Schnee, der sie betupfte
Schnee, der sie betupfte
Einmal sagte sie zu ihm, ich mag den Winter so gerne. Im Schnee Fußspuren hinterlassen, gegen das Fenster hauchen und in die verträumte Landschaft hinausschauen.
Ich freue mich jedes Jahr darauf über den Lichtermarkt zu schlendern, am Stand mit den Glühweinbonbons anzuhalten, den Duft einzuatmen und eine Tüte zu kaufen. Die vielen Kinder mit den von der Kälte geröteten Wangen, den lachenden Augen und den Mündern aus denen freudige Stimmen erklingen.
Ich mag es, meine kleine Schwester warm anzuziehen, sie in den Kinderwagen zu setzen und jedes Mal ihre rote Zipfelmütze aufzuheben, die sie sich vom Kopf reißt.
Auf solchen Spaziergägen mit roten Mützen im Schnee bin ich glücklich.
Und hinterher am Kamin sitzen, mit heißem Tee und Spekulatius.
Es ist Sommer, sagte er. Aber lass uns das alles zusammen machen, ja?
Ja....., antworte sie.
Ich liebe dich!
Ich dich auch, sagte sie und das meinte sie auch so.
Als es Winter wurde, begrüßten sie zusammen den ersten Schnee, hinterließen dort Fußspuren und auch einen großen Abdruck zweier sich an den Händen haltender Körper.
Sie gingen über den Weihnachtsmarkt, kauften Glühweinbonbons und gebrannte Mandeln.
Sie gingen mit der Kleinen durch den Wald und sahen so aus, als ob sie bereits verheiratet wären. Als sie wieder vor ihrem Haus standen, küsste er sie und sie küsste die Kleine auf die Nase und sagte, Endstadion, aussteigen. Und hob sie aus dem Wagen.
Ihre Mutter machte die Kleine bettfertig und Er und Sie setzten sich mit Zitronen-Ingwer-Tee vor den Kamin. Er schaute in ihre hellblauen Augen. Ich liebe dich, sagte er.
Ein Jahr später. Sie stand vor ihrem Fenster, die Stirn lehnte an der kalten Fensterscheibe. Draußen schneite es heftig. Sie öffnete ihre Balkontür, trat hinaus und ließ den Schnee sie betupfen.
Er kühlte ihre Wangen, die die Tränen so warm gemacht hatten. Sie hatte sich keine weggewischt und sie liefen ihr frei über Kinn, auch am Hals entlang.
Ich liebe dich, das hatte er oft gesagt.
Sie hatte geglaubt, er liebte sie, wie sie den Winter liebte.
Sie stand da, schon ganz nass, aber sie spürte die eisige Kälte nicht, obwohl sie nur ein dünnes graues Sweat-Shirt und eine helle Schlafanzughose trug, an der die Bändel anstatt zugebunden einfach lose herunterhingen.
"Ich liebe dich" sind große Worte.
Sie hatte sie gebraucht und dabei den Schnee gespürt.
Er hatte sie ausgesprochen und nicht einmal den Sinn verstanden.