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Schmerzlich

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25.10.2015
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Schmerzlich

Tessas Absatzschuhe klackern unangenehm laut auf den Stufen des ansonsten totenstillen Treppenhauses.
So schnell, wie es ihr möglich ist, hastet sie die Stufen hoch.
Vorbei an der Tür der netten Oma, die ihr immer freundlich, aber bestimmend ihre selbstgemachten Butterkekse aufzwang. Vorbei an dem Fußabtreters des Jurastudenten, der sie jedes Mal auf eine nicht gerade sehr subtile Art und Weise anbaggerte. Vorbei an dem Guckloch des viel zu neugierigen Frührentners.
Als sie schließlich vor ihrer Tür ankommt und nach einer gefühlten Ewigkeit den Schlüssel im Schlüsselloch umdreht, tritt sie endlich in ihre Wohnung ein.
Kaum ist die Tür zu, spürt sie, wie ihre Augen wässrig werden.
Beim Schuh-ausziehen, droht das Salzwasser überzuschwappen.
Nach dem Eintreten in ihr Schlafzimmer rolle die erste Träne quälend langsam ihre Wange hinunter.
Während sie den ersten Blusenknopf öffnet, spürte sie Nässe an ihrem rechten Mundwinkel.
Als sie den Reißverschluss ihrer Jeans runter zieht, entkommt die zweite Träne. Diesmal viel schneller.
Bereits beim Runterzerren der Hose, die Fünfte.
Zu dem Zeitpunkt, als Tessa in nichts als in ihrer rosa Unterhose und von Laken umhüllt, in ihrem Bett liegt, strömen ihr die Tränen das Gesicht runter.
Es war vorbei, er hatte sie verlassen. Alex hatte sie verlassen...
Ein Schluchzen entkommt ihrer Kehle bei dem Gedanken.
Was willst du, Tessa? Was willst du werden? Wer willst du sein?
Und während sie da liegt, das Gesicht in ihrem mittlerweile nassem Kissen begraben, kommen wieder all die Erinnerungen hoch.
Die wunderschönen, glücklich Momente. Die, die voller Liebe, Zuneigung und Freude waren. Aber mit den Schönen, kamen auch die Erinnerungen an die Momente, die von Enttäuschung, Trauer, Verletzlichkeit und Wut geprägt wurden.
Willst du noch auf eine Tasse Kaffee reinkommen?
Herzlichen Glückwunsch. Bist du jetzt zufrieden? Hast du erreicht, was du wolltest?
Sag mal, weinst du gerade? Wegen einem Film?
Dann hör doch einfach damit auf mich zu lieben!
Ich bin ja wohl eindeutig attraktiver als Ryan Gosling!
Wie würdest du denn sein Verhalten interpretieren, wenn du in meiner Lage wärst?
Bleibst du heute Nacht?
Ich habe nie von dir verlangt, dass du dein Leben ändern sollst! Also erwarte es nicht von mir!
Warum? Weil ich dich liebe. Ich liebe dich Tessa Parrish.
Manchmal Tessa, manchmal weiß ich gar nicht wer du überhaupt bist...

