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Schicksal

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03.02.2012
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Schicksal

Der Raum wirkte beinahe unbewohnt. Es war kein großer Raum, schien aber durch seine Verwahrlosung und Kargheit größer zu wirken. Die spärliche Einrichtung bestand aus einem einfachen Bett, dessen linker Pfosten zur Fußseite hin schon so weit gelockert war, dass er die Verzahnung, mit der er am Rahmen verleimt war, zu erkennen gab und in einem recht abenteuerlichen Winkel abstand. Den restlichen Platz im Raum teilten sich eine alte, durch häufigen Gebrauch verschlissene Waschschüssel, deren Emaille schon an mehreren Stellen rissig und abgeplatzt war, sowie ein hohes Bücherregal, welches sich dem ansonsten rechtwinkligen Raum zum Trotz leicht schräg entgegen zu lehnen schien, gleich einem stummen Protest.

Ein Tischlein mit zwei wacklig aussehenden, altmodischen Stühlen bildeten den Rest des Mobiliars. Die grauen, steinernen Wände hatte wahrscheinlich nie irgendwelchen Putz gesehen, oder er war mit der Zeit nicht mehr erkennbar vorhanden, und die unzähligen Spinnweben, die überall staubschwer hinunterhingen, ließen den Raum eher verlassen als bewohnt erscheinen. Ein Fenster, von außen durch schwere, hölzerne Fensterläden verschlossen, und innen durch einen nicht anders als hässlich zu beschreibenden Vorhang aus dickem, sackartigen und mottenzerfressenen Stoff verhangen, spendeten selbst am Mittag kaum Licht und tauchten den Raum in einen diffusen, immer dunklen Zustand ewiger Dämmerung. Der Staub hatte fast überall im Raum Gelegenheit, zu einer beinahe teppichartigen Schicht heranzuwachsen, ungestört durch jegliche Art von Berührung. Einzig der Tisch, einige Bücher in dem so trotzig daherstehenden Regal und eine Art Trampelpfad - vom Bett zum Waschplatz und von dort aus zum Tisch - waren weitestgehend staubfrei und legten Zeugnis ab von der Bewohntheit des Raumes.


Der Mann lies sich schwer auf einen der Stühle nieder, was von einem knarrenden Stöhnen kommentiert wurde, fummelte mit zittrigen Händen in seinen tiefen Taschen, und fischte zwischen einem gebrauchtem Taschentuch und einigen anderen, unidentifizierbaren Gegenständen schließlich eine verknitterte Schachtel Zündhölzer hervor. Im Halbdunkel entnahm er der Schachtel umständlich ein Zündholz und brach es bei dem Versuch, es noch immer mit viel zu zittrigen Händen an der angerauten Seitenwand der Schachtel zu entzünden, ab. Unter leisem Fluchen entnahm er gleich zwei weitere Zündhölzer, um sie beide zusammen, begleitet von dem charakteristischen Zischen, an der rauen Stelle zu entzünden.
Ein flackerndes Aufflammen der Zündhölzer bevölkerte den Raum mit Schatten, hektisch umherhuschenden Wesen gleich, die, aufgeschreckt durch das plötzliche Licht, Schutz in irgendwelchen Ecken zu suchen schienen. Mit ihnen zündete er eine halb herunter gebrannte Kerze an, deren Kerzenständer durch das viele Wachs, welches an ihm herunter gelaufen war, den Anschein erweckte, als würde er direkt aus dem Tisch gewachsen sein.

In dem sanften gelben Licht waren die unzähligen Notizen und Skizzen, die auf vergilbten Blättern überall auf dem Tisch in wirren Haufen verstreut lagen, gut zu erkennen.
Das sanfte Hin und Her der Kerzenflamme konnte fast den Eindruck erwecken, als wären die Zeichnungen lebendig, als würden sie sich bewegen, sobald man nicht mehr sein volles Augenmerk auf sie richtete - und erstarren, sobald man sie genauer betrachtete.
Mit vor dem Licht zusammen gekniffenen Augen und aschfahlem Gesicht, in dem nichts anderes als blankes Entsetzen geschrieben stand, kramte der Alte in einem Stoß Blätter und verteilte - in dem Bemühen, ein leeres Blatt Papier zu finden - den Großteil ungeschickt auf dem Boden, um schließlich ein zerknittertes Blatt mit unbenutzter Rückseite in seinen langen, dünnen Fingern zu halten. Viel zu hastig, beinahe hektisch, zog er es zu sich und verdankte allein der Tatsache, das Tisch und Kerze eine so untrennbare Einheit geworden waren, dass selbige nicht umkippte. Beinahe auffordernd rollte ein schon recht kurz zugespitzter Bleistift mit einem leisen, aber in der Stille des Raumes trotzdem aufreizenden, schnarrenden, klackenden Ton dem Blatt langsam hinterher. In halbwachem Zustand, mit offenem Mund stoßweise atmend und vor Entsetzen geweiteten Augen, grabschte der Alte, beinahe wie nach einem Insekt schlagend, nach dem Stift, um ihn dann fest zu umklammern und in seiner Hand zu halten, als wäre es ein Seil, welches ihn vor einem Sturz in einen unendlichen Abgrund zu retten vermag.

Eine ganze Weile lang saß der Mann schweigend so da, ohne fähig zu sein, sich zu rühren. Sein Blick starr gerade aus, mit vor Entsetzen und Angst verzerrtem Gesicht, Schweiß auf der Stirn. Den Körper verkrampft, bis ihm die Sehnen am Hals hervortraten, in dem zwanghaften Bemühen, nicht zu dem einzigen Fenster im Raum zu schauen. Eine Hand auf dem Papier, die andere den Bleistift noch immer fest umklammernd, begann er zu zeichnen, ohne es recht zu merken, mit ungelenken, viel zu steifen Fingern, grobe hastige Striche über das Papier ziehend - mehr darum bemüht, nicht zu dem aus unerklärlichen Gründen furchteinflössendem Fenster zu schauen, als auf die Zeichnung zu achten. Auch als die Spitze des Bleistiftes abbrach, weil er viel zu fest mit diesem auf das Papier drückte, kritzelte er wie besessen weiter, nun umso fester drückend, dass das Holz nur so über das Papier kratzte. Den Blick ins Leere auf etwas, was nur in seinem Kopf zu existieren schien, gerichtet, einem gedachten, geträumtem Etwas, welches kein Gegenstück in der Realität hatte, kratzte er weiter fieberhaft auf dem Papier. Den Oberkörper versteift und angespannt. Seinen Kopf schon seit geraumer Zeit, unbemerkt wie unter Zwang, zu jenem verfluchten Fenster gerichtet. Sein Gesicht immer noch jene angstverzerrte, starre Maske, mit Augen, die nichts in dem Raum und doch darüber hinaus zu sehen schienen.

Es verging einige Zeit bis der Alte, wie aus einem Traum erwachend, blinzelnd das Fenster fokussierte. Mit einem heiserem Röcheln, das ein Schrei hatte werden sollen, sprang er vom Stuhl auf, ihn dabei umkippend und sich auf dem Tisch abstützend, auf wackligen Beinen stehend, seine Hand in die Zeichnung gekrallt. Panisch, rückwärts gehend, jenes schauerliche Fenster nicht aus den Augen lassend, taumelte er bis zur weit entferntesten Ecke des Raumes, um sich die sichere Wand im Rücken wissend, dort nieder zu kauern und das Fenster weiterhin anzustarren. "Ein Fenster verdammt, es ist bloß ein Fenster", schalt er sich, seine Gedanken zum lauten Protest aussprechend selbst.

