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Schmied

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04.07.2013
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Schmied

Schmied drückt seine Zigarette im Aschenbecher aus und starrt in die Leere der aschfahlen, spätherbstlichen Stadt. Es ist kurz nach zwei; nun trudeln auch die letzten Angestellten wieder an ihrem Arbeitsplatz ein. Ihre Gesichter so aschfahl, grau und verblichen wie die Stadt. Die längst aus der Mode gekommenen Krawatten liegen bedrohlich eng um ihre Hälse. Jeglicher Hauch von Leben verfliegt, sobald die Tastaturen anfangen die immerselbe Melodie zu spielen, aufs Neue die Akten gewälzt werden und zum hundertsten Mal ein Erkältungshusten den Raum flutet. Von jener Flutung wie aus dem Schneewittchenschlaf gerissen richtet Schmied seinen Blick auf den Bildschirm. Lediglich verschwommene Zahlen und Buchstaben sind zu sehen. Schmied setzt sich seine Brille auf - weißer Rahmen, runde Gläser – und sieht erneut auf den Bildschirm. Diesmal sind sowohl Zahlen als auch Buchstaben deutlich zu entziffern. Schmied tippt einige Wörter ein, nur um diese daraufhin mit der ‚Backspace‘-Taste wieder zu löschen. Am unteren Bildschirmrand offeriert eine mit Glubschaugen versehene Büroklammer ihre Dienste, von der Schmied jedoch keinen Gebrauch machen möchte. Eine pixelige, arrogante Büroklammer, die ihrem Meister und Herrn die Handhabung mit einem Office-Programm erklärt, wäre wohl das letzte, wonach Schmied gerade der Sinn stünde. Er blickt auf die Uhr. Sie sagt: 14.06 Uhr. Der große Zeiger hat sich gegen ihn verschworen, ganz zu schweigen vom kleinen Zeiger, welcher ein hinterhältiger Komplize des großen Zeigers sein muss, um nun gemeinsam ihr teuflisches Treiben zu zelebrieren. Nachdem der Sekundenzeiger das Ziffernblatt einmal umrundet hat, springt Schmied auf, schnappt sich seinen Mantel und stakst zügig in Richtung Ausgang.

In der kleinen, großen Eingangshalle hängen Bilder von Mitarbeitern des Monats, darüber ein französisch-absolutistisch anmutendes, überdimensioniertes Porträt des CEO, umrahmt von Fotografien allmöglicher Executives, Administratives und Seniors. Diese waren es auch, die darüber debattierten, welche Strafe für Schmieds ungebührliches Betragen aufzuerlegen sei. Manchmal ließ er nämlich den obersten Knopf seines Hemdes unverschlossen, sodass er, so der Aufsichtsrat, eine Schande für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung der Firma darstellte. Nachdem Schmied jedoch einwilligte, den Knopf fortan züchtig zuzuknöpfen, belief sich seine Strafe nur auf eine Gehaltskürzung von 40 Prozent, was als durchaus milde aufgefasst werden darf, wurde einer seiner Kollegen doch schon glatt rausgeschmissen, weil er sein Hemd nicht ordentlich in die Hose geschoben hatte.

Schmied knöpft den Mantel zu und stellt rebellisch den Kragen auf. Der Verkehrslärm hallt durch die novemberliche Kälte. Auf den Parkplätzen stehen dieselben Fahrzeuge wie gestern und vorgestern. Er kann sich gar nicht daran erinnern, je andere Autos als den schwarzen Passat und den cyanitfarbenen Benz auf den zwei Firmenparkplätzen vor dem Eingang gesehen zu haben. Wie zwei Spyhnxe wachen sie vor dem Eingang, auf dass niemand Ungebetenes hinein- und auch keiner unerlaubt herauskommt. Schmied geht einige Schritte die Straße entlang und versucht dabei mit seinen Augen alle noch verblieben Farben in seiner Umgebung aufzusaugen. Auf dem Boden das satte, kräftige Braun eines verschütteten Kaffees, das von blassen Gelbtönen gezierte Kopftuch einer türkischen Frau, die grell rotgefärbten Haare eines bleichen Mädchens, das bunte Plakat eines Zirkus, auf dem ein sibirischer Tiger und ein Dompteur mit Peitsche abgebildet sind. Rilkes ‚Panther‘ kommt ihm in den Sinn. Schmied kramt die Zigarettenschachtel aus seiner Manteltasche hervor und fischt die letzte Zigarette heraus. Zögernd mustert er den Glimmstängel von der weißen Spitze bis zum orangefarbenen Ende und entschließt sich kurzerhand, ihn für später aufzubewahren.
Inzwischen hat Schmied die Hauptstraße erreicht - zu seiner Linken wirbt ein Reisebüro mit dem makabren Spruch „Wenn schon ausgebrannt, dann von der Sonne“. Zu seiner Rechten befindet sich die Buchhandlung Krüger, zu der er früher immer in den Mittagspausen gegangen war. Las Schmied damals gern Epikur, so vertiefte er sich zunehmend in die Büchern von Nietzsche, bis er eines Tages gar nicht mehr las und auch die Besuche bei Krüger einstellte. Heute steht das Schaufenster leer, Krüger musste schließen. An der Eingangstür klebt ein Zettel mit der Aufschrift „Zu vermieten“. Gleich daneben prangt eine riesige Reklametafel eines Job-Centers: „Ich arbeite gern für meinen Konzern“. Schmied kann sich ein Schmunzeln, das für einen kleinen Moment über sein Gesicht huscht, nicht verkneifen. Dabei ist es kein fröhliches Schmunzeln; eher ein trauriges, das angesichts der Tristesse des Alltags stellvertretend für den ganzen Leib kapituliert hat. In einer Apotheke verspricht ein Pappaufsteller mit einer Cartoon-Prostata darauf, dank sündhaft teurer Medikamente, nie mehr nachts rauszumüssen, der afro-amerikanische Straßenmusiker spielt die ganze Zeit „Don’t worry, be happy“ und auf den Straßen stehen Autos im Stau und geben ihr tägliches Hupkonzert. Schmied verlässt die Hauptstraße und als er in die Seitenstraße einbiegt, wird er fast von zwei Anzugmännern überrant, die vergnügt torkelnd rufen „Nur so lässt sich ein Bürojob ertragen“. Die beiden seltsamen Gestalten ziehen an ihren Tütchen und biegen um die Ecke.

Indes hat Schmied die Brücke erreicht, die über den breiten aber doch flachen Fluss führt. So manchem Müden und Matten bot der Fluss schon eine Heimat. Ein kleines Holzkreuz lehnt am Brückengeländer. Langsam schreitet Schmied in dessen Richtung, beugt sich über das Geländer und schaut hinunter zum Fluss. Das Wasser bahnt sich seinen Weg durch die zahlreichen, felsigen Engpässe, wodurch sich auf der Wasseroberfläche ein Schaum gebildet hat, wie bei einem Latte Macchiato. Das Rauschen klingt - wenn auch nicht sonderlich laut - trotzdem bedrohlich. Die Farbe des Wassers schwankt von dunkelgrün bis zu einem tiefen Schwarz, was jeglichen Anreiz, sich in die Fluten zu stürzen, zunichtemacht. Andererseits wissen die kleinen Stromschnellen durchaus zu gefallen, sie betören gar jeden, der auf sie herabschaut, als würden sie jeden einladen, mit ihnen mitzuschwimmen, sich als Tropfen von den Wogen des Wasser verschlingen zu lassen und eins zu werden mit der Natur. Wie schon öfters hört Schmied auch an diesem Tag die Sirenen des Flusses seinen Namen rufen. Wie das ächzende Kind des Erlenkönigs Töchter zu sehen vermeinte, so erkennt auch Schmied in den von Strömungen umbrandeten Felsen und den quirligen Stromschnellen die Töchter von Gevatter Fluss, die ihn in sein Reich locken wollen, auf dass sie all seine Sorgen und all das Leid hinfortnehmen mögen.

Schmied atmet schwer, sein Blick auf den Fluss fixiert, die Hände in den Manteltaschen vergraben, um noch das letzte bisschen Wärme aufzusaugen, ehe es in die ewige Kälte geht. Dabei ertastet er eine rechteckige Schachtel und beim Herausziehen jener stellt sich heraus, dass es sich um eine Zigarettenschachtel handelt. Weiße Schachtel, ein roter Kreis vorne drauf mit einer weißen Aufschrift versehen. Etwa fünf Sekunden lang starrt Schmied regungslos auf die Schachtel, bis sich eine seiner Mundwinkeln hebt; daraufhin die zweite, sodass sich sein zuvor schlaffes, müdes Antlitz zu einem fröhlichen Gesicht verformt. Zitternd führt Schmied sich die letzte darin enhaltene Zigarette an den Mund, und das abgenutzte Feuerzeug an die Zigarette. Nach einigen Entzündungsversuchen leuchten die Tabakkrümel auf und glimmen anschließend vor sich hin. Schmied nimmt einen kräftigen Zug und stößt den Rauch danach genüsslich wieder aus. Dabei tritt er schleunigst vom Geländer weg und eilt in die selbe Richtung, aus der er gekommen ist - mit zügigen Schritten zurück auf die Hauptstraße; fröhlich schmeißt er dem selben Straßenkünstler ein Geldstück in seinen Hut, ohne dass jener es bemerkt hätte, schlendert an Apotheke und Reisebüro vorbei, doch je länger er die Hauptstraße entlangläuft, desto eher wird Schmied bewusst, dass er nicht das Leben, sondern den Tod gewählt hat. Zumindest füllt sich sein Inneres wieder mit Verwesung, Fäulnis und Lähmung. Wehleidig blickt Schmied der Buchhandlung Krüger hinterher, bis er wieder die Straße erreicht, auf die er zuvor hinausgetreten war. Der verschüttete Kaffee hat währenddessen sein tiefenbraun eingebüßt und ist nahezu vollständig im Boden versickert, sodass nur noch ein dunkler Fleck an die Katastrophe erinnert, die sich noch einige Momente zuvor an dieser Stelle ereignet hatte. Auch der aromengesättigte Geruch ist verflogen. Stattdessen liegt wieder der bewährte Gestank von Autoabgasen und verdorrtem Laub in der Luft. Die Pappeln, das letzte Bollwerk der Natur in dieser Straße, haben ihr Blätterkleid abgeworfen. Schmied stellt sich vor, dass der Laub die Tränen der Bäume seien, die dem Sommer nachtrauern. Die dürren, blattlosen Äste der Pappel gleichen Schmieds dürren Fingern, die zitternd die Zigarette umfassen, nicht dass diese es auch noch den Blättern gleichtut und zu Boden fällt. So, als würde sie die Zeiten betrauern wollen, an denen Schmied sie noch mit kräftigen, gesunden Fingern festhielt, als sie noch als Belohnung für einen überstandenen Arbeitstag gedacht war und nicht als Voraussetzung dafür, dass dieser überhaupt in Angriff genommen wird. Doch die Toten kehren nicht wieder, es nützt nichts sie zu beweinen.

Schmied blickt auf die Straße zurück, die bis auf einen vergilbten Opel Corsa verlassen scheint. Ob er umkehren soll, fragt er sich. Die Brücke ist ja nicht weit, zumal es ja noch nicht einmal die Brücke sein muss, es geht ja auch unkomplizierter, man muss sich nur die Pulsadern…plötzlich vibriert es in Schmieds Hosentasche. Erst einige Augenblicke später befreit er das Gerät aus der Tasche, doch anstatt ranzugehen, starrt er regungslos auf den Bildschirm. Das Bild eines grimmig dreinblickenden Schlipsträgers erstreckt sich über das gesamte Display. Die Mailbox setzt ein. Es tönen die aufgebrachten Worte einer verärgerten Stimme durch den Lautsprecher. In seiner Benommenheit versteht Schmied bloß die Worte „Arbeitsplatz“ und „schneller gekündigt, als Sie bis drei zählen können“. Schmied muss sich also entscheiden: Weitergehen und weitermachen wie bisher, oder zurückgehen und nie mehr wiederkommen. Doch seine Beine scheinen schon ohne Absprache mit dem übrigen Körper eine Entscheidung getroffen zu haben. Wie ferngesteuert bewegen sie sich weiterhin auf das große, graue, grässliche Gebäude zu. Auch wenn seinem Verstand die Laufrichtung zuwider ist und sich mit aller Macht dagegen zu sträuben versucht, so gelingt es Schmied doch nicht, sich dem Sog zu entziehen.

Die Türen öffnen automatisch, als Schmied wieder das Gebäude betritt, die Zigarette, von der noch ein kleiner Stummel übrig geblieben ist, klemmt zwischen Zeige- und Mittelfinger. Wie ein Kriegsgefangener den Feind an ihm entlang paradieren sehen muss, so muss er resigniert den Sieg dieser seelenlosen Krawattengesichter einsehen. Da hilft auch kein „Don’t worry, be happy“ mehr. Sinkenden Mutes nähert er sich seinem Schreibtisch; wie sich unterschiedliche Pole zweier Magnete abstoßen, so widerstrebt es seinem ganzen Inneren sich auf den Bürostuhl zu setzen. Der Körper plumpst auf den Drehstuhl - Schmied nimmt einen letzten Zug und holt den Aschenbecher hervor.

 

Hey,

rein persönliche Meinung: Das ist ein furchtbarer erster Absatz. Da sträubt sich bei mir alles dagegen, den Text weiter zu lesen.
1. Dieser Alltags-Überdruss – das hat man schon so oft gelesen: Alles Zombies, Husten, Krawatten, grau, grau – wenn man das schreibt, dann sollte man da irgendeinen neuen Twist reinbringne.
2. Es tritt furchtbar auf der Stelle, man hat einfach den Eindruck, der Autor hat überhaupt keine Idee, wo das hinführen soll. Als hätte der Autor selbst keine Backspace-Taste. Es ist auch so wortreich. Da löscht er den Text nicht, sondern er drückt die „Backspace“-Taste, als wäre das etwas höchst innovatives, „Backspace“, man mag davon gehört haben.
3. Da kommen 4 Zeilen über die Office-Büroklammer, bevor man irgendwie in der Geschichte ist und weiß, um was es geht. Er hätte auch noch 4 Zeilen lang Solitär spielen können oder bemerken, dass seine Socken immer so rutschen.

Du bist hier in einem Literaturform, in dem jeden Tag neue Texte eingehen, die auch miteinander um Leser konkurrieren. Du solltest versuchen, das Interesse deines Lesers zu wecken. Es gibt einen universellen Ratschlag für jede Art von Kunst: Nicht langweilen.
Und ich find der Text verstößt aufs Gröbste gegen die Regel.

Gruß
Quinn

 

Danke für deine Kritik, Quinn. Dies ist meine erste Kurzgeschichte, die ich bisher verfasst hatte und bitte somit um Verständnis für meine (hoffentlich bald verschwindende) Inkompetenz. Aber wärst du vielleicht so freundlich und würdest die Geschichte zu Ende lesen, ehe du über sie urteilst? Eventuell ist da ja noch was zu retten...

 

Hallo, Nihilist!

Also, ich habe deine Geschichte zu Ende gelesen und muss sagen, ich bin etwas enttäuscht, denn ich erwartete eine Wendung.
Aber so bleibt nur eine langweilige Beschreibung des Alltags aus der Sicht eines Büroangestellten.
Einiges hat mir gefallen, doch die ausufernden Beschreibungen (ich glaube, in jedem Absatz) sind einfach zu viel. Machmal hätten auch klare/kurze Aussagen gereicht.
Und so bleibt ein Text, der eigentlich nichts aussagt.

Ein Bespiel:

Dabei ertastet er eine rechteckige Schachtel und beim Herausziehen jener stellt sich heraus, dass es sich um eine Zigarettenschachtel handelt. Weiße Schachtel, ein roter Kreis vorne drauf mit einer weißen Aufschrift versehen.
1. Im ersten Satz wird es klar, es ist eine Schachtel.
2. Es klingt jedoch so, als ob er nicht weiß, dass sich in seiner Manteltasche eine Zigarettenschachtel befindet, obwohl er am Anfang der Geschichte raucht, ich vermute stark, seine Zigaretten.
3. Was soll diese Beschreibung der Schachtel bringen? Jeder weiß, wie eine aussieht, dass es verschiedenfarbige gibt sowie jede Zigarettenmarke bestimmtes Logo hat, ist selbstverständlich, sonst würde wir ja alle z.B. Camel rauchen.

Und ich glaube, du hattest ein paar Mal eine falsche Zeitform gewählt, bin auch keine Meister in dieser Sache, - du musst aber bedenken, dass du in Gegenwartform schreibst, also aufpassen.

Na gut, das wars von mir

mfg
Geert

 

Hej Nihilist,

ich hab die Geschichte nach dem ersten Absatz nur noch überflogen. Mir kommt es vor, als wäre hier vor allem die Freude an Worten am Werk. Dabei geht alles, was die Geschichte spannender oder erfahrbarer machen könnte unter.

Nur mal zwei Beispiele:

Jeglicher Hauch von Leben verfliegt, sobald die Tastaturen anfangen die immerselbe Melodie zu spielen, aufs Neue die Akten gewälzt werden und zum hundertsten Mal ein Erkältungshusten den Raum flutet.
Wie soll ich mich als Leser da hinein finden? Du sagst, dass nicht ein Hauch Leben spürbar wäre und beschreibst danach munter so eindeutig zum Leben gehörende Geräusche wie Husten (der auch noch dem Raum "flutet") etc.

Eine pixelige, arrogante Büroklammer, die ihrem Meister und Herrn die Handhabung mit einem Office-Programm erklärt, wäre wohl das letzte, wonach Schmied gerade der Sinn stünde.
Es klang doch so, als wäre er nicht erst seit gestern in dieser Firma. Wozu soll ihm irgendwer oder was die Handhabung eines Programms erklären, dass ihm längst geläufig sein sollte.
Aber selbst wenn. Hiermit
von der Schmied jedoch keinen Gebrauch machen möchte.
hast Du schon alles gesagt.

Dieses Ausschmücken ist auf die Dauer anstrengend, auch wenn es sich beim Schreiben anders anfühlen mag.

Schmied ist eine durch und durch reizlose Figur. Du lässt ihm kaum Gelegenheit, sich zu zeigen, es wirkt eher, als würde er sich schüchtern hinter allen möglichen, belanglosen Beschreibungen verstecken.

Du schreibst:

Aber wärst du vielleicht so freundlich und würdest die Geschichte zu Ende lesen, ehe du über sie urteilst?
Das klingt freundlich und vernünftig, aber Du kannst anderen natürlich nicht (auch nicht in aller Freundlichkeit) die Zeit vorschreiben, die sie mit Deiner Geschichte verbringen sollen, schon gar nicht wildfremden Menschen, über deren Leben und die darin verfügbare Zeit Du nichts weisst.

LG
Ane

 

Angesichts der erdrückenden Kritik hätte ich aber auch gern gewusst, ob es denn nicht zumindest auch etwas positives zu vermerken gibt. Denn es mag zwar sein, dass diese Geschichte keinen Nobelpreis in Literatur gewinnen wird, aber ich finde, man kann sie auch nicht komplett in die Tonne treten, zumal ich mich ja auch verbessern möchte.

 

Hallo Nihilist,

willkommen hier im Forum und ich kann mir vorstellen, dass die Kritik schmerzt, vor allem scheinst du sehr von deiner Geschichte überzeugt zu sein. Aber was meine Vorredner geschrieben haben, stimmt schon. Ganz am Anfang habe ich auch Geschichten hier eingestellt, die mir im Moment des Einstellens total gefallen haben, sie zu schreiben hat Spaß gemacht und dann schreibt man mir hier, dass es niemand liest. Und ich frage mich, warum, und es ist ganz einfach: es interessiert nicht. Ganz ehrlich: Würdest du ein Buch lesen, dass dir nach der ersten Seite in allen Belangen missfällt? Bestimmt nicht.

Ich glaube nicht einmal, dass du nicht schreiben kannst, aber im Moment schiebst du deine Sprache vor alles andere. Das kann man sich aber nur leisten, wenn die Sprache auch schön ist, originell und so, und nicht unnötig ausufernd, "aschfahl" wiederholst du, beispielsweise, die Zeiger haben sich nicht nur gegen ihn verschworen, sie zelebrieren ihr teuflisches Treiben, ein kurzes Nickerchen wird zum Schneewitchenschlaf, das ist alles maßlos übertrieben und im Grunde geht es nur um einen Typen, der in der Arbeit sitzt und es dort Scheiße findet.

Ich finde es auch nicht toll, wenn man meine Texte nicht zu Ende liest, aber that's the way it is. Man kann die Leser nicht zum Lesen zwingen, man kann nur alles dafür tun, dass sie sich in einem Text wohl fühlen und bleiben, vielleicht noch mehr davon haben wollen. Das Phänomen hast du gewiss bei dir selbst schon beobachtet, wenn du ein Buch zuschlägst und traurig bist, weil es nicht weiter geht.

Es gibt viele Neulinge hier und die meisten antworten nicht einmal auf eine Kritik. Bei dir sieht man, dass du dich verbessern möchtest. Und wir suchen hier nicht in schlechten Texten nach Positivem. Konzentriere dich nicht auf das Gute in deinem Text, sondern auf das Schlechte. Das musst du nämlich streichen und zurück lassen. Lies dich hier durchs Forum, schau, was Texte lesenswert macht, was die Reize zurückhaltender Sprache sind und wie Sprache selbst übertrieben stimmig sein kann, kommentiere auch, du musst es ja nicht einmal hier posten, wenn du dir nicht sicher bist, aber allein, wenn du dir im Kopf zusammenfasst, was eine Geschichte gut bzw. schlecht macht, kann man viel daraus lernen. Und das geht bei eigenen Geschichten schwer. Mit selbstverliebten Augen blickt man auf sein Blatt. Da kann ich dir nur empfehlen, deine Texte einige Zeit (Wochen, vielleicht Monate) ruhen zu lassen. Dann kannst du sie objektiver betrachten.


Viel Glück dabei!

Beste Grüße
markus.

 

Ich glaube verstanden zu haben, dass man hier auf einfache, unausgeschmückte Sprache sehr viel Wert legt. Jedoch muss ich ehrlich zugeben, dass ich hierbei eher auf die Zigarette als Dingsymbol oder seine literarische Ader wertgelegt habe. So wäre Rilkes 'Panther' zum Beispiel ein ziemliches zutreffendes Gedicht für seine momentane Lebenssituation und ebenso zeigt Schmieds Leseverhalten, welcher bei Epikur anfing (lebensbejahende Ethik) und dann zu Nietzsche überging, der schließlich nicht für seine Frohnatur bekannt war, dass ihn die Arbeit kaputtgemacht hat.

Sind solche Elemente in einer Geschichte völlig überbewertet und gar überflüssig?

 

Ich glaube verstanden zu haben, dass man hier auf einfache, unausgeschmückte Sprache sehr viel Wert legt.
Das stimmt nicht. Jede Art von Sprache wird hier geschätzt. Der Stil in deinem Text hindert den Leser nur am Lesen. Deswegen kam ich gar nicht erst zu den Elementen, von denen du schreibst. Und es gibt keine Elemente, die grundsätzlich überflüssig sind. Eine Geschichte vermag selbst das Überflüssigste zu ihrem Kern zu machen.

Und noch ein paar Worte zur einfachen Sprache: Sie erlaubt es dem Schriftsteller, die Erzählung auf das Wesentlichste zu reduzieren, ohne dass sich der Leser daran stören könnte. Allerdings ist es meist auch kein großer Genuss etwas derart einfach gehaltenes zu lesen. Meine Empfehlung an dich: Schreibe das, was du uns sagen willst - seien es die Dingsymbole von Rilke, der nietzischige Untergang oder die Geschichte vom Schmied - ganz schnörkellos hin. Wenn die Geschichte steht, kannst du die Sprache an den richtigen Stellen dekorieren, ohne das Gesamtbild zu überreizen. Im Regelfall ist das ein Vorgang, der gleichzeitig stattfindet, aber manchmal muss man Dinge trennen, um sie deutlich vors Auge zu bekommen.

 

Angesichts der erdrückenden Kritik hätte ich aber auch gern gewusst, ob es denn nicht zumindest auch etwas positives zu vermerken gibt.
Mir sind beim Drüberlesen erstmal keine Fehler aufgefallen.
Bringt Dich das irgendwie weiter?

Du sagst, dass Du Dich verbessern möchtest, aber einsehen, dass die Geschichte so einfach nicht funktioniert, willst Du nicht.
Ich weiß nicht, wie sich dann etwas ändern/verbessern sollte.

Jedoch muss ich ehrlich zugeben, dass ich hierbei eher auf die Zigarette als Dingsymbol oder seine literarische Ader wertgelegt habe.
Das wird nicht funktionieren (mir ist übrigens neu, dass Zigaretten literarische Adern haben).
Klar kannst Du eine Zigarette als Symbol für alles mögliche benutzen, aber wenn Du dem Leser ihre wesentlichen Eigenschaften vorenthältst, wird sie zu einer leeren Hülle, mit der niemand etwas anfangen kann.

Rilkes Panther ist wohlmöglich ziemlich zutreffend für die momentane Lebenssituation von vielen Menschen, dasselbe kann ich auch von "Yesterday" behaupten. Werden solche Titel automatisch zu einem bedeutungsschwangeren Symbol, wenn ich sie in einer Geschichte verwurste?

