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Schaukelpferd-Aerobic

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27.07.2003
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Schaukelpferd-Aerobic

Viele Kalorien verbrennen und dabei die Durchblutung der Arterien verbessern war wichtig. Viele hielten Laufen für den optimalen Sport, manche meinten Fahrradfahren wäre schonender, also besser. Dr. Rowlinson war ein einsamer Vorreiter einer glorreichen Idee, die aber leider nur er alleine vertrat.
Täglich eine Runde Schaukelpferd-Reiten, war seine Idee, die schon bald um den Globus rasen würde, und Rowlinson zu einem reichen Buchautor machen würde. Aerobic und Konsorten waren schon lange out, dennoch war dem Doc klar, dass die Leute etwas neues brauchten, einen Tritt in den Arsch sozusagen. Die meisten verrückten Ideen kamen aus den USA, aber Rowlinson wollte unbedingt beweisen, dass wir auf dem alten Kontinent auch was drauf hatten.
Zunächst waren die Vorteile dieser Methode herauszuarbeiten. Weil er eben nicht gleich die ganze Idee verraten wollte, beschränkte er sich auf Versuche im eigenen Haus. Seine Frau zum Beispiel war gerade dabei, den ganzen Körper in Elektroden verpackt, einen Fünf-Minuten-Schaukeltest durchzuführen. Es war nicht leicht gewesen, sie dazu zu überreden, aber Rowlinson hatte bereits gewisse Behauptungen in den Raum geworfen, die ihr die Entscheidung leichter gemacht hatten. Zum Beispiel hatte er heute morgen das Gespräch unauffällig darauf gelenkt, dass Pferde-Schaukeln die Fruchtbarkeit erhöht, handele es sich doch um eine Tätigkeit, die den Beckenboden stabilisiert und dessen innere Durchblutung fördert. Seine Frau war zunächst skeptisch gewesen, sah sie doch recht albern auf dem einen Meter hohen Holzgaul aus. Sie musste aber zugeben, dass ihre allgegenwärtige Migräne nicht zu spüren war, während sie schaukelte. Rowlinson hatte den Verdacht, dass die am Kopf angeklebten Elektroden dafür den Ausschlag gaben, aber er sagte kein Wort.
Diesen Freitag hatte Rowlinsons Unternehmergeist einen gehörigen Dämpfer erhalten. Als er am Morgen in den eigens ausgestatteten Fitnessraum kam, sah er seine Frau nicht ihren üblichen Morgenausritt machen, die Elektroden lagen verstreut auf dem Boden herum, die Holzaugen des Rosses schauten traurig geradeaus, als wollte sich das Ding jetzt schon über die eigene Erfolglosigkeit beschweren. Hatte seine Idee doch nicht das Potential zum Megaseller? Vielleicht war das ewige Hin-und-Her doch nicht aufregend genug, um sich damit täglich zu beschäftigen. Er durchsuchte rufend das ganze Haus, konnte sie aber erst im Badezimmer finden. Sie stand mit blutorangenfarbenem Kopf über das Spülbecken gebeugt und für Rowlinson bestand kein Zweifel daran, was sie gerade tat.
"Liebling", sagte er besänftigend und berührte sachte ihre Schulter, "du wirst dich schon noch daran gewöhnen. Es ist doch nicht so schlimm..."
Er konnte den Satz nicht zu Ende sprechen, da drehte sie das rote Gesicht zu ihm, die Mundwinkel mit Erbrochenem bedeckt und gab ihm mit einem Handzeichen unmissverständlich zu verstehen, was sie von seiner Erfindung hielt. Dann widmete sie sich wieder dem Waschbecken und er wusste, dass er von nun an auf Selbstversuche angewiesen war.
Man kann sich die Enttäuschung vorstellen, die daraufhin den Doktor ereilte. Es ließ sich nicht leugnen, dass die Seekrankheit ein ernstes Hindernis auf seinem Weg zum Ruhm war. Vielleicht genügte ein Schild mit dem Hinweis, "Nur zu verwenden bei ausreichender Wassersport-Erfahrung", aber das ließ den Kundenstamm auf dermaßen unvertretbare Zahlen schrumpfen, dass er sich etwas anderes überlegen musste.
Das Konzept des Pferdes sollte bleiben, nur das Geschaukel musste weg. Aber wenn keine Bewegung stattfand, wo war dann der Gesundheitsfaktor? Fragen über Fragen, die Rowlinson in einen kurzen, aber innovativen Schlaf begleiteten, an dessen Ende frisch und ausgeruht eine neue Idee dastand.
Es war ein wunderschöner Samstagmorgen, der Rowlinson nur so zum Tatendrang animierte. Zunächst schwang er sich aufs Fahrrad, fuhr die steile Kuppel zum Blumenhändler hinauf und erstand eine wunderschöne Orchidee, die die gestrige Konvulsion vergessen machen sollte.
Seine Frau war immer noch in schlechter Stimmung, wie er sah als er mit der Blume in die Küche trat. Nach einer Weile des So-tun-als-ob-er-nicht-da-ist, hob sie den Kopf und sah von der Zeitung hoch. Der Anblick der Blume brachte ihren Mundwinkel nur kurz zum Zucken, dann war er wieder ein gerader Strich wie zuvor.
"Deine Fitness-Bücher werden bestimmt eine gute Ofenbeheizung abgeben", sagte sie. Nach einer kurzen Pause fügte sie noch hinzu: "Und wenn sich dieses Holzvieh in großen Stückzahlen verkauft, werden wir keine Kohlekraftwerke mehr brauchen."
Sie war noch immer sauer, dachte er. Aber das machte nichts, denn mit der neuen Idee würde er sie überzeugen.
Für den verbesserten Prototyp hatte er sechs unabhängige Räder an die gekrümmten Holzschienen befestigt. Das Pferd würde jetzt nicht mehr schaukeln, sondern fahren. Was noch fehlte, war ein zuverlässiger Antrieb, den er im Inneren des Haushaltsroboters fand, den er heute morgen unauffällig aus der Küche herausgeschmuggelt hatte. Er hätte auch einen beliebigen Elektromotor nehmen können, aber dann wäre er nicht Rowlinson gewesen, und die Idee nicht revolutionär. Der Witz war, und das würde er in seinen Büchern mehrere hundert Seiten lang ausschlachten, dass sich jedes Rad vollkommen unabhängig von den anderen fünf Nachbarn verhielt. Es war nicht nur so, dass jedes Rad einen eigenen Motor hatte, nein, es hatte sogar seinen eigenen Willen. Ein Mikroprozessor, der vollkommen von den anderen entkoppelt war, zwang es, irgendeine Richtung einzuschlagen, Hauptsache es war nicht dieselbe wie die der restlichen Räder. Rowlinson bewegte sich damit natürlich auf dünnem Eis. Auf einem Holzpferd in der Gegend umherkurven war nun nicht gerade der Fitness zuträglich. Aber das unberechenbare Verhalten, das aus seinem bald patentierten Antrieb resultierte, zwang den Fahrer zu blitzschnellen Reaktionen, die zweifellos einen Einfluss auf das Hormonale System hatten.
So war es dann auch, dass er diesmal auf die Geheimhaltung pfiff. Er schaffte den Gaul über den Hinterausgang quer über den Rasen auf die Straße hinaus, nicht auf den Spott der Leute achtend. Sollten die doch reden. Zeit für Überredungsversuche an seine Frau wollte er diesmal auch nicht verschwenden, deswegen setzte er sich kurzerhand auf und drückte auf den "ON"-Schalter zwischen den Ohren. Die sechs Motoren erwachten unabhängig und willkürlich aus dem Schlaf. Der linke mittlere wollte zuerst los, also fing das Tier an, sich wie in einem Rodeo wild um sich zu drehen. Rowlinson wusste augenblicklich wie sich seine Frau beim Schaukeln gefühlt haben musste, bevor ihm jedoch richtig schlecht werden konnte, schaltete sich sein Zwillingsbruder Mitte rechts ein und Rowlinson beschleunigte die Straße runter. Die restlichen Elektromotoren verhielten sich vergleichsweise schüchtern, nur der eine vorne rechts erlaubte sich einen leichten Zug, der den Doc umgehend auf den Bürgersteig beförderte, wo sich vor ihm ein Wald von Briefkästen auftat.
Rowlinson bekam jetzt erste leichte Bedenken, was seine neue Erfindung betraf. Vielleicht sollte man doch irgendeinen Sicherheitsmechanismus einbauen, nur für Fälle wie diesen, wenn man gerade drauf und dran war, das Briefkastensterben in seine endgültige Phase zu verfrachten. Aber es war müßig, jetzt darüber nachzudenken. Er drückte die Beine so fest er konnte in den Boden, in der Hoffnung zu bremsen, oder zumindest einige der Motoren zum Überhitzen zu bringen. Letzteres gelang ihm dann irgendwie. Aber Rowlinson fürchtete, es war eher ein Wackelkontakt als ein Überhitzen, denn jetzt schaltete sich abwechselnd und periodisch mal der linke mal der rechte Motor ein. Für den Doc war das letztendlich Glück im Unglück, denn er konnte die vor ihm liegenden Briefkästen wie ein Fahnenmeer beim Slalom umfahren.

 

Freut mich, dankeschön

ein früh aus dem Bett gekommener
megarat

:kaffee:

 

Moin Megarat,

Ja, das hat mir gut gefallen. Witzige Idee und eine stilsichere, pointierte Umsetzung. Ich glaube, daß das hier eine Wettbewerbsgeschichte war und muß sagen, daß du die Begriffe sehr gut versteckt hast - keiner wirkte deplatziert (um ehrlich zu sein, habe ich nur das Briefkastensterben gefunden :D).
Ein wenig unklar ist mir zwar, warum das Pferd nicht auseinanderbricht, wenn sechs Rollen in unterschiedliche Richtungen rollen wollen (hihi... ein Reim), aber das hat mich nicht sonderlich gestört.

Zwei Kleinigkeiten:

Aerobic und Konsorten waren schon lange out, dennoch war dem Doc klar, dass die Leute etwas neues brauchten
Ich bin mir nich sicher, ob "dennoch" hier das richtige Wort ist und würde eher zu einem dezenten "daher" tendieren: Weil Aerobic out ist, brauchen die Leute etwas neues. Deine Version geht zwar auch, aber das andere kommt mir persönlich logischer vor.
Rowlinson wusste augenblicklich wie sich seine Frau beim Schaukeln gefühlt haben musste, bevor ihm jedoch richtig schlecht werden konnte, schaltete sich sein Zwillingsbruder Mitte rechts ein und Rowlinson beschleunigte die Straße runter.
Beziehungsfehler: "sein Bruder" bezieht sich hier grammatikalisch auf Rowlinson, gemeint ist aber eigentlich der Motor.

Insgesamt mMn eine durchweg gelungene Geschichte.

 

Hi gnoebel.
Trotz dem vielen Gepauke hier? :D :whip:
Ja, das war eine Wettbewerbsstory und die Begriffe konntest du nicht finden, weil ich eine Tarnkappe drübergelegt habe :P

Das mit den Rollen geht natürlich nicht, aber genauso wenig wird man vom Schaukeln fit :D (ist also gewollter Unsinn)

Hm, bei dem Satz:

Aerobic und Konsorten waren schon lange out, dennoch war dem Doc klar, dass die Leute etwas neues brauchten

war das "dennoch" (soweit ich mich errinere, ist schon ne weile her) gewollt. Die Aerobic-Welle ist schon lange, laaange vorbei, aber der Doc macht dennoch etwas in der Richtung- so eine Art Aerobic-Revival, nur diesmal mit einem Holzpferd-das Schaukelpferd-Aerobic.Ach, grad seh ich dann doch, dass ichs vielleicht besser hätte formulieren können... dennoch wollte der Doc es noch einmal mit etwas ähnlichem versuchen... oder so ähnlich, hast recht :rolleyes:

Zum Fehler mit dem Zwillingsbruder: ach was solls, man soll sich gefälligst selbst denken, was gemeint ist

lG

megarat

 

Hallo Megarat!

Ich muss sagen, die Grundidee fand ich recht witzig, aber vom Titel hätte ich mir mehr versprochen - er passt nicht zur Geschichte, finde ich.
Denn: "Schaukelpferd-Fitness" wäre passend, aber was hat das Schaukelpferd in der Geschichte mit Aerobic zu tun? Nichts.

Ich hätte erwartet, dass Rowlinson z.B. ein Fitness-Programm entwirft, bei dem man z.B. schaukelt, lustige Übungen auf dem Pferd, mit dem Pferd und neben dem Pferd macht. Das hätte ich auch lustig gefunden.
Aber die Idee, Rollen drunterzuschrauben, fand ich zum Gähnen.

Außerdem gibt es m.E. einige Logikfehler:
Dass der Frau vom Schaukeln schlecht wird, fand ich noch ok. Ist halt nicht realistisch, sondern absurd.

Aber: Räder, die in verschiedene Richtungen rollen? Das funktioniert einfach nicht. Bei Humor-Geschichten kann man die Naturgesetze nicht einfach abschalten. Wirkt nicht absurd, sondern blöd.

Die Briefkästen haben absolut nicht reingepasst. Auf die Art, wie du sie eingebracht hast, wirkt das Ganze sehr gewollt und etwas lächerlich. V.a., weil sie vorher nicht auftauchen. Auf einer Straße sind Briefkästen garantiert nicht das hervorstechendste Element, weil nur auf jedem Kilometer ca. 1 Briefkasten steht. Wie willst du die da im Slalom umfahren?

Alles in allem: Der Anfang war vielversprechend, zur Mitte hin wurde es schlechter, den Schluss fand ich enttäuschend.

dayvs GE-ve
Stefanie

 

NAbend (oder guten Morgen, je nachdem)

Tja wenn du das alles nicht logisch genug findest, empfehle ich dir, mal den Fernseher anzumachen und dir Werbespots für einen beliebigen Fitnessartikel anzuschauen. Da verstösst (fast) jede Behauptung gegen sämtliche möglichen Naturgesetze. Nur ein paar Beispiele:

- Cremes zum Einreiben, die angeblich das Fett wegschmelzen :D
- Bauchmuskel-Geräte, die man sich nur gegen den Bauch zu stemmen braucht, damit man Bauchmuskeln aufbaut
- Einwickel-Folien, die die Cellulite mindern :D
- Artikel, die versprechen, dass man Fett genau an der Stelle abbaut, die trainiert wird.

und vieles vieeeeeles mehr.
Verstösst alles ganz ganz doll gegen die Naturgesetze, da ist mein Ansatz sehr viel Wissenschaftlich-wohlfundierter :D
Mit einem Satz: Es ist eine Veralberung der Fitnessindustrie und zeigt den Typischen Weg, den eine Idee für einen Fitnessartikel nimmt.
Aber ich verstehs, muss ja nicht jedem gefallen.

megarat

 

Hallo!

Ne, es ging mir nicht darum, ob das Schaukelpferd eine Wirkung auf die Figur hat, sondern darum, dass die Räder, die sich in verschiedene Richtungen drehn, eben einen Effekt hätten - aber nicht den, den du beschreibst, sondern eben den, dass man entweder überhaupt nicht von der Stelle kommt, in langsamstem Tempo herumruckelt, das Ding umkippt oder sich allenfalls ein bisschen dreht.

Mir hätte es besser gefallen, wenn das Ganze ein bisschen überzogener dargestellt wäre.

dayvs GE-ve
Stefanie

 

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