Scheherazades Vermächtnis
Von aller Hoffnung verlassen, schreibe ich in stiller, resignierender Erwartung des unausweichlichen Todes diese letzten Zeilen, in meinem düsteren, unmenschlichen Kerker, in der Spitze dieser grotesken und absurden Stadt nieder, von der ich nie glaubte, sie wirklich finden zu können.
Ich bin ein Sucher, ein Forscher und das düstere, abartige und abscheuliche hinter den Geschichten hat mich immer fasziniert. Viele Stunden verbrachte ich mit der einsamen Lektüre uralter Texte und längst vergessener Schriftstücke. In heruntergekommenen Dörfern und Kleinstädten am Rande der Welt, die auf keiner Karte mehr zu finden sind, fand ich verblasste Pergamente und Tontafeln, auf denen in fremdländischen, kaum zu entziffernden Schriftzeichen absurde Zukunftsszenarien angedeutet wurden, die Wogen der Verzweiflung durch meinen Leib branden ließen und mich mit einem Gefühl finsterer Verdammnis zurückließen, das mir mit schwarzen Klauen der Vorahnung die Kehle zuschnürte.
Bei meinen Nachforschungen traf ich immer wieder auf einen seltsamen Namen, dessen Aussprache und Zuordnung mir kaum gelang. Schließlich entdeckte ich jedoch in einer dunklen Tropfsteinhöhle, verborgen im dichten, toxischen Gewirr des Dschungels, ein über die Jahre sehr gut erhaltenes Schriftstück, von enormer Wichtigkeit.
Durch das Studium dieses alten Textes, dessen Übersetzung mir nach vielen anstrengenden und nervenaufreibenden Stunden der Übung, schnell und unproblematisch von der Hand ging, erhielt ich Aufschluss über einige unklare Fakten, bezüglich des geheimnisvollen und von dämonischen Mythen umgebenen Namens.
Es handelte sich um den Namen, einer der ältesten Städte der Welt, von der die Menschen heutzutage nichts mehr wissen. In unserer Sprache existieren die Buchstaben nicht, die man benötigt, um die uralte, im Dunkel der Zeiten verwitterte Bezeichnung dieser sagenhaften Stadt, korrekt wiedergeben zu können, ich habe nur dieses Wort, von dem ich hoffe, das es der ursprünglichen Bedeutung möglichst nahe kommt.
Und dieses Wort lautet: Shadyazahd.
Der Begriff scheint aus dem Persischen zu stammen, doch mittlerweile konnte ich durch folgenreiche und peinigende Ereignisse, neue Schlüsse ziehen. Jenes kaum in unsere Sprache zu transferierende Wort, stammt aus einem uns unbekannten und fremden Zeitalter, jenseits aller Geschichtsschreibung und historischen Nachforschungen.
Ich erinnere mich noch genau, wie mir damals in schmerzlicher Weise bewusst wurde, wie klein und nichtig der menschliche Geist, doch eigentlich so viel gelobt und gerühmt, im Vergleich zu den wahren Wundern des Universums ist und wie wenig wir, bei all den weitreichenden Forschungen auf dem Gebiet der modernen Wissenschaft, eigentlich wissen.
Der kleine, rötlich schimmernde Stein brennt sich weiterhin durch den Stein, zu meiner Rechten... es ist also bald soweit, vermutlich sind sie bereits auf dem Weg hierher.
Meine Geschichte aufzuschreiben ist mein letztes Ziel, der Wille eines Sterbenden sozusagen. Es ist meine einzige Möglichkeit, noch etwas Großes, etwas von Bedeutung in dieser Welt zu hinterlassen. Ich werde meine Aufzeichnungen in einer Flasche verpropfen und sie einem der drei großen Flüsse anvertrauen, die sich breit und schwer durch ihre Betten wälzen.
Den Finder meiner Worte möchte ich bitten, sie mit Respekt zu behandeln, denn ich bin weder ein Lügner noch ein Scharlatan. Ich bin ein in seinen eigenen Mythen verlorener Gefangener, der ein letztes Signal in die Realität, in die wahre Welt sendet, bevor er zu einem ewigen Teilstück des unumkehrbaren Fluches wird, ausgesprochen in den finstersten und abgründigsten Schlünden des Seins.
Durch meine bereits vorangegangenen Reisen in die entferntesten Winckel der Welt, ich maße mir an, mich selbst als Abenteurer zu bezeichnen, kam ich vor einigen Jahren schon in den Genuß der Freundschaft zu einem jungen Mann, namens Charles Derwin.
Wir teilten eine gemeinsame, tiefgreifende Liebe zum Absurden und Legendenbehafteten und so wandten sich unsere Gespräche schnell in diese Richtung.
Oft waren wir zusammen gereist, hatten viel erlebt und uns dann doch über die Jahre aus den Augen verloren. Eines Tages erhielt ich einen Brief, dessen Absender mein einst so treuer Begleiter war, in dem er mir voll stolz geschwellter Worte, freudig mitteilte, das er zum Kapitän eines großen Schiffes ernannt worden war und nun über eine ganze Mannschaft aus Seeleuten verfügte.
Er lud mich drängend ein, ihn auf eine seiner abenteuerlichen Fahrten, bis in die entlegensten Ecken der Welt, zu begleiten und ich kam dieser Bitte in erwartungsvoller Vorfreude nach.
Wir trafen uns in einer heruntergekommenen und von triefendem Tabakgeruch getränkten Schänke, direkt am Hafen. Das schrille Kreischen flatternder Seevögel und das beständige, dumpfe Grollen der Brandung, drang an mein Ohr. Ich war aufgeregt, wie ein kleines Kind an Weihnachten, das kurz davor stand das größte und schönste aller Geschenke auszupacken.
Wir berichteten uns gegenseitig von den spannendsten und verrücktesten Vorkommnissen der letzten Jahre, die wir in Abwesenheit voneinander verbracht hatten und bald kam ich dazu, von jenem merkwürdigen Schriftstück zu erzählen, das all die Jahre, verborgen vor dem Lauf der Zeiten, in der schemendurchtränkten Düsternis einer abseits gelegenen Tropfsteinhöhle, in stummer Vergessenheit geruht hatte.
Derwin, ein Mann der Tat, dessen von Wind und Wetter gerötete Wangen schon in jungen Jahren von einem wirren Geflecht eines eisengrauen Bartes umgeben war, hatte sofort dieses glitzernde Funkeln in den Augen, das ich schon so gut von mir selbst kannte.
Von diesem Moment an war nicht mehr die Frage ob, sondern wann wir zu jener vorzeitlichen, mythischen Stadt aufbrechen würden.
Ich möchte hier noch erwähnen, das wir auf eine weitere Gemeinsamkeit aufmerksam wurden. Ebenso wie ich, hatte Charles den schmerzlichen Verlust seines älteren Bruders an die Gnadenlosigkeit der weiten See zu betrauern.
Ich selbst besaß zumindest noch ein Erinnerungsstück an den Verlorenen, einen rötlich schimmernden Edelstein an einem feinen, silbernen Kettchen, das mein Bruder mir schenkte, bevor er das letzte Mal aufbrach und das ich nun um den Hals trage, ohne es jemals abzulegen. Schon früher hoffte ich inständig, irgendwann einmal in die Fußstapfen des acht Jahre Älteren treten zu können, der laut seinen abenteuerlichen Geschichten, die er mir abends im flackernden Schein mehrerer Kerzen erzählte, schon fast alle Wunder dieser Erde, mit eigenen Augen erblickt hatte.
Charles Bruder Robinson war vor zwei Jahren auf See verschwunden, dennoch hatte mein Gegenüber, wie er mir berichtete, noch immer das Gefühl das er irgendwo am Leben war und ein freudloses Dasein fristete. Vielleicht auf einer einsamen Insel oder einem sturmumpeitschten Atoll, eingerahmt von tiefblauen, rauschenden Wassern.
Eigentlich waren wir beide die Letzten, die zu solch einer Reise aufbrechen sollten, dennoch ließen wir uns nicht aufhalten.
Charles, der von Zeit zu Zeit hartnäckigen Pragmatismus an den Tag legte, sodass man ihm kaum die Fähigkeit zuschrieb, sich für Okkultes und Fantastisches zu interessieren, traf die meisten Vorbereitungen.
Er kümmerte sich um Proviant und die uneingeschränkte Fahrtüchtigkeit des Zweimasters, während ich die Tage alleine in meiner kleinen Kammer über der Schankstube verbrachte, um den Text genau zu studieren und mit Anderen zu vergleichen, die ebenfalls den Namen Shadyazahd enthielten.
So konnte ich eine Vielzahl an Informationen zusammen stellen, die notwendig waren, um die mysteriöse Stadt aus den alten Legenden zu entdecken. Was genau ich erwartete, konnte ich nicht sagen. Durch meinen Geist spukten Bilder von Moos und Ranken übersähten Ruinen, die Zeugnisse einer uralten und längst vergessen geglaubten Kultur beinhalteten. Vielleicht lag ich aber vollkommen falsch...
Im Spätsommer brachen wir schließlich von Cardiff aus in See auf. Zuvor hatte ich weitere Recherchen und Nachforschungen betrieben, bis ich endlich eine geographische Eingrenzung des Gebietes vornehmen konnte, in welchem die sagenhafte Stadt Shadyazahd liegen mochte.
Ich will jedem davon abraten, mir in meine ausweglose und verzweifelte Lage zu folgen, darum verschweige ich an dieser Stelle die genauen Koordinaten des unglückseligen Fundortes.
Nur so viel sei verraten, jene vor Urzeiten verfluchte Stadt, liegt innerhalb eines ewig wallenden Nebels im südpazifischen Ozean, fernab der chilenischen Küsten.
Wir umsegelten Brasilien und Argentinien, bis wir schließlich auf jenes merkwürdige, übernatürliche Phänomen, weit draußen auf See stießen, von dem in mehreren altertümlichen Texten berichtet worden war.
Schon die Konsistenz des Nebels hatte etwas Ungewöhnliches und Fremdes an sich, etwas das mir kalte Schauer den Nacken herabjagte. Bläulich und von einem blassen, atmosphärischen Schimmer umgeben wallte er über der spiegelnden, tiefdunklen Oberfläche der See, in abstrusen Formen und widerwärtigen, schemenhaften Andeutungen.
Ich starrte bestimmt eine halbe Stunde oder länger in die wirren, langsam tanzenden Formen und von Zeit zu Zeit erschien es mir, als erzählten sie mir etwas. Vielleicht eine längst im Urstrom der Zeiten vergessene Sage, die kein Mensch der Welt jemals aufschreiben würde und die doch von prägnanter Bedeutung für alles Lebendige war. Etwas, das wir Menschen vielleicht nie begreifen konnten.
Bei diesem Anblick, begann mein Herz mit aller ihm möglichen Macht, gegen meinen Brustkorb anzuhämmern, denn seither hatte mich alles nur entfernt Geheimnisvolle und von Mythen Umwölkte, bis zum tiefsten Grund meiner Seele fasziniert und gefangen genommen.
Und im selben Maße wie mein, vor Aufregung und erwartungsvoller Nervosität geradezu zerspringendes Abenteurerherz, begann auch das Geschenk meines Bruders, jener kleine Stein, rötlich zu pulsieren, als wohnte ihm eigene Lebenskraft inne.
Es schien, als hätte jener kleine, matt glänzende Stein, eine Verbindung zu den Wundern und Schrecknissen, die hinter dieser ewig wallenden Nebelbank auf uns warten mochten. Ich spürte kaum, wie meine Finger sich in das Holz der Reling krallten, als die wabernden Nebelschwaden uns, wie ein flüchtiger Willkommenskuss einer Geliebten, umfingen.
Mit einem Mal spürte ich die zermürbende Schwere von Äonen auf meinen Schultern lasten, als hätten die Nebel, die Ereignisse und Geschichten von Jahrhunderten und Jahrtausenden aufgesaugt, ohne sie jemals wieder loslassen zu können. Das Bild meines Bruders stand plötzlich, in allen Detaills vor meinem Auge, doch nicht so, wie er ausgesehen hatte, als ich ihm ein letzte Mal Lebewohl wünschte, sondern so, wie er früher manchmal an meinem Bett gesessen und mir Geschichten vorgelesen hatte.
Geschichten, aus aller Herren Länder. Auch von Scheherazade erzählte er mir, die gefangen und getötet werden sollte und der es gelang, ihr Leben dank ihrer Geschichten zu retten.
Das gesamte Schiff war in nervöses Schweigen gehüllt, doch unter der Oberfläche dieser erdrückenden Stille, brodelte es. Es dauerte scheinbare Ewigkeiten, bis wir endlich aus den weißlichen Fängen jenes uralten Monstrums hervorglitten und sich uns ein gewaltiger Anblick bot, wie ihn kaum ein Mensch zuvor je gehabt haben konnte.
Kilometerlange, perlweiße Sandstrände erstreckten sich, soweit das Auge reichte. Dahinter schwenkte ein Meer aus Palmen und vor Kraft strotzendem Grün, einem Urwald gleich ihre Blätter langsam im kühlenden Wind. Es war ein Land, wie es schöner nicht sein konnte und seine Größe schien gewaltig. In weiter Ferne, konnten wir als gold schimmernde Silhouette am Horizont, die Umrisse einer mächtigen Metropole erahnen und meiner Kehle entrang sich vor Überraschung und Freude, ein Schrei.
Zu diesem Zeitpunkt, glaubte ich noch an den Erfolg unserer Entdeckungsreise. Ich glaubte, es würde zwar anstrengend und schweißtreibend werden, doch am Ende würden unsere Unternehmungen von Erfolg gekrönt sein. Nicht einen Moment ahnte ich, was für eine schreckliche und absurde Wendung unser Abenteuer nehmen würde...
Ich glaube in genau dieser Sekunde führen ihre bedächtigen Schritte sie zu der mächtigen, von Schnörkeln verzierte Pforte, hinter denen die steinigen Treppen liegen, die hinauf zu meinem luftigen Kerker führen. Ich kann sie nicht hören, doch kann ich sie spüren. Ihre Seelen, sofern diese noch irgendwo in verwinkelten Ecken ihres Geistes zu finden sind, trachten nach meinem Leben. Ich habe ihnen nichts entgegen zu setzen, bin ihnen mit Leib und Seele ausgeliefert. Meine Hände beginnen zu zittern und auf meiner Stirn sammelt sich kalter Schweiß, doch während ihre trottenden Schritte sich Stufe um Stufe hinaufkämpfen, werde ich meine Erzählung beenden.
Wir benötigten geschlagene drei Tage, um uns durch den dichten Dschungel, mit all seiner seltsamen und absonderlichen Vegetation, hindurchzukämpfen. Drei Männer erkrankten an schwerem Fieber, vielleicht wurde es durch die Unzahl an umher schwirrenden Moskitos übertragen und wurden zum Schiff zurück gebracht. Außer den Massen an Insekten und kriechendem Ungeziefer, trafen wir kaum auf Tiere. Am zweiten Tag erblickte ich zwei große, zischelnde Schlangen. Eine am matschigen Ufer eines breiten, grünen Flusses, die Andere hing zwischen den Ästen eines großen Baumes und beobachtete uns aufmerksam durch dunkle Augen, als wir vorbei zogen.
Und schließlich, nach all den ermüdenden Strapazen, erreichten wir die gigantischen Tore der geheimnissvollen Stadt. Selbst von hier aus, schien der imposante, goldene Turm noch Meilen entfernt. Vor ihm, breitete sich ein weites Meer aus Dächern aus, die im Sonnenschein funkelten. Die gesamte Stadt schien wie aus gold gegossen, alle Straßen und Türme.
Die Bewohner nahmen uns kaum zur Kenntnis. Sie sahen uns sehr ähnlich, besaßen jedoch eine dunklere Haut und trugen Kleider, die sehr, sehr alt wirkten. Einige nickten uns freundlich zu, doch ihre kurzen, gemurmelten Begrüßungen konnten wir nicht verstehen. Es kam mir irgendwie seltsam und falsch vor, das wir, als offensichtlich Fremde, so wenig Aufmerksamkeit auf uns zogen.
Dann fiel mir etwas Anderes auf, etwas Beunruhigendes. In manchen Blicken der Einheimischen lag etwas Wissendes und zugleich Schalkhaftes, als wüssten sie genau, wer wir waren und was wir hier beabsichtigten. Ich redete mir ein, das das jedoch nicht der Wahrheit entsprechen konnte...
Wir wanderten durch breite Straßen, von prachtvollen und beeindruckenden Bauten gesäumt und durch enge Gässchen. Dann und wann passierten wir einen breiten, strahlenden Platz, in dessen Mitte eine marmorne Statue vom Ruhm dieser erhabenen Stadt kündete.
Es schien mehrere Paläste zu geben, von weiten, farbenfrohen Gärten umgeben. Charles Derwins Männer interessierten sich mehr für sie, als für den beeindruckenden Turm am Horizont, der wie der Finger eines Gottes, drohend in den Himmel ragte.
So beschlossen wir uns in drei Gruppen aufzuteilen und uns nach dem Einbruch der Dämmerung wieder auf dem Platz der Hydra, wie wir ihn in Ermangelung seines richtigen Namens getauft hatten, zu versammeln. Auf jenem Platz war ein prähistorisches Untier mit einer hohen Anzahl an drachenartigen Köpfen, in marmornen Stein gebannt.
Die kleinste der drei Gruppen, bestehend aus mir, Charles, Finnigan und Bradley, machte sich auf, zum goldenen Turm. Eine weitere, geschlagene Stunde später erreichten wir ihn schließlich. Wir hatten mehrere breite Brücken passiert, die uns über saubere, klare Flüsse brachten. Aus der Ferne erblickten wir die weitläufigen Gartenanlagen, des nächstgelegenen Palastes. Dort hielt sein Besitzer augenscheinlich seltsame Tiere und eine Menge besonderer Vogelarten, die ich in der Heimat noch nie gesehen hatte.
Doch wir fokussierten unsere Aufmerksamkeit auf den geheimnisgetränkten Turm. Es handelte sich um das höchste Bauwerk, das ich in meinem bisherigen Leben je erblickt hatte. Seine Spitze, die Spitze der Stadt, lag verborgen in einem ruhig dahinziehenden Meer aus blassen Wolken.
Welche Schätze, welche strahlenden Reichtümer, derer Menschen nur in ihren verrücktesten Träumen gedenken, mochten hier, vor den Augen der Welt verborgen liegen?
Zwei in Silber gehüllte Wachen, bewaffnet mit blank geputzten Speeren, waren zu beiden Seiten der Eingangspforte postiert. Ihre Blicke drückten Wachsamkeit und Mut aus, doch etwas anderes lag darunter. Etwas, das mir bereits früher in dieser sonderbaren Stadt, deren schattige Winkel von obszönen Andeutungen geschmückt waren, aufgefallen war. Etwas, das mir ganz und gar nicht gefallen wollte...
Mit der Entschlossenheit eines Entdeckers traten wir den in Silber gewandeten gegenüber und versuchten unter Aufbringung all unserer Kräfte, unserem Wunsch Ausdruck zu verleihen. Ich hatte wohl damit gerechnet, das sie uns den Einlass verwehrten, doch wie überrascht war ich, als sie uns kurzerhand gefangen nahmen. Als weitere Wachen aus den umliegenden Straßen der goldenen Stadt hervorkamen, wie Ameisen, die aus ihrem Bau krochen, wurde mir mit schlagartiger Härte bewusst, das wir keine Chance hatten.
Sie senkten drohend ihre, mit feingearbeiteten Ornamenten geschmückte Speere und nachdem wir uns ergeben hatten, öffneten sich langsam die schweren Pforten des goldenen Mahnmals und sie führten uns hinein. Ich bemerkte, wie manche uns selbst jetzt noch, da sie offenkundig ihre Feindschaft zeigten, uns aufmunternd zunickten. Meine Verwunderung stieg von Minute zu Minute.
Sie brachten uns nicht ganz hinauf, nur etwa bis zur Hälfte aller Stockwerke. Hier angekommen, drängten sie uns in einen hohen, großen Raum, der in einer Art Balkon endete. Von der gesamten westlichen Seite dieses Raumes aus, konnte man über die ganze Stadt blicken, bis hin zum tiefblauen Meer.
Außer drei eisernen Käfigen gab es hier nichts zu entdecken. Und in genau diese Käfige trieben sie uns nun. Finnigan, der muskulöseste unter uns, begann zu schreien, als er sah, was sie mit uns vorhatten. Er schlug um sich und versuchte zur breiten Treppe zu fliehen, doch sie erwischten ihn. Zuerst hatte ich tatsächlich geglaubt, sein Fluchtversuch würde glücken, doch dann musste ich mit ansehen, wie zwei der Wächter ihre Speere, ohne mit der Wimper zu zucken, im Leib meines Kumpanen vergruben.
Niemand wagte mehr, etwas zu sagen.
Bevor die Nacht über uns hereinbrach, brachten sie uns wortlos Wasser und Brot. Selbst jetzt noch nickte mir einer von ihnen aufmunternd zu. Zu spät, viel zu spät, habe ich begriffen, was sie mit uns vorhatten.
Nun kann ich schon ihre Schritte hören. Es bleiben noch ein paar wenige Minuten. Meine Geschichte wird bald ein grausames Ende finden. Es gibt keine Möglichkeit, meinem Schicksal zu entfliehen. Eine rötliche Sonne senkt sich, über dem weit entfernten Meer. Ich sitze hier in meinem Käfig, viele Meter über meiner größten und faszinierendsten Entdeckung. Die Anderen sind bereits fort und ich vermute, die Männer der anderen Gruppen, hat ein ähnliches Schicksal ereilt, wie das Unsere.
So bin ich nun ganz alleine. Ich versuche meine aufkommende Furcht im Zaum zu halten, doch gelingt mir dies kaum noch...
Sie hatten uns also gefangen genommen und eingesperrt. Doch die größte Überraschung stand mir noch bevor. Mir ganz allein. Nach den ersten Stunden unserer maternden Gefangenschaft, öffnete sich die Tür zu unserem Gefägnis erneut. Doch diesmal trat keine der in Silber gehüllten Wachen ein, es handelte sich eher um eine schmächtige, gebeugte Gestalt, die zögerlich näher trat. Der Junge Mann, das konnte ich ihne Zweifel schnell feststellen, trug eine abgewetzte und ärmlich wirkende Tunika, die schlaff um seinen Leib geschlungen war.
Als er in seinem gebeugten, trottenden Gang schließlich näher gekommen war, weiteten sich meine Augen so sehr, das ich glaubte, sie würden gleich aus ihren Höhlen treten. In diesem Moment begann der feine Edelstein, an seinem silbernen Kettchen, mit plötzlicher Intensität zu pulsieren. Er tat dies mit solch einer ungewohnten Kraft und Energie, das ich vor Schreck aufschrie und ihn mit der Handfläche umschloss.
Fast im selben Moment zog ich sie fluchend wieder zurück, denn der kleine Edelstein, dessen Wert für mich immer nur in der Bedeutung als Geschenk meines geliebten und geschätzten Bruder gelegen hatte, brannte heiß wie die Flammen der niedersten Hölle.
Dieser Mann, dieser umherschlurfende, bereits sehr schwächlich wirkende Mann, war niemand anderes als mein Bruder. Für einen Moment, ich kann nicht genau sagen wie lange, musste ich ihn einfach nur angestarrt haben, dann brach das Meer aus Gefühlen, die ich bis jetzt weder genau verstehen noch benennen kann, wie die zerschmetternde Woge eines urgewaltigen Tsunamis, über mich herein.
Ja verdammt, er war es wirklich. Um einige Jahre gealtert und in einer völlig ungewohnten, fremdländischen Kleidung, ja, aber es war mein Bruder. So lange war sein Schicksal ungewiss, so lange war er verschollen gewesen und jetzt erdreistete er sich, mit einem mal vor mir zu stehen und mich seinerseits erstaunt anzustarren.
Mein Schädel war wie leergefegt, alle Gedanken daraus vertrieben. So, wie er mich stirnrunzelnd ansah, wirkte er fast, als versuchte er sich daran zu erinnern, wer ich war. Und dann drang das krächzende, fast gebrochene Flüstern an mein Ohr.
"Bruder", presste er mit aller Kraft aus seiner geschundenen Kehle hervor. Ein Flackern der Überraschung blitzte in seinen Augen auf.
"Ja, ich bin es", erwiederte ich, ohne einen Plan, ohne eine Ahnung davon, wie ich reagieren sollte. Alles wirkte so abstrus, so bizarr.
Fast schien es mir, als wäre all dies nur ein Traum und ich würde gleich erwachen, über mir mein Bruder, der mich zum bereits angerichteten Sonntagsfrühstück weckte und alles war in Ordnung.
"Du bist gekommen", stellte er schlicht fest und ich erwiederte diese Feststellung nur durch ein schwaches Nicken.
Plötzliche Aufregung verzerrte die Mimik meines Gegenübers.
"Das ist nicht gut!", stieß er hervor, immer und immer wieder, wobei er in Verzweiflung den Kopf wild schüttelte.
Dann kroch und stolperte er schnell aus dem Raum. Zurück blieben nur drei verwunderte Männer in drei eisernen Käfigen in einer fremden Stadt.
Kurze Zeit später kamen die Wächter und holten den Ersten von uns. Es war Bradley. Er schrie und wehrte sich nicht, sondern ließ sich einfach ohne Probleme abführen. In diesem Moment bemerkte ich zum ersten Mal etwas wirklich widernatürliches in den dunklen Augen unserer Entführer. Es wirkte, als wären sie schon lange Tod und als hätten ihre Augen Dinge erblicken müssen, die kein Mensch der Welt sehen sollte. Da erlebte ich eine ganz neue Emotion ihnen gegenüber. Mitgefühl mischte sich unter die Verwirrung und den Hass.
Kurze Zeit, nachdem sie Bradley fortgeschafft hatten, kehrte die kränkliche Gestalt meines Bruders zurück. Ich erinnerte mich an Scheherazades Schicksal und daran, das Geschichten Leben retten konnten. So versuchte ich es selbst.
"Möchtest du wissen, wie es Mutter und Vater in der Heimat geht?", fragte ich ihn.
Doch er blickte mich nur verständnislos an, als wüsste er nicht, wovon ich sprach. Also versuchte ich es erneut.
"Fragst du dich gar nicht, welche Umstände mich hierhergeführt haben?", fragte ich und sah in erwartungsvoll an.
Langsam nickte er, als wäre er ganz woanders, dann erwachte wieder blitzende Panik in seinem Blick.
"Sie werden euch holen, alle holen! Aber es muss sein. Der Zauber ist ein Fluch, doch wir können nicht verlieren. Nicht gegen diese Monstren, nicht gegen diese Scheusale!"
Meine Verwirrung wuchs, mit jedem seiner Worte. Sanft und mitfühlend versuchte ich, ihn zu beruhigen. Seine krächzige Stimme hatte sich bis zu einem fanatischem Kreischen hochgeschraubt.
"Du musst dich beruhigen. Bruder es ist wichtig, hilf uns. Erzähl uns was hier vor sich geht, erzähl uns, was in aller Welt mit dir geschehen ist!", bei meinen letzten Worten konnte ich selbst kaum noch an mich halten. Diese ganzen Absurditäten wuchsen mir langsam über den Kopf.
War dieses prachtvolle Abbild der Stadt, mit all seinen Palästen und Gärten nur schöner Schein?
Was taten sie mit unseren Begleitern, mit Charles Crew? Und was faselte mein Bruder da von irgendwelchen Monstren?
Ich spürte, wie der junge Mann, zu dem ich einst in Ehrfurcht aufgesehen hatte, sich langsam beruhigte und hakte nach. Meine Chance, vielleicht meine einzige, war gekommen.
"Ich tausche deine Geschichte gegen meine, aber du musst uns alles erzählen was du weißt! So, das wir dir folgen können."
Er hatte sich verändert, ja, aber ich hoffte, dass da irgendwo in seinem Inneren noch der Teil meines einstigen Bruders vorhanden war, der sich genau wie ich selbst, von Geschichten mehr gefangen nehmen ließ, als von der Realität. Der Teil, für den Geschichten Realer waren, als alles andere auf der Welt, der Teil, der sie liebte und sich in ihnen verlor, bis er alles andere vergaß. Der Teil, der diese Liebe an mich weitergegeben hatte.
Langsam, als müsste er den Sinn meiner Worte erst begreifen, hob er schwerfällig seinen Kopf. Es hatte funktioniert.
Ich erzählte ihm von Derwins Brief und dem seltsamen Schriftstück, das ich fand. Ich erzählte von unserer Reise und dem seltsamen Nebel, von dem ich glaubte, er könne die Geschichten all jener, die ihn durchsegelten, aufbewahren und in tanzenden, unbeständigen Formen konservieren.
Und dann erzählte er mir seine. In gespannter Erwartung, lauschte ich seinen Worten...
Leandor war schon früher auf diesem unbekannten, abgeschirmten Kontinent, fern unserer Wirklichkeit gewesen. Er hatte hier diesen seltsamen, rötlichen Stein gefunden, den er mir als Abschiedsgeschenk hinterließ.
Im Norden des Landes, lag eine weite, leblose Ödnis. Dort war kein Leben zu finden, nur rauer, kalter Stein und ein paar vertrocknete Büsche, die in trostloser Einsamkeit vor sich hin welkten. In einer der tiefen, von labyrinthen durchzogenen Grotte, hatte er jenen Edelstein, auf einem seiner streifzüge entdeckt und mitgenommen.
An die goldene, strahlende Stadt hatte er sich nur bis auf einen Kilometer Entfernung herangewagt. Sie erschien ihm seltsam und auf eine unterschwellig bedrohliche, subtile Art gefährlich. Aus sicherer Entfernung beobachtete er sie und kehrte bald, durch die wallenden Nebelschleier, von seltsam bläulicher Farbe, zurück in unsere Welt.
Doch hier hielt er es nicht lange aus. Seine Neugier und sein Wissensdurst prickelten ihn in den Fingerspitzen und so brach er ein weiteres Mal in jene absonderliche, rätselhafte Welt auf, die auf der anderen Seite des Nebelschleiers lag.
Dieses Mal betrat er auch die geheimnissvolle Stadt, die er zuvor gemieden hatte. Sie nahmen ihn gefangen, genau so wie uns. Und dann führten sie ein seltsames, düsteres Ritual an ihm durch, zu dem er sich nicht weiter äußern wollte... Es blieb meiner Fantasie freigestellt, sich die Einzelheiten des Grauens, genüsslich auszumalen.
Von diesem Moment an war er einer von ihnen, ein Teil der goldenen Stadt. So verfügte er auch über das Wissen ihrer Bewohner und kannte die äonenalte Historie der mythischen Stadt.
Er wusste, das von der Ödnis im Norden, eine uralte, dämonische Bedrohung ausging. Er wusste, dass die Männer und Frauen der goldenen Stadt, schon seit Ewigkeiten mit den grauenerregenden Wesen die dort lebten, im Konflikt standen. Leandor nannte es den ewigen Krieg gegen die Matuxa.
Wie genau diese höllischen Kreaturen aussahen, wusste er nicht. Mein Bruder erzählte mir, das die abscheulichen Matuxa, alle hundert Jahre an die Oberfläche krochen, um die Stadt der Menschen zu vernichten. Doch jedes Mal waren sie von einer anderen Gestalt und Erscheinungsform. Und jedes Mal, so erzählten die Bewohner der Goldstadt, sahen sie schrecklicher und noch mehr zum Fürchten aus, als hundert Jahre zuvor.
Das Einzige was immer gleich blieb, war ihre teerartige, leicht verformbare Haut, ihre bleich schimmernden, gebogenen Zähne und ihre in Blutgier und Hass lodernden Augen. Vielleicht waren sie vom Teufel höchstpersönlich gesandt worden, um die Welt in Feuer und Asche vergehen zu lassen. Und was würde dann folgen? Konnten sie auf unsere Seite der Realität hinüberwechseln?
Hätten wir solchen Kreaturen, geboren ihn Abscheu und Wahn, etwas entgegen zu setzen?
Nein, sie durften es nicht schaffen. Langsam begann ich die goldene Stadt, als das letzte Bollwerk, vor der Vernichtung der uns bekannten Welt zu betrachten. Doch so mythisch und abgrundtief böse die Matuxa, die Götter allein mögen wissen, was sie sind, auch waren, auch das letzte Bollwerk, das die Zivilsation schützte, war von einem seltsamen Hauch einer düsteren Ahnung durchzogen. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht...
Leandor erzählte mir weiter, das es in längst vergangenen Tagen einen mächtigen Zauberer gegeben hatte. Er hatte die dämonischen und blasphemischen Matuxa mehr gehasst, als alle anderen. Sein Name hatte Xenon gelautet und sein Zauber, zum Schutze alles Lebendigen, hing noch immer über der Stadt.
Leandor, mein Bruder war jedoch der Meinung, das es sich eher um einen finsteren, unheilsbringenden Fluch handelte, als um einen rettenden Zauber. An dieser Stelle verharrte er einige Minuten in trübsinniger Stille. Die letzten, rötlichen Strahlen der dämmrigen Sonne, wanderten hinaus in die Ferne, der gewaltige Feuerball sank elegant hinter die unendlichen Tiefen des Ozeans und ich drängte meinen Bruder nicht weiterzureden.
Ich blickte zu Charles Derwin hinüber, der wohl ebenso wie ich ahnte, das dies unser letztes Abenteuer, unsere letzte Entdeckungsreise sein würde. Er saß im Schneidersitz auf dem Boden seines Käfigs. Die Schultern hingen herab, sein Blick war auf die Füße gerichtet. Hoffnungslosigkeit, lautete meine erste Assoziation, als ich ihn so dasitzen sah. Hoffnungslosigkeit und Resignation.
Bald warf der bleiche, gesichtslose Mond seine lichtenen Strahlen gen Erde. Als ich meinen Blick wieder hob, musste ich erkennen, das eine seltsame Veränderung mit meinem Bruder vorgegangen war.
Die Haut hatte sich von seinem Gesicht, seinen Extremitäten, sowie dem Rest seines Körpers gelöst und gab nun den Blick auf ein bleiches, fast mondfarbenes Knochengerüst frei. Ich musste einen Schrei des Entsetzens unterdrücken, doch ihm selbst, schien diese Metamorphose kaum bewusst zu sein. Im selben Moment spürte ich, wie der rötliche Stein immer heißer wurde. Ich musste ihn schließlich vorsichtig ablegen, sonst würden am Ende meine Kleider Feuer fangen.
Mein Bruder hob erneut an, um seine Erzählung zu beenden. Der Zauber oder der Fluch, wie immer man diese Magie auch bezeichnen wollte, machte alle Bewohner dieser Stadt zu unsterblichen Kriegern. Nur deshalb, hatten sie den grauenerregenden Klauen der sich ständig, wie der Nebel verformenden Matuxa, so lange stand halten können.
Am Tage, erstrahlte diese verheißungsvolle Stadt in all ihrer Pracht, doch in der Nacht zeigte sich das wahre Antlitz, seiner bis in alle Ewigkeit verfluchten Bewohner. Sie alle waren dazu verdammt, den räuberischen Dämonen aus der nördlichen Ödnis alle hundert Jahre im Kampf gegenüber zu treten.
Xenon hatte die Matuxa mehr gehasst als alle Anderen und so konnte er nicht zulassen, das sie, sei es auch in ferner Zukunft, die Oberhand gewinnen und die Stadt schlussendlich zerstören konnten. Niemand entkam den goldenen Mauern dieser sagenhaften Stadt. Dieser sagenhaft verfluchten Stadt.
Xenons Geist lauerte hinter jeder Ecke, in jeder Mauerfuge und unter jedem Stein. Dies war die Stadt der unsterblichen, doch ihre Unsterblichkeit war mehr Bürde, als Segen.
Der Boden rund um den Edelstein, hatte sich mittlerweile schwarz vor Hitze gefärbt. Er stammte aus einer Grotte aus den nördlichen Ebenen und Leandor glaubte mittlerweile, das er irgendwie mit den Kräften dieser abartigen Dämonen in Verbindung stand. Als er das Erste Mal auf diesem Kontinent der Wunder und Flüche gewesen war, hatte er noch nicht gewusst, welches ekelerregende Grauen in den unterirdischen, verborgenen Gängen schlief. Teilweise waren die Wände durchzogen, von diesem rötlich schimmernden Kristall. Irgendwie schienen die Unwesen bösartige, finstere Kräfte aus dem Kristall herauszuziehen, doch damals hatte er das natürlich nicht gewusst, ansonsten hätte er mir niemals ein, mit den Mächten des Bösen in Verbindung stehendes Geschenk gemacht.
Ich glaubte ihm seine Reue, denn auch wenn wir uns früher oft gestritten hatten, manchmal sogar ziemlich heftig, war er mir doch immer grundsätzlich wohl gesonnen gewesen. Und ich, ich hatte ihn geradezu bewundert und vergöttert.
"Das heißt Bradley ist bereits einer von euch Untoten, die in der Nacht zuhauf durch die verdammten Straßen dieser Stadt wandern?" fragte Charles aus seiner Zelle. Seine Stimme klang kratzig, als würde sie bald brechen.
Langsam erhob sich mein Bruder im fahlen Mondschein. Nur ein Skelett, mit einer abgewetzten Tunika, die um zerfurchte Knochen flatterte. Er gab keine Antwort, doch wie zur Bestätigung von Derwin`s Worten, traten zwei untote Wächter, in die hochgelegene Kammer.
Sie schleppten meinen stets Loyalen Kumpanen mit sich und ich empfand rein gar nichts mehr dabei. Die letzten Stunden waren einfach zu viel gewesen. Auf Wogen des überschäumenden Glücks über das Wunder dieser Entdeckung, waren Frust, Verzweiflung und Furcht gefolgt.
Leandor trottete den beiden Wachen ohne ein Wort des Abschieds hinterher. Hier war ich also. Ich kannte die ganze Geschichte, ich hatte die sagenhafte Stadt und meinen Bruder gefunden und das Einzige was ich dadurch erreicht hatte, war das sie bald auch mich holen würden, damit ich an ihrem niemals endenden Krieg gegen missgestaltete Höllenwesen, teilnehmen konnte, ohne jemals auf Erlösung hoffen zu dürfen.
Ein Mal noch kehrte mein Bruder zu mir zurück und teilte mir mit, dass der hundertste Jahrestag des letzten Kampfes bald gekommen war. Bald würden wir also gemeinsam, Seite an Seite in die Schlacht ziehen. So seltsam und bizarr dieser Gedanke auch war, hatte er doch etwas tröstliches an sich. Bis in alle Ewigkeit vereint, mit meinem Vorbild aus Kindheitstagen.
Ich fürchte nun ist meine Zeit gekommen, die Türen zu meinem Gefängnis öffnen sich, kreischend vor Alter. Von hier oben hatte ich beobachten können, wie sie Bradley über mindestens eine der großen Brücken führten, bevor sie das unheimliche Ritual an ihm durchführten. Ich werde diese, meine letzten Worte einem der Flüsse anvertrauen, die sich unter der Stadt hindurchwälzen.
Vielleicht kann so ein kleiner Teil von mir in den Erinnerungen der Menschen überleben, so wie Scheherazade und ihre Geschichte in mir lebte.
Vermutlich werde ich im Laufe der verstreichenden Äonen, Stück für Stück alles vergessen, was mir je etwas bedeutet hat. Ich werde zu einer leeren Hülle werden, die nur noch ihrem Zweck, dem Schutz der uralten und mysteriösen Stadt Shadyazahd dient. Nun habe ich endlich begriffen, warum uns die silbernen Wächter immer noch freundlich zunickten, selbst als sie uns schon gefangen genommen hatten. Sie haben uns in ihren ewig Untoten Reihen willkommen geheißen.