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- Anmerkungen zum Text
Dies ist meine erste Kurzgeschichte. Über konstruktive Kritik freue ich mich
Hier einige Links zum historischen Hintergrund:
https://en.wikipedia.org/wiki/Berliet
https://en.wikipedia.org/wiki/Pals_battalion
https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_an_der_Somme
Schicksal
Am Horizont grollte es. Ein Pfiff unterbrach das Gelächter.
„Los, es geht los! Auf!“ Brown kam in die Scheune, in der es sich die Soldaten gemütlich gemacht hatten. Der dickbäuchige Feldwebel war doppelt so alt wie die Neuankömmlinge, für deren Transport er heute zuständig war. Die gerade mal achtzehn bis neunzehnjährigen Soldaten lagen allesamt im Stroh verteilt. Ihre Uniformen sahen aus wie frisch aus der Schneiderei. Die fünf Soldaten erhoben sich.
„Fast schon paradereif“, dachte Brown, als er einen dieser armen Irren dabei beobachtete, wie er noch schnell seine Knöpfe nachpolierte, bevor er sich sein Gewehr schnappte.
Die Knöpfe auf Browns Uniform waren verschlissen, einer hing sogar leicht herab. Und auch der Rest seiner Uniform hatte weitaus bessere Tage gesehen.
„Der Transporter ist gleich hier, ich kann ihn schon sehen.“ Brown lehnte sich demonstrativ aus der Tür und blickte den Feldweg hinab.
John strich sich das Stroh von der Uniform, nahm sein Gewehr und folgte den anderen nach draußen.
„Ja, da sind sie“, rief George. „Mann, so ein Glück ist kaum zu fassen oder? Ich meine, die gesamte Ausbildung über, bis heute, waren wir immer zusammen. Ich hatte ja gedacht wir würden alle vielleicht doch noch auf andere Einheiten verlegt, aber sieh uns jetzt an. Alle vereint. Naja, bis auf Benett.“
„Ja, selbst unsere beiden Trunkenbolde haben sie extra für unsere große Feuertaufe früher aus ihrer Disziplinarhaft entlassen“ sagte John lachend.
Ein Berliet-Transporter kam scheppernd über den holprigen Feldweg angefahren. Auf der Ladefläche standen Charlie und Jack und winkten ihnen euphorisch zu. Dahinter saß ein Offizier.
Der Wagen stoppte vor ihnen.
„Okay, Männer, rauf auf den LKW“ befahl Brown, und nickte dem Offizier auf der Ladefläche kurz zu.
Die fünf Soldaten schwangen sich auf den Berliet, umarmten ihre beiden Freunde nacheinander, und nahmen dann Platz auf den Sitzbänken des Transporters.
„Mensch, da seid ihr ja! Na, wie war´s im Knast? Wir dachten schon, ihr würdet gar nicht mehr rauskommen vor unserem großen Tag!“ rief John ihnen zu.
„Verdammt langweilig, aber bestens zum Kater auskurieren “ sagte Jack mit einem Lächeln. „Muss ich aber nicht wiederhaben. Bei der nächsten Flasche Schnaps bin ich raus.“
„Als ob!“ rief John. „Du hast doch am meisten gebechert, darum konntest du auch nicht mehr so schnell weglaufen.“
„Psst, sonst hört euch der Feldwebel“ warf George flüsternd ein und warf einen fast ängstlichen Blick zum Wagenende. „Wir sollten am ersten Tag vorne vielleicht nicht direkt ´nen schlechten Eindruck hinterlassen!“
„Ach, Streber-George mal wieder!“ sagte John mit einem Grinsen und winkte höhnisch ab.
„Ja, bei der nächsten Pulle lassen wir uns einfach nicht mehr erwischen. Vor allem ihr beide nicht“ John deutete auf Charlie und Jack. „War ja auch nicht gerade schlau, mitten auf dem Kasernenhof so einen Lärm zu machen.“
Wären sie alleine gewesen, hätten sie laut losgelacht, bei der gemeinsamen Erinnerung an diese verrückte Nacht, doch der Offizier am Ende der Ladefläche blickte bereits zu ihnen herüber, so dass sie ihr Kichern mühselig unterdrückten.
Der Wagen fuhr an. Die Soldaten hielten sich an den Sitzbänken fest, als der Berliet sich weiter über den unebenen Weg schleppte.
Jack blickte sich auf einmal hektisch um.
„Wo ist eigentlich Benett?“ fragte er erstaunt.
„Ihr habt es noch nicht gehört?“, fragte John mit weit aufgerissenen Augen. „Er hatte einen Unfall. Das Pferd vom alten Dubois, der die Kaserne beliefert, ist durchgegangen, samt Kutsche. Hat ihn glatt überfahren.“
„Oh mein Gott! Wann ist das passiert?“ wollte Jack wissen.
„Vor drei Tagen. Sein linkes Bein hat´s wohl schlimm erwischt, meinte Martine aus dem Schwesternheim, aber der Arzt hat wohl gesagt, man könne es retten. Er habe Glück im Unglück gehabt“ berichtete Jack, während er sich seine viel zu große Pfeife mit Tabak vollstopfte.
„Scheiße! Und jetzt? Kommt er noch nach?“ fragte Charlie besorgt.
„Nein, das kannst du vergessen, denke nicht, dass er noch für den Dienst geeignet sein wird“ Jack zündete sich seine Pfeife an „Denke er schippert gerade zurück über den Kanal.“
„Verdammt! Was für ein Schicksal! Dabei hat er sich noch am meisten auf den großen Tag gefreut. Letzte Woche hat er mir noch erzählt, dass er es kaum erwarten kann, die ersten Orden entgegenzunehmen. Er hat auch immer von einer Statue von uns allen auf dem Marktplatz zuhause geträumt, wenn alles vorbei ist. Wenn sie die später bauen, ist er nicht dabei.“ Jack wirkte niedergeschlagen, kein Wunder, kannte er Benett doch am besten von allen. Die Höfe ihrer Eltern lagen direkt nebeneinander.
„Ja, schrecklich. Wir sollten ihm schreiben, sobald wir da sind“ schlug George vor.
„Und ihn noch daran erinnern, dass er das größte Abenteuer seines Lebens verpasst? Als einziger des ganzen Dorfes? Willst du ihn noch mehr quälen?“ Jack deutete eine Ohrfeige in Richtung George an.
„Stimmt auch wieder. Verdammter Gaul. So ein Pech“, gab dieser sich einsichtig.
„Es hätte jedem von uns passieren können, die Woche davor hatte ich noch Dienst beim alten Dubois. Ich hab dem Vieh von Anfang an nicht getraut. Viel zu schreckhaft. Nicht wie unsere Pferde zuhause“, sagte Jack.
„Ja, jeder von uns kann froh sein, dass er jetzt nicht selbst da liegt und alles hier verpasst. Für Benett ist es bestimmt eine einzige Schmach, nicht mit dabei zu sein, während wir alle fleißig Orden sammeln dürfen“, ergänzte Charlie.
„Ja, was für ein Schicksal“, stimmte John ein.
„Schicksal ist das richtige Wort!“ rief Jack. „Armes Schwein!“
Sie alle nickten zustimmend bis auf den Offizier, der schon seit einer Weile nicht mehr zuhörte und nur noch Richtung Himmel starrte.
„Das Grollen wird lauter“ sagte George.
„Okay, Männer, prüft ein letztes Mal eure Gewehre, es ist nicht mehr weit“, rief der Offizier am Wagenende.
Der Transporter bog an der nächsten Kreuzung links ab und überquerte einen Fluss. Davor stand ein weißes Schild auf dem in schwarzer Farbe nur ein Wort geschrieben stand: