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Schenken macht Freude
Corinne ist mein Patenkind. Ein reizendes Mädchen.
Leider sehen wir uns nicht sehr oft, da wir in verschiedenen Stadtteilen wohnen.
Eigentlich sehen wir uns nur am 19. Oktober, weil sie dann ihren Geburtstag hat, und ich auf dem Heimweg von der Arbeit kurz vorbeischaue und ihr ihr Geburtstagsgeschenk überreiche.
Sie hat jedes Mal eine mordsmässige Freude, auch dieses Jahr wieder. Es war ein kleines Büchlein über die korrekte Verzargung von Holzbalken bei der Gaubenkonstruktion, das ich eigentlich nicht mehr brauchte.
Sie ist ja heuer bereits acht geworden, und bei dieser Gelegenheit fragte ich sie auch gleich wieder, was sie sich denn zu Weihnachten wünscht.
Sie antwortete: "Bitte, bitte lieber Onkel Hanz: ich wünsche mir nichts sehnlicher als ein kleines Pony. Bitte, bitte, schenke mir eins".
Sie schaute mich dabei so süss an, mit ihren grossen braunen Augen, und wenn ich ein sentimentaler Mensch wäre, hätte ich bestimmt noch ein kleines Kindertränchen in ihren Augenwinkeln entdeckt.
Wie jeder Patenonkel runzelte ich bei diesem Wunsch die Stirn und gab zu bedenken, dass ein Pony doch eher ein teures Geschenk sei.
"Ja schon", entgegnete sie mir, "darum wollen mir ja meine Eltern keines schenken".
Mein Gehirn fing an zu mahlen, ich zuckte scheinbar unwissend mit den Schultern und verabschiedete mich, weil die Familie mit ihren Freunden ja auch langsam das Geburtstagsmahl zu sich nehmen wollte.
Kurz gedacht, flink getan. Auf dem Heimweg bog ich spontan bei meinem Metzger ein und fragte ihn, ob er mir auf Heiligabend nicht bitte ein Pony bereit halten könnte.
Der Metzgermeister Jauslin schien erstaunt.
Ja, natürlich könne er das tun, aber es schiene ihm doch recht früh für eine solche Bestellung. Es sollte halt ein Weihnachtsgeschenk für mein Patenkind werden, sagte ich, und unbedingt auch pünktlich unter dem Christbaum liegen. Das verstand er natürlich und er lächelte wissend, weil er ja selber auch Kinder und sogar bereits ein Grosskind hat.
Wie er es denn liefern solle, fragte er noch. Hälftig oder ausgebeint. Schon ausgebeint und wenn möglich portioniert, antwortete ich, da ich fürchtete, dass sich das Kind beim Zerteilen verletzen könnte. Und ob er die Portionen Vakuumieren könnte? Kein Problem, antwortete Jauslin, er könne es auch gleich einfrieren, falls ich dies wünschte. Da war ich nicht ganz sicher, da ich mir
vorstellen konnte, dass das Mädchen dann gleich ein wenig naschen möchte. Nicht gefroren, entschied ich. Wir einigten uns noch über den Preis und er erklärte sich bereit, das Tierchen am Vierundzwanzigsten so gegen siebzehn Uhr bei Corrines Eltern abzuliefern.
Seine Frau würde es dann zuvor noch hübsch verpacken.
So fuhr ich zufrieden heim und ich stelle mir schon die Freude unter dem Christbaum vor.
Zuhause kam mir noch ein Gedanke: Das Fell! Schnell rief ich bei Jauslin an und sagte ihm, dass er es mir unbedingt beiseite legen solle.
Dies würde eine tolle Überraschung zum nächsten Geburtstag geben!