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Schatten im Wasser

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22.02.2019
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Anmerkungen zum Text

Ein etwas älterer Text, aber gleichzeitig auch ein recht "neuer", da ich nicht oft schreibe, und zu dem ich mir konstruktive Kritik wünschen würde, um mich zu verbessern.

Schatten im Wasser

Seit Tagen lasse ich mich in der Badewanne treiben wie eine Wasserleiche. Nicht ununterbrochen, nachts schlafe ich im Bett, bedeckt mit feuchten Handtüchern und klebrigem Schweiß, geplagt von fiebrigen Alpträumen, in denen Richard meinen Kopf unter Wasser drückt. Ich fühle mich aufgedunsen, voll von Wasser und Stimmen, und merkwürdigerweise dennoch wie ein Stück Dörrobst, ein Opfer der unbarmherzigen Hitzewelle, die draußen den Asphalt zum Schmelzen bringt und meine Wohnung wie einen Backofen erhitzt. Der Lärm ist kaum auszuhalten. Die Stimmen waren noch nie so laut wie diesen Sommer. Es ist, als würde die gesamte Menschheit gleichzeitig auf mich einreden. Worte prasseln wie tropischer Regen auf meine zusammengekauerte Form in der Wanne und die meiste Zeit kann ich das Durcheinander nicht einmal verstehen. Nur wenn ich mich anstrenge, kann ich einzelne Worte ausmachen. Pfefferminze, das murmeln sie erst seit gestern, dafür aber immer und immer wieder. Und nach Einbruch der Dämmerung schreien sie seinen Namen wie eine Warnung in die Dunkelheit: Richard. Richard, der Teufel in Menschengestalt. Richard, mein geliebter Richard.

Er hämmert gegen die Wohnungstür und ruft meinen Namen. Ich kann seine Wut durch die Wände und die verschlossenen Türen fühlen. Jeder Faustschlag gegen das Holz grollt wie schmerzhafter Donner durch meinen Kopf. Ich presse die Wange gegen den kühlen Rand der Keramikwanne und bohre die Fingernägel in meine Oberschenkel, bis rote Kratzspuren entstehen. Tief einatmen. Tief ausatmen. »Ich weiß genau, was du der Polizei gesagt hast!«, tobt Richard, und ich sinke tiefer ins Wasser. So wütend habe ich ihn noch nie erlebt. Wird er die Tür aufbrechen? Werde ich spurlos verschwinden, genauso wie seine kleine Tochter? Der Geschmack von Blut klebt an meinen aufgesprungenen Lippen. Die Wandfliesen verschwimmen vor meinen Augen und werden zu einem einzigen, beigen Fleck. Das Hämmern nimmt ein abruptes Ende.

An das Gespräch mit dem Polizeibeamten, der gestern hier war, kann ich mich nur bruchstückhaft erinnern. Nicht an alle Einzelheiten, aber an das Wichtigste. Es ist schwer, Fragen zu beantworten, wenn es unerträglich heiß ist und die Gedanken schmelzen wie Butter in der Sonne. Wann ich die kleine Kerstin zum letzten Mal gesehen habe, wollte er wissen, und in seinen Augen war kein Funken Hoffnung, als hätte er schon zu viele vermisste Mädchen tot aufgefunden, um noch an ein glückliches Ende zu glauben.
Seit meiner Trennung von ihrem Vater sehe ich sie selten, manchmal begegne ich den beiden im Stiegenhaus, aber ich höre die Kleine immer, habe ich gemurmelt. Richard setzt Kerstin jeden Nachmittag für ein paar Stunden ins Plantschbecken auf die Dachterrasse. Es steht neben dem großen Pflanzkasten mit der Pfefferminze und hat ein aufblasbares Dach, das vor der Sonne schützt, und bunte Fische an den Seiten. Sie weint und schreit immer, wenn sie alleine da oben ist. Ich kann das bis in meine Wohnung hören. Ich bekomme sogar Kopfschmerzen davon.
Da hat das Gesicht des Polizisten härtere Züge angenommen. Er lässt seine zweijährige Tochter unbeaufsichtigt am Dach?
Das Wasser ist flach und sie trägt sogar Schwimmflügel. Sie kann auch nicht vom Dach fallen. Es kann eigentlich nichts passieren …
Die Schultern des Polizisten haben sich trotzdem weiter versteift. Er hat ausgesehen, als wüsste er alles, was er wissen müsste. Da habe ich zum ersten Mal Angst vor Richard bekommen.

Die Zeit vergeht quälend langsam, die Hitze dehnt alles aus. Die Minuten in der Badewanne werden zu Stunden, in denen ich nichts tue. Abends im Bett höre ich Richards unruhige Schritte in der Wohnung über mir. In meinem Kopf überschlagen sich die Stimmen, diskutieren, fangen einen Streit an, der wie Blitze durch meine Schläfen zuckt. Sie reden über Richard, als wäre er ein Monster. Sie reden über mich, als wäre ich in Gefahr. Das Kissen, das ich mir gegen die Ohren drücke, kann das Gefühl, dass etwas Schlimmes passieren wird, nicht ersticken.

Erst kurz nach Mitternacht und ein paar ermutigenden Schlucken Whiskey wage ich es, meine Wohnung zu verlassen. Die Stimmen lassen mir keinen Schlaf. Sie reden wieder von der Pfefferminze und trockener Erde. Die Dachterrasse liegt direkt über Richards Wohnung – ich hoffe, dass er bereits schläft und meine Schritte nicht hören kann. Vorwärts, drängen die Stimmen, vorwärts, die Zeit läuft davon. Nie zurück, sondern immerzu vorwärts. Die Sonne behält kein Geheimnis. Je länger ich zuhöre, desto mehr kann ich verstehen. Aber ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich das überhaupt will.
Die Nacht bringt keine Abkühlung. Die Luft ist warm und schwül, es weht kein Wind, der die schweißklebrigen Haare von meinen Schläfen lösen könnte. Das Wasser im Plantschbecken liegt in völliger Stille. Einen Moment lang verharre ich und tauche einen Finger hinein. Es ist wärmer als das Wasser in meiner Badewanne. In meinem Kopf taucht ein Bild auf: nasse, dunkelbraune Locken. Die Pfefferminze, schreien die Stimmen. Sieh nach, was er unter der Pfefferminze vergraben hat! Widerwillig richte ich meinen Blick auf den Pflanzkasten. Pfefferminze ist eine Pflanze, die sehr stress- und hitzeresistent ist. Aus ihren Blättern habe ich oft Mojitos für Richard und mich gemacht. Doch selbst die Erinnerung an gemütliche Abende zu dritt, in denen wir fast wie eine Familie waren, kann das ungute Gefühl in meiner Bauchgegend nicht beruhigen. Alles woran ich denken kann, ist der Schatten, der manchmal über Richards Gesicht gehuscht ist, wenn Kerstin nicht aufhören wollte, zu heulen.
Die Pfefferminze sieht mitgenommen aus, als wäre sie herausgerissen und wieder notdürftig zurück in die Erde gedrückt worden. Die Blätter hängen träge herunter, als hätten sie jegliche Hoffnung verloren. Wie der Polizist, der hier war.
Vielleicht ist es nur die Hitze, die der Pflanze zu schaffen macht.

»Iris?« Eine Stimme, tief wie ein See. Licht aus dem Stiegenhaus fällt auf Richard und wirft Schatten auf sein Gesicht. Ich stolpere rückwärts und stoße mit dem Bein an den Pflanzkasten. Ein pochender Schmerz breitet sich in meiner Wade aus. Richard bewegt sich langsam, fast so, als würde er schlafwandeln. »Was tust du hier oben um diese Uhrzeit?« Sein Blick bleibt am Plantschbecken hängen. Ich kann seinen Gesichtsausdruck nicht deuten.
»Frische Luft … die Hitze setzt mir dieses Jahr zu. Ich sollte wieder nach drinnen gehen.«
»Bleib doch einen Moment, Iris.« Es klingt schwach, aber dennoch wie ein Befehl. Die Stimmen flüstern etwas, doch so sehr ich mich auch anstrenge, ich kann kein einziges Wort mehr verstehen.
»Ich habe einen Fehler gemacht …«, sagt Richard. Mein Herz rast, als ich darauf warte, dass er den Satz beendet. Doch das tut er nicht. Stattdessen sieht er vom Planschbecken auf und macht einen Schritt auf mich zu. Panik pulsiert durch meine Adern. Das Stiegenhaus ist nur wenige Meter entfernt. Ich muss nur an Richard vorbei. Richard, der mich in meinen Träumen ertränkt. Er packt mich am Handgelenk, als ich einen Schritt nach vorne mache.
»Ich habe der Polizei nichts gesagt!«, schreie ich und sehe in sein Gesicht, auf die schmalen Lippen und den Drei-Tage-Bart, den ich so gerne geküsst habe, obwohl meine sensible Haut sich danach gerötet hat. Plötzlich ist da keine Liebe mehr zwischen uns.
»Was? Was meinst du damit?»
Mein Handgelenk erzittert unter der hilflosen Wut seiner Finger. Doch in seinen Augen sehe ich nur Verwirrung. Ich blinzele. »Als du heute bei mir geklopft hast- »
»Geklopft? Ich habe nicht geklopft, ich war fast den ganzen Tag auf dem Revier.« Er lässt meine Hand los. Er sieht müde aus. »Iris, was- »
»Was ist passiert? Hast du sie getötet?« Mein Magen krümmt sich, als ich die Worte ausspucke. »War es ein Unfall?«
»Hast du den Verstand verloren?!«
Seine Worte treffen einen wunden Punkt. Ich schlage gegen seine Brust.
»Ich hätte ihre Mutter sein können! Ich hätte aufpassen können, Richard! Wenn du dich nicht von mir getrennt hättest … es wäre nicht so laut gewesen!« Schreien, Weinen, Stimmen. Papa! Papa! Jeden Nachmittag nur »Papa!«. »Du bist Schuld daran, dass es so laut war! Du hast mich nicht ihre Mutter sein lassen! Weißt du eigentlich, wie viel sie geschrien hat? Wie hast du das einfach ignorieren können? So viel Geschrei, Tag und Nacht, hat es sich nicht angefühlt, als würde dein Kopf explodieren?«
Die Knie geben unter mir nach. Ich drehe mich weg, stütze mich am Pflanzkasten ab. Bekomme eine Handvoll Erde zu fassen und schleudere sie beiseite. Noch eine Handvoll. Der Geruch von Pfefferminze und etwas Abscheulichem dringt mir in die Nase. Richard ruft meinen Namen, packt mich an der Schulter. Ich schüttele ihn ab und reiße an der Pfefferminze, schlage mit der Faust gegen den Pflanzkasten, grabe tiefer, ohne auch nur einen Moment innezuhalten. Es wird keine Pfefferminze mehr geben, über die die Stimmen reden können. Egal wie stress- und hitzeresistent diese verdammte Pflanze ist, sie wird nicht mehr zurückkommen. In all der Erde erspähe ich blassblaue Lippen und Augen, leer wie die einer Puppe. Ich reiße nicht mehr an den Wurzeln der Pfefferminze, es sind Haare, in denen meine Finger sich verfangen. Doch in meiner Wut hat es keine Bedeutung. Ich reiße stärker, und dann habe ich ein Büschel stinkender Locken in der Hand, das ich genauso beiseite werfe wie die Pfefferminze. Meine Finger graben sich erneut in die Erde-
Ich werde gestoßen. Der Natursteinboden empfängt mich mit einem dumpfen Schmerz. Wie durch einen Schleier sehe ich Richard, wie er vor dem Pflanzkasten in sich zusammensackt. Seine Schultern zucken, sein Mund bewegt sich auf und zu, aber ich höre nichts. Es ist so still um mich herum, dass ich vor Erleichterung weinen könnte. Ich schließe die Augen. Da sind keine Stimmen mehr. Ganz langsam nimmt die Welt schärfere Umrisse an. Und dann sehe ich mich, wie ich Kerstins Kopf unter Wasser drücke.

 

Hallo Navi!

Das ist eine kleine, feine Geschichte, die mir sowohl sprachlich als auch inhaltlich gut gefallen hat. Wüsste auf Anhieb nichts, das ich monieren könnte. Vielleicht ein wenig Korinthen kacken, aber sonst? Werde deinen Text sacken lassen und später nochmal lesen. Vielleicht fällt mir dann etwas Verbesserungswürdiges ein. Aber wenn mir für's Erste nichts einfällt, ist das schon mal ein gutes Zeichen.
Gratulation!

Manuela :)

 

Hallo @Navi,

herzlich willkommen bei uns. Wie schön, das du bereits Kommentare geschrieben hast, bevor du selbst etwas einstellst. :thumbsup:

Deine Geschichte gefällt mir gut. Sie ist spannend gemacht, auch wenn man sich relativ früh denken kann worauf es hinausläuft.

Der Einstieg ist mir allerdings viel zu aufgeplustert.

bedeckt mit feuchten Handtüchern und klebrigem Schweiß, geplagt von fiebrigen Alpträumen
ein Stück Dörrobst, ein Opfer der unbarmherzigen Hitzewelle, die draußen den Asphalt zum Schmelzen bringt und meine Wohnung wie einen Backofen erhitzt.
Richard, der Teufel in Menschengestalt. Richard, mein geliebter Richard.
Ich finde ihn durch viele Adjektive überladen und auch zu lang. Man weiß nicht worum es geht und man liest erstmal nur die Gedanken einer Frau in der Badewanne.

Vielleicht könntest du mit

Er hämmert gegen die Wohnungstür und ruft meinen Namen. Ich kann seine Wut durch die Wände und die verschlossenen Türen fühlen.
beginnen und dann etwas aus dem ersten Absatz einfügen. Ich würde da allerdings einiges wegstreichen.

Ich finde dein Text wird erst richtig gut, als dann auch etwas passiert.

Ich kann seine Wut durch die Wände und die verschlossenen Türen fühlen. Jeder Faustschlag gegen das Holz grollt wie schmerzhafter Donner durch meinen Kopf. Ich presse die Wange gegen den kühlen Rand der Keramikwanne und bohre die Fingernägel in meine Oberschenkel, bis rote Kratzspuren entstehen.
Gefällt mir gut!

Der Geschmack von Blut klebt an meinen aufgesprungenen Lippen.
Gerne verwendetes Bild, vielleicht schon etwas abgedroschen. Und ich bekomme es nicht mit der Badewanne zusammen. Aufgesprungene Lippen sind rau und trocken. Aber da ist ja alles feucht. Vielleicht fällt dir noch was anderes ein.

und in seinen Augen war kein Funken Hoffnung, als hätte er schon zu viele vermisste Mädchen tot aufgefunden, um noch an ein glückliches Ende zu glauben.
Schön geschrieben. ☺

Richard setzt Kerstin jeden Nachmittag für ein paar Stunden ins Plantschbecken auf die Dachterrasse.
Auf der Dachterrasse

Er lässt seine zweijährige Tochter unbeaufsichtigt am Dach?
Auf dem Dach.
Oder eher ... in einem Pool auf dem Dach?

Die Schultern des Polizisten haben sich trotzdem weiter versteift. Er hat ausgesehen, als wüsste er alles, was er wissen müsste. Da habe ich zum ersten Mal Angst vor Richard bekommen.
Hier würde ich einfaches Präteritum verwenden.

Die Minuten in der Badewanne werden zu Stunden, in denen ich nichts tue. Abends im Bett höre ich Richards unruhige Schritte in der Wohnung über mir. In meinem Kopf überschlagen sich die Stimmen, diskutieren, fangen einen Streit an,
Hier würde ich bei Abends eine neue Zeile beginnen, um den Ortswechsel zu markieren.

Erst kurz nach Mitternacht und ein paar ermutigenden Schlucken Whiskey wage ich es,
Du meinst „nach ein paar ermutigenden Schlucken“? Das Wortspiel finde ich unpassend, es ergibt keinen wirklichen Sinn in Zusammenhang mit nach Mitternacht.

Pfefferminze ist eine Pflanze, die sehr stress- und hitzeresistent ist.
Unnötige Info. Der text funktioniert auch ohne.

Eine Stimme, tief wie ein See.
Ein unpassender Vergleich.

Licht aus dem Stiegenhaus fällt auf Richard und wirft Schatten auf sein Gesicht.
Um das doppelte auf zu vermeiden vielleicht: Licht aus dem Stiegenhaus wirft Schatten auf Richards Gesicht.

Plötzlich ist da keine Liebe mehr zwischen uns.
Ist? Eher war, oder?
Oder: Von dieser Zuneigung ist in diesem Moment nichts mehr vorhanden.

»Als du heute bei mir geklopft hast- »
Hier würde ich eher die drei Punkte als den Bindestrich verwenden. Und die Pfeile am Ende sind falsch herum.

»Iris, was- »
Hier auch .

dann habe ich ein Büschel stinkender Locken in der Hand
Das Adjektiv finde ich unpassend. Merkt sie wirklich, wie gerade die Locken riechen?

So das wärs erstmal von mir. Wie immer, nur meine persönliche Meinung. Ich bin eine Adjektivhasserin, andere sind da bestimmt gnädiger. ;)

Wie gesagt, ich finde den Text insgesamt schon sehr gelungen.

Eine Sache stört mich ein wenig. Diese Dachterrasse ist also für alle zugänglich, richtig? Und da stehen nur die Sachen von Richard rum, er lässt seine Tochter dort alleine, die ja mit zwei Jahren auch schon laufen kann. Das empfinde ich schon als sehr unglaubwürdig.

Viel Spaß noch bei uns und liebe Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 

Danke @Manuela K. ! Ich freue mich, wenn dir noch etwas auffällt, aber wenn nicht, ist es natürlich auch gut.

Hallo @Nichtgeburtstagskind und danke für das liebe Willkommen!

Ich finde ihn durch viele Adjektive überladen und auch zu lang.

Wie heißt es so schön? Kill your darlings :') Ich mochte den Anfang, aber wenn du als Leser meinst, das ist zuviel, dann ist es mit großer Wahrscheinlichkeit auch zuviel. Und im Allgemeinen bin ich da auch total deiner Meinung, ich mag Adjektive auch am liebsten in kleinen Portionen. Da sind mir dann aber doch einige reingerutscht ...

Gerne verwendetes Bild, vielleicht schon etwas abgedroschen. Und ich bekomme es nicht mit der Badewanne zusammen. Aufgesprungene Lippen sind rau und trocken. Aber da ist ja alles feucht. Vielleicht fällt dir noch was anderes ein.

Hm ja, tatsächlich etwas abgedroschen. Ich wollte es mit der Sommerhitze in der Wohnung verbinden, aber dass das nicht zum Bild der feuchten Badewanne passt, ist ein guter Einwand. Vielleicht fällt mir da noch was ein.

Eine Stimme, tief wie ein See.
Ein unpassender Vergleich.

Ach, schade. Ich wollte einen nicht abgedroschenen Vergleich verwenden ... ups.

Um das doppelte auf zu vermeiden vielleicht: Licht aus dem Stiegenhaus wirft Schatten auf Richards Gesicht.

Das gefällt mir gut!

Das Adjektiv finde ich unpassend. Merkt sie wirklich, wie gerade die Locken riechen?

Jetzt wo du es erwähnst, gefällt es mir auch ohne besser. :)

Eine Sache stört mich ein wenig. Diese Dachterrasse ist also für alle zugänglich, richtig? Und da stehen nur die Sachen von Richard rum, er lässt seine Tochter dort alleine, die ja mit zwei Jahren auch schon laufen kann. Das empfinde ich schon als sehr unglaubwürdig.

Ich war mir auch etwas unsicher. Allerdings glaube ich auch, dass es viele Eltern gibt, die ihre Aufsichtspflicht verletzen, die sehr fahrlässig sind und dadurch ihre Kinder gefährden. Teilweise auch einfach, weil sie völlig überfordert sind, eine Stunde für sich brauchen und meinen, da passiert schon nichts, das ist ne ruhige Gegend.

Vielen Dank für dein Feedback! Hat mir gut dabei geholfen, einen Eindruck davon zu bekommen, welche Stellen funktionieren und welche nicht (:

 

Hallo @Navi,
tolle Geschichte! Sehr ungewöhnlich, und so gut erzählt, dass es mich voll reingezogen hat.
Einziger Kritikpunkt sind für mich ein paar Vergleiche, @Nichtgeburtstagskind hat schon den Satz mit dem Backofen erwähnt. Das war mir auch zuviel und der Vergleich auch schon zu oft benutzt, genau wie: Butter in der Sonne.

Ich finde, du hast das Innenleben dieser kranken Frau authentisch rübergebracht, und auch den Satz mit der Minze würde ich unbedingt drinlassen. Das sind so Gedankensprünge zu unwichtigen Dingen, die Iris' Charakter noch besser abrunden für mich.
Nee, hat mir echt gut gefallen, Navi, und ich freue mich auf deine nächste Geschichte.

Viele Grüße,
Chai

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Navi

Ein guter Text, den ich gerne gelesen habe. Ich kann mich den ersten Kommentaren in vielen Punkten anschliessen. Dass die Vergleiche nicht immer sehr originell sind, wurde bereits erwähnt. Mir scheint aber auch, dass es insgesamt zu viele sind. Ich zähle nur schon im ersten Abschnitt sechs Vergleiche, von denen ich eigentlich nur den mit der Wasserleiche gelungen finde (den aber so richtig!) Den tropischen Regen zum Beispiel verbinde ich eher mit einem angenehmen Gefühl und wenn die Erzählerin erklären muss, dass ein Vergleich eigentlich unpassend ist, weil er im Widerspruch zum vorhergehenden steht, es sich nun aber genau so anfühlt ... das zieht den Text in die Länge. Ich würde also mal eine Hypothese wagen und vermuten, dass die Tatsache, dass der Anfang des Textes gegenüber dem Rest ein wenig abfällt, durch diese Vergleiche zu einem guten Teil mitverursacht wird.

Ansonsten fand ich den Text sprachlich sehr gelungen, ist ja eine Kunst, den Wahnsinn erzählerisch rüberzubringen, ohne dabei das Mass zu verlieren. Einzig die stinkenden Locken fand ich ebenfalls over the top.

Diese Sätze:

Pfefferminze ist eine Pflanze, die sehr stress- und hitzeresistent ist.
Egal wie stress- und hitzeresistent diese verdammte Pflanze ist, sie wird nicht mehr zurückkommen.
... sind nicht nur überflüssig, wie NGK anmerkt, sondern passen m.E. so gar nicht zum Duktus des restlichen Textes.

Richard bewegt sich langsam, fast so, als würde er schlafwandeln. »Was tust du hier oben um diese Uhrzeit?«
Das fand ich eine seltsame Frage. Seine Tochter wird vermisst, da ist doch klar, dass man (d.h. auch sie) immer wieder an die Stellen zurückgeht, wo das Mädchen gewesen ist, auf der Suche nach Hinweisen oder Spuren.

Ich überlege mir grad auch noch, wann der Mord überhaupt stattgefunden hat. Das müsste doch am helllichten Nachmittag gewesen sein. Und da wird ja auch einiges an Erde aus dem Topf rausgefallen sein, die aufgewischt werden muss. Also, schon eine seltsam-krasse Reaktion auf diesen - ich nehme mal an - Ausraster / mentalen Aussetzer. Hat ja was Abgebrühtes und Planvolles. Ich würde eher erwarten, dass sie einfach wegrennt und nicht noch sauber macht und Erde festklopft. Aber dann hast du natürlich keine so abgedrehte Story. :) Passt schon. Wie gesagt, gerne gelesen.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo @Navi

auch mir hat deine Geschichte gefallen! :) Was mir am meisten gefällt: Man merkt, dass du gern schreibst. Da sind viele fantasievolle sprachliche Bilder und Metaphern enthalten, die das ganze lebendig werden lassen. Hier mal ein paar meiner Lieblingsstellen:

Seit Tagen lasse ich mich in der Badewanne treiben wie eine Wasserleiche.
Ich kann seine Wut durch die Wände und die verschlossenen Türen fühlen.
Die Zeit vergeht quälend langsam, die Hitze dehnt alles aus. Die Minuten in der Badewanne werden zu Stunden, in denen ich nichts tue.
Die Sonne behält kein Geheimnis.
Schreien, Weinen, Stimmen. Papa! Papa! Jeden Nachmittag nur »Papa!«. »Du bist Schuld daran, dass es so laut war! Du hast mich nicht ihre Mutter sein lassen! Weißt du eigentlich, wie viel sie geschrien hat? Wie hast du das einfach ignorieren können? So viel Geschrei, Tag und Nacht, hat es sich nicht angefühlt, als würde dein Kopf explodieren?«

Den Moment ihres Geständnisses finde ich auch gut, diese Wiederholung, das klappt gut.

Insgesamt würde es aber dem Text gut tun, wenn du ein paar Dinge einfach streichst. Du möchtest ja den Leser zu Beginn auf eine falsche Fährte locken. Man soll glauben, das der Mann der Mörder ist. Das würde meiner Meinung nach besser funktionieren, wenn du es ein wenig subtiler angehst.

»Ich weiß genau, was du der Polizei gesagt hast!«, tobt Richard, und ich sinke tiefer ins Wasser. So wütend habe ich ihn noch nie erlebt. Wird er die Tür aufbrechen? Werde ich spurlos verschwinden, genauso wie seine kleine Tochter?

Hier zum Beispiel. Es geht ja direkt gewalttätig los. Ich würde eher ihr Gefühl beschreiben, dass sie hat, wenn sie in seiner Nähe ist, seine Gewaltbereitschaft eher andeuten, als so offensichtlich zeigen, ob eingebildet oder nicht.

Erst kurz nach Mitternacht und ein paar ermutigenden Schlucken Whiskey wage ich es, meine Wohnung zu verlassen. Die Stimmen lassen mir keinen Schlaf. Sie reden wieder von der Pfefferminze und trockener Erde. Die Dachterrasse liegt direkt über Richards Wohnung – ich hoffe, dass er bereits schläft und meine Schritte nicht hören kann. Vorwärts, drängen die Stimmen, vorwärts, die Zeit läuft davon. Nie zurück, sondern immerzu vorwärts.

Ich finde, es wäre noch stärker, wenn sie sich diese Gedanken von selbst macht und es keine Stimmen gibt, die ihr Dinge befehlen. Das ist nämlich so ein Verrücken-Klischee, das einen schneller auf die richtige Bahn bringt als Leser. Die hört Stimmen? Na dann muss sie ja verrückt sein. ;)

Die Pfefferminze sieht mitgenommen aus, als wäre sie herausgerissen und wieder notdürftig zurück in die Erde gedrückt worden. Die Blätter hängen träge herunter, als hätten sie jegliche Hoffnung verloren. Wie der Polizist, der hier war.
Vielleicht ist es nur die Hitze, die der Pflanze zu schaffen macht.

Oder hier. Da war mir dann klar, wo das tote Mädchen steckt. Wenn du diesen Satz streichst, wird der Rest etwas ominöser und subtiler. Vielleicht ist es eben nur die Hitze. ;)

Insgesamt finde ich deine Story aber richtig gut, war spannend zu lesen und kreativ geschrieben. Hat mir gut gefallen. Weiter so! :rotfl:

Viele liebe Grüße, PP

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey @Navi,
auch von mir ein herzliches Willkommen, ein kleines, feines Ding hast du hier als Erstling abgeliefert!
Ein paar Stellen sind mir zu dick, da könntest du Bilder und Schlagworte streichen, die mich eher ablenken. Zum Beispiel hier:

Ich fühle mich aufgedunsen, voll von Wasser und Stimmen, und merkwürdigerweise dennoch wie ein Stück Dörrobst, ein Opfer der unbarmherzigen Hitzewelle, die draußen den Asphalt zum Schmelzen bringt und meine Wohnung wie einen Backofen erhitzt.
Damit sagst du eigentlich nur: Es ist heiß. Das Aufgedunsene hast du mit der Wasserleiche schon besser beschrieben. Das Bild mit dem mit Stimmen gefüllten Dörrobst ist schief, für mich funktioniert das nicht, während der Asphalt, der zum Schmelzen gebracht wird und der Backofen eher gewöhnlich daherkommen. Auch gleich drauf der tropische Regen, später Butter in der Sonne. Da wäre mMn weniger mehr, vor allem, da du direkt danach in einen nüchternen Duktus wechselst, der viel besser zu dem passt, was du erzählen willst.

Pfefferminze, das murmeln sie erst seit gestern, dafür aber immer und immer wieder. Und nach Einbruch der Dämmerung schreien sie seinen Namen wie eine Warnung in die Dunkelheit: Richard. Richard, der Teufel in Menschengestalt. Richard, mein geliebter Richard.
Das hingegen finde ich stark. Das erzeugt Spannung und weckt Vorahnungen

und bohre die Fingernägel in meine Oberschenkel, bis rote Kratzspuren entstehen
nur am Rande: wenn ich Frauen-Fingernägel in Fleisch bohre entstehen keine Kratzspuren, sondern rote, sichelförmige Abdrücke.

Pfefferminze ist eine Pflanze, die sehr stress- und hitzeresistent ist.
Das ist sehr erklärend und verzichtbar. Der Hinweis auf den Mojito hingegen ist gut, denn er erzählt so viel mehr.

Frische Luft … die Hitze setzt mir dieses Jahr zu.
Nach dem Dreipunkt solltest du ein Komma setzen oder groß weiterschreiben. Auch hier:
Wenn du dich nicht von mir getrennt hättest … es wäre nicht so laut gewesen!

»Iris, was- »
da gehört ein Dreipunkt hin und das hintere » bitte umdrehen.

Und dann sehe ich mich, wie ich Kerstins Kopf unter Wasser drücke.
Das ist zwar ein guter Twist, dennoch finde ich ihn etwas verschenkt, denn wie spooky wäre das, wüsste ich nicht, wer von beiden tatsächlich was gemacht hat? Ich persönlich bräuchte auch das Auffinden des Mädchens nicht, mir würde reichen, wenn sie die Pfefferminze ausreißt. Gerade das Ambivalente fände ich viel spannender.
Du machst keine Rechtschreibfehler und strukturierst deine Text gut, das macht ihn sehr angenehm zu lesen. Ich als Leser spüre die Mühe, die du investiert hast. Wenn du noch einige Ungenauigkeiten wegpolierst, hast du hier eine richtig gute Story.
Hier Usus: Nimm, was du brauchst und ändere nur, was du willst ...

Peace, linktofink

 

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