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Scherben

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22.04.2015
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Scherben

"Sie sind zu schnell gefahren!" Nervös schob er seine Mütze zurück und leierte seinen üblichen Text herunter. Als er ihren Führerschein und die Fahrzeugpapiere entgegennahm beugte er sich hinunter um einen weiteren Blick auf sie zu erhaschen. Dem ernsten, ins Leere starrenden Gesicht auf ihrem Passbild stand das schuldbewusste Lächeln auf dem Gesicht der Raserin entgegen. Auf seine Frage ob sie Alkohol oder Rauschgift zu sich genommen habe, schüttelte sie heftig den Kopf, sodass ihre Locken um ihr hübsches Gesicht tanzten. Aller Routine zum Trotz entlockte ihm dieser Anblick ein kleines Lächeln. "Darf ich fragen, warum Sie es so eilig hatten?", fragte er sie indem er ihr ihre Papiere durch das offene Fenster zurückreichte. "Ich hab vergessen den Herd auszumachen... vielleicht." Er hob die Augenbrauen. Sie lachte. Damit brachte sie seine ernste Miene endgültig zum Schmelzen. "Na gut", sagte er grinsend, "aber wenn ich sie das nächste Mal anhalte will ich eine bessere Ausrede hören, sonst sehe ich mich leider gezwungen sie festzunehmen." Lachend warf sie ihren Kopf in den Nacken. "Dann sollte ich jetzt wohl besser gleich nach Hause fahren und mir ein paar gute überlegen." "Ein paar? Ich hoffe für Sie, dass wir uns in nächster Zeit nicht so oft wiedersehen." "Wer weiß", sagte sie leichthin. Wieder rückte er seine Mütze zurecht um zu überspielen, dass er langsam rot wurde. "Wie auch immer, jedenfalls bekommen Sie in ein paar Tagen Post.", kehrte er wieder zum geschäftlichen Teil zurück. "Von ihnen?", fragte sie grinsend. "Vom Ordnungsamt.", antwortete er, weiter um das scheinbar unmögliche Unterfangen bemüht, einen ernsten Gesichtsausdruck beizubehalten. Er reichte ihr ihren Strafzettel, klopfte zum Abschied aufs Autodach und machte sich zurück auf den Weg zu seinem Streifenwagen. Ein paar Meter von ihrem Auto entfernt wandte er sich noch einmal um und rief: "Und vergessen Sie nicht ihren Herd auszuschalten!" Lachend winkte sie ihm zu als sie den Motor anließ und davonfuhr.

Angezogen vom kratzenden Geräusch des Schlüssels am Türschloss, stürmten ihm seine Kinder bereits im Hausflur entgegen. Vor Freude kreischend klammerten sie sich an seinen Beinen fest um ihn zu begrüßen. Nachdem die beiden ihn losgelassen hatten setzte er seinem älteren Sohn seine Polizeimütze auf und trug den jüngeren auf dem Arm ins Esszimmer. Seine Frau, die er mit einem flüchtigen Kuss auf die Wange begrüßt hatte, machte sich gleich daran die Kinder ins Bett zu bringen. Er aß bereits als sie sich zu ihm an den Tisch setzte. Ausgelassen erzählte sie ihm wie stressig der heutige Tag gewesen war. Schweigend ließ er die Flut an kleinen Neuigkeiten über sich ergehen während er die Tütensuppe löffelte, die er sich aufgewärmt hatte. Wenig später gingen auch sie zu Bett. Seine Frau deutete sein Schweigen als Müdigkeit und schlief bald neben ihm ein. Er jedoch starrte noch lange an die Decke bis ihm endlich die Augen zufielen. Seine Gedanken kreisten unaufhörlich wie Satelliten auf ihrer Umlaufbahn. Er ertappte sich sogar dabei, wie er Gesprächsfetzen vor sich hinmurmelte und plötzlich feststellte, dass er idiotisch grinste. Eine Ewigkeit später schließlich drehte er sich auf die Seite und schlief ein.

Nie war er lieber zur Arbeit gegangen. Eine freudige Zuversicht trieb ihn voran, seit er ihr das erste Mal begegnet war. Ständig damit rechnend, dass sie ihm wieder über den Weg laufen könnte, hielt er überall nach ihr Ausschau. Wenn er die Kinder in den Kindergarten brachte, beim Einkaufen und natürlich bei der Arbeit. Regelrecht enttäuscht war er wenn ein anderes Auto um die Kurve fuhr das er anhalten sollte. Tatsächlich war er versucht, sie einfach weiterfahren zu lassen. Sie waren ihm egal, aber er kam seiner Pflicht nach. Es dauerte acht Tage, bis er für sein Warten belohnt wurde. Gerade war er dabei, Kaffee aus der Thermoskanne in seinen Becher zu füllen, als ihn der Funkspruch des Kollegen ereilte, der 300 Meter die Straße hinauf mit seiner Laserpistole die Geschwindigkeit maß. "Mintgrüner Kleinwagen mit 86 unterwegs!", tönte es aus dem Funkgerät an seinem Gürtel. Eilig stellte er seinen Becher aufs Dach des Streifenwagens und postierte sich mit seiner Kelle am Straßenrand. Er hatte im Gefühl, dass sie es war. Der Wagen rauschte auf ihn zu. Bingo. Die Bremsen quietschten schrill als sie neben ihm zum Stehen kam.
"So schnell sieht man sich wieder, ich hab schon fast darauf gewartet, dass sie mir wieder ins Netz gehen.", sagte er, als sie, wieder schuldbewusst lächelnd, die Scheibe herunterkurbelte. „Es tut mir Leid, dass Sie Warten mussten, ich bin so schnell gefahren wie ich konnte." Diesmal bemühte er sich nicht einmal mehr, einen ernsten Gesichtsausdruck zu bewahren, es war sowieso zwecklos. "Okay, Sie haben ihre Hausaufgaben gemacht. Trotzdem ist es meine Pflicht Sie zu warnen. Wenn Sie an ihrem Führerschein hängen, sollten Sie es ein bisschen ruhiger angehen lassen in nächster Zeit." Er füllte den Strafzettel aus. "Ich war schon immer eine Raserin.", sagte sie, kurz die Schultern hebend. "Das ist wahr, selbst wenn ich 3 km/h zu ihren Gunsten abziehe, waren sie noch 13 zu schnell. Sie scheinen entweder den Nervenkitzel zu lieben oder sie sammeln gerne Polaroids.", sagte er mit Blick auf ihren Beifahrersitz, auf dem eines der unverwechselbaren schwarz-weiß Bilder einer Radarfalle lag. "Oh das. Ja das habe ich heute Morgen per Post bekommen. Hübsch nicht?", sagte sie und reichte ihm das Bild. Obwohl auf dem Foto ein Schatten auf ihrem Gesicht lag, erkannte man sofort, dass sie es war. Ihre wachen Augen, das fröhliche Lächeln auf ihren Lippen und natürlich nicht zuletzt ihr wilder Lockenschopf machten das Foto unverwechselbar. "Oh ja, sehr hübsch.", sagte er lächelnd, "Das macht sich bestimmt sehr gut in ihrer Sammlung" Er wollte es ihr zurückreichen. "Behalten Sie es. Sie können ja Fahndungsblätter für ihre Kollegen drucken lassen: Vorsicht Raserin!" Lachend zog er seine Hand zurück und schnallte das Bild auf seinem Klemmbrett fest. "Werd´ ich machen, und Sie sind hiermit entlassen“ Er klopfte mit dem Fingerknöchel zweimal aufs Wagendach und ging zu seinem Streifenwagen zurück. „Bis zum nächsten Mal!“ Sie hatte ihren Kopf aus dem offenen Fenster gesteckt und lächelte ihn breit an.
Das Bild bekam einen Ehrenplatz in seinem Auto. Falls es jemand entdecken sollte, selbst seine Frau, würde es keine Fragen aufwerfen, da jeder wusste, dass er vor allem mit Verkehrsdelikten zu tun hatte. Seine Frau. Das war es, was die beschwingte Stimmung trübte, in die ihn diese Begegnung versetzt hatte. Der Anflug eines schlechten Gewissens packte ihn, als ihn seine Frau am gleichen Abend auf die Wange küsste und ins Esszimmer schob, aus dem ihm bereits der Duft des Abendessens entgegenschlug. Keine Fertigsuppe diesmal. Beim Essen ertappte er sich dabei, wie er seine Familie unverhohlen musterte. Seine Frau kümmerte sich geduldig um die Kinder, die noch Hilfe beim Essen brauchten. Würden sie ohne ihn zurechtkommen? Die meiste Zeit mussten sie das ohnehin, da er lang arbeitete und nur an den Wochenenden Zeit fand um etwas mit den Kindern zu unternehmen. Außer den gemeinsamen Mahlzeiten würde sich also eigentlich kaum etwas ändern wenn er nicht mehr bei ihnen leben würde. Nein. Er versuchte die Gedanken zu verwerfen, doch es war verrückt. Sie waren wie ein Bumerang. Je heftiger er sie von sich warf desto schneller kehrten sie wieder zu ihm zurück.

An die Kühlerhaube des Streifenwagens gelehnt stand er am Straßenrand und behielt die Kurve im Auge, während er sich zurechtlegte was er zu ihr sagen wollte. Wenn er ehrlich war, konnte er vor Nervosität kaum Stillstehen. Würde sie wieder auftauchen? Und falls ja, was sollte er tun? Eine erneute Gelegenheit, falls sich ihm eine bieten sollte, konnte er nicht ungenutzt verstreichen lassen. Was auch immer das heißen mochte. Er konnte sie nicht fragen, wie sie hieß, er hatte oft genug ihre Personalien aufgenommen. Vielleicht sollte er sich selbst vorstellen, ihr seinen Ausweis zeigen. Nein, nein, das war viel zu förmlich. Er zog den Ausweis aus seiner Jackentasche und musterte das Bild. Ein Fotograf hatte die gesamte Belegschaft einzeln porträtiert. Er war schlecht gelaunt gewesen und hatte mit einem genervten Stirnrunzeln den Fotografen angestarrt, als dieser auf den Auslöser drückte. Tatsächlich sah er auf dem Bild selbst wie ein Verbrecher aus. Das brachte ihn zum Lachen. Wahrscheinlich würde es auch sie zum Lachen bringen. Er würde es ihr zeigen, so würden sie vielleicht ins Gespräch kommen. Es vergingen Stunden, aber seine Raserin war noch nicht aufgetaucht. Der Zeiger seiner Uhr näherte sich unaufhaltsam dem Zeitfenster in dem sie die bisherigen beiden Male hinter der Kurve aufgetaucht war. Wahrscheinlich auf dem Heimweg. Die wenigen Funksprüche seines Kollegen ließen ihn jedes Mal zusammenfahren. Er entschuldigte sich sogar schon in Gedanken bei seiner wütenden Ehefrau und seinen weinenden Kindern, die ihn nie wieder sehen wollten. Es war nicht so, dass seine Ehe die Hölle gewesen wäre. Er hatte Jahre Zeit gehabt um sich an alles zu gewöhnen. Die schlechten Dinge verblassten und wurden normal. Die guten leider auch. Aber das war kein Problem. Er hatte seinen Frieden damit. Trotzdem zog in die unbeschwerte Lebensfreude dieser Frau magisch an. Diese plötzlich in ihm ausgebrochene Euphorie, die ihn dazu brachte wieder verrückte Dinge zu tun konnte er sich selbst nicht erklären, aber er wollte um jeden Preis, dass sie blieb. Er musste ihr nachgehen. Es war kurz nach fünf als seinem nervösen Wartespiel schließlich ein Ende gesetzt wurde. Diesmal war er so tief in seine Gedanken versunken, dass er die elektronisch verstärkte Stimme aus dem Inneren seines Wagens erst beim zweiten Funkspruch bemerkte. Eilig ließ er sich auf den Fahrersitz fallen und funkte zurück. "Zentrale bitte kommen." Es dauerte einige Sekunde bis wieder eine Stimme aus dem statischen Rauschen hervorbrach. "Zentrale hier, wir haben einen 12/18 in der Innenstadt. An der Karlsstraße Ecke Marx ist eine Ampel ausgefallen." Er konnte sich ein genervtes Augenrollen nicht verkneifen. Wann hörten diese Idioten aus der Telefonzentrale endlich mit diesen lächerlichen Codes auf? "Ich soll also den Verkehr regeln, ja?", brummte er wenig begeistert. "Ein 12/18, wie gesagt", schallte es zurück. "Jaja, du mich auch.", sagte er, unhörbar für das Funkgerät zu sich selbst. Das ganze passte ihm überhaupt nicht, aber was blieb ihm anderes übrig? Wie sollte er seinem Vorgesetzten erklären, dass er lieber eine Massenkarambolage zur Hauptverkehrszeit in der Innenstadt riskierte statt wie vorgesehen den Verkehr zu regeln, weil er hoffte, dass ihm hier eine junge Frau in die Fänge ging? Seufzend startete er den Wagen und sammelte seinen Kollegen mit der Radarausrüstung ein. Mit eingeschaltetem Blaulicht drängelten sie sich durch den immer dichter werdenden Berufsverkehr. Wie aus weiter Ferne hörte er seinen Kollegen etwas sagen. Die Antwort bestand lediglich aus einem Schulterzucken. Mit seinen Gedanken war er längst wieder bei seiner Raserin, die er heute nicht sehen würde.

Er hatte ein wenig länger geschlafen als üblich. Als er das Esszimmer betrat, saßen seine Frau und seine beiden Kinder bereits am Tisch und frühstückten. Gut gelaunt erbot sich seine Frau ihm Kaffee einzuschenken. Dankend nahm er die dampfende Tasse entgegen und schlurfte, nachdem er viel Milch und etwas Zucker hinzugegeben hatte in seinen Filzpantoffeln zum Briefkasten um die Zeitung zu holen. Die gemütlichen Wochenendtage entschädigten für den mitunter stressigen Alltag unter der Woche unter dem bisweilen auch das Familienleben litt. Über den Rand des Sportteils hinweg ließ er den Blick über seine Familie schweifen. Er musste kurz gelächelt haben, denn seine Frau strahlte ihn zwischen zwei Bissen von ihrem Toast an. Auch wenn er in der vergangenen Nacht noch der verpassten Gelegenheit nachgetrauert hatte, eine andere Frau wiederzusehen, genoss er es nun, endlich wieder mit seiner Familie frühstücken zu können. Sanft lächelnd wandte er wieder seinen Blick der Zeitung zu. Ein lautes Klirren erschreckte Frau und Kinder beim Frühstück als die Kaffeetasse über einem Unfallbericht zerbrach und das Foto des Opfers unter weißen Scherben und milchigem Kaffee mit etwas Zucker begrub.

 

Guten Tag Hannibal Lektor,

als Neueinsteiger versuche ich mich nun an meinem zweiten Kommentar zu einer Kurzgeschichte, also hab etwas Nachsicht mit mir :D

Bei der Sache mit dem Titel gebe ich meiner Vorrednerin recht. Eventuell hättest du diesen etwas geschickter wählen können. Zwar endet dein Text mit Scherben, allerdings beschreibt er nach meinem Geschmack nicht das Kerngeschehen deines Textes. Zugegeben, ich tue mich mit der Titelfindung auch sehr schwer, von daher ist das für mich noch kein großer Schnitzer.

Dass der Polizist ihr seine Nummer oder ähnliches nicht anbietet, finde ich schlüssig. Aus meiner Sicht hast du den Zwiespalt des Polizisten zwischen seiner Pflicht als Staatsbediensteter und seiner auserberuflichen Person gut integriert. Liest sich für mich auch realistischer.

Die Dialoge sollten etwas abgegerenzt werden, damit der Text flüssiger zu lesen ist und der Kontext zu den Personen nicht verloren geht.

Das Ende fand ich überraschend und hat mir gut gefallen.

Ich freue mich auf weitere Texte von dir.

Bis dahin, Ade

Heureka

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Hannibal Lektor,

was für ein sympatischer Nick, muss ich doch gleich an die aktuelle Serie denken...

Auch ich bin noch neu hier und probiere mich nicht nur mit dem Schreiben von Geschichten aus, sondern auch mit dem Verfassen von Kritiken zu Geschichten anderer Schreiberlinge.

Somit möchte ich auch dir meine Gedanken präsentieren.
Deine Geschichte finde ich thematisch gut gewählt. Wie meine Vorredner schon sagten, wären Absätze sehr hilfreich fürs Lesen. Hier und da fehlen Kommas und wären Punkte sinnvoller.

Ich finde auch, dass du einen gut lesbaren Schreibstil hast, schön bildhaft und dynamisch.
Insgesamt ist mir das Thema etwas zu oberflächlich geblieben, obwohl du viel geschrieben hast. Noch ist es eher ein diffuses Gefühl. Vielleicht klärt sich das mit Beispielen am Text auf.

Ich nehme die Geschichten gern Stück für Stück auseinander und werde auch hier so verfahren. Meine Ideen bringe ich fett in die Zitate ein. Manches kommentiere ich zusätzlich.

Als er ihren Führerschein und die Fahrzeugpapiere entgegennahm, beugte er sich hinunter um einen weiteren Blick auf sie zu erhaschen.

... fragte er sie, indem er ihr die Papiere durch das offene Fenster zurückreichte.

..."aber wenn ich sie noch einmal anhalten muss, will ich eine bessere Ausrede hören...
Klingt weniger danach, dass er damit grundsätzlich rechnet, was so ja auch im weiteren Dialog deutlich wird: "Ich hoffe für Sie, dass wir uns in nächster Zeit nicht so oft wiedersehen."

Wieder rückte er seine Mütze zurecht, um zu überspielen, dass er langsam rot wurde.

Er reichte ihr den Strafzettel
Aufeinanderfolgende Wortdopplungen lieber vermeiden. Liest sich besser.

Vor Freude kreischend klammerten sie sich an seinen Beinen fest, um ihn zu begrüßen. Nachdem die beiden ihn losgelassen hatten, setzte er seinem älteren Sohn seine Polizeimütze auf und trug den jüngeren auf dem Arm ins Esszimmer.

Seine Frau begrüßte er mit einem flüchtigen Kuss auf die Wange. Sie machte sich gleich daran die Kinder ins Bett zu bringen. Er aß bereits, als sie sich zu ihm an den Tisch setzte. Ausgelassen erzählte sie ihm von ihrem stressigen Tag. Schweigend ließ er die Flut an Informationen an sich vorbeirauschen, während er die aufgewärmte Tütensuppe löffelte.
So formuliert hätte seine Frau für ihn eine größere / deutlichere Belangslosigkeit, eine stärkere Gleichgültigkeit, die den weiteren Verlauf zuträglich wäre.
Vielleicht wäre es für die Athmosphäre auch angemessen, wenn seine Frau vor ihm ins Bett ginge und bspw. noch liest oder so. Wenn er etwas später dazu kommt, legt sie sich unbekümmert schlafen, während er noch wach liegt. Das zeigt eine gewisse Trennung auf. Sie gehen eben nicht mehr gemeinsam ins Bett und zur selben Zeit schlafen. Das passiert eher nebenher und bringt eine gewohnheitsmäßige Distanz hervor.

Seine Gedanken kreisten unaufhörlich um die unbekannte Raserin.
Das Bild der Sateliten passt für mich nicht so gut in diesem Zusammenhang und wirkt ein bissel gezwungen.

Regelrecht enttäuscht war er, wenn ein anderes Auto um die Kurve fuhr, das er anhalten sollte. Tatsächlich war er versucht, die Autos einfach weiterfahren zu lassen.
"sie" hätte ja auch die Raserin sein können. Dass es sich um die vorbeifahrenden Autos handelt, wäre hier nicht deutlich genug gewesen. Deswegen "die Autos".

Die Bremsen quietschten schrill, als sie neben ihm zum Stehen kam.

"So schnell sieht man sich wieder. Ich hab schon fast darauf gewartet, dass sie mir wieder ins Netz gehen.", sagte er, als sie schuldbewusst lächelnd die Scheibe herunterkurbelte. „Es tut mir Leid, dass Sie warten mussten. Ich bin so schnell gefahren wie ich konnte." Diesmal bemühte er sich nicht einmal mehr, einen ernsten Gesichtsausdruck zu bewahren. Es war sowieso zwecklos.
Weniger Kommas, mehr Punkte setzen.

Obwohl auf dem Foto ein Schatten auf ihrem Gesicht lag, erkannte er sofort, dass sie es war.
Das Wort "man" ist immer so schwammig und unpersönlich. Aber hier geht es ja um zwei konkrete Figuren. Lass ruhig ihn diese Frau klar erkennen. Macht sein Interesse an ihr noch aktiver.

Ihre wachen Augen, das fröhliche Lächeln auf ihren Lippen und natürlich nicht zuletzt ihr wilder Lockenschopf, machten das Foto unverwechselbar. "Oh ja, sehr hübsch.", sagte er lächelnd. "Das macht sich bestimmt sehr gut in Ihrer Sammlung."

Lachend schnallte er das Bild auf seinem Klemmbrett fest. "Werd´ ich machen, und Sie sind hiermit entlassen.“ Er klopfte mit dem Fingerknöchel ...
Welche Aktion er zum Befestigen des Fotos machen muss, ist dem Leser klar. Hier kannst du auf die Fantasie des Lesers vertrauen.

Der plötzliche Gedanke an seine Frau. Das war es...

Das schlechte Gewissen packte ihn am Abend, als ihn seine Frau mit einem herzlichen Kuss auf die Wange begrüßte und ins Esszimmer schob. Es schlug ihm der köstliche Duft des Abendessens entgegen. Keine Fertigsuppe diesmal.
Ein ausgeschmückter Duft und lieber Kuss verstärkt das schlechte Gewissen noch.

Beim Essen ertappte er sich dabei, wie er seine Familie unverblümt musterte.
Unverholen hat so einen negativen, düsteren Beiklang. Er mustert seine Familie ja sicherlich nicht düster.

Er denkt dann ja darüber nach, wie es wäre, seine Familie zu verlassen. Das kommt ein wenig zu plötzlich und unvermittelt für meinen Geschmack. Eine kurze Einleitung in Form von Fragen, die ihm durch den Kopf schießen fände ich schlüssiger. Vielleicht so:
"Was wäre, wenn ich meine Frau und Kinder für eine andere Frau verlassen würde? Kämen sie ohne mich zurecht? Würde ich sie vermissen und sie mich? Würde ich mit der anderen Frau glücklich werden?"

An die Kühlerhaube des Streifenwagens gelehnt, stand er am Straßenrand

Er legte sich in Gedanken sogar schon verschiedene Entschuldigungen zurecht, die er seiner wütenden Ehefrau und seinen weinenden Kindern sagen könnte. Ob seine Jungs ihn überhaupt wieder sehen wollten?
So formuliert, lässt es sein Gedankenspiel etwas deutlicher vor meinen Augen tanzen.

Es war die unbeschwerte Lebensfreude dieser Frau, die ihn magisch anzog. Das Gleichmaß des alltäglichen Ehe- und Familienlebens hatte seine unbeschwerte Leichtigkeit vor langer Zeit verloren.
So wird deutlicher, was seiner Ehe fehlt und seine Faszination für die frische Unbekannte ausmacht.

Dankend nahm er die dampfende Tasse entgegen. Viel Milch und Zucker gehörten in seinen Kaffee. Mit der Tasse schlurfte er in seinen Filzpantoffeln zum Briefkasten und holte die Zeitung.
Dicker Schachtelsatz hat mehr Wirkung entschachtelt. Aktiv formulierte Sätze für die Aktion einer Figur wirken dynamischer.

Der letzte Teil, der ja einen plötzlichen Stimmungswechsel hat, sollte auch möglichst mit kurzen Sätzen formuliert sein, um die schnelle Dynamik hervor zu kitzeln.

Die gemütlichen Wochenendtage entschädigten für den stressigen Arbeitsalltag. Darunter litt bisweilen auch das Familienleben. Über den Rand des Sportteils hinweg, ließ er den Blick zu seiner Familie schweifen. Er musste kurz gelächelt haben, denn seine Frau strahlte ihn zwischen zwei Bissen von ihrem Toast an. In der vergangenen Nacht noch hatte er der verpassten Gelegenheit mit der Raserin nachgetrauert. Nun genoss er es, endlich wieder mit seiner Familie zu frühstücken. Mit einem sanften Lächeln wandte er sich wieder der Zeitung zu.
(Absatz)
Ein lautes Klirren erschreckte Frau und Kinder plötzlich, als seine Kaffeetasse über einem Unfallbericht zerbrach. Das Foto des Opfers wurde unter weißen Scherben und milchigem Kaffee mit Zucker begraben.
So vielleicht.

Alles nur Ideen. Mach was draus oder auch nicht.
Vielen Dank für deine schöne Geschichte.

DrKatze

 

Hallo Hannibal Lektor, bei diesem Namen hatte ich irgendwie eine Horror-Geschichte erwartet :-)
Nein, im Ernst, mir hat die Geschichte gut gefallen, ich wollte gerne wissen, wie es ausgeht, ob es noch mehr Begegnungen mit der Raserin gibt. Interessant: Im Gegensatz zu Heureka fand ich das Ende zu voraussehbar, es war irgendwie klar, dass der Unfall von der Frau verursacht wurde. Vielleicht war ich auch etwas enttäuscht, da die Raserin ja irgendwie sympathisch war und dann leider auf einmal nicht mehr auftaucht. Ich danke auf jeden Fall auch für die Geschichte, hat Spaß gemacht.

 

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