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Schleimspuren
Er dachte, ich sei ihm überlegen. Ha! Wie man sich doch täuschen kann. Wie wir deutlich sehen, bin ich diejenige, die auf allen Vieren kriecht und graue Schleimspuren zurück lässt. Ich bin es, die mit der blutenden Nase über den glatten Boden fährt, und ich bin es, die sich nur mit einem halbgeöffneten Auge davon flüchten will. Dieser Fuß auf meinem Rücken! Und nur eine gültige Regel, erstens kommt es immer anders, zweitens als man denkt.
Blenden wir noch einmal zurück...
Ich lief ihm in die geöffneten Arme, rückwärts, zufällig. Er stieß ein erstauntes „Houh?“ aus und ich ein kurzes „Aah!“.
Bei dem Kaffe, auf den er mich spontan einlud, entdeckten wir, dass wir die gleiche Vorliebe hatten, für alles, was mit Honig zu tun hatte. Wir bemerkten, dass wir beide viel zu wenig Geld auf dem Konto hatten, und dass wir beide Anni Friesinger nicht mochten.
Und wie in einem dieser tollen U-Filme saßen wir uns dann gegenüber und wussten nicht weiter. Die anfängliche Magie sollte nicht durch Banalitäten zerstört werden, doch unser Schweigen machte nichts besser. Ich überlegte fieberhaft, was ich ihn noch hätte fragen können. Ich zerbiss meine Unterlippe und verspritzte durch zu heftiges Umrühren meinen Kaffe auf der Tischdecke. Er versuchte weise und entspannt zu wirken und ein harmonisches Lächeln aufzusetzen : „Ich steh über solchen Situationen, alles halb so schlimm, werd du auch mal locker.“ Aber seine Fratze und sein peinliches Bemühen machte alles nur noch unangenehmer.
Eine Weile saßen wir noch so da. Dann stand ich auf, stürzte den Rest meines Kaffes runter und steckte einen Arm in meine knallbunte Jacke. Dabei starrte ich ihm in die wässrigen Augen. Endlich erstarb sein gütiges Lächeln. „Hey, warum hast du es so eilig?“ Er wühlte in seinem Rucksack und zog einen bunten Flyer hervor. Ich band mir den Schal um. Er hielt mir das Ding entgegen. Zögernd nahm ich es an. Er erklärte mir, dass er einer der agierenden Künstler auf einer ElectronicArt- Messe sei und sich freuen würde, wenn ich mir mal seine Installationen ansehen kommen würde. Ich nickte und verfluchte diesen blöden Künstler, der schon wieder sein harmonisches Grinsen aufsetzte. Ich imitierte seinen Gesichtsausdruck, was ihn zu freuen schien, denn seine Augen traten plötzlich seltsam hervor.
Eine Woche später saß ich zu Hause in der Küche und starrte auf die hellblauen Küchenschränke. Heute war der erste Tag seiner Messe und ich wog zum zwanzigsten mal ab, ob es klüger wäre schon heute hinzugehen oder erst morgen. Die ganze Woche lang hatte ich mich mit dem Künstler auseinandergesetzt. Ich hatte mir auch schon einen Namen für ihn überlegt: Alois. Ich schwor mir, dass, wenn er wirklich diesen Namen trug , ich auf keinen Fall mit ihm ins Bett gehen würde. Alois. Peinlich.
Das Argument, rumzusitzen bringt mich auf keinen Fall weiter, trieb mich dann doch zum Kleiderschrank. Ich wählte mein schrillstes Outfit, grün und rot, in dem mich niemand übersehen würde. Raus aus der Tür und auf die Straße. Mit dem Auto fuhr ich in die Innenstadt und parkte direkt vor dem platten Gebäude, in dem sich seine Messe befinden sollte. Und als ich von außen durch die großen Fenster nach innen schaute, entdeckte ich ihn sofort. Er trug eine enge Jeans und ein schönes Lederjackett und winkte mir strahlend zu. Nervös zuckte meine Hand auf und nieder und seine Geste wurde immer größer und ungeduldiger. Affe!
Ich ging zum Eingang und betrat die geräumige Halle, warme Luft schlug mir entgegen und das Licht schien von außen viel matter gewesen zu sein. „Du kommst genau richtig, ich brauch deine Hilfe, komm schnell.“ Er packt mich an der Hand und zog mich in die Richtung einer vorher unsichtbaren Tür. Ich sah mich schnell um, außer uns waren vielleicht 20 Leute im Raum, überall blinkten und leuchteten Birnen in allen erdenklichen Farben und am Ende des Raums stand ein gläserner Swimming Pool, gefüllt mit violett-leuchtenden, springenden Bällen.
Er stieß die Tür auf. Es war dunkel. „Hör zu.“ Er ließ meine Hand los und sah mich direkt an. „Einer meiner Leute ist ausgefallen. Ich brauch deine Hilfe.“ Langsam gewöhnten sich meine Augen an die neuen Lichtverhältnisse. Seine blassen Augen versuchten mich eindringlich anzustarren. Ich zuckte mit den Schultern. Um uns rum stand allerlei altes elektronisches Zeug, Computer, Fernseher, sogar ein Automotor.
„Cool, verdammt cool.” Er strahlte mich an und schlug mir auf die Schulter.
Der Kampfplatz war in gold, rot und lila gehalten. Monitore standen in regelmäßigen Abständen um das Quadrat herum und Alois, ich wusste immer noch nicht, ob er wirklich so hieß, erklärte mir, dass auf dem Boden der Kampffläche winzige Kameras sein, die dem Zuschauer den Kampf noch viel näher bringen sollten. Er solle sich wie eine Ameise mitten im Geschehen fühlen. Und dann holte er Bruno. Bruno war genauso groß wie ich, aber er hatte Muskeln und ein fleischiges Kinn.
Alois klopfte mir auf die Schultern. „Danke noch mal. Ganz toll, dass du das machst. Aber lass mir von Bruno noch was übrig.“
Bruno grinste. Ein ehrliches Grinsen.