Er kannte den Ausblick und hatte schon viele Male zuvor die Aussicht auf das Panorama, welches es bot, genossen, und beinahe ebenso oft gezeichnet. Er konnte die verdreckten Schieferdächer mit ihren qualmenden Schornsteinen und den alles überragenden Kirchturm, der herrisch und mit seinen Wasserspeiern beinahe bedrohlich in der Ferne aufragte, schon lange auswendig zeichnen. "Dort draußen ist nichts, was ich nicht kenne, nichts, was mir Schaden zufügen könnte", beruhigte er sich selbst.
Nur, wieso hatte er dann solch eine Angst. Wieso war er sich so sicher, das dieses Fenster ein solch schreckliches Verhängnis für ihn bereit hielt. Nachdem er sich, auf solche Art eine Weile selbst Mut zugesprochen hatte, rappelte er sich langsam, mit den Händen nach hinten die Wand abtastend, wieder auf. Zögernd, jeden Schritt neu überdenkend, als laufe er über ein Minenfeld und nicht nur über die hölzernen Dielen seines Zimmers, ging er auf das Fenster zu. Beinahe angekommen, blieb er einige Schritte vor dem Fenster stehen, eine Hand ausgestreckt, den Oberkörper leicht vorgebeugt, um den Vorhang beiseite zu ziehen, nur um zu erkennen, dass er noch nicht nahe genug war, und so weit er sich auch vorbeugte, jenes verdammte Fenster nicht erreichen konnte. Leise sich selbst verfluchend, sich der lächerlichen Figur, die er machen musste, bewusst, sprang er fast zu dem Fenster vor, und riss wütend die elenden Fetzen beiseite, die als Vorhang dienten. Schnell atmend, den Körper erwartungsvoll angespannt, starrte er auf die grün gestrichenen Fensterläden. Die hölzernen Lamellen schienen ihn geradewegs spöttisch und überdimensional anzugrinsen.
Noch immer wütend öffnete der Alte hektisch das Fenster und riss es auf. Er wollte gerade die Fensterläden öffnen, hielt dann aber jäh inne, als er meinte, ein Geräusch zu hören.

Es klang wie ein leises Stöhnen. Es mochte der Wind sein, ganz sicher war es der Wind, was sollte es sonst sein, dachte er sich. All seinen Mut zusammen nehmend, stieß er die Fensterläden, mit angehaltenem Atem, nach außen hin auf. Was er sah, lies ihn erleichtert ausatmen. Die rußigen Schieferdächer, der leicht düster wirkende Kirchturm und jene das Landschaftsbild prägenden Berge, boten den vertrauten und gewohnten Anblick. Über alle Maßen erleichtert und froh über die Aussicht, rief er mit zittriger Stimme, beinahe lachend, ein "Ha! Alles normal!", aus. Leise, unbewusst und leicht hysterisch kichernd, wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Stirnrunzelnd, immer noch lächelnd, starrte er aus dem Fester. Die Farben wirkten blass, wie bei Nebel. Alles wirkte eindimensional und diesig. Wirkte verschwommen! Da war auch wieder jenes unheimliche Stöhnen. Sein Lächeln gefror.
Die Farben schienen ineinander zu laufen, einem zu nassen Bild gleich, das zu früh aufgehangen worden war. Hektisch rieb der Alte sich die Augen, um dem Spuk ein Ende zu machen. Einen kurzen Moment hielt er die Augen noch geschlossen und betete zu sich selbst, dass er sich nur getäuscht hatte.

Doch als er seine Augenlieder langsam wieder öffnete, blickte er auf eine bizarre, verlaufene Landschaft, einer schlechten Kopie Dali's Bilder gleich. Immer schneller schienen die Farbe zu verlaufen, zu einem Zentrum hin, einem Wirbel von Farben, bis nichts mehr zu erkennen war und schließlich das Farbchaos selbst in einem schwarzen Nichts verschwand.

Das Stöhnen wurde lauter und lauter und lauter, schwoll zu einem dumpfen Dröhnen an und veränderte seine Tonlage schließlich zu einem schrillen Kreischen, dass es in den Ohren schmerzte und den Mann mit zu Fäusten geballten Händen die Ohren zuhalten lies. Doch der Schrei wurde nicht leiser, wenn überhaupt wurde er lauter, als sei er in seinem Kopf, einem eingefangenen Insekt gleich, das wieder hinaus will. In sich gekrümmt ließ er die Hände sinken, um zu erkennen, das ER es war der aus voller Kehle schrie. Noch gekrümmt, mutierte der Schrei schließlich in ein hysterisches, lautes Lachen, dass es seinen dürren Körper schüttelte und ihn beinahe krampfartig zucken ließ. Dieses falsche, freudlose Lachen lachend, richtete er sich auf und feixte das unmögliche Nichts an. Im selben Moment gab es einen explosionsartigen Knall, und alle Luft schien aus dem Raum zu entweichen.

Die Kerze erlosch. Sämtliche Blätter wirbelten im Raum umher und zum Fenster hinaus. Der Sog ließ die Vorhänge flattern. Irre lachend, mit tränenden Augen, starrte der Alte auf das Nichts, in dem seine Skizzen verschwanden. Fassungslos über dieses völlige Fehlen von Allem, schlich er nun schweigend auf das Fenster zu. Langsam, zögernd streckte er einen Arm hinaus, in der Leere herumtastend wie ein Blinder, der nur sich selbst sieht.
Nichts. Weder oben noch unten, weder Hinten noch Vorn. Endloses Schwarz. Keine Sterne, kein Mond. Laut schrie der Alte dem Nichts entgegen. Kein Echo. Die ganze Welt schien nur noch aus seinem Zimmer und dieser schwarzen Leere zu bestehen. Stumm den Kopf schüttelnd, mit aufgerissenen Augen, beugte er sich aus dem Fenster, um an der Hausfassade endlang sehen zu können. Wieder nur endloses Schwarz. Außer dem Fenster schien "Draußen" nichts zu existieren. Zitternd und keuchend stellte der Alte entsetzt fest, dass die Welt nicht mehr existierte, dass NICHTS mehr existierte. Hatte je etwas anderes Existiert?, fragte er sich in Selbstzweifel ergehend.

Die schiere Unendlichkeit des Nichts ging über sein Verstand, sprengte, obwohl er sie sah, seine Vorstellungskraft und ließ sein Zimmer, das einzig auf der Welt noch Gestalt habende, wie Rettung und Falle zugleich erscheinen. Er fühlte sich gefangen, eingeengt, alleine und unendlich einsam. Mit gehetzten Blick, als wäre ein unsichtbarer Feind hinter ihm her, schaute der Mann sich in dem viel zu kleinen Zimmer um, das sogar noch zu schrumpfen, ihn fast zu erdrücken schien. Fluchtartig, beinahe froh, stürzte er sich aus dem Fenster der Leere, der Unendlichkeit entgegen. Endlose Sekunden lang fiel er so dem Nichts entgegen. Allein mit sich und seinen Gedanken. Er fühlte sich vollkommen frei, und dachte gerade, wie einzigartig und schön doch das Leben sei, bevor die Realität der Welt auf ihn einstürzte, er aufschlug und starb.

In der Hand hielt er, zerknüllt, seine letzte Zeichnung. Hätte sich jemand die Mühe gemacht, sie zu entfalten, so sähe er darauf einen Mann, der mit verrenkten Gliedern, offensichtlich tot, unterhalb eines Fensters liegt.....

 

Hallo Asdridan

Deine Geschichte fand ich, besonders gegen den Schluss hin, spannend und von der Idee her besonders. Doch bin ich zwiespältig, da es mich als Leser an einigen Stellen aus dem Lesefluss warf. Nachfolgend habe ich einige Passagen festgehalten, die mich besonders irritierten.

Ich verstehe nicht, warum du mit relativierenden Sätzen zu Beginn eröffnest. Dies war mir als Leser ausbremsend:

Der Raum wirkte beinahe unbewohnt. Es war kein großer Raum, schien aber durch seine Verwahrlosung und Kargheit größer zu wirken.

Wenn ich lese, der Raum wirkte unbewohnt, gibt es mir bereits eine Vorstellung, ohne den Raum detailliert zu kennen. Wirkte suggeriert mir schon, es muss nicht so sein. Auch im folgenden Satz stellt sich diese Problematik, noch zusätzlich mit einer Verdoppelung von Raum und wirken belastet. Dies liesse sich eleganter lösen, etwa durch: Der Raum wirkte unbewohnt. Es war kein großer Raum und verwahrlost, erschien aber durch seine Kargheit ausladender. Es sind also deine Worte, und nur wenig auf das Aussagekräftige reduziert und für gleichlautende Worte synonyme Begriffe angewandt.

Die spärliche Einrichtung bestand aus einem einfachen Bett, dessen linker Pfosten zur Fußseite hin schon so weit gelockert war, dass er die Verzahnung, mit der er am Rahmen verleimt war, zu erkennen gab und in einem recht abenteuerlichen Winkel abstand.

Dass sich die Verzahnung zu erkennen gab, klingt schwülstig, und abenteuerlich weist sich als Floskel.

Die räumliche Präsentation schliesst du (vorläufig) ab mit:

Den restlichen Platz im Raum teilten sich eine … Waschschüssel … sowie ein hohes Bücherregal …

Doch im nächsten Absatz(!), ist dann doch noch ein Tischchen. Dies irritiert, da ist ja noch mehr im gleichen Raum. Die Aufzählung ist folglich nicht in sich geschlossen.

Die grauen, steinernen Wände hatte wahrscheinlich nie irgendwelchen Putz gesehen,

hatten

Mit vor dem Licht zusammen gekniffenen Augen und aschfahlem Gesicht,

Hier dünkte mich durch das Licht zusammengekniffenen wendiger formuliert, es stellt ja eine Blendung dar.

Im Text hat es noch Wiederholungen, die es eigentlich nicht bräuchte. Auch waren für mein Empfinden noch andere, doch weniger stark abhebende Redewendungen drin, die sich schöner darstellen liessen.

Doch gefallen hat mir deine Geschichte, wie bereits zu Beginn gesagt. Mit etwas Schliff könntest du da aber mehr herausholen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Anakreon,

Danke für dein Feedback!

Der Hinweis mit der zweifach abschließenden Raumbeschreibung ist sehr hilfreich.

Tatsächlich gehört der erste Satz des 2. Abschnitts eigentlich eher noch zum 1. Absatz und somit wird „der Rest“ gedoppelt. Ich werde versuchen das demnächst umzuformulieren.

Bei deiner alternativen Formulierung „durch das Licht zusammengekniffen“ drängt sich mir beim lesen spontan das Bild eines Disney Zeichentricks auf, indem Licht mit zu Gestalt gewordenen Lichtfingern die Augenlider des Mannes schließt. Ich habe den Satz probeweise in den Abschnitt geschrieben aber bleibe jedes mal an ihm hängen.

Lösung:

„Von dem Licht geblendet , mit zusammen gekniffenen Augen und aschfahlem Gesicht , in dem nichts anderes als blankes Entsetzen geschrieben stand, kramte der Alte in einem Stoß Blätter und verteilte.
Diese Formulierung empfinde ich geeigneter.

Was den gebremsten Lesefluss betrifft.
Die Sätze in dem Text sind allgemein etwas arg verschachtelt und manchmal auch etwas sperrig… Das ist mir durchaus bewusst und gewollt, schlicht weil es mir persönlich gefällt.

Aber du beziehst dich ja explizit auf die Relativierenden Sätze zu beginn. Ich habe noch nicht ganz verstanden was genau deinen Lesefluss gebremst hat. Die Raumbeschreibung sollte möglichst kurz und atmosphärisch das Scenario abbilden. Ich gebe zu das „beinahe“ im ersten Satz ist nicht zwingend nötig. Der Satz ergibt durchaus auch ohne dieses Wort Sinn, nur in wie weit es den Lesefluss stört kann ich noch nicht ganz erkennen. Die Dopplungen sind allerdings störend.

Lösung:

„Das Zimmer machte beinahe einen unbewohnten Eindruck. Es war ein kleiner Raum, schien aber durch seine Verwahrlosung und Kargheit größer zu wirken.“
Zu der Kritik am Folgenden Satz:
Zitat:
Die spärliche Einrichtung bestand aus einem einfachen Bett, dessen linker Pfosten zur Fußseite hin schon so weit gelockert war, dass er die Verzahnung, mit der er am Rahmen verleimt war, zu erkennen gab und in einem recht abenteuerlichen Winkel abstand.

Dass sich die Verzahnung zu erkennen gab, klingt schwülstig, und abenteuerlich weist sich als Floskel.

Das verbuche ich mal unter „künstlerischer“ Freiheit ^^ Mir Gefällt der Satz so wie er ist, und Abenteuerlich meint genau dies.

Abenteuerlich: aufregend, bewegt, kritisch, tollkühn, unsicher, außergewöhnlich, außerordentlich, beachtlich, bedeutend, enorm, erheblich

 

Hallo Asdridan

Der Hinweis mit der zweifach abschließenden Raumbeschreibung ist sehr hilfreich.

Das freut mich, wenn dieser Hinweis dir eine zusätzliche Perspektive eröffnete. Als Autor ist man in seinem Text ja oft verfangen, und nimmt eine allfällige Fussangel meist erst wieder aus Distanz wahr.

Bei deiner alternativen Formulierung „durch das Licht zusammengekniffen“drängt sich mir beim lesen spontan das Bild eines Disney Zeichentricks auf, indem Licht mit zu Gestalt gewordenen Lichtfingern die Augenlider des Mannes schließt.

Ein Disney Zeichentrick fände ich in deiner Geschichte auch verfehlt, das sollte es nicht sein.

Lösung:

Zitat:
„Von dem Licht geblendet , mit zusammen gekniffenen Augen und aschfahlem Gesicht , in dem nichts anderes als blankes Entsetzen geschrieben stand, kramte der Alte in einem Stoß Blätter und verteilte.


Ja doch, so liest es sich mir flüssig.

Ich habe noch nicht ganz verstanden was genau deinen Lesefluss gebremst hat.

Du hast an einigen Stellen komplexere Satzkonstruktionen gewählt, die dazu verleiten, es nochmals zu lesen, um den Sinn sicher richtig zu erfassen. Zu Beginn ist es so mit dem Raumbeschrieb, an sich stimmungsvoll und doch zugleich überladen. Der dritte Satz geht bereits zu einer Detailbeschreibung über, die einem stutzen lässt, da man sich das Bild vorzustellen versucht. Doch du schreibst dazu:

Das verbuche ich mal unter „künstlerischer“ Freiheit ^^ Mir Gefällt der Satz so wie er ist, und Abenteuerlich meint genau dies.

Das finde ich durchaus legitim. Ein Autor sollte sich im Klaren sein, was für Bilder mit welchen Ausdrucksformen er vermitteln will. Ist er sich seiner Sprachgewalt und eines weitgehenden Verständnisses für den Leser sicher, gibt es für ihn kein Grund davon abzuweichen. Bleibt ihm jedoch eine Spur an Zweifel, sollte er sich nochmals hinterfragen, wie dieser Brückenschlag besser vollzogen werden könnte. Insofern kann Kritik ihm helfen, sich solcher Aspekte bewusst zu werden, ohne dass der Kritiker deshalb immer recht haben muss. Die Intention des Autors, wie es ihm vorschwebt, kann niemand besser wissen. Aber letztlich muss er die Leser mehrheitlich anzusprechen vermögen.

Ich denke, mit den Umformulierungen die du in nächster Zeit in Angriff zu nehmen planst, leitest du schon die richtigen Schritte ein, es vollendeter zu gestalten.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hi,

Geschichte okay, aber die vielen Adjektive bremsen mich aus. Ich will als Leser mitgenommen werden, da genügt eine Art Gerüst und die eigentliche Geschichte passiert in meinem - des Lesers - Kopf. Wenn ich mir bei jeder Raumerklärung und jedem neuen Adjektiv Figuren und Set neu basteln muss, wirft mich das aus dem Text.

Und der Text soll nicht Dir gefallen, sondern dem Leser.

Aber überarbeitet kannst Du was draus machen, viel Spaß dabei,

Ciao Nastro.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo und Willkommen Asdridan,

Deine Geschichte gefällt mir, sie erinnert mich sehr an Lovecraft und dafür bin ich immer zu haben :).

Ich schließe mich aber der Meinung der bisherigen Kommentatoren an, dass sie durch Überarbeitung auf jeden Fall noch gewinnen könnte. Ich werde einfach mal eine Liste machen von den Dingen die mir aufgefallen sind - vereinzelt sind ein paar formale und Rechtschreibungs-Sachen dabei, aber das meiste sind Vorschläge, wo du beim Feinschliff ansetzen könntest. :)

Der Raum wirkte beinahe unbewohnt. Es war kein großer Raum, schien aber durch seine Verwahrlosung und Kargheit größer zu wirken.
Anakreon hat das ja auch schon hervorgehoben - aber es ist nicht nur dass du hier zwei mal "wirken" auf engem Raum hast, sondern auch noch das "schien" - das sind alles Worte, die mir anzeigen, dass ich deiner Beschreibung nicht hundertprozentig trauen kann :p. Und das ist nicht nur hier am Anfang so - du hast unheimlich viel "schien" und "wahrscheinlich" und "erweckte den Anschein" und "beinahe" und ähnliche Ausdrücke, die sich durch den ganzen Text ziehen. Vielleicht ist das bewusst so als Stilmittel eingesetzt, und diese Unsicherheit passt ja auch zur geistigen Verfassung des alten Mannes, aber ich denke es nimmt an einigen Stellen überhand - wenn du den Text überarbeitest, würde ich dir empfehlen da drauf zu achten und es gegebenenfalls etwas zurückzuschrauben.

Ein Fenster, von außen durch schwere, hölzerne Fensterläden verschlossen, und innen durch einen nicht anders als hässlich zu beschreibenden Vorhang aus dickem, sackartigen und mottenzerfressenen Stoff verhangen, spendeten selbst am Mittag kaum Licht und tauchten den Raum in einen diffusen, immer dunklen Zustand ewiger Dämmerung.
Das ist auch so etwas, das du häufiger in diesem Text hast, dass Dinge sich wiederholen, dass Sachen mehrfach gesagt werden, und dass einige Worte oder Satzteile einfach redundant sind :D
Ich sage nicht, dass du das alles radikal kürzen musst - auch das kann in einem gewissen Umfang ein Stilmittel sein und zur Atmosphäre der Geschichte beitragen - aber trotzdem würde ich es an deiner Stelle etwas zurückschrauben, ich denke es würde den Text verbessern.

Der Mann lies sich schwer auf einen der Stühle nieder
ließ

was von einem knarrenden Stöhnen kommentiert wurde, fummelte mit zittrigen Händen in seinen tiefen Taschen, und fischte zwischen einem gebrauchtem Taschentuch und einigen anderen, unidentifizierbaren Gegenständen schließlich eine verknitterte Schachtel Zündhölzer hervor.
Auch das ist ein Beispiel für etwas, das sich durch den ganzen Text zieht. Und auch hier werde ich dir nicht sagen: Schmeiß radikal alle Adjektive raus - es passt zum Stil der Geschichte, dass da mal ein paar mehr Adjektive drin sind als üblich. Aber es ist hier, und an manchen anderen Stellen, einfach zu viel des Guten. Sechs Adjektive in einem Satz, das ist wirklich überladen.

"Dort draußen ist nichts, was ich nicht kenne, nichts, was mir Schaden zufügen könnte", beruhigte er sich selbst.
Nur, wieso hatte er dann solch eine Angst. Wieso war er sich so sicher, das dieses Fenster ein solch schreckliches Verhängnis für ihn bereit hielt. Nachdem er sich, auf solche Art eine Weile selbst Mut zugesprochen hatte,
Die Reihenfolge passt hier nicht ganz, das müsste umgekehrt sein. Erst sagt er sich, da ist ja nichts Schlimmes, dann fragt er sich, wieso er dann solche Angst hat und ein drohendes Verhängnis spürt, und dann heißt es "nachdem er sich Mut zugesprochen hatte" - da hat er sich ja eigentlich gerade selbst Angst gemacht.

Was er sah, lies ihn erleichtert ausatmen.
ließ

Die Farben wirkten blass, wie bei Nebel. Alles wirkte eindimensional und diesig. Wirkte verschwommen!
Dass es so wirkt hast du ja schon in den Sätzen zuvor deutlich gemacht, deshalb ist das Ausrufezeichen, als wäre das eine sensationelle Erkenntnis, da meiner Meinung nach fehl am Platz.

Doch als er seine Augenlieder langsam wieder öffnete, blickte er auf eine bizarre, verlaufene Landschaft, einer schlechten Kopie Dali's Bilder gleich.
Augenlider; von Dalís Bildern

Das Stöhnen wurde lauter und lauter und lauter, schwoll zu einem dumpfen Dröhnen an und veränderte seine Tonlage schließlich zu einem schrillen Kreischen, dass es in den Ohren schmerzte und den Mann mit zu Fäusten geballten Händen die Ohren zuhalten lies.
ließ (das ist fast der einzige Rechtschreibfehler den du machst, das aber konsequent :))

Stumm den Kopf schüttelnd, mit aufgerissenen Augen, beugte er sich aus dem Fenster, um an der Hausfassade endlang sehen zu können.
entlang

Hatte je etwas anderes Existiert?
existiert klein

Hätte sich jemand die Mühe gemacht, sie zu entfalten, so sähe er darauf einen Mann, der mit verrenkten Gliedern, offensichtlich tot, unterhalb eines Fensters liegt.....
Drei Punkte reichen

Ich hoffe du kannst damit was anfangen!

Grüße von Perdita

 

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