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Schlachttag
Schweinebauer Zacharias Matthäus, genannt Hiasbauer fütterte an diesem kalten Novembermorgen seine 56 Zuchtsäue, als ein hagerer, groß gewachsener Mann mit Ziegenbart seinen Stall betrat.
Ohne zu grüßen sagte der Mann: "Sie wissen, dass man für ein Kilo Schweinefleisch 100 Kilo Getreide und 200 Liter Wasser verbraucht?"
„Das langt nicht. Bei weitem nicht. Nie und nimmer“, antwortete Zacharias und zeigte auf ein paar große Säcke.
„Allein die Futterzusatzmittel kosten ein Vermögen. Eine Frechheit sondergleichen, wie soll ein ehrlicher Mann da seinen Kredit abbezahlen für die neue Halle?“, grummelte er weiter.
Der Besucher richtete seine schon hohe Gestalt noch weiter auf. Sein Brustbein knackte vernehmlich.
„Sie verbrauchen eine absurde Menge an Energie, Wasser und wertvollen, gesunden Lebensmitteln, um diese, diese – ekelhaften, aufgeblähten, stinkenden Tiere zu mästen! Sie…“
„Und Futterzusatzmittel, die sind besonders teuer, nicht zu vergessen“, unterbrach ihn der Bauer und stieß seinen Scheffel tief in einen offenen Sack.
Er hielt dem Besucher den Scheffel unter die Nase.
„Schauen sie her. Was sehen sie? Na?“, fragte er und machte eine finstere Miene. Sein dichter schwarzer Schnurrbart betonte die heruntergezogenen Mundwinkel.
Sein Besucher holte tief Luft und sprach mit einer lauten, aus dem Bauch kommenden Befehlsstimme: „Es ist mir vollkommen egal, mit welchem Gift sie die armen Tiere…“
„Nein, kein Gift!“, rief Zacharias, „ganz im Gegenteil! Schauen sie doch! Sehen sie da in dem ganzen Knochenmehl die gelben Körner?“
Sein Besucher trat widerwillig einen Schritt näher.
„Ja, da sind gelbe Körner drinnen. Ich sehe sie“, sagte er.
„Antibiotika! Super Erfindung von mir! Ich krieg sie billig vom Dorfarzt, sind abgelaufene, alte Tabletten, die zerstoße ich und spare mir so den Tierarzt. Na, das hätten sie einem dummen Schweinebauer nicht zugetraut oder?“
Sein Besucher schnappte empört nach Luft. Sein Ziegenbart zitterte vor Erregung. Die Säue schienen die Anspannung zu spüren und sorgten für einen akustischen Hintergrund aus Grunzen und Quieken.
„Sie verfüttern auch noch Antibiotika? Nicht einmal Bioschweine sind das! Ich werde sie anzeigen! Der Tierarzt…“
Der Bauer stieß seinen Scheffel wütend in des Besuchers Richtung.
„Nichts mit anzeigen! Der Tierarzt weiss davon. Ich zahl ihm ja auch jede zweite Untersuchung, die er nicht durchführt. Und durch die Medizin heilen die offenen Wunden viel besser ab, die die blöden Viecher bekommen wenn sie sich wieder mal am Metallgatter die fetten Bäuche aufreißen. Blöde Scheißviecher. Hasse sie“, sagte der Hiasbauer laut. Seine Hautfarbe nahm eine ungesunde rote Färbung an.
Der hagere Besucher wurde dagegen ganz blass im Gesicht. Flink machte er paar Schritte zum Eingang des Stalles und griff sich die dort lehnende Mistgabel.
„Ihr seid alles was falsch läuft in dieser Welt! Verroht, dumm und gefühllos!“, schrie er und wirbelte die Mistgabel geschickt um seine Taille um sie dann, unter den Arm eingeklemmt, die Zinken voraus, auf das Gesicht des Bauern zu richten. Den anderen Arm hatte er von sich gestreckt, stand er da in einem tiefen Ausfallschritt.
Der Bauer machte einen überraschten Schritt zurück.
„Das war verdammt cool, Körnerfresser. Muss man zugeben, aber nicht gut genug. Vor dir steht nicht ein üblicher Schweinebauer“, sagte er.
Die gedrungene Gestalt des Bauern schien sich zu verändern. Seine Gummistiefel scharten im stinkenden Streu und suchten einen sicheren Stand.
„Ich werde dich schlachten, Schweinebauer, zum Wohle der Welt und vor allem dieser armen Tiere, die ich in die Freiheit entlassen werde, damit sie so leben sollen wie GOTT DER HERR es vorgesehen hat. In Frieden und im magischen Einklang mit der Natur“, flüsterte der hagere Besucher. Die Zinken der Mistgabel fingen an, in einem grünen Licht zu glühen.
Er wirbelte die Mistgabel wieder um seine Taille, zog mit seinen Birkenstocksandalen einen Halbkreis vor sich, verrenkte sich in komplizierten Manövern und sprang plötzlich drei Meter in die Luft um wie ein Raubvogel auf den Schweinebauern herabzustoßen.
„Schlachten werde ich dich!“, schrie er dabei.
Zacharias bewegte sich übermenschlich schnell nach hinten, wobei seine Gummistiefel kaum den schmutzigen Stallboden zu berühren schienen. In einer einzigen fließenden Bewegung packte er zwei Schlachtschussapparate, überkreuzte sie und blockte den Stoß der Mistgabel.
„Geschlachtet wird nicht mit der Mistgabel“, keuchte er in das Gesicht des anderen.
Es entbrannte ein epischer Kampf. Während der hagere Angreife Vorteile in der Reichweite hatte, lag die größere Kraft beim Schweinebauern und die Schlachtschussapparate in seinen Händen schienen natürliche Erweiterungen seines Körpers zu sein. Sie sangen ihren harten Rhythmus und stanzten Löcher in Arme und Beine des anderen.
Doch schließlich, nach einem kaum wahrnehmbaren Wirbel von Angriffen, drangen die Zinken der Mistgabel in den massigen Körper des Bauern ein und traten am Rücken wieder aus.
Der Schweinebauer sank tödlich getroffen zu Boden.
Aus mehreren Wunden blutend ließ der hagere Mann die Mistgabel sinken.
„Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan“, flüsterte er dem sterbenden Zacharias zu.
Er stellte sich breitbeinig über den Bauern, öffnete seinen Hosenschlitz und pisste ihm ins Gesicht.
Danach holte er sein Handy hervor und wählte eine Nummer, ohne den Bauern, der ihn mit glasig werdenden Augen anstarrte, weiter zu beachten.
„Ja, es ist erledigt. Ein Unfall sozusagen, ist in seine Mistgabel gestürzt. Ja der Kredit ist fällig gestellt, dieses abstoßende Loch gehört der Bank, also uns. Ab morgen können die Maschinen anrücken und den wundervollen Tierpark errichten.“
Er ließ das Handy sinken und starrte auf die Schlachtschussapparate, die den breiten Händen des Hiasbauern entglitten waren.
Dann hob er das Handy noch einmal.
„Die dreckigen Viecher sind kein Problem mehr. Es wird genug Platz sein für die edleren Geschöpfe des Herrn.“