Was ist neu

Schmetterlingssturm

Mitglied
Beitritt
25.02.2007
Beiträge
21
Zuletzt bearbeitet:

Schmetterlingssturm

"Predictability: Does the Flap of a Butterfly's Wings in Brazil set off a Tornado in Texas?"
(Edward N. Lawrenz, 1972)


Köln, 21. August 2154, 10:21

“Sie haben WAS?”
Morinelli war fassungslos. Etwas derart Gefährliches hätte er niemals von seinem besten Mitarbeiter erwartet.
“Ich habe es mitgenommen, Professor”, sagte Conrad Zebecki stolz.
“Wie konnten Sie nur”, empörte sich Morinelli. “Sie kennen doch die temporalen Gesetze.”
Morinelli wanderte im Büro auf und ab. Er musste nachdenken, schnell eine Lösung finden. Müde massierte er die Augen hinter der eckigen Brille.
Zebecki stand in der Mitte des Raumes und blickte den weiten Schritten des Professors hinterher. Er hatte in den Jahren, die er nun schon an der Technischen Universität Köln arbeitete, lange auf einen günstigen Augenblick gewartet. Heute hatte er sich ein Herz gefasst. Er hatte alle Argumente seines heimlichen Projekts noch einmal geprüft und sich seine Antworten zurechtgelegt. Jetzt oder nie.

“ Ich kenne die Hypothesen und ich...”, sagte Zebecki.
Morinelli schnappte nach Luft. “sind nicht einfach nur Hypothesen, mein Freund! Das sind seit über vierzig Jahren die etablierten Grundlagen unserer Arbeit”, ereiferte sich Morinelli.
“Durch die erfolgreichen sogenannten 'Zeitreisen'...“ Morinelli rümpfte die Nase.
„...hat sich dieses Institut in den letzten Jahren einen sehr guten Ruf erarbeitet. Keine Regierung wagt es mehr, unsere Forschungsetats zu kürzen. Aber noch leben wir vom Geld anderer Leute, erinnern Sie sich manchmal daran?”
“Aber ich habe bewiesen, dass die Grundlagen falsch sind und ich ...”
“Ach Unsinn!”, unterbrach ihn der Professor. “Sie kommen mit einer phantastischen Idee ohne irgendeinen Beweis daher. Und riskieren mit einer nicht-dokumentierten Entnahme ungeahnte temporale Paradoxa.”

Zebecki klopfte das Herz bis zum Hals. Er brauchte die Zustimmung seines renommierten Mentors als letzten Schritt zu Ruhm und Anerkennung. Er atmete ein, aber die Aufregung schnürte ihm den Hals zu. Er ließ den Blick aus den großzügigen Fenstern schweifen, um Zeit zu gewinnen. Direkt gegenüber, auf der anderen Rheinseite, dominierte die Baustelle der neuen Kathedraltürme die Skyline der Kölner Innenstadt. Nur acht Monate nach dem Abriss des alten Doms kündeten bereits 287 Stockwerke von der Meisterleistung der Bauprogrammierer. Der Anblick machte Zebecki Mut, für seine eigenen Träume zu kämpfen.

“Ich habe Beweise, Professor”, sagte er.
Morinelli blickte Zebecki stumm an. Seine Augenbrauen zogen sich so hoch, dass sie über seinem Brillengestell zum Vorschein kamen.
“Sie haben einen Beweis?”
“Nicht nur einen, Professor. Mit dieser Entnahme habe einunddreißig.”
“Einunddreißig?”, keuchte Morinelli.
“Ich habe alles dokumentiert, Professor.” setzte Zebecki eilig nach. “Nicht eine einzige signifikante Veränderung. Alle Artefakte sind temporal stabil. Die Oszillationen zeigen eindeutig ein primäres Feld, dass den natürlichen Flux der Jetzt-Objekte isoliert.”
Zebecki unterstrich begeistert jedes seiner Worte mit hektischen Gesten.
”Verstehen Sie, was das bedeutet? Jedes mal heilt die Zeit sich selbst, Professor. Es gibt keine Interaktion. Und genau das ist der Grund, warum wir nicht von einem Paradoxon zum nächsten stolpern!”

Morinelli sagte nichts. Er verschränkte die Arme und blickte seinen Assistenten nachdenklich an. “Schöne Idee, aber sie funktioniert nicht”, sagte er schließlich.
“Mit Ihrer Cowboy-Methode haben Sie jedes mal eine alternierende Realität geschaffen, die sie dann als ihre eigene Vergangenheit während ihrer Rückkehr erleben.” Morinelli zeichnete mit dem Finger den Taumelflug einer imaginären Hummel in die Luft.
“Anders ausgedrückt: Sie haben auf ihrem Weg eine Abzweigung genommen und können sich jetzt nicht mehr erinnern. Genau genommen existiert die Abzweigung für uns alle nicht mehr. Das ganze Universum um uns herum könnte sich bereits an Ihren Eingriff angepasst haben, und wir würden es nicht mehr bemerken, weil unsere eigene Vergangenheit nur aus einer einzigen Zeitlinie bestehen kann.”

Zebecki war blockiert. Morinelli’s Kritik war völlig willkürlich ins Blaue geschossen. Aber ihm fiel das passende Gegenargument nicht ein. Mit jedem Augenblick ohne schlagfertige Antwort entglitt ihm die Initiative in dieser Debatte. Er musste etwas sagen, irgend etwas. Er ging näher auf Morinelli zu, aber der Professor hob abwehrend die Hand.
“Es reicht, Zebecki.“
Morinelli setzte sich auf den hohen Stuhl hinter dem Schreibtisch, stützte die Ellenbogen auf die Kunstholzplatte und vergrub das Gesicht in den Händen.
“Ihr Verhalten ist absolut verantwortungslos. Geben Sie mir einfach Ihre ganzen Forschungsergebnisse und ihre Büroschlüssel. Der Hopper ist natürlich tabu. Sie nehmen sich erst mal ein paar Tage Urlaub und ich werde in Ruhe nachdenken, wie ich das der Ethik-Kommission erklären soll. Ich kann nur für Sie hoffen, dass ich in Ihren Unterlagen genug Entlastungsmaterial finde.”

Zebecki konnte vor Wut kaum atmen, aber mühsam drückte er den Zorn hinunter, um nicht die letzte Chance für seine Arbeit endgültig zu vernichten. So ruhig er konnte nahm Zebecki seine Schlüssel aus der Tasche und legte sie auf Morinelli’s Schreibtisch.

********
Der Sonnenuntergang warf purpurnes Licht in Zebecki's Büro. Professor Morinelli stand lange vor der 'Schmetterlingssammlung' seines Assistenten und ließ den Blick über die Artefakte schweifen.
Eigenartig.
Er und Zebecki kannten sich schon so lange, aber das Büro seines Kollegen hatte er immer gemieden. Im Vergleich zum Chaos, dass Morinelli für gewöhnlich um sich herum aufbaute, wirkte dieser Arbeitsbereich klinisch ordentlich. Keine Unterlagen auf dem Schreibtisch. Keine Papierstapel auf dem Boden. Alle Bücher im Regal sauber sortiert wie die Glasröhren einer Rybkoff-Kaskade.

Morinelli strich mit den Fingern über die Artefakte. Jedes Objekt war sorgfältig mit den genauen Koordinaten seiner Herkunft beschriftet. Scheinbar belanglose Dinge, aber jeder kleine Stein konnte genau der Stein sein, über den jemand im falschen Moment gestolpert war. Oder der einen 50-Tonnen-Carrier in voller Fahrt aus der Spur geschlagen und damit eine junge Frau und ihre Tochter in den Tod gerissen hatte.
Seine Tochter.
Verspätet auf dem Weg zum Flughafen, weil er vergessen hatte, pünktlich aus dem Büro heraus zu kommen.
Morinelli verharrte mit ausgestrecktem Arm. Schuld stach in seiner Brust. Wie so oft in den letzten Jahren drückte er die Faust vor seine Augen und atmete tief ein und aus, bis er die Schmerzen wieder unter Kontrolle hatte. Er ließ die Faust wieder sinken. Das honigdunkle Licht der Abendsonne glänzte auf seinen nassen Fingern.

Morinelli fühlte sich betrogen. Seit Jahren rettet er sich von einem Tag zum anderen, suchte nach einen Weg, um trotz seines Verlustes weiterzuleben. Und jetzt musste er feststellen, dass sein ganzes Leben vielleicht das Produkt eines Assistenten mit einer Zeitmaschine und zu viel Ehrgeiz war. Das sein Schicksal eigentlich ganz anderes vorgesehen hatte.

Morinelli nahm das nächstbeste der Artefakte heraus, eine Glasröhre mit altertümlichen elektrischen Bauteilen, vielleicht aus einem alten Kommunikationsgerät. Er las die penible Handschrift auf dem Etikett. “Deutsche Transistorröhre, Kalatsch bei Stalingrad, Oktober 1942, (426 386 42 135).”
Er bräuchte diese Zahlen nur noch in die Steuerkonsole des Hoppers programmieren und das Artefakt wieder an seinen Platz setzen. Ihm schwirrte der Kopf vor all den Fehlern, die er dabei machen könnte. Genau deswegen waren solche Eingriffe verboten.
Er trug die Röhre über den Flur hinunter in den Generatorraum und bis zum Steuercomputer des Hoppers. Er könnte ja einen Test machen.
Nur aus Interesse.

Er tippte die Zahlen ein und beobachtete, wie sich die metergroßen Ringe des Hoppers drehten. Ein gewaltiger Kranz aus rotierenden Metallteilen formte sich inmitten des Raums. Der Geruch von Elektrizität hing in der Luft.
Morinelli dröhnte der Puls dumpf in den Ohren. Er drehte die Röhre weiter von einer Hand in die andere und lauschte dem Rauschen, mit dem die Ringe des Hoppers durch die abgestandene Luft wischten. Wenn er jetzt einfach ginge, wäre noch nichts Verbotenes passiert.
Aber dann kamen die Erinnerungen wieder.

Lichter, die in regennasser Nacht blinkten. Silbern glänzende Tücher auf einer Schnellstraße. Regentropfen ploppten. Auf dem Stoff hatten sich Pfützen gesammelt und unter dem Gewicht des Wassers zeichneten sich die Umrisse von dem ab, was ein Super-Transporter von seiner Familie übrig gelassen hatte.
Morinelli fasste einen Entschluss. Er würde nicht die Zeit verändern, er würde sie heilen. Er nahm die Röhre fest in die Hand und schritt durch die Ringe des Hoppers.

******
Köln, 14. Mai 2154, 11:06

“Sie haben WAS?”
Professor Leon Morinelli konnte nicht fassen, was er soeben gehört hatte.
“Ich habe sie mitgenommen“, sagte Conrad Zebecki und ging einige Schritte auf den Professor zu.
Der Professor hob ablehnend eine Hand und kehrte zu seinem Schreibtisch zurück. Er richtete drohend den Zeigefinger auf Zebecki.
“Die temporalen Gesetze sind nicht erlassen worden, um Nachwuchswissenschaftler in ihrem gesunden Wettbewerbsgeist anzuspornen. Seit der amerikanischen Befreiung Asiens und Europas kann sich jeder Mensch wieder in Freiheit entfalten. Wer was kann, der wird auch was. Trotzdem sind manche Dinge einfach zu riskant.”
“Aber ich habe begründete Zweifel an den Gesetzen”, erwiderte Zebecki.
“Und deswegen haben sie zum Test mal was mitgenommen, nur um zu schauen, ob Ihnen das Universum nicht um die Ohren fliegt?”

Zebecki zögerte. Gerne hätte er noch einige weitere Versuche gemacht, aber die Zeit lief ihm davon. Erfolg war auch eine Frage des Timings. Er atmete noch einmal tief ein und antwortete:
“Genau genommen habe ich bereits einundzwanzigmal etwas mitgenommen und in keinem der Fälle konnte ich eine signifikante Veränderung beobachten.”
“Einundzwanzig?”
Morinelli keuchte und ließ sich in seinen Sessel fallen. Er drehte schweigend den Wildledersessel zum Fenster, so dass er einen Blick über die Skyline von Köln schweifen lassen konnte. Dutzende von weiß-roten Sternenbannern wehten über der Stadt. Heute war Befreiungstag. Der Jahrestag des glorreichen Sieges über das so genannte Vierte Reich, dessen Armeen nach verlustreichen Schlachten überraschenderweise ganz Asien überrannt hatten. Und über allen Sternenbannern erstrahlte das Farbenspiel der Meteo-Schutzkuppel, an deren Elektrostatik sich die säurehaltigen Regenfällen der Außenzone entluden.

Doch Morinelli konnte den beruhigenden Anblick nicht lange auskosten. Zebecki trat aufgebracht an den Sessel heran.
“Professor, ich kann beweisen, dass die Zeitlinien nach jeder Störung in ein eigenes Gleichgewicht zurückkehren. Die Zeit heilt sich selbst.”
“Das beweist gar nichts. Sie sind Teil ihrer eigenen Zeitlinie. Wenn sie selbst die Linie ändern, dann ändert sich doch ihre gesamte Vergangenheit ebenfalls.”
Zebecki zögerte verwirrt.
“Aber das kann nicht sein“, entgegnete er. „Alle Artefakte weisen ein stabiles temporales Feld auf, der umgebende Flux wird perfekt gebeugt. Natürlich muss ich noch einige Tests durchführen.“
Morinelli sprang wieder auf. Der Sessel rutschte kratzend einige Zentimeter über den Boden.
“Unterstehen Sie sich!”
Jetzt wurde er wirklich wütend. Er hatte schon einige Konkurrenten in die Schranken verwiesen und von einem übereifrigen Assistenten würde er sich erst recht nicht übervorteilen lassen. Er riss sich die Brille vom Kopf und gestikulierte damit in Zebecki's Richtung.
“Junger Freund! Sie stellen da Theorien in Frage, die schon seit Jahrzehnten erfolgreich angewendet werden. Und zwar von sehr viel erfahreneren Wissenschaftlern als Sie es sind. Es ist einfach nicht möglich. Und nun Schluss damit.”
“Aber ich habe bewiesen, dass ...”
“Sie haben bewiesen, dass sie für diese Projektstelle ungeeignet sind. Die Zeit heilt sich keineswegs selbst, Zebecki. Jedes Ereignis hat direkte Konsequenzen für die Zukunft. Und die Konsequenzen für Ihre Zukunft stehen in den Stellenanzeigen der Transnet-Säulen. Die nächste ist übrigens gleich draußen vor dem Institut.”

*****
Morinelli sah ungerührt zu, wie sein Assistent aufgebracht das Büro verließ. Und als die Schritte schließlich im Aufzug verhallt waren und nur noch die Ventilatoren der Luftaufbereiter ihr rhythmisches Schleifen über die Gänge hauchten, ging Morinelli direkt in Zebecki's Büro hinüber. Tatsächlich fanden sich in einem Regal zu seiner Rechten, gleich hinter der Tür, eine fein säuberlich geordnete Reihe alltäglicher Gegenstände. Morinelli kochte vor Wut, dass er nicht schon viel früher auf seinen Mitwisser geachtet hatte. Aber dieser Fehler würde sich leicht wieder beheben lassen. Sobald das ganze Zeug weg wäre.

Er nahm den erstbesten Gegenstand zur Hand und las die kleinlichen Notizen auf dem Etikett. Wenigstens waren die Koordinaten für den Hopper korrekt. Morinelli ging hinüber zur Steuerkonsole und tippte die Daten in den Rechner. Elektrisches Summen füllte den Raum. Morinelli lächelte. Nach ein paar Zeitsprüngen würde alles wieder in Ordnung sein.

******
Köln, 03. Januar 2153, 08:22

“Sie haben WAS?”
Sie hatten die Ringe des Heiligen Zeitportals gerade verlassen. Zebecki setzte zu einer Antwort an, aber sie ging im Tosen einer erneuten Explosion unter. Die Wucht war nun schon so nah, dass die Glaskrüge in den Regalen klingelten. Professor Leon Morinelli duckte sich unwillkürlich unter dem Lärm und schritt hinüber zu den gepanzerten Fensternischen. Der Spalt dahinter erlaubte einen geschützten Blick auf die Kölner Innenstadt. Die Luftschiffe des Malteser-Ordens nahmen bereits Formation über den Hochhäusern ein und die königlichen Truppentransporter schwebten in Scharen nach Westen hinüber zur Front. Noch waren die Mayas weit entfernt, aber in den letzten Tagen glaubte Morinelli bereits einen ihrer gewaltigen Kriegsmaschinen am Horizont entlangstampfen gesehen zu haben. Doch noch hatten nur die Plasmagranaten ihrer Werfer die Stadt erreicht. Als sich der Lärm wieder gelegt hatte, setzte Zebecki erneut an.
“Ich habe ihn mitgenommen.”

Morinelli ging langsam zurück zu seinem Assistenten, der einen Holzbecher in den Händen drehte. Dem Professor wurde schwindelig, Übelkeit kroch in seinen Eingeweiden empor. Er hatte schon lange ein ungutes Gefühl mit Zebecki, aber diese Sünde gegen Jesus Chistus selbst erschütterte ihn zutiefst.

“Wie soll König Barbarossa den Kelch Christi finden und das Heilige Römische Reich deutscher Nation zu seiner heutigen Größe führen, wenn Sie den Becher weggenommen haben?”, fragte Morinelli.
”Gott liebt die Starken, Professor. Die Mayas haben das begriffen, seit sie alle schwächeren Völker aus Amerika gejagt haben. Und in ein paar Minuten habe ich das Symbol des Heiligen Reiches im nächsten Riemann-Brenner vernichtet. Kein Reich mehr. Kein jahrhundertelanger Krieg. Die Mayas werden herrschen und die Geschichte der letzten zweitausend Jahre wird neu geschrieben. Und zwar von den Siegern.”
Der Professor rang mit der Fassung. Er hob flehend die Hände.
“Zebecki. Kommen Sie zur Besinnung. Der Hopper hat noch Reserven für ein paar Minuten. Zwei Kommandos, um das Heilige Portal wieder auf die alten Koordinaten auszurichten, und wir bringen den Gral einfach zurück.”
Zebecki hielt den Becher hoch über seinen Kopf und winkte damit dem Professor zu. “Aber Professor, so emotional?”
Morinelli bekam es mit der Angst zu tun. Das Böse, dass er all die Jahre bekämpft hatte, musste sich leibhaftig in seinem anmaßend grinsenden Assistenten manifestiert haben. Und er selbst hatte ihm erst die Tür geöffnet. Wenn seine Seele auch nur eine senfkornkleine Chance auf Erlösung haben sollte, so durfte er nicht zulassen, dass Zebecki mit seinem Verrat Erfolg haben würde.

Er stürmte vor, warf sich gegen den verblüfften Zebecki und noch bevor beide unsanft auf dem Boden aufprallten, riss er den Gral an sich. Sofort rappelte sich Morinelli wieder auf und lief zum Steuerpult. Er musste nur etwas Zeit gewinnen und den Hopper neu ausrichten, dann würde alles wieder gut werden. Das weiße Leuchten, dass vor ihm ein tiefes Loch in die Wand fraß, erschreckte ihn. Verblüfft blieb er stehen und sah an sich herab, aber er schien unverletzt zu sein.
Irritiert drehte er sich zu Zebecki um. Als er dann sah, wie sein Assistent einen der berüchtigten Emitter der Mayas in der Hand hielt, verließ Morinelli der letzte Mut. Der zweite Schuss würde ihn nicht verfehlen.

Morinelli sah seine letzte Chance. Er nahm den Gral schützend zwischen die Arme und warf sich, ohne zu zögern, in den Hopper hinein. Ohne Koordinaten konnte er nur beten, wo in Raum und Zeit er wieder auftauchen würde. Aber noch während die wütenden Schreie seines Assistenten hinter ihm verklangen schwor sich Morinelli, seinen Fehler irgendwie wieder gutzumachen.

******
Köln, 21. August 2151, 10:21

Professor Leon Morinelli stand in seinem Büro und blickte über die glänzenden Hochhäuser, die sich um den Kölner Dom scharten. Er hatte noch ein wenig die alten Papierstapel in seinem Büro aufgeräumt, bevor er nach Hause aufbrechen und seine Tochter zum Flughafen bringen würde.
Nachdenklich hielt er die alte Abschlussarbeit in den Händen, die ein beeindruckender Student vor einiger Zeit abgeliefert hatte. Conrad Zebecki. Interessante Ideen über Zeitreisen und die Selbstheilung der Zeitlinie. Genau das Projekt, an dem Morinelli damals auch gearbeitet hatte. Trotzdem hatte er etwas später die Bewerbung des Studenten abgelehnt. Zebecki hatte sogar noch ein paar mal angerufen, aber inzwischen lebte er zufrieden in Südfrankreich. Hatte Familie, einen guten Job und definitiv kein Interesse an Laborarbeit mehr.

Morinelli fischte das brüchige Pergament hervor, dass zwischen den Seiten der Arbeit versteckt lag. Ein adrett gekleideter Mitarbeiter einer venizianischen Bank war vor Jahren bei ihm aufgetaucht. Den Umschlag mit dem Pergament hatte er in der Hand gehalten und verkündet, dass der Brief damals von einem Gelehrten auf der Durchreise nach Mailand in der Bank eingelagert worden war. Im Jahre 2149 sollte das Papier an einen Herrn Morinelli im heutigen Köln übergeben werden.
Ein schwieriger Auftrag.
Aber das Bankhaus war schon damals für seine exklusiven Dienste bekannt.
Damals vor über 650 Jahren.

Beim Anblick der altertümlichen, aber dennoch vertrauten Handschrift liefen Morinelli noch immer kalte Schauer über den Nacken. Die Schilderungen in diesem Brief hatten Morinelli bis ins Mark erschreckt, so dass er seine Forschungen zur Zeitreise augenblicklich eingefroren hatte. Alle Notizen hatte er vernichtet, bis auf diesen Brief. Trotz aller Zweifel musste er sich inzwischen eingestehen, dass er scheinbar sein Zeitreiseprojekt fertiggestellt hätte, um sich dann selbst aus der Vergangenheit diesen Brief zu schreiben.

Niemand würde das jemals glauben. Aber das musste es auch nicht mehr, denn die Schrift auf dem Pergament begann seit Kurzem, zu verblassen. Wahrscheinlich würde das ganze Schriftstück sehr bald schon einfach nicht mehr existieren.

Er schob das Pergament zurück zwischen die Seiten von Zebecki’s Abschlussarbeit und warf das Papier in ein Regalfach, in dem sich bereits Dutzende anderer Manuskripte stapelten. Staub wirbelte von den angegilbten Papieren auf und schwebte im Sonnenlicht. Dann nahm Morinelli seinen Mantel, schloss die Tür von draußen ab und fuhr pünktlich nach Hause.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo wheeler,

es wird bestimmt Kritiken geben, die dir vorwerfen, die fünfundachtzigtausendste Geschichte zu diesem Thema geschrieben zu haben :D. Meine ist aber keine davon. Das liegt zum einen daran, dass ich nicht so viel Science-Fiction lese, dass mir schon jeder Plot bekannt vorkommt (na ja, dieser hier schon, aber er ist für mich auch noch nicht so ausgelutscht, dass ich eine Geschichte zu diesem Thema nicht mehr mit Gewinn lesen könnte), und zum anderen daran, dass wir hier ja auch ein Schreiblernforum sind und man ja ruhig mit alten Plots üben kann. Und deine Schreibe fand ich schon ganz ordentlich. Du hast es eigentlich in jeder Episode geschafft, die Informationen über den "neuen" historischen Hintergrund einfließen zu lassen, ohne mich zu langweilen - das ist bei so einer Geschichte gar nicht so einfach, finde ich. Auch den Schluss fand ich ganz hübsch - ein bisschen kitschig, aber manchmal muss das auch erlaubt sein ;)
Ich finde allerdings, dass du das Ganze ein bisschen zu sehr ausgewalzt hast, und ich würde dir raten, eine der Episoden rauszunehmen, damit die Geschichte nicht zu lang wird (mir persönlich hat die Kaiserreich-Episode am wenigsten gefallen, aber dazu schreibe ich noch was unter den Details).

Ein paar Sachen, die mir aufgefallen sind:

Heute hatte er sich ein Herz genommen.

Nee, das ist eine feststehende Redewendung: Herz gefasst. "ein Herz genommen" klingt eher nach etwas, was in der Horrorrubrik passieren könnte :)

“Ich kenne die Theorien”, antwortete Zebecki.
Morinelli schnappte nach Luft. “Das sind keine Theorien, mein Freund!”

Na na na. "Theorie" ist doch in den Naturwissenschaften sozusagen das höchste Adelsprädikat. Wenn eine Hypothese oder ein Modell (das ist sozusagen das "minderwertige") durch hinreichend viele Indizien gestützt werden und man mit ihrer Hilfe Vorhersagen treffen kann, dann nennt man sie schließlich Theorie. Auch Dinge, die wir im Alltag als "Wahrheit" oder als eindeutig bewiesen annehmen, sind wissenschaftlich gesprochen "Theorien" (deshalb können zum Beispiel diese garstigen Kreationisten immer wieder mit dem Argument ankommen, die Evolutionstheorie sei ja "nur" eine Theorie, was völliger Käse ist, weil "Theorie" ja keine Abwertung bedeutet, sondern im Gegenteil nur sehr gut belegte Annahmen bezeichnet). Lange Rede, kurzer Sinn: den Satz "Das sind keine Theorien" würde ein Naturwissenschaftler nie sagen.

Riskieren Hals über Kopf temporale Paradoxone.”

Ist das echt der Plural? Nicht "Paradoxons"? Na ja, zugegeben, das klingt auch komisch.

“Nicht nur einen, Professor. Ich habe mit der Entnahme von heute sogar einunddreißig.”
Morinelli keuchte.
“Einunddreißig?”
“Ich habe alle Artefakte katalogisiert, Professor.”

Wenn ich es richtig verstehe, nimmt der jedesmal einen Gegenstand aus der Vergangenheit mit (das geht bei dem Gerede über Schmetterlinge fast ein wenig unter). Aber ist das denn ein zulässiger Beweis? Angenommen, ich komme zum Beispiel mit einer Keilschrift-Tontafel aus dem antiken Mesopotamien an, woher sollen meine Wissenschaftlerkollegen wissen, ob ich die nicht aus einem Museum geklaut oder gefälscht habe? Das erfordert doch sehr aufwändige Tests, und ich weiß im Moment nicht mal zu sagen, was die ergeben müssten, um den Beweis gelten zu lassen. Wenn zum Beispiel eine C14-Radiocarbondatierung ergibt, dass das Ding Tausende von Jahren alt ist, würde das doch dafür sprechen, dass es aus dem Museum stammt, wenn der Test zeigt, dass es "neu" ist (müsste es ja theoretisch nach der Zeitreise), dann würde man von einer Fälschung ausgehen. Also so ein Beweis ist wirklich nicht trivial. Ich glaube, das hast du unterschätzt.

Ich werde keine Dissidenten in meinem Kader dulden.”

Moment. Das ist der Sprachgebrauch des Kommunismus. Du hast dich aber dafür entschieden, das Kaiserreich, nicht das, was später in unserer Realität daraus geworden ist, über Europa herrschen zu lassen. Und da immer noch vom Kaiser etc. gesprochen wird, muss ich doch davon ausgehen, dass in dieser Zeitlinie der Kommunismus nicht entstanden oder nicht an die Macht gelangt ist. Deshalb finde ich es unglücklich, diese Begriffe zu verwenden (nicht, dass das unmöglich wäre, dass sich da derselbe Sprachgebrauch entwickelt, aber du musst ja bedenken, was du für Assoziationen beim Leser auslöst).

Die Tür öffnete sich und zwei Wächter in bemalten Rüstungen und gezogenen schlanken Schwertern postierten sich neben Zebecki. Blaue Schimmer liefen summend über die glänzenden Klingen.

Arrrrgh! Tut mir leid, aber Laserschwerter und alles in der Art sind außerhalb von Star Wars-Parodien einfach so was von verboten! Eine Schusswaffe ist jeder Art von Waffe, die einen Nahkampf erzwingt, haushoch überlegen, und es gibt keinen vernünftigen Grund, warum eine Zivilisation, die so weit ist, dass sie zeitreisen kann, nicht auch Schusswaffen erfunden haben und diese auch benutzen sollte! Das "Flair" eines asiatisch dominierten Europa muss sich auch anders erzeugen lassen als mit diesem Schwert-Unsinn.

“Denken Sie noch manchmal an die Schmetterlinge, von denen Sie mir erzählt haben? Die Metapher ist ein Irrtum, Professor. Ich glaube, dass Gott keine Störungen von wertlosen Tieren zulässt.

Wie dein Protagonist schon richtig sagt, die Schmetterlingskiste ist eine Metapher. Da kann man doch nicht im nächsten Satz von "wertlosen Tieren" sprechen, als sei das wortwörtlich gemeint. Er könnte ja von "unwichtigen Dingen" oder "Kleinigkeiten" oder was auch immer sprechen.

Morinelli drehte sich zu Zebecki um, der nun eine der berüchtigten Lichtwaffen der Mayas in der Hand hielt.

Noch ein Laserschwert? Aua! Ich hoffe, dieses Mal war's eine Schusswaffe! :p

“Leonardo da Vinci Morinelli”.

Also, dass er sich selbst einen Brief aus der Vergangenheit schreibt: gekauft. Aber dass er Leonardo da Vinci war: Nee. Da Vinci hat ein recht gut dokumentiertes Leben, soweit ich weiß, der ist nicht irgendwann "aus dem Nichts aufgetaucht", und er ist für damalige Verhältnisse auch recht alt geworden. Willst du mir einreden, dass Morinelli, nur um sich selbst eine Warnung zu hinterlassen, Jahrzehnte in der Vergangenheit verbracht hat? Ich weiß, es reizt irgendwie, Leonardo in so eine Geschichte einzubauen, weil seine Erfindungen wirklich den Eindruck erwecken, er hätte Kenntnisse aus der Zukunft gehabt ... aber trotzdem, das ist einfach so nicht glaubwürdig. Jemand, der in die Vergangenheit reist, um Leonardo da Vinci zu sein, wäre eine eigene Geschichte. Morinelli will doch nur sich selbst warnen, um seine Familie zu retten, der hat einfach keinen guten Grund, um Leonardo zu spielen.

Nachtrag: Das fiel mir jetzt erst noch ein: Warum muss er sich eigentlich einen Brief aus dem 15 Jahrhundert schreiben? Es reicht doch, dass der Brief vor dem Zeitpunkt kommt, an dem er Zebecki einstellen würde, und vielleicht würde er einen Zeitpunkt vor seiner eigenen Geburt wählen, um das Risiko, sich selbst zu begegnen, auszuschließen. Aber mehrere hundert Jahre, und extra eine Bank beauftragen (inspiriert von "Eine Billion Dollar"?;))? Es gäbe einfachere Wege.

Grüße von Perdita

 

Hallo Perdita,

vielen herzlichen Dank für Deine konstruktive Kritik.
Ich werde Deine Anregungen (wahrscheinlich heute nachmittag noch) gerne
überdenken. Ganz besonders hilfreich ist Deine Kritik zu
(natur)wissenschaftlichen Methoden und dem Datierungsproblem. Ich habe noch
keine Idee, wie ich den Spagat aus Erläuterungen (Problem: Nix passiert) und
dem für den Leser interessanteren Fortschritt der Handlung hinkriege, aber
dazu fällt mir schon was ein. Meist reicht ja schon ein einzelner Satz.

Voraussichtlich wird auch der Asien-Teil dran glauben müssen. Ich mochte ihn
sehr gerne, aber genau das ist wohl die crux daran. Die Story ist relativ
lang, eine ganze Wiederholung kann entfallen, ohne dass die Logik der Story
Löcher bekommen würde. Außerdem stehen sonst mit dem Schlußteil vier
Handlungsstränge nebeneinander, die zum Teil bis auf das Setting nur wenig
Neues zur Handlung beitragen.

**
Obwohl ich anmerken würde, dass die chinesisch/japanische Kultur deutlich
dazu neigt, Traditionelles direkt neben Hochmodernem beizubehalten (Soweit
ich das als interessierter Laie beurteilen kann). Metallklingen mit
Elektroschocker kann ich mir in 200 Jahren sehr gut denken.
Aber egal, das StarWars-Klischee ist vermutlich zu naheliegend, als das
Elektro-Klingenwaffen nicht leicht missverstanden werden könnten. Zu
kompliziert, raus damit.
**


Eine Frage bitte zum Schluss:

Ich kann alle Leonardo-Anspielungen sehr leicht weglassen, spart auch wieder
ne halbe Seite Text. Dann habe ich aber keine Schlussüberraschung mehr
(jetzt mal unabhängig davon, dass die jetzige Überraschung ganz eigene
Probleme mit sich bringt. Auf die Frage nach dem Motiv des Morinelli, der
sich in der Rennaissance als Leonardo eigentlich sehr auffällig aufführt,
habe ich wirklich keine Antwort. Als angeblicher Gralshüter wäre er doch an
Veschwiegenheit interessiert. Mist.).
Aber:
Bisher bin ich immer dem Schema gefolgt, dass eine Kurzgeschichte mit einer
unerwarteten Wendung abschließen sollte. Gerade, wenn man "klassische" Plots
nicht scheut, sollte dann aber im Detail etwas Neues/Überraschendes kommen,
sonst bleibt nur eine nette, leicht verdauliche Geschichte mit einer Prise
Langeweile zum Schluss.

Was denkst Du?
Inwieweit sollte eine Kurzgeschichte ein möglichst unerwartetes Ende haben?
Oder könnte hier im Beispiel der Beinahe-Paradoxe-Brief aus der
Vergangenheit bereits ausreichen?


Ich würde mich sehr freuen, wenn Du mir Dazu bei Gelegenheit noch ein paar
Zeilen senden kannst.


Nochmal vielen Dank bis hierhin,
Wheeler

 

Hallo wheeler. Deine Geschichte hat mir gefallen. Ok, ja, die Story ist alt, aber ich bin grundsätzlich der Meinung, dass nicht die Story das Wichtigste ist, sondern die Art und Weise, wie sie erzählt wird. Außerdem mag ich Zeitreiseparadoxen.:D

Erst mal meine Meinung zu einigen Sachen, die bereits erwähnt wurden.

Nach längerem Nachdenken bin ich auch der Meinung, dass die Geschichte sich zu lange hin zieht. Ich fände es schade, wenn sich dieses Problem nur dadurch lösen lässt, dass du einen Abschnitt komplett streichst. Vielleicht findest du ja Möglichkeiten, die Geschichte als ganzes mehr zu raffen. Bin mir aber nicht sicher, welche dieser beiden Möglichkeiten besser wäre.
Laserschwerter finde ich auch albern. Aber Schwerter an sich sind ok. Ich denke, wenn du daraus einfache Schwerter machst und ein "traditionell" davor setzt, dann würde es passen.
Die Lichtwaffe habe ich als Schusswaffe verstanden. Die Mayas da rein zu bringen hat etwas exotisches, was du mit den Luftschiffen und den ominösen, nicht näher beschriebenen Kriegsmaschinen ja auch schon ausgedrückt hast. Somit kann man sich unter einer Lichtwaffe alles mögliche seltsame vorstellen.
Das mit dem 650 Jahre alten Brief finde ich ok (wenn ich das richtig verstanden habe, konnte er ja am Ende nicht steuern, in welche Zeit er geräht), die da Vinci-Sache würde ich streichen und ich bin nicht der Meinung, dass eine KG immer eine unerwartete Wendung haben muss, nur weil das vielleicht in irgendwelchen Lehr- oder Schulbüchern steht. Davon abgesehen: Was genau ist eine unerwartete Wendung? Darüber könnte man sich streiten.

Das Grundkonzept deiner Geschichte fand ich ein wenig verwirrend. Also, Zebecki holt Sachen aus der Vergangenheit, und es passiert nichts. Und wenn Morinelli sie wieder zurück bringt, dann verändert sich die Zeitlinie?:confused: Hab ich nicht verstanden. Aber das könnte auch gut an mir liegen.

Morinelli verharrte mit ausgestrecktem Arm. Schuld stach in seiner Brust. Wie so oft in den letzten Jahren drückte er die Faust vor seine Augen und atmete tief ein und aus, bis er die Schmerzen wieder unter Kontrolle hatte. Er ließ die Faust wieder sinken. Das honigdunkle Licht der Abendsonne glänzte auf seinen nassen Fingern.
Ich kenn mich damit zum Glück nicht aus, aber wenn der Tod seiner Frau und Tochter schon Jahre zurück liegt, halte ich diese Reaktion für ein wenig übertrieben. Außerdem ist mir nicht klar, ob dieser Verlust ihn zu dem Zeitreiseprojekt motiviert hat, oder ob er schon vorher dran gearbeitet hat.
Und das Ende finde ich unlogisch. Am Anfang sagst du, dass seine Familie gestorben ist, weil er zu lange gearbeitet hat, und am Ende sagst du, dass er endlich mal pünktlich nach Hause kommt. Das assoziiert, dass es sich um genau den Tag handelt, an dem seine Familie eigentlich gestorben wäre, was jetzt aber nicht passiert, weil er aufgrund des Briefes gar nicht an dem Projekt arbeitet und deshalb pünktlich nach Hause kommt.:confused: (Übrigens ist das auch alt, aber ich steh echt auf solche Klischees.) Aber seine Familie ist doch schon vor Jahren gestorben, und das Datum am Ende ist das gleiche wie am Anfang, wo seine Familie schon seit Jahren tot ist.
Puh, ist das verwirrend...
Vorschlag: Am Anfang denkt er an das Todesdatum seiner Familie (hat sich auf ewig in sein Gedächtnis gebrannt oder so) und das Ende ist dann genau das Datum, an dem seine Familie gestorben wäre. Wenn er nicht den Brief erhalten hätte, den er sich vorher selbst geschickt hätte, weil er vorher...

Ok das reicht jetzt. Genug der Verwirrung. Hat mich gefreut dich zu lesen, und hoffe, mein Kommentar ist nicht zu durcheinander.

lg ichwersonst

 

Hallo wheeler,

freut mich, dass du mit der Kritik was anfangen kannst.

Ich habe noch
keine Idee, wie ich den Spagat aus Erläuterungen (Problem: Nix passiert) und
dem für den Leser interessanteren Fortschritt der Handlung hinkriege, aber
dazu fällt mir schon was ein.

Ja, das ist echt schwierig - Zeitreisen werfen halt immer solche gehirnwindungsverknotenden Fragen auf :schiel:. Wahrscheinlich wird sich ein bisschen "Techno-babble" an dieser Stelle nicht ganz vermeiden lassen - vielleicht reicht es, eine nicht näher beschriebene Messmethode mit beeindruckend wissenschaftlich klingendem Namen zu erwähnen, die eben eindeutig nachweist, dass ein Objekt wirklich aus der Vergangenheit kommt :)

Obwohl ich anmerken würde, dass die chinesisch/japanische Kultur deutlich dazu neigt, Traditionelles direkt neben Hochmodernem beizubehalten

Hm, ich weiß sehr wenig über die asiatischen Kulturen. Aber ich denke nicht, dass Polizisten oder sonstige Sicherheitskräfte dort mit Samurai-Schwertern rumlaufen ;) Dass Elektroschockwaffen mal weitere Verbreitung finden, kann ich mir schon vorstellen, aber eher in Form von Tasern - da muss man auch nicht in die unmittelbare Nähe eines möglicherweise bewaffneten Feindes, um ihn außer Gefecht zu setzen.

Aber egal, das StarWars-Klischee ist vermutlich zu naheliegend, als dasElektro-Klingenwaffen nicht leicht missverstanden werden könnten.

Hmm ... ich frage mich auch gerade, warum ich auf Laserschwerter gekommen bin, ist eigentlich relativ eindeutig, dass du Elektrizität beschreibst ... Vielleicht habe ich einen bleibenden Schaden davongetragen, als ich angesichts der Laserschwert-Szenen in Star Wars meinen Kopf gegen die Wand geschlagen habe :D Aber das Argument, dass Schusswaffen Nahkampfwaffen eigentlich immer überlegen sind, bleibt bestehen.

Auf die Frage nach dem Motiv des Morinelli, der
sich in der Rennaissance als Leonardo eigentlich sehr auffällig aufführt,
habe ich wirklich keine Antwort. Als angeblicher Gralshüter wäre er doch an
Veschwiegenheit interessiert. Mist.

Ich kann das gut verstehen - es ist eine große Versuchung, Leonardo in so eine Geschichte einzubauen. Manchmal ist es für die Geschichte halt besser, solchen Versuchungen zu widerstehen.

Inwieweit sollte eine Kurzgeschichte ein möglichst unerwartetes Ende haben? Oder könnte hier im Beispiel der Beinahe-Paradoxe-Brief aus der
Vergangenheit bereits ausreichen?

Ja, ich denke, das wäre als Schlusswendung durchaus ausreichend. Bei Geschichten, die davon handeln, dass Leute durch die Zeit reisen, um die Vergangenheit zu korrigieren, erwarte ich eigentlich immer eine Entwicklung á la "Butterfly-Effect" - also dass jede Entscheidung alles noch schlimmer macht :) Von daher ist es schon eine Wendung, wenn Morinelli es am Schluss schafft, den Fehler zu korrigieren - vielleicht nicht völlig unerwartet, aber langweilig würde ich das Ende nicht nennen - höchstens ein klein bisschen kitschig :D (aber ich gönne es deinen Protagonisten, dass sie in der Zeitlinie am Schluss alle glücklich sind :))

@ichwersonst:

Zeitreiseparadoxen

Oh Mann. :bonk:

Grüße von Perdita

 

Hi zusammen,
zunächst vielen Dank für die Rückmeldungen.
:)

Ich merke, Ihr spürt den Reiz der Herausforderung, eine solche Geschichte ohne größere Logik-Lücken zu einem Ende zu führen.

Folgendes habe ich bisher als wichtigste Hausaufgabe verstanden:

1.
Nach unerklärten Motiven / Ursachen suchen und ggf. mit möglichst wenig Info fundieren.

2.
Das Ende entweder vereinfachen oder nochmal umbauen.

(Ich habe diese furchtbare Idee einer weiteren Story-Wendung, mit der das Schlusskapitel mit einem kleinen offenen Ende ergänzt wird.
Aber das lassen wir wohl besser.) (Sonst bin ich wieder bei Punkt 1)

3.
Nochmal kürzen
(Arrrgh)


@ ichwersonst

Das Entscheidende sollte bei dieser Geschichte sein, dass die Realität sich aus der Sicht der handelnden Personen nicht ändert. Nur der (allwissende) Leser weiß das.
Das ist auch mit dieser "Selbstheilung der Zeitlinien" gemeint. (Ein Kunstgriff, ohne welchen meiner Meinung nach alle Zeitreise-Geschichten in einer Vielzahl von Mini-Paradoxonen (merci übrigens :)) enden. Andere mir bekannte Stories dieses Genres meiden das Problem, indem mögliche Rückkopplungen zum Ausgangspunkt der Reise einfach nicht thematisiert werden. Warum wohl nur ..?:schiel:
In einer Dialogzeile wird das Phänomen von Morinelli kurz erwähnt, ich kontrolliere mal, ob das etwas deutlicher rüberkommen könnte.


Jetzt aber erst mal wieder was schaffe !
Macht's gut und danke noch mal,
wheeler

 

Yep, Du hast recht.
Ich habe jetzt einfach mal beim Wahrig nachgesehen...

(Paradox / Paradoxon, Pl.: -xa)

 

Yo wheeler,

gut gefallen hat mir die Idee, nach jeder Änderung eine veränderte Welt zu präsentieren. Allerdings ändert das auch nix an der Tatsache, dass Zeitreisen durch ihre Akausalität einfach ein zu mächtiges Storyelement und damit schnarchlangweilig sind. Wenn buchstäblich alles passieren kann, wenn ich einen jurassischen Schmetterling zerstampfe, dann ist das einfach beliebig. Ausgang und Entwicklung der Geschichte sind für den Leser nicht abschätzbar, im Umkehrschluss ist jede Wendung nur billig. Beachte, dass in nahezu allen populären Zeitreisegeschichten den Protagonisten ihre Maschine erstmal weggenommen wird, eben um die Handlung in einigermaßen vorhersehbare Bahnen zu führen!

Schade, denn Du schreibst ambitioniert. Vielleicht erstmal ein anderer Stoff?

Beste Grüße
Naut

 

Hi Naut,

erst mal Danke, dass Du Dir die Zeit zum Lesen genommen hast. Ich denke, Deine Kritik ist berechtigt, aber untrennbar mit dem Thema verbunden. Ich hatte diese Story schon länger im Kopf und musste sie einfach fertig schreiben.

Ich merkte beim Schreiben ebenfalls, dass ich eigentlich beliebige Kulissen aus dem Boden hätte zaubern können. Ich hatte ursprünglich versucht, durch die Auswahl der Artefakte eine zwingende Konsequenz für die nächste alternative Realität abzuleiten. Das hat das Problem aber nur verlagert, daher wurde das zugunsten der Kürze etwas zurückgefahren. Die "Rückabwicklung" des Projekts als zentrales Motiv und als Schlußpunkt der Geschichte wurde stattdessen Vordergrund, damit der Text wenigstens stetig auf ein Ende hinsteuert.

Danke auch für Deine Ermutigung. Ich übe mich bereits am nächsten Text, und der hat (fast) nur ein einziges Setting. ;)
(Fantasy, dauert aber noch ein paar Wochen, ich kann in der Regel nur des abends noch ein paar Zeilen produzieren.)

Bis denn, alles Gute
wheeler

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom