerade ihr Vordiplom verteidigen. Totale Emotionslosigkeit, der einzige emotionale Satz ist der erste. Große Teile lesen sich wie Propaganda, sind einfach Infodumping und werden oft wiederholt. Gib mir als Leser doch eine Chance, mir aus den Gesprächen eine Meinung zu bilden, so setzt Du sie mir einfach vor. Auch wenn ich lange Geschichten liebe, aber die Hälfte darfst Du ganz entspannt streichen und hast keinen Handlungsverlust.

4. Bei Kommas und Zeitformen bin ich leider selbst keine Heldin, aber ich bin während des Lesens zum Teil ins Straucheln geraten. Was aber auf alle Fälle überarbeitet gehört, ist die wörtlich Rede. Oft ist es richtig, aber dann gibt es wieder Rudel von Satzzeichen. Schau mal bitte in Teddymaries unter anderen Geschichten (sorry, ich kann gerade keinen passende finden) Kommentare, die erklärt das ganz Klasse, ansonsten ist der Duden auch hilfreich.
Wenn Deine Sprecher wechseln, erleichterst Du dem Leser die Verfolgung des Dialogs sehr, indem Du einen Zeilenumbruch setzt. Also zum Beispiel hier.

„Frohe Ostern, Herr Kommissar“, waren die ersten gesprochenen Worte dieses Tages. Sie kamen von dem neuen Assistenten, der erst seit einigen Wochen in der Wache arbeitete und immer eine Spur zu gut gelaunt war. „Was wissen wir?“ war die kurze Antwort des Kommissars. „Heute Morgen gegen 9:30 Uhr fand diese Gruppe dort“, der Assistent machte eine ausladende Geste zu der Gruppe am Gartentor, „die vollständig bekleidete Leiche von Herrn Gelhard, dem Ersten Vorsitzenden der hiesigen Solargenossenschaft. Über die Todesursache kann man noch nicht viel sagen, außer dass der Tote sowohl eine riesige Wunde am Schädel als auch blaue Flecken am Hals hat.“
„Frohe Ostern, Herr Kommissar“, waren die ersten gesprochenen Worte dieses Tages. Sie kamen von dem neuen Assistenten, der erst seit einigen Wochen in der Wache arbeitete und immer eine Spur zu gut gelaunt war.
„Was wissen wir?“ war die kurze Antwort des Kommissars.
„Heute Morgen gegen 9:30 Uhr fand diese Gruppe dort“, der Assistent machte eine ausladende Geste zu der Gruppe am Gartentor, „die vollständig bekleidete Leiche von Herrn Gelhard, dem Ersten Vorsitzenden der hiesigen Solargenossenschaft. Über die Todesursache kann man noch nicht viel sagen, außer dass der Tote sowohl eine riesige Wunde am Schädel als auch blaue Flecken am Hals hat.“

5. Vielleicht wäre es auch für Dich eine große Hilfe, wenn Du Deinen Text, vorm hier Einstellen einmal laut liest. Dann fallen Dir solche Stolperstellen wie die folgenden sicherlich rasch von alleine auf:

hatten sich einige Familien auf dem Solarfeld getroffen um dort bunte Ostereier und einige kleine Geschenke für die Kinder unter und zwischen den Solarpaneelen zu verstecken und hatten sich heute Morgen zum Suchen mit den Kindern getroffen.
oder
In diesem Jahr war es erstaunlich kalt in der Zeit um Ostern und so beschlug die Brille des Assistenten als Sie die schweren Vorhänge beiseite schlugen und die warme Wirtsstube betraten. Der Kommissar und er den warmen Raum betraten. Im hinteren Bereich der Gaststätte stand am Tisch, auf dem einige Kleider riesiger Aschenbecher mit dem Schriftzug „Stammtisch“ um den sich einige der Genossen versammelt hatten – jeder mit einem Glas Bier vor sich.
Da ist in einer Umarbeitung einiges verloren gegangen bzw. jetzt überflüssig.
Er könne sich noch gut an die Zeit des gemeinsamen Ingenieurstudiums erinnern, antwortete Herr Meinhardt. Sie waren damals gut befreundet, hatten damals im gleichen Studentenwohnheim gewohnt und dass er sich schon damals für alternative Wege der Energieerzeugung interessiert hatte
Ich bin sicher, hier fallen Dir auch andere Formulierungen ein ....

6. Nummerische Zahlen in literarischen Texten sind einfach nicht schön oder nur in absoluter Ausnahme.

In jedem Stockwerk des Wohnheims gab es 5 Wohnungen, die jeweils aus einer geräumigen Küche mit Aufenthaltsraum und 5 Zimmern bestanden. Frank Meinhardt, studierte damals bereits im 3. Semester Wirtschaftsingenieurwesen, wohnte im 3. Stock
Die Dopplungen irritieren auch etwas, falls kein höherer Sinn dahinter liegt, spräche ja nicht gegen mehr oder weniger Zimmer oder ein anderes Stockwerk, ist doch fiktiv.

Grinsen musste ich dann doch über die Todeserfahrung Deines Prots. Anscheinend beschreibt ja seine Leiche den Blick auf seinen Körper im Gras

Aus der Vogelperspektive sah er sich auf den Rücken liegend auf dem feuchten Gras.
Vielleicht schreibst Du das ganze mit mehr davon und schon kriegt der "Krimi" etwas Witz ...

Tja, der Schluss! Also Du hast mich jetzt 15 Seiten lang über die Vorteile von alternativer Energie und die wirtschaftlichen Vorteile von Genossenschaften aufgeklärt. Am Anfang ist Dir noch kurz eine Leiche und ein stocksteifer Kommissar dazwischen gekommen. Mit einigen ausgewählten Szenen hast Du mir mögliche Verdächtige präsentiert, aber auch absolut direkt alles verraten. Dann lässt Du den Bullen nochmal ins Präsidium fahren (zum Nachdenken?) und schwups, hat die Schule einen Lehrer weniger. Warum habe ich das nun gelesen?

Also lieber Eisvogel, ich hab einiges aus Deiner ersten Geschichte hier gelernt. Ich würde mich freuen, wenn Du entweder hier nochmal nacharbeitest oder mich bei der nächsten Geschichte fesselst. Da geht noch was!

Beste Wünsche
witch

 

oh Mann, du hast dir riesig Mühe gegeben – vielen vielen Dank!

Du hast recht: anfangs war ich mir nicht ganz schlüssig, ob ich nun einen Krimi oder einen einfachen Sachtext schreiben möchte. Aber nach der Überarbeitung geht es sicher deutlich in Richtung Krimi

Schönen Abend

 

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