 

Ich muss wohl einsehn, dass auch wenn ich andernorts andere Kritik erhalten habe, die Geschichte wohl ein Häufchen Elend darstellt und da mir die, wie ich finde, durchaus kompetente Userschaft auch keinerlei Potenzial bescheinigt, sehe ich keinen Grund, weiterzuschreiben. Insofern seht euch als erlöst von der Pein meiner literarischen Ergüsse. ;)

 

Hallo Nihilist,

wenn Du wirklich so denkst, ist es vernünftig, das Schreiben sein zu lassen. Oder lass am besten gleich alles sein. Da verreissen Menschen, die Du nicht kennst, Deinen Text und Dein Selbstbewusstsein als Autor zerbröselt. Mach Dich doch nicht so abhängig von den Ansichten anderer. Wenn Du schreiben willst, dann schreibe. Wenn Du allerdings gut schreiben willst, dann versuche das Lehrreiche in den Kritiken, die Dir hier gegeben wurden zu erfassen und mache es das nächste Mal besser.

Wenn Du bei etwas Gegenwind jedes Mal aufgibst im Leben, dann wirst Du nicht weit kommen. Ein trauriges Leben wird das sein. Also: Durchatmen und Weitermachen!

Gruß Achillus

 

Hey, ich will nur eine Sache kurz mal aufgreifen aus der Diskussion über Symbole. Ich hab das mal bei Frey gelesen. Es gibt zwei Sorten von Symbolen, einmal jene, die innerhalb der Geschichte eine Bedeutung haben, und dann jene, die eine übergeordnete, literarische Bedeutung haben. Zum Beispiel ein typisches Symbol, das immer wieder kommt, ist der Apfel als Symbol für den Sündenfall, die Versuchung, die Untreue, die Leidenschaft.
Wenn man zum Beispiel die ersten Folgen der Fernsehserie Dexter schaut, da sind überall Äpfel. Apple-Computer, Äpfel in Schalen, Äpfel auf den T-Shirts überall. Das ist ein netter Gag, man könnte auch sagen ein Insider-Gag, wer hat das schon gesehen? Oder Moby Dick zum Beispiel, wie die Figuren heißen, die biblischen Bezüge überall, dass Ahab ein Holzbein hat, dort wo der mythologische Teufel das Bocksbein hat.

Diese "allgemeinen" Symbole spielen aber außerhalb von Seminar-Räumen kaum eine Rolle. Wenn man da anfängt mit Zahlenmystik und dergleichen, da geht es wirklich in einen extrem elitären Kreis rein.
Man tut gut daran, sich nicht auf die Wirkung von so Sachen zu verlassen. Es ist klar, dass man, wenn man dem Schreiben anfängt, oft direkt aus dem Deutsch-Unterricht oder der Uni kommt und hatte da grade einen wirklich spannenden Vortrag über Literatur und erfährt, was alles so in den Romanen steht, was da alles so verschlüsselt ist und will das auch machen mit solchen außertextlichen Symbolen - das ist extrem schwierig. Das beste ist es wohl, so etwas als Sahnehäubchen zu sehen, wenn der Rest stimmt. Als Augenzwinkern für Leute, die Spaß daran haben, beim dritten, vierten Mal lesen wieder etwas Neues zu entdecken.
Das andere, was immer geht, sind innertextliche Symbole. Also etwas, das wir im Alltag auch haben. In der letzten Geschichte von jimmysalaryman zum Beispiel da hängt ein Paar das Schild ihres gescheiterten Geschäfts ab. Das ist natürlich ein klares Symbol. Dass Dinge über ihren eigentlichen Zweck hinaus eine Bedeutung für die Personen haben, aber eine auf sie zugeschnittene.
In einem aktuellen Kino-Film "Silver Linings" kommt der Protagonist gebrochen in sein Elternhaus zurück, und er sieht zwei Fotos. Eins von seinem Bruder, das hängt ordentlich an der Wand, und eins von ihm, das ist ein bisschen ramponiert, hängt nicht mehr da, sondern lehnt mehr gegen die Wand. Und - Spoiler, Spoiler - am Ende hängt das Bild grade da.
Das sind Symbole, die funktionieren, die sind auch wichtig für Texte.

Ich finde das wirklich wichtig, dass man sich da den Unterschied klar macht.

 

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