Doch mit den Erinnerungen kommt auch der Schmerz. Die Sehnsucht nach diesen Zeiten, den Guten und den Schlechten, ist wie ein scharfes Stechen in ihrer Brust.
Tessa liebte ihn. Gott, wie sehr sie ihn doch liebte. Und jetzt war es vorbei. Endgültig.
Sie hört auf zu weinen, jedoch nur, weil anscheinend ihr Repertoire an Salzwasser aufgebraucht ist.
Der Schmerz stoppt und die Leere setzt ein. Mit brennenden Augen, verstopfter Nase und erschöpften Gliedern liegt sie ganz allein in ihrem nun viel zu großem Bett und starrt die Zimmerdecke an. Die Stille ist erdrückend.
Obwohl sie weiß, dass sie sich somit nur noch mehr Schmerz zufügen wird, dreht sie ihren Kopf langsam, ganz langsam, in Richtung Nachtisch, nur um schließlich in Alex funkelnde, haselnussbraune Augen zu blicken. Um sein nach oben gezogenen Mundwinkel bildeten sich kleine Fältchen. Sie stand neben ihm und beide strahlten um die Wette in die Kamera.
Tessa erinnert sich noch ganz genau an diesen Moment. Es war ihr erster gemeinsamer Urlaub gewesen. Englandrundreise. Zwei Wochen. Es hatte die ganze Zeit über wie aus Kübeln geregnet und es war schrecklich kalt. Aber sie waren so glücklich gewesen. So glücklich...
Eine allerletzte Träne rollt ihr die Wange runter und sie schließt schnell ihre verquollenen Augen, um das Foto nicht mehr länger ansehen zu müssen.
So liegt sie eine Weile in ihrer Bettdecke eingehüllt da. Geschlossene Augen, ihre zitternden, nackten Beine an ihre Brust gedrückt, verlaufendes Make-up, gesenkter Kopf.
Letztendlich kommt der Schlaf schließlich doch. Und ganz kurz bevor sie in die Bewusstlosigkeit hineingezogen wird, kann sie seinen heißen Atem an ihrem Ohr spüren, als ob er ihr, wie all die Nächte zuvor, süße Nichtigkeiten zu flüstern wollte. Doch das tut er nicht, nicht diese Nacht.
Ich kann so nicht mehr weiter machen... Es ist vorbei, Tessa.
Die Erschöpfung übermannt sie und Tessa gleitet in einen traumlosen Schlaf hinein.

 

Hallo haggy,
ich grüße dich. Zuerst einmal ein Kompliment an dich: Ich finde, dass du dich in deinem Text schon ganz gut ausdrückst und teils auch recht bildhaft schreibst. Aber jetzt genug gebauchpinselt, jetzt geht's ans Nörgeln.


Vorbei an der Tür der netten Oma, die ihr immer freundlich, aber bestimmend ihre selbstgemachten Butterkekse aufzwang. Vorbei an dem Fußabtreter des Jurastudenten, der sie jedes Mal auf eine nicht gerade sehr subtile Art und Weise anbaggerte. Vorbei an dem Guckloch des viel zu neugierigen Frührentners.

Zu einen hat's hier einen kleinen Fehler beim "Fußabtreter", was ich aber als störender empfinde ist, dass du hier die Vergangenheit als Zeitform gewählt hast. Ich finde, du solltest auch hier in der Gegenwart bleiben, weil sich mir das Butterkekseaufzwingen, das Anbaggern und das Spionieren ja als alltägliches Ritual darstellt, also welches keineswegs vorbei ist, sondern wohl auch weiterhin so ablaufen wird.


Beim Schuh-ausziehen, droht das Salzwasser überzuschwappen.
Ich finde das ein gelungenes Bild! Allerdings heißt es mM besser "Beim Schuheausziehen", denn erstens wird sie wohl beide ausziehen und zweitens bezieht sich die Substantivierung auf "das Ausziehen"

Nach dem Eintreten in ihr Schlafzimmer rolle die erste Träne quälend langsam ihre Wange hinunter.
Während sie den ersten Blusenknopf öffnet, spürte sie Nässe an ihrem rechten Mundwinkel.
Als sie den Reißverschluss ihrer Jeans runter zieht, entkommt die zweite Träne. Diesmal viel schneller.
Bereits beim Runterzerren der Hose, die Fünfte.
Hier kommst mit der Zeit ein wenig durcheinander. Der Tippfehler bei "rolle" scheint mir, als hättest du da gerne geschrieben "rollte", aber genau wie bei "spürte" solltest du nicht plötzlich von der Gegenwart in die Vergangenheit springen. Schau es dir nochmal genau an, du wirst merken, dass die Gegenwart hier durchaus richtig ist.

Weiter:
"Nach dem Eintreten ..." klingt schon arg gestelzt, ich meine, da findest du eine bessere Formulierung.

