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Scheiß Sommerpause
Das Bügeleisen zischt im Wohnzimmer. Thomas steht verloren vor dem Kühlschrank. Die Kante drückt ihm gegen die Wampe. Er könnte ein Schwein verdrücken.
»Wieso haben wir nichts gescheites mehr zum Essen hier?«, brüllt Thomas.
Biene steht am Bügelbrett. »Na, weil du heut' Morgen schon alles gefressen hast! Kannst ja deinen fetten Arsch bewegen und Einkaufen gehen …«, murmelt sie mit Kippe im Mund.
Thomas stößt die Kühlschranktüre mit seinem Ranzen zu. Starrt auf den Einkaufszettel, überlegt kurz, mit Knirschen der Zähne, ob er denn - nah, stopft ihn sich in Mund und
watschelt zurück ins Wohnzimmer.
Thomas pflanzt sich auf die Couch.
Biene blickt von einem der Hemden auf. »Was kaust du da?«
Sie setzt sich die Brille auf. »Iiiih! Nein, du hast doch nicht?«
»Hab ihn aufgegessen.«
Biene verdreht die Augen.
»Wieso is' es hier so warm?«
»Sommer, Thomas, Sonne und so! Solltest mal kennenlernen …«
Thomas schielt rüber zum Fenster. Herrje, ist das hell! Er beugt sich vor und nimmt Stopfer und Tabak vom Tisch.
»Gina und Gregor fliegen morgen nach Mallorca.« Biene zündet Thomas 'ne Kippe an und setzt sich neben ihn.
Thomas mustert sie, zieht an der Zigarette, atmet aus: »Spaßten sind das!«
Biene haut ihm viermal auf den Oberarm: »Sag. So. Was. Nicht! Gregor ist nett.«
»Gina ist 'ne blöde Fotze!« Thomas kratzt sich den Hintern. »Fliegen nach Mallorca … Pf.«
Biene zuckt mit den Achseln.
»Und Gregor ist fett.« Thomas hebt einen Schenkel und furzt lautlos.
»Du bist auch fett.«
»Ich bin nicht fett.«
Thomas blickt prüfend seine Wampe entlang, der Bauchnabel schielt zwischen Shirt und Hose einäugig hervor. »Jedenfalls fetter als ich!«
»Wieso fliegen wir nie wohin?«
»Was das kostet!«
»Für deinen FC hast du auch immer was über.«
»Was über … Hart verdient!«
»Ich werd' auch nich' jünger. Will auch mal ans Meer, an Strand! Und das, wenn die Titten noch nicht ganz zum Boden hängen.«
Thomas schaut sie nur an. Das alte Mädchen hat auch ein Jahr mehr auf dem Buckel. Die Falten graben wie Wattwürmer im Schlick. Hat die Haare rot gefärbt, trägt nun diesen Helm aus Haar auf dem Kopf. Frisur, die alle Frauen irgendwann tragen, wenn sie älter werden. Thomas hat keine Ahnung, woran das liegt. So ein Frauending. Fresse halten angesagt.
Biene hängt ihm seit Jahren damit in den Ohren. Sumsisumsum-summend tänzelt sie um Thomas herum. Urlaub. Will was erleben, was erzählen können …
Thomas drückt den Zigarettenstummel im Aschenbecher aus. Biene steht auf und macht sich wieder an die Wäsche.
Thomas braucht drei Anläufe um aufzustehen, fällt paar Mal wie ein Braunbär rollend zurück - klopft sich Aschereste von der Jogginghose.
Bienes Bügeleisen faucht wieder.
»Ich hau dann ab.«
»Wohin?«
»Imbiss.«
»Wann kommst wieder?«
»Wieso?«
»Weil ich's wissen will.«
Thomas gähnt: »Keine Ahnung. Spät! Geh noch was trinken mit Klaus.«
Biene zieht die Augenbrauen hoch. »Nach zehn?«
Thomas seufzt: »Ja, nach zehn, Biene.«
Mit Klaus am Imbiss. Thomas bester Freund und auch Fan vom FC. Super Typ. Johnny, dem der Laden gehört, überreicht beiden Currywurst, dazu Brötchen und zwei Flaschen Gaffel. Setzen sich auf die Bierbank.
»So schnell stirbt man nicht«, meint Thomas schmatzend.
»Kann schon übel werden, ’s is' ja auch asymmetrisch.« Klaus hält immer noch das Shirt hochgezogen, das Doppelkinn quetscht, versucht sein neuestes Muttermal unterhalb der Brustwarze genauer zu betrachten.
»Hab das gestern gegoogelt, sieht nich' gut aus - ’s is wohl Krebs.«
Thomas verdreht die Augen. »Scheiße, du glaubst du stirbst, weil du's gegoogelt hast? Klaus … Echt!«, Thomas verrenkt und dreht sich, zieht das Shirt hoch und entblößt den Rücken. »Hab da tausend von …«
Klaus beugt sich ein wenig vor, kneift die Augen zusammen. Schüttelt langsam den Kopf: »Das Internet - ’s is' allwissend, Mann.«
»Jedes Jahr das gleiche … Denkst zu viel, das nich' gut!«, Thomas bricht ein Stückchen vom Brötchen ab. »Schon vom neuen Rechtsaußen gehört an dem wir dran sind?«
»Mexikaner. Soll ganz gut sein.«
»Scheiß Sommerpause.«
Klaus prostet Thomas mit der Bierflasche zu. »Scheiß Sommerpause.«
»Verdammt, weißt was Biene erst meinte?«
Klaus Lippen beben, rülpst einmal laut und fächert mit einer Hand vor dem Mund.
»Meinte doch tatsächlich: Jetzt musste ja nicht mehr lange verzichten, is' ja bald Frauen-WM. Frauen-WM. Kannst dir das vorstellen?«
Klaus verzieht den Mund und schüttelt den Kopf.
»Ich mein, das is' wie, wie wenn du dich nach zehn Stunden Maloche in Biergarten hockst. Über dir Kastanienbäume, Schatten un' so, irgendwo plätschert 'n Brunnen mit paar Fischen drin. Und dann bringt dir so 'ne heiße Blonde mit dicken Titten und 'nem bomben Arsch ein großes kühles Bier!«
Klaus legt den Kopf in Nacken, streckt die Zunge raus und schüttelt sich. »Uahhhhh...«
»Und du trinkst und denkst: Scheiße. Is'. Das. Gut! Und du trinkst noch eins und noch eins, hast so einen richtigen Bierdurst, doch irgendwann hat das Blondchen Feierabend und dann kommt so 'ne fette Schwabbelige, mit fettigen Locken an Tisch und fragt, was du noch willst?«
Klaus haut mit der Faust auf den Tisch: »Das nix!«
Thomas Wampe vibriert, hält sich die Faust vor den Mund und stößt auf. »Klar«, stößt nochmal auf, »dir fällt erst die Kinn-«, stößt nochmal auf, »-lade runter, doch du denkst … Scheiße!«, Thomas bläht die Backen auf, haut sich paar Mal auf die Brust und Thomas röhrt einen Brunftschrei wie ein Rothirsch auf Balzgang. »Herrje, das Bier gärt! Jedenfalls, du denkst, okay egal, gib mir einfach nochmal 'n schönes Blondes. Doch dann kommt sie wieder und bringt dir so ein beschissenen Glas, mit so 'nem schwulen Schirmchen drin - 'nem pinken Gesöff, wo die Fette noch zweimal reingerotzt hat. Und du denkst: Was!? Nein, Scheiße, verdammt! Ich will noch ein Bier, Bier – sag mal verstehste das nich'? Nicht so ein Scheiß hier und sie sagt: Nein, Bier is' aus, gibt's nicht mehr, doch dafür kannst du das hier trinken, is' ja auch Alkohol oder? Verrückt! Total verrückt …«
»Evolution, Thomas, Evolution«, meint Klaus und zieht die Augenbrauen hoch.
Thomas schaut ihn fragend an.
»Die Weiber haben ihre Eier im Bauch, ihre Bälle. Männer aber tragen die stolz am Körper und wissen, falls da was gegenrauscht, Scheiße, tut das verdammt weh. Deshalb ehren wir den Ball auch so. Haben da schon von vorn rein n'anderes Verhältnis zu, weißte?«
Thomas kratzt sich am Kopf. »Wie?«
»Na, die Weiber haben's da leichter! Das wie mit dem Bier. Ich meine, hier in der Flasche drin. Da is' das nich' wirklich sicher, wa? Kann runterfallen, auslaufen, Scheißwespe kann reinfliegen und dann kannste das nich' mehr saufen! Also, schnell runter mit!«
Klaus prostet Thomas zu. Dann nehmen beide das Bier auf Anschlag.
Klaus knallt die leere Flasche auf den Tisch, mit dicken Tränen in den Augen gluckst er. »So jetzt is' es sicher!«
Thomas legt den Kopf in Nacken, Hände auf den Bauch, und lacht.
»Wollt ihr noch was?«, ruft Johnny vom Imbiss.
Thomas wischt sich Lachtränen aus den Augen. Beide schütteln den Kopf.
»Noch ein Bier!« ruft Klaus schulterzuckend.
Johnny nickt, wischt sich die Hände an der Schürze und greift im Kühlschrank nach drei Flaschen Gaffel und setzt sich zu ihnen.
»Alles klar bei dir und Biene?«, fragt Johnny.
»Ach, hör mir 'uf! Will Urlaub, hab keine Lust zu.«
»Musst du ernst nehmen, Thomas. Wenn Frauen nicht bekommen was sie wollen, suchen sie es sich woanders, Kumpel.«
»Fahr doch nach Italien, FC macht da sein Trainingslager.«
»Kannst meinen Camper haben, Thomas, wollte da eigentlich selbst hin«, Johnny nickt gen Imbiss, »muss aber arbeiten.«
»Echt, was willst dafür?«
»Kleine Spende. Musst halt noch mal die Bremsen checken.«
Thomas klopft Johnny auf die Schultern: »Das wäre 'ne Idee.«
»Heißt ja nicht umsonst, ist die Zeit sich malwieder um die Frau zu kümmern!«, lacht Johnny.
Ist halb Neun. Thomas hat einen Strauß Blumen an der Tanke gekauft. Tulpen in einer Krause aus Folie gewickelt. Thomas schließt die Haustüre auf. Macht vor-hor-sichtig wie-hie-der zu. Die Wohnung finster. Biene hat wohl die Jalousien heruntergezogen, vielleicht schaut sie 'nen Film, Tatort, und die Sonne blendet die Flimmerkiste. Auf dem Weg hat er ein wenig geübt. Wir fahren nach Italien! wird er sagen. Ihr den Blumenstrauß überreichen. Daraufhin wird sie ihm in die Arme fallen, küssen - was feines kochen, 'ne Kippe stopfen und den Abend über die Fresse halten. Mmmm. Das mit dem FC und dem Trainingslager sollte er wohl nicht erwähnen – nicht gleich, nein. Könnte verwirrt tun, wenn sie in Italien sind, auf die Art: Was? Das ja ein Ding! Wa? Der FC hat hier sein Trainingslager! Woah! Ey. Was. Ein. Zufall. Hehe. Hehe!
Aus dem Wohnzimmer ein Schmatzen. Ein Glucksen aus der Kehle.
Thomas schleicht zur Türe und lugt hinein.
Biene kniet nackig auf dem Boden. Auf der Couch ein fetter Kerl mit grauen stoppeligen Haaren – Gregor. Hat den Kopf im Nacken, lümmelt sich tiefer in die Couch, das Hemd aufgeknöpft, das Unterhemd halb über der Wampe, Bauchnabel mit Haaren überwuchert. Jeans und Ledergürtel unter'n Eiersack geklemmt, Finger kreisen in Bienes Haaren.
Thomas steht finster in der Türe, nur eine Silhouette, ein Kerl, der da steht und zusieht wie Biene, Hand unterm Unterhemd, sich in Gregors Titten gräbt. Und Thomas denkt an Mettwurst, als Gregors Lippen beben, die Zunge bleckt, sabbert … Thomas kann einfach nicht wegschauen. Gott ist das widerlich, denkt er sich, und doch wird ihm warm im Schritt.
Thomas dreht sich um und schlurft in die Küche. Wirft den Blumenstrauß auf den Herd. Öffnet den Kühlschrank. War nich' mal einkaufen, denkt er sich.
Ja, spring auf! sabbert Gregor aus dem Wohnzimmer, meine flotte Biene!
Thomas Frau keucht und stöhnt ...
Thomas steht immer noch verloren vor dem offenen Kühlschrank. Fährt jetzt wohl mit Klaus in Urlaub … Scheiß Sommerpause.