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Schmetterlingskinder
Eine riesige Wolke aus Seifenblasen zog über unsere Köpfe hinweg. Sie funkelten und glitzerten in der Abendröte. Jede einzelne war jedoch gefüllt, etwas Dunkles war im Inneren zu erkennen und je näher eine kam, umso deutlicher wurde der Umriss von Schmetterlingskindern.
Sie zappelten und flatterten so lang, bis die Hüllen platzten und sie ungehindert den nun erlangten Raum nutzen konnten.
Ihre farbenfrohe Pracht war nicht zu beschreiben, überaus faszinierend und sogar hypnotisierend wirkend auf den jeweiligen Betrachter.
Die riesige Schar orientierte sich in Richtung der nächsten Ortschaft, um den Empfänglichen Freude zu bereiten und um für sie zu tanzen.
Ein graues Etwas, was durchaus der Form und Funktion eines Schmetterlingskindes glich, jedoch eher mottengleich war, entfloh dem ganzen Trubel und der Aufmerksamkeit und flog in Richtung Wald.
Der Grauschmetterling hatte eine andere Mission, die ihm eine der vielen Stimmen aufgab.
„Finde deinen Weg!"
Aber wieso war dieser Weg nicht der, den alle hatten?
Diese Frage sollte sich später klären. Im Wald angekommen, hockte sich der Grauschmetterling instinktiv auf den Zweig eines Dornenstrauches.
Warum gerade dort?
Zu seiner Überraschung und Verwunderung geschah ihm nichts. Seine Flügel blieben trotz immenser Dornen heil und funktionsfähig.
Neben unserem Grauschmetterling krabbelte ein gelber Käfer, der kurz darauf von einem Vogel aus der Luft attackiert wurde.
„Warum ich nicht“, fragte sich der Grauschmetterling.
„Vielleicht liegt es an meiner grauen Farbe“, dachte er. „Mich erkennt man nicht so schnell."
An einem langen grünen Grashalm angelangt, lauschte der Grauschmetterling dem Wind und dem Knarren der Baumwipfel. Die Naturgeräusche hatten eine enorme Wirkung auf den Grauschmetterling. Sie beruhigten ihn und ließen ihn merken, dass auch er Fähigkeiten besaß, nämlich überhaupt die Empfänglichkeit hierzu.
So vergingen Tage, Wochen und Jahre. Immer wieder wurde der Grauschmetterling auf die Probe gestellt und merkte schnell, dass nicht immer alles so ist, wie es aussieht, dass auch er seine Aufgabe hatte, die er aber erst zu einem späteren Zeitpunkt antreten konnte.
Wieder einmal auf der Lichtung, auch auf besagtem Grashalm, merkte der Grauschmetterling eines Abends, dass das Gras anfing zu wachsen. Es wuchs und wuchs und trug ihn damit immer höher gen Sonne. Es war ein gutes Gefühlt, getragen zu werden. Das Gras war weich und stark.
Je näher die Sonne kam, umso mehr empfand der Grauschmetterling eine merkwürdige Veränderung, die aber nach kurzer Zeit nachließ.
Als er seine Flügel betrachtete, wurde ihm ganz anders und er musste weinen. Nun war auch er ein richtiges Schmetterlingskind, mit leuchtenden Flügeln in den prächtigsten Farben. Nun konnte auch er in die Häuser der Menschen fliegen und Freude bereiten. Denn auch sein Weg war es, jedoch nur auf Umwegen.
Immer wenn ihm danach war, flog er auf die Lichtung, wo das Gras ihn gen Sonne trug, diese ließ ihn dann für einige Augenblicke leuchten. Das gab ihm immer wieder Kraft und Halt, aber auch Sicherheit, da hier oben seine Farben „immer“ zur Geltung kamen.
Dies war sein Weg!