"Quälend langsam" ist ein erstes Beispiel dafür, dass du deinen Text nochmal durchgehen solltest nach überflüssigen Adjektiven und Partizipien. Denn genau hier kannst du feststellen, dass derart aufgeblähte Formulierungen oft auch in die falsche Richtung führen: Wer oder was ist gequält, weil sie so langsam rollt? Die Träne? Tessa? Kann die langsame Träne wirklich quälen?

"Den Reißverschluss runter ziehen" ist eine interessante Formulierung, die allerdings auch falsch ist. Das einzige, was du am Reißverschluss runterziehen kannst ist der Pömpel, von dem ich jetzt auch nicht weiß, wie das Teil heißt ;), den Reißverschluss als ganzes wirst du damit aber wohl nicht runterziehen, denn da ginge ja die Hose mit: Kurzum den Reißverschluss kann man halt einmal nur öffnen oder schließen.

"Bereits beim Runterzerren der Hose die fünfte": "die fünfte" bezieht sich immer noch auf die Tränen, daher klein. Und will man jetzt ganz pingelig sein, dann müsste es richtiger heißen: "Beim Runterzerren der Hose bereits die fünfte", da es hier ja um die "bereits fünfte Träne" geht.


Es war vorbei, er hatte sie verlassen. Alex hatte sie verlassen...
Weiterführungspunkte nach einem vollständigen Wort mit Leerzeichen davor. Also: "verlassen ..." im Gegensatz zu einem unterbrochenen Wort wie z. B. "verl..."

Losgelöst von der Geschichte ist die Zeitform absolut korrekt. Aber da du sie im Präsens erzählst wäre hier richtiger: "Es ist vorbei, er hat sie verlassen. Alex hat sie verlassen ..."

Die wunderschönen, glücklichen Momente.

Aber mit den Schönen[,] kamen auch die Erinnerungen an die Momente, die von Enttäuschung, Trauer, Verletzlichkeit und Wut geprägt wurden.
In der Sinnrichtung "Aber mit den schönen Momenten ..." müsstest du "schönen" klein schreiben oder aber: "Aber mit dem Schönen kamen ..." Das Komma danach kann generell weg und auch hier könntest du in der Gegenwart bleiben: "... mit dem Schönen kommen ..."


Manchmal Tessa, manchmal weiß ich gar nicht [KOMMA] wer du überhaupt bist ...

Doch mit den Erinnerungen kommt auch der Schmerz. Die Sehnsucht nach diesen Zeiten, den Guten und den Schlechten, ist wie ein scharfes Stechen in ihrer Brust.
"gut" und "schlecht" bezieht sich auf die zuvor genannten Zeiten, daher klein!


Tessa liebte ihn. Gott, wie sehr sie ihn doch liebte. Und jetzt war es vorbei. Endgültig.
Konsequenter Weise liegt die Feststellung, dass es nun vorbei sei in der Gegenwart, also "Jetzt ist es vorbei."

Sie hört auf zu weinen, jedoch nur, weil anscheinend ihr Repertoire an Salzwasser aufgebraucht ist.
Der Schmerz stoppt und die Leere setzt ein. Mit brennenden Augen, verstopfter Nase und erschöpften Gliedern liegt sie ganz allein in ihrem nun viel zu großem Bett und starrt die Zimmerdecke an.
Find ich gut gelungen!


Um seine nach oben gezogenen Mundwinkel ...

Tessa erinnert sich noch ganz genau an diesen Moment. Es war ihr erster gemeinsamer Urlaub gewesen. Englandrundreise. Zwei Wochen. Es hatte die ganze Zeit über wie aus Kübeln geregnet und es war schrecklich kalt. Aber sie waren so glücklich gewesen. So glücklich...
Ich weiß: Es ist ein Kreuz mit der Zeit ;) Also nochmal: Du erzählst in der Gegenwart von etwas Vergangenem, also Vergangenheit. Würdest du in der Vergangenheit von etwas Vergangenem erzählen, dann Plusquamperfekt. Infolgedessen wäre hier richtig:
"Tessa erinnert sich noch ganz genau an diesen Moment. Es war ihr erster gemeinsamer Urlaub. Englandrundreise. Zwei Wochen. Es regnete die ganze Zeit über wie aus Kübeln und es war schrecklich kalt. Aber sie waren so glücklich. So glücklich ..."

... süße Nichtigkeiten [zu flüstern] wollte
zuflüstern

Ich kann so nicht mehr weiter machen ... Es ist vorbei, Tessa.
weitermachen.

Das mag sich jetzt alles ganz wüst lesen, ganz so, als bliebe kein gutes Haar zurück - so ist es aber keineswegs. Ich habe dir hier zum Teil schon sehr pingelige Makel rausgezogen, weil sonst ja kaum welche da waren ;)

Jetzt noch ein paar Worte zu deiner Geschichte als solche:

Das grundlegend Problem liegt mE darin, - ganz subjektiv! - dass es noch keine richtige Geschichte ist. Wenn du sie für dich einmal in der Ich-Perspektive durchdenkst, dann wirst du vielleicht merken, dass es eher einem Tagebucheintrag nahekommt als einer wirklichen Geschichte:
Tessas Freund macht Schluss, sie kommt nach Hause, grämt sich, schwelgt in Erinnerungen, grämt sich wieder und schläft - aus. Da gibt's nicht viel an Spannung, Platz für eine Wendung hat's hier naturgemäß auch nicht, also plätschert die Erzählung dahin - wenn auch mit teils schon ganz gut gelungenen Bildern.

Du steigst mit einem eigentlich ganz interessanten Ansatz ein, wie du "so im Vorbeilaufen" die häusliche Lebensumgebung darstellst, die liebe Oma und so. Aber für das, was du dann erzählst, könntest du diese Passage ersatzlos streichen, weil sie keine Rolle spielt.

Man kann sich alles, was du erzählst gut vorstellen, man kann sich an teils netten Formulierungen erfreuen, aber das ist dem Leser in der Regel zu wenig. Es passiert nichts, die Erzählung verläuft ohne jegliche Überraschung, ohne Dialog. Versteh mich nicht falsch, es muss nicht immer hoch dramatisch, spannungsgeladen oder grotesk sein, aber so fehlt einfach das Erlebnis für den Leser. Die rückblickenden Zitate finde ich eine gute Idee, aber sie verpufft einfach, auch, wenn sie beginnen ein trübes Bild vom Verflossenen zu zeichnen - nur hat auch dieses kaum Relevanz für den Fortgang der "Geschichte".


Aber Lass dir jetzt bloß nicht den Wind aus den Segeln nehmen, weil das vielleicht so geballt negativ klingt. Ich hätte mir nicht die Mühe gemacht, dir so ausführlich zu antworten, wenn ich nicht der Meinung wäre, dass da schon ein tolles Potenzial ist, das du mitbringst.

Darum würde es mich wirklich freuen, wenn du dran bleibst, an deinem Text, denn Schreiben kannst du gut, und da lohnt es sich allemal, sich an die Details zu machen.

Viel Spaß noch
oisisaus

 

Prinzipiell schließe ich mich den anderen Kommentaren an. Der Konflikt ist zwar vorhanden, nämlich das Schlussmachen, aber es kommt zu keiner richtigen Lösung. Außer, dass sie einschläft, was aber irgendwie unbefriedigend wirkt.

Dennoch muss ich dir lassen, dass du schön formulierst und auch Gedanken beschreibst, die jeder nachvollziehen kann, der schonmal eine Trennung durchmachen musste.

Noch zwei kleine Fehler hab ich entdeckt:

Ich liebe dich KOMMA Tessa Parrish.

nur um schließlich in Alex funkelnde, haselnussbraune Augen zu blicken
Alex = Aleks und da das für den Genitiv sonst typische S bereits vorhanden ist, solltest du dem Jungen einen Apostroph schenken. Alex' Augen.

 

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