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Schall des Schreckens

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06.10.2003
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Schall des Schreckens

Schall des Schreckens

Erstes Kapitel

Auf einem langen verlassenen Gang des „Royal Cornhil Hospitals, Klinik für Psychiatrie“ war eine merkwürdige Melodie zu hören. Die Töne waren nur sehr leise und wirkten ungewohnt in dem stillen Gang, der durch ein paar flackernde Neonröhren leicht und unangenehm erhellt wurde und die leeren blutverschmierten Metallbetten am Rande sichtbar machten. Sonst waren lediglich ab und zu ein paar Rufe oder ächzende Schreie von den Insassen zu hören, die jedoch in dieser Nacht fast gänzlich verstummt waren. Es ist die Abteilung für „Unheilbare Fälle“, dort wo die Menschen, die in ihren düsteren Zimmern ausharren müssen, von jedem schon längst aufgegeben und vergessen worden sind. In einer alten und heruntergekommenen Klinik, sehr weit abgelegen im Norden Englands, an einem düsteren Ort, an dem sonst kein Mensch zu finden war.

Doch in dieser Nacht erzeugten die langsamen und leisen Töne eines Klaviers eine ungewohnte, fast schöne Stimmung. Ein nie enden wollendes Lied, dass so dramatisch und zugleich hoffnungsvoll klang, und selbst noch in den hintersten Ecken des Korridors zu hören war, überschattete den sonst so menschenfeindlichen Eindruck der Klinik. Man glaubte, die Zeit sei stehen geblieben. Nichts bewegte sich, außer der graue Vorhang eines der wenigen Fenster der Klinik, durch das der Wind eindringen konnte. Von wo kam diese Melodie? Sie musste aus einem der Zimmer der Insassen kommen. Hinter den dicken und schmutzigen Stahltüren, spielte jemand diese Klänge, die wenn man sie hörte, den ganzen Körper durchdrangen und einen nicht mehr loszulassen schienen.
Gestört wurde diese Stimmung erst durch plötzlich auftauchende langsame Schritte, die auf dem Kunststoffboden des Ganges zu hören waren. Die Melodie verstummte! Aus dem hinteren Teil des Korridors tauchten im Licht zwei Ärzte auf, die auf das Zimmer, aus dem die Klänge zu vernehmen waren, zugingen und davor stehen blieben. Es war Zimmer 17. Ein kleines Namensschild mit einem frischem Aufdruck „Jonathan Goldberg“ klebte daran. Durch eine Metallluke konnten sie einen kleinen Jungen sehen, der regungslos im Dunkeln an einem Klavier saß. Er war lediglich mit ein paar Fetzen Stoff bekleidet, die seinen dünnen und zierlichen Körper bedeckten. Er hatte kurze Haare, die Augen waren ungewöhnlich blau und in seinem Gesicht waren hunderte von winzigen Adern zu erkennen. Er hatte Angst, dass sah man ihm an. Er zitterte und seine Hände waren nass von seinem Schweiß. Als er die Ärzte vor seiner Tür bemerkte, drehte er den Kopf leicht zur Seite und schaute ihnen in die Augen.
„Ein Neuer?“, fragte der leitende Chefarzt, mittleren Alters, gänzlich unbeeindruckt davon, um die unheimliche Stille zu durchbrechen.
Der junge Assistentsarzt war sichtlich mehr beeindruckt von dem Jungen und zuckte vor dessen eindringlichem Blick zurück.
„Ähm, ja, ein 12jähriger Junge, heute morgen eingeliefert. Leidet unter schweren Angstzuständen und Halluzinationen.“
„Gibt es Verwandte?!“…
“Nein, anscheinend nicht…Eltern sind gestern bei einem Autounfall ums Leben gekommen, die Polizei lieferte ihn ein.“ Der Assistent versuchte weiterhin dem Blick des Jungen auszuweichen.
„Wieso steht ein Klavier in seinem Zimmer?“, fragte der Chefarzt verwundert ohne jedoch einen Hauch von Gefühlsregung zu zeigen.
„Er rief ständig, dass er ein Klavier haben wolle…wir hatten noch ein Altes und konnten ihn damit beruhigen. Er hat Talent.“
Der Chefarzt blickte seinen Assistenten mit kühlem Gesichtsausdruck an. „Mag sein!“
Der Junge drehte seinen Kopf zurück und starrte auf sein Klavier. Die Metallluke wurde wieder verschlossen. Der leitende Arzt nahm die Akte an sich, blätterte sie kurz durch, um sie nach wenigen Sekunden ohne Interesse dem Assistenten wieder zu geben. Weiterhin war es still auf dem Gang. Noch immer ertönten keine sonst so üblichen Schreie einiger Insassen. Eine Neonröhre weiter hinten flackerte und spendete das letzte bisschen Licht in dem langen Gang. Der Wind wehte etwas stärker durch das offene Fenster und man fühlte, dass es bald anfangen würde zu regnen. Weiterhin standen die Ärzte mitten im Gang vor Zimmer 17.
„Machen Sie ein Kreuz in die Akte… für unheilbar.“
Der Chefarzt ging nun wieder den Korridor entlang, Richtung Ausgang und sein Assistent folgte ihm kurze Zeit später. Die Schritte wurden immer leiser und entfernten sich langsam. Es begann zu regnen, das letzte flackernde Licht ging nun endgültig aus und in der Klinik war es wieder still geworden. Nur die ersten Klänge eines Klaviers waren wieder in der stillen und regnerischen Nacht zu hören.

Zweites Kapitel

Die Straßen waren schon leer, als Thomas Sanders auf der Landstraße an einem Freitagabend mit seinem alten Ford von der Arbeit nach Hause fuhr. Wie so oft war es mal wieder sehr spät geworden, bis er aus der Redaktion herauskam. Er musste über das Wochenende noch einen Artikel für die „Times“ schreiben. Keine leichte Aufgabe, denn er musste eine Menge für die Story recherchieren, Fotos machen und schließlich seinen Artikel schreiben. Trotz dieser teilweise langen Arbeitszeiten und des harten Zeitdrucks liebt er aber seinen Job als Reporter. Abschalten von seinem Beruf kann er nur selten, sodass er selbst noch am Wochenende zu Hause weiter schreibt. Auch wenn er dafür manchmal Opfer bringen muss. So konnte er mal wieder nicht bei seiner Frau Mary und seiner 5jährigen Tochter Elisabeth mitfahren, die übers Wochenende Großmutter besuchen gingen. Manchmal hätte er schon gerne mehr Zeit für seine Familie, aber er kann seinen Beruf unmöglich aufgeben. Deshalb hatten sie alle am Morgen gemeinsam gefrühstückt, sind zum Bahnhof gefahren und hatten sich mit einer Umarmung und einem Kuss verabschiedet.

Der lange anstrengende Tag hatte ihn müde gemacht. Er musste sich beim Fahren nun richtig anstrengen, um sich auf die Straße konzentrieren zu können. Die Straße ist mittlerweile sehr düster geworden. Sanders fuhr diesen Weg nicht gerade oft, es ist eigentlich ein Umweg, aber ausgerechnet heute war die Strecke, die er sonst immer nimmt und durch die Stadt führt, gesperrt. Von den Straßenlaternen waren nur wenige eingeschaltet, höchstens wenn mal ein kleiner Feldweg abzweigt, war etwas Beleuchtung vorhanden. Zu allem Unglück, welches er heute hatte, war auch noch sein rechter Frontscheinwerfer defekt, wodurch die Sicht auf der verlassenen Landstraße noch zusätzlich erschwert wurde. Es war einfach nicht sein Tag.

Es fing schon heute Morgen nach dem Bahnhof an, als er einen alten, vermoderten Plattenladen auffand. Eigentlich ist er absoluter Fan von alten Schallplatten. Er mag dieses Kratzen und diesen manchmal etwas unheimlichen Original-Ton eines Musikstücks. Besonders klassische Musik fasziniert ihn, da er sich bei solcher Musik so gut entspannen kann. Also war er froh, dass er noch genug Zeit bis zur Arbeit hatte, um noch etwas nach Schallplatten zu stöbern. Als er vor der Tür stand sah er ein Schild: „Gebrauchte Schallplatten, Durchgehend geöffnet“.
Das Schild wunderte ihn, er hatte noch nie einen Plattenladen gesehen, der Tag und Nacht geöffnet. Ein alter Mann, verließ direkt vor seinen Augen den Laden, starrte ihn mehrere Sekunden an und verschwand danach mit einem Lächeln. Sanders hatte noch Zeit, ihm verlegen und etwas schüchtern zurückzulächeln. Sichtlich gierig nach einer neuen Schallplatte betrat er, trotz des komischen Gefühls, den alten Laden. Er blickte sich kurz um. Zwei Reihen mit Schallplatten, bei denen man deutliche Gebrauchsspuren auf den Covers sah und etwas weiter hinten eine kleine dunkle Theke mit einer altmodischen Kasse darauf. Die Theke konnte man aufgrund des schwachen Lichts nicht genau einsehen, aber Sanders konnte erkennen, dass sich anscheinend niemand dahinter befand. In dem Laden war es vollkommen still und etwas düster, was an den schmutzigen Fensterscheiben liegen musste. Die Vorstellung, dass er nun alleine in diesem Geschäft sei, löste ein Hauch von Angstgefühl in ihm aus. Als er aber kurz darauf ein kleines Schild mit dem Aufdruck „klassische Musik“ erblickte, eilte er sofort hin. Doch nach kurzem Stöbern wollte er enttäuscht den Laden wieder verlassen, da er nichts Neues fand.

Dann aber sah er etwas, was er noch nie zuvor gesehen hatte. Es war ein merkwürdiges Cover.
„Was sollte es darstellen?“, fragte er sich ohne eine Antwort darauf zu finden.
Das Cover faszinierte ihn. Mehr sogar, er starrte es unentwegt an, konzentrierte sich nur noch darauf, und es zog ihn völlig in seinen Bann. Er konnte nicht beschreiben, was er sah, aber es waren seltsame Zeichen, jedoch kein Name eines Künstlers.
„Kann ich Ihnen helfen?“, hauchte eine Stimme in sein Ohr, während es ihm kalt den Rücken hinunterlief.
Im selben Moment drehte sich Sanders um und sah einem merkwürdig aussehenden Mann direkt in die Augen, die kein einziges Mal blinzeln mussten. Er hatte plötzlich pure Angst, denn mit so jemand hatte er nicht gerechnet. Er war komplett in schwarz gekleidet und auf seinem Ärmel war Blut zu erkennen. Eine Baseballkappe verdeckte leicht seine Gesichtszüge, doch sein starrer Anblick versetzte Sanders in Schockzustand. Hätte er dies geahnt, wäre er nie in den Laden rein gegangen. „Ähm…Ich hätte gerne diese Platte“, sprach er mit letzter Kraft aus, während ihm der Angstschweiß an der Stirn herunterlief.
„Na gut, aber denken Sie dran…gebrauchte Platten sind vom Umtausch ausgeschlossen“.
Der Verkäufer hatte dabei ein noch fieseres Lächeln als der alte Mann aufgesetzt.

Er hatte sie tatsächlich gekauft gehabt, dennoch staunte er auch jetzt noch, während der Autofahrt, über diesen Moment, als er das Cover und danach den Verkäufer sah. Ein mulmiges Gefühl durchzog seinen ganzen Magen, wenn er nur daran dachte. Doch nun war er erstmal froh kurz vor seinem Haus angekommen zu sein. Endlich hatte er Zeit sich auszuruhen.

Drittes Kapitel

Das Wetter war schlechter geworden und er hörte, dass der Wind draußen ebenfalls immer stärker wurde. Es fing langsam an zu regnen und die großen Regentropfen prasselten auf das Dach des Hauses. Bei dem Anruf bei Großmutter war, anscheinend aufgrund des Wetters, leichtes Rauschen im Hintergrund zu hören, dennoch war er glücklich wieder mit Mary und Elisabeth reden zu können und das Erlebte vom Tag zu schildern. Von der Schallplatte und dem Ereignis im Laden erzählte Sanders jedoch lieber nichts. Ihm war ja selbst nicht wohl bei der Geschichte.

Nach dem Telefonat machte er es sich gemütlich, dämmte das Licht ein wenig und zündete sich eine Kerze an. Er holte sich ein Glas Rotwein und setzte sich an seinen Schreibtisch, um an dem Artikel weiterzuschreiben. Der Regen draußen wurde immer heftiger und aufgrund des Windes leuchtete die Kerze den Raum immer unruhiger aus. Kurz bevor er sich hinsetzen wollte, ging ihm plötzlich die mysteriöse Schallplatte durch den Kopf und er beschloss, sie sich anzuhören. Noch immer fasziniert von dem Cover holte er die Platte heraus und legte sie auf den Plattenspieler. Er war sehr gespannt, was für Musik da drauf sein könnte. Draußen blitzte und donnerte es mittlerweile und ein heftiger Windstoß durch das offene Fenster ließ mehrere seiner Papiere durch den Raum flattern….

Erschrocken davon ging er zum Fenster und schloss es. Dann nahm er die Schallplatte aus ihrer Hülle heraus und betrachtete sie skeptisch im hellen Licht der Wohnzimmerlampe. Nach kurzem zögern legte er sie vorsichtig auf den Plattenteller und setzte behutsam die empfindliche Nadel auf. Zuerst hörte er nur das gewohnte Knistern. Dann stutzte er plötzlich. Es war keine Musik zu hören, sondern seltsame Geräusche. Ein ächzendes Knarren einer schweren Tür; dann plötzlich Gepolter und auf einmal sogar Schreie. Hässliche Schreie und dann ein leises Heulen und Wimmern. Dazu kam ein fürchterliches Brüllen. Merkwürdige Geräusche, die sein Herz schneller schlagen ließen. Was für einen bösen Scherz hatte sich der Verkäufer des Plattenladens mit ihm erlaubt, fragte er sich. Er hatte genug davon und wollte den Plattenspieler abschalten, aber die Schallplatte lief einfach weiter. Unglaubliches Staunen machte sich in Sanders Gesicht breit. Die Schallplatte lief nicht nur einfach weiter, nein es schien als begann sie sich immer schneller zu drehen, obwohl das Gerät längst ausgeschaltet war. Er lief nun zur Steckdose und zog kurzerhand den Stecker aus der Steckdose. Doch zu allem Überfluss setzte nun noch leise Klaviermusik ein. Es waren sehr unheimliche und düstere Klänge, von denen jedoch auch eine unglaubliche Schönheit ausging. Doch die Klänge umfassten eine solch ungeheuerliche Aura, dass Sanders auf den Plattenspieler stürzte und die Platte herunter schleuderte. Nun war es still! Doch nur kurz, denn völlig unerwartet begann es an der Tür zu läuten. Sanders stürmte auf die Haustüre zu und riss sie ohne zu zögern auf. Niemand war dort. Er blickte sich um, konnte aber niemanden in der Nähe entdecken. Nur einen kleinen Zettel:

„Dein Ende naht. Der Schall des Schreckens wird dein Tod sein!“

Er blickte sich abermals um. Doch es war weiterhin keine Menschenseele zu entdecken. Ein unheimliches Gefühl hatte ihn beschlichen, dass ihn irgendetwas dort draußen beobachtete. Er wurde dieses Gefühl auch nicht los, als er später erschöpft ins Bett sank.

Viertes Kapitel

„Der Plattenladen war verschwunden!“
Er konnte seinen eigenen Worten kaum trauen, als er diesen Satz aussprach. Musste er an seinem Verstand zweifeln? Er stand genau an dem Ort, an dem gestern der heruntergekommene Schallplattenladen war. Er war sich völlig sicher, dass musste der Ort sein. Das ist unmöglich! Sein Gesicht wurde immer blasser. „Gebrauchte Schallplatten. Durchgehend geöffnet“. Er sah das Schild in seinen Gedanken noch vor sich und erinnerte sich an den alten Mann, der ihn so fies anlächelte. Er hatte sogar die Schallplatte dabei, damit er sie zurückgeben könne. Er konnte es nicht fassen, das Geschäft war tatsächlich spurlos verschwunden und stattdessen ragte ein verlassenes baufälliges Gebäude hervor. Hier konnte schon ewig nichts mehr drin gewesen sein, dachte er sich und fuhr enttäuscht und ungläubig mit der Schallplatte wieder nach Hause.
Er versuchte das Vorgefallene, welches er sich nicht erklären konnte, schnellstmöglich zu vergessen. Bloß keinen Gedanken mehr daran verschwenden, dachte er sich.

Jedoch hatten ihn die Ereignisse des letzten Tages zu sehr beschäftigt, um ungehindert und konzentriert arbeiten zu können. Er wusste noch immer nicht, was er von der rätselhaften Botschaft auf dem Zettel halten sollte; ganz zu schweigen von der noch unheimlicheren Schallplatte, die ihm ein einziges Rätsel war.
So spazierte er im nassen, kalten Regenwetter durch den Stadtpark, um sich etwas Bewegung und Luft zu verschaffen und auf andere Gedanken zu kommen. Er bekam das beklemmende Gefühl jedoch nicht los, dass ihn etwas Verborgenes beobachtete, ja ihn verfolgte und belauerte und nur darauf wartete loszuschlagen. Sanders schritt inzwischen durch den Park, in dem sich bei einem solchen grauen Abend natürlich keine Menschenseele blicken lies. Die Dämmerung täuschte ihm Schatten in den Bäumen vor, die seine Verfolgungsängste, ja man konnte schon fast von Panik sprechen, noch verstärkten. Sanders versuchte sich von solchem Spuk nicht beeindrucken zu lassen und tat es als Einbildung ab, die wohl auf Grund seiner nervlichen Überlastung entstand. Auf einmal erblickte er ein wohl vergessenes Exemplar der heutigen Ausgabe der Tageszeitung auf einer nassen und kalten Parkbank. Er setzte sich und um sich abzulenken, nahm er die Zeitung zur Hand und begann wahllos in ihr zu blättern. Plötzlich begann er zu stutzen. Sein Gesichtsausdruck wandelte sich zuerst in ein Staunen von Ungläubigkeit und dann in eine Grimasse des Schreckens. Er wurde leichenblass und begann zu zittern. Der Wind im Park nahm zu und es begann sich am Himmel eine dicke Gewitterfront aus immer mehr schwarzen Wolken zu bilden. Der Wind heulte in den Bäumen und dunkle schwarze Schatten begannen sich von den Bäumen zu lösen und es hatte den Anschein, dass sie sich auf ihn zu bewegten. Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken hinunter. Der eiskalte Wind schien seinen Körper zu durchdringen und die Kälte schien ihn von innen zu lähmen. Seine Augen und sein Mund waren weit aufgerissen und das Herz schlug ihm bis zum Hals. Doch dann rannte er los. Er dachte: „Nur raus aus diesem verspuktem Park“. Er wollte weg von diesem unheimlichen dunklen Grauen, das im Park zu herrschen schien. Er rannte, als ginge es um sein Leben und hatte das Gefühl, dass die Schatten ihn verfolgten. Erst einige Straßenzüge von dem Park entfernt, wagte er zu verschnaufen. Im Schein einer Laterne wähnte er sich in Sicherheit vor den grausigen Schatten. Es war inzwischen komplett Dunkel geworden und es hatte heftig angefangen zu regnen. Ein kleines Foto hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Konnte es denn sein...nein, es war viel zu dunkel etwas zu erkennen. Aber das Bild sah ihm so ähnlich. Er hatte es genau erkannt. Ein circa sechs Monate altes Familienfoto von ihm. In einem kleinen Artikel stand folgendes darunter:

Familientragödie
Am Freitagabend wurden im Haus eines Journalisten der städtischen Tageszeitung die Frau und die Tochter des Mannes tot aufgefunden. Beide wurden Opfer eines schrecklichen Verbrechens. Man fand die Frau und das 5jährige Kind zerstückelt im Badezimmer der Wohnung auf. Von dem Ehemann, Thomas Sanders, fehlt seitdem jede Spur. Es wird wegen Doppelmord gegen ihn ermittelt.

„Aber dies konnte nicht sein“, sagte er sich. Seine Frau und Tochter waren doch übers Wochenende weggefahren und er war am Freitagabend zuhause gewesen, so dass kein Mord hätte geschehen können, ohne dass er es bemerkt hätte. Am Freitagabend konnte kein Mord.....
Er stutzte auf einmal...
Am Freitagabend hatte er sich das erste Mal die Platte angehört. Er eilte zur nächsten Telefonzelle. Er musste die Großmutter anrufen und sich davon überzeugen, dass alles in Ordnung war. Sein Herz pochte und nasser, kalter Schweiß lief ihm über den Rücken, während er gespannt dem Warteton in der Leitung lauschte. Nach langem Warten wurde endlich abgenommen. Er atmete erleichtert auf, da er nun alles gut glaubte und den Zeitungsartikel als ein weiteres Phänomen seiner überstrapazierten Nerven ansah. Doch es meldete sich niemand am Telefon. Nur ein langsames Atmen war zu hören. „Hallo!“ fragte er in den Hörer hinein.
Es kam keine Antwort. Plötzlich wurde es dunkel. Die Straßenlaterne nahe der Telefonzelle war ausgegangen.
„Hallo ist da jemand? Ich bin’s Thomas“, schrie er nun in den Hörer.
Das leise Atmen in dem Hörer wurde zu einem Keuchen. Es hörte sich an, als wollte die Stimme nun etwas sagen. Die Laterne auf der gegenüberliegenden Straßenseite ging nun auch noch aus, so dass es bis auf das schummrige Licht der Telefonzelle dunkel war. Die Stimme begann lauter zu keuchen „Erlöse mich von meinem Schmerz! Oder du wirst ihn am eigenen Leibe erfahren!“
Die Neonröhre der Telefonzelle zersprang in tausend Teile und es wurde duster. Sanders rannte vor Schrecken hinaus auf die Strasse. Er musste so schnell wie möglich weg aus dieser Stadt. Er musste schnell nach Hause fahren und dann zur Großmutter, um sich davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung war und er nur Opfer eines bösen Scherzes geworden war. Vor allem aber musste er diese furchtbare Schallplatte loswerden, mit der alles begonnen hatte.

Fünftes Kapitel

Zuhause angekommen musste er eine weitere schreckliche Entdeckung machen. Es schien als sei tatsächlich die Polizei in seinem Haus gewesen. Das Schloss war aufgebrochen worden und mit einem gelben Band abgesperrt worden. Er durchbrach kurzerhand die Absperrung und trat ein. Das Haus war still und keine Menschenseele war weit und breit zu sehen. Allerdings lag ein vermoderter Geruch in der Luft. Es roch nach Tod.
Er stürmte sofort in das Bad, riss die Tür auf und knipste das Licht an. „Grundgütiger...“, stieß er aus. Das Bad bot wahrlich nicht den gewohnten Anblick. Die Kacheln über der Badewanne waren blutverschmiert. Auch der Boden, der mit Knochensplittern überdeckt war, schimmerte rot und in der Badewanne lagen zwei reglose Körper, oder viel mehr, dass was davon noch übrig war. Mehrere Stücke in Plastikbeuteln verpackt, lagen in der zur Hälfte mit Blut gefüllten Wanne. Mehr wusste er nicht mehr, denn nach diesem Schreckensbild wurde ihm schwarz vor Augen und er verlor das Bewusstsein.

Als er erwachte fand er sich in einem hell erleuchteten Bad mit sauberen weißen Kacheln wieder. Nichts deute darauf hin, dass hier ein Kampf, geschweige denn ein Mord stattgefunden hatte.
Verwirrt stand er auf und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war halb elf vorbei und er konnte nur wenige Minuten hier gelegen haben. Konnte es denn sein, dass es nur eine weitere Einbildung war. Unmöglich; es war alles viel zu real gewesen und dazu kamen ja noch die geheimnisvollen Botschaften und Anrufe. Und dann gab es natürlich noch die Schallplatte. Er ging hinunter in das Wohnzimmer. Die Platte lag auf dem Tisch. Er konnte es sich nicht erklären, aber alle die schrecklichen Ereignisse der letzten beiden Tage mussten etwas mit dieser Platte zu tun haben. Sanders war sich sicher, dass die Lösung aller Dinge auf der Platte zu finden war. Und so legte er sie erneut auf.
Zu Beginn war wieder das Kratzen zu hören. Dann dieser schreckliche Schrei…!. Das leise Weinen! Dann setzte die Musik ein, die von einem Klavier gespielt wurde. Und wieder diese wehklagenden Geräusche im Hintergrund, als wollten sie etwas dem Hörer mitteilen. Er lauschte genauer. Er musste wieder an den Anruf von vorhin denken. Wen sollte er vom Schmerz erlösen und warum ausgerechnet er? Er bildete sich nun schon fast ein, die gleichen Worte des Anrufs aus dem Schreien der Platte heraus zuhören. Doch dies hatte ihn nicht wirklich weitergebracht. Jedoch war er sich sicher, dass eine Verbindung zwischen den Anrufen und den klagenden Stimmen bestand. Sie hörten sich nämlich verdammt ähnlich an.
Es klingelte.
Schock - war es die Polizei, die ihn verhaften wollte?
Nein, sie würde wohl kaum warten, bis ihr Täter an die Tür kam, um aufzumachen, sondern gleich das Haus stürmen. Im schnellen Laufschritt lief er zur Tür. Was auch immer dort war, er war entschlossen keine Furcht zu zeigen. Doch es wartete weder ein Polizist mit Handschellen vor der Tür, noch seltsame schattenhafte Gestalten, die ihn zerfleischen wollten. Er fand auf dem Fußabtreter einen weiteren Zettel. Es stand eine Adresse drauf.
„Royal Cornhil Hospital, Psychiatrie, Bridlington.“
„Was hatte denn diese Nervenanstalt mit der Sache zu tun?“, fragte er sich verwundert.
Ein weiteres Rätsel. Lag die Lösung zu den seltsamen Ereignissen etwa dort? Er konnte dort hinfahren, aber mit welchem Ziel? Sollte er einfach da hereinspazieren und warten was passierte? Was hatte es mit der Schallplatte auf sich und mit den unheimlichen Geschehnissen? Vielleicht war dort in der letzten Zeit ja etwas Besonderes vorgefallen. Um dies herauszufinden gab es nur einen Weg. Der zu seinem Arbeitsplatz. Er musste feststellen, ob es irgendwelche besonderen Meldungen aus dieser Gegend oder dem Ort gegeben hatte.

Also fuhr er mit seinem schon etwas altersschwachen Ford zum Gebäude der Tageszeitung. Es war kein Problem dem Nachtwächter ein Märchen aufzutischen, dass er dringend Informationen für einen Artikel aus dem Archiv benötige. Er setzte sich an seinen Computer und startete das Archiv-Programm, mit dessen Hilfe er sämtliches Material an Meldungen und Artikeln ausfindig machen konnte. Er gab zuerst die Psychiatrische Klinik als Suchbegriff ein, fand jedoch nichts was weiterhelfen konnte. Er schreckte kurz aus seiner Arbeit hoch, weil er meinte ein Geräusch gehört zu haben. Aber es blieb alles still. Diesmal war es nur eine Einbildung, und er machte sich wieder an die Arbeit. Nun suchte Sanders verschiedene Kurzmeldungen der lokalen Presse durch und wurde nach einer Weile tatsächlich fündig.


In der letzten Woche ereignete sich auf der alten Küstenstrasse bei Aberdeen ein tragischer Unfall, bei dem ein Wagen die Klippen herabstürzte. Beide Insassen wurden tot geborgen. Die Opfer sind das Ehepaar Goldberg, dass Ermittlungen zu Folge, abseits der Stadt in einem alten Haus, abgeschieden von anderen Menschen, lebte. Sie hinterlassen den 12jährigen Sohn Jonathan Goldberg, der verstört auf dem Anwesen aufgefunden wurde. Es ist nichts Näheres über die Familie bekannt. Der junge Jonathan allerdings musste in das nahe „Royal Cornal Hospital“ für seelisch kranke Menschen eingeliefert werden, da er unter schweren seelischen Störungen leidet. Es ist bisher nicht gelungen von dem schwer unter Halluzinationen und Wahrnehmungsstörungen leidendem Kind nähere Informationen über die Familie zu bekommen..

Thomas Sanders war sich nun sicher, dass Jonathan Goldberg in Verbindung mit der Schallplatte und den schrecklichen Ereignissen stehen musste. Die Anstalt lag im Norden Englands, circa 150 Meilen entfernt. Sie lag etwas abseits von dem kleinen Ort Bridlington, weit entfernt von der nächst größeren Stadt. Eine dünn besiedelte Gegend in der Nähe der „North York Moors“. Es begann draußen schon langsam die Morgendämmerung einzusetzen. Er wollte sofort aufbrechen und dem Spuk ein Ende machen. Die Lösung musste in dieser Psychiatrischen Anstalt liegen. Oder zumindest ein weiterer Anhaltspunkt, der ihm in der Sache weiterhelfen konnte. Er wusste nicht was ihn dort oben erwarten würde, aber er wollte sofort aufbrechen, um es herauszufinden.

Sechstes Kapitel

Thomas Sanders hatte länger gebraucht als er vermutet hatte, um die Psychiatrische Klinik zu finden. Das lag aber auch daran, dass der 5000 Seelen Ort Bridlington ein gutes Stück von den größeren Durchgangsstrassen entfernt lag. Die hohen Mauern der Klinik waren mit Efeu bewachsen und an manchen Stellen bröckelte der Putz ab. Insgesamt machte das ganze Gebäude zwar keinen verfallenen Eindruck; es war jedoch sehr still und die inzwischen sich senkende Nachmittagssonne warf lange dunkle Schatten über die Mauern, so dass das Gebäude eine spukhafte Erscheinung hatte. Am Eingang war ein Messingschild angebracht: „Royal Cornhil Hospital, Psychiatrische Klinik Bridlington“.

Er öffnete die Tür. Ihm bot sich eine normale Empfangshalle mit einer Art Rezeption. Das Innere des Gebäudes machte einen ebenso grässlichen Eindruck. Er hatte von Krankenhäusern bisher immer die Vorstellung von modernen, steril wirkenden weißen Räumen gehabt. Das ganze wirkte aber ziemlich altmodisch. Zwar waren die Zimmer weiß gestrichen, es wirkte jedoch durch die hohe Decke und den grauen Kunststoffboden eher wie eine alte Bibliothek oder ein Museum. Man durfte trotz diesen Eindrücken nicht vergessen, dass es sich hier nicht um ein übliches Krankenhaus handelt, sondern um eine Anstalt für psychisch gestörte und kranke Menschen.
Er war so mit dem Eindruck dieser Klinik beschäftigt, dass er die alte Dame hinter dem Empfangsschalter gar nicht bemerkt hatte. Eine kleine, etwas korpulente Frau mit grauen Haaren und einer tief auf der Nase liegenden Brille, die ihn mit leicht nach vorne geneigtem Kopf, anstarrte.
„Was wünschen Sie mein Herr? Haben Sie einen Termin?“, fragte sie mit leicht gerunzelter Stirn.
„Ja.. ähh...mein Name ist William Goldberg. Ich bin ein entfernter Verwandter von der Familie Goldberg und habe kürzlich vom dem Unglück erfahren. Ich kannte die Familie kaum, aber ich habe von dem Jungen gehört... “, er stockte plötzlich.
Er war eigentlich kein guter Lügner, aber die Worte kamen aus seinem Mund, als wären sie Realität. Die Frau musterte ihn. Dann plötzlich zeichneten sich erkennende Züge in ihrem Gesicht ab.
„Ja, er wurde vor ein paar Wochen eingeliefert. Er ist seit Freitag jedoch spurlos verschwunden. Wir haben keine Ahnung, wie das passieren konnte.“
Nachdem noch einige Worte des Bedauerns über den Vorfall gewechselt wurden und er nachhaltig zu erklären versuchte, dass er die Goldbergs im Prinzip gar nicht gekannt habe und auch nichts Besonderes über sie wisse, lies er sich die Anschrift des Anwesens der Familie geben. Zwar hatte man dort schon nach Jonathan gesucht, jedoch ohne Erfolg. Sanders war jedoch felsenfest davon überzeugt, dort eine Menge Antworten auf seine Frage zu finden. Er fuhr also über die allmählich dunkler werdenden Felder zum verlassenen Anwesen.

Siebtes Kapitel

Dort angekommen überkam ihn wieder das beklemmende Gefühl, dass ihn etwas Verborgenes beobachtet. Von diesen Gefühlen war er zum Glück die restlichen Stunden, seit dem Vorfall im Badezimmer, verschont geblieben.
Doch nun war diese Angst wieder vorhanden, als lauerte im Verborgenen etwas auf ihn. Zudem bildete er sich wieder schreckliche Schatten ein, die zwischen den Sträuchern und Bäumen des Hauses umherraschelten. Mit der Schallplatte, die er aus einem für ihn unerklärlichem Grund mitnahm, ging er nun langsam mit vorsichtigen Schritten auf das dunkle Haus zu. Es war ein ganz normales Fachwerkhaus, das sehr klein wirkte. Die Tür war nur angelehnt und als er sie vorsichtig öffnete begann sie laut zu knarren.
Im Haus war es stockduster. Er hatte zum Glück noch eine kleine Taschenlampe mitgenommen. Er leuchtete in das Innere des Hauses und ging ein paar Schritte hinein. Außer seinem Atem und seinem laut pochendem Herz war kein Ton zu hören. Es herrschte absolute Stille. Vorsichtig untersuchte er das Untergeschoss. Doch außer einer spartanischen Einrichtung mit einfachen Möbeln war hier nichts zu finden. Er war schon fast enttäuscht und wollte wieder gehen, als ihm plötzlich seine Taschenlampe aus der Hand rutschte, auf dem Boden fiel und ausging. Als er sie aufheben wollte, hörte er draußen lautes Windrauschen und die Haustür fiel mit einem kräftigen Schlag zu. Sanders rutschte das Herz in die Hose und er rannte in Richtung Tür. Er wollte wieder hinaus, nur weg von dem Haus. Es war das gleiche Gefühl von Panik und Todesangst, dass er im Park empfunden hatte. Er wollte sich nach einem Fenster oder einem anderem Ausgang umsehen, als er einen leichten Lichtschimmer aus dem oberen Stockwerk entdeckte.

Und dann geschah etwas, was ihm einen solchen Schauder über den Rücken jagte, dass er am liebsten auf der Stelle davongerannt wäre. Aus dem oberen Stockwerk ertönte leise ein Klavier. Ganz ähnlich dem, welches auf der Platte zu hören war. Diese Klänge übten eine unheimliche Anziehungskraft auf ihn aus, so dass seine Neugier nun größer als seine Angst war. Er bewegte sich langsam auf die Treppe zu, stieg vorsichtig die Holzstufen hoch und hielt sich dabei mit seinen kalten schweißigen Händen an dem Geländer fest. Er kam dem Zimmer immer näher und die Musik, die daraus hervor drang, wurde immer intensiver. Er war nun oben auf dem Flur angelangt und konnte am Ende des Ganges die Tür sehen, aus der die Musik zu kommen schien. Er näherte sich dem unheimlichen Licht und Angst machte sich in ihm breit. Jedoch wuchs auch seine Neugier und besiegte erneut seine Angst. Er stand nun unmittelbar vor dem Zimmer und brauchte lediglich die Tür aufzustoßen; er zögerte kurz.
Was würde ihn dort erwarten? Der Tod?
Oder noch etwas viel Schlimmeres?
Er hatte keine andere Wahl und er wusste, dass er nun nicht mehr zurück könne und das Zimmer betreten musste. Er stieß entschlossen die Tür auf. Sein Herz schlug dabei so laut, als ob es bald zerspringen würde. Er stand nun in der Tür und konnte sehen was sich in dem Zimmer befand. Auf seinem Gesicht machte sich unglaubliches Staunen breit, jedoch wich die Anspannung nicht merklich von seinem Gesicht und sein Herz begann nun noch schneller zu pochen. Das Zimmer war hell erleuchtet, obwohl keine Lampen zu sehen waren. So hell, dass es blendete und dadurch fast unwirklich erschien. An der Wand stand ein altes Klavier, daneben ein Plattenspieler. Vor dem Klavier saß ein kleiner Junge und spielte. Es war Jonathan Goldberg. Er hatte einen langen weißen Morgenrock an. Als Thomas Sanders mit angehaltenem Atem in der Tür stand, hörte Jonathan auf zu spielen. Er legte die Hände auf seinen Schoss und dreht sich langsam mit geneigtem Kopf zu Sanders hin. Dann blickte er ihn direkt mit der Unschuld kindlicher Augen an. Sanders begann heftig zu zittern, so durchdringend war der Blick des Jungen. Dieser sah die Schallplatte und begann zu lächeln. Er erhob sich von seinem Stuhl nahm Sanders die Platte ab und legte sie auf. Es knisterte. Als die Schreie ertönten, verwandelten sich die Gesichtszüge von Jonathan in ein schreckliches Entsetzen. Mit weit geöffnetem Mund und aufgerissen Augen saß er da und starrte Sanders an. Von den Augen des Jungen ging ein furchtbarer, wahnsinniger Blick aus, der Sanders ein wahnsinniges Grauen über den Rücken jagte.

Sanders kam von dem Blick des Jonathan nicht mehr los. Er fühlte sich, als ob seine Gedanken langsam in den wahnsinnig kranken Blick des Jungen gesogen wurden. Auf einmal verstand Sanders die Musik und die unheimlichen Schreie auf der Platte. Sie drückten den kranken Geist des Jungen aus. Ein Leiden, dass ihn wahnsinnig gemacht zu haben schien. Und in diesem Moment erlebte Sanders die ganze Leidensgeschichte des Jungen mit. Dieser holte ein Messer unter seinem Nachthemd hervor und reichte es Sanders. Sein Blick wurde immer durchdringender und da begriff Sanders, dass dies nur ein Ende haben könne, wenn er den kleinen Jonathan töten würde und ihn somit von seinen Leiden befreien konnte. In den Blick des Jungen mischte sich nun ein fast flehender Ausdruck. Sanders nahm das Messer.
Jonathan begann nun laut zu schreien. Seine Gesichtszüge wechselten von einem unheimlich flehenden Blick in einen kranken und wahnsinnigen Ausdruck eines Geisteskranken, der einen tiefen Hass auf alles Lebende verspürt. Und dann stach er zu. Direkt in das Herz des Jungen. Der stieß einen spitzen Schrei aus und ein letzter Blick, dessen grauenhafte Intensität kaum zu beschreiben ist, streifte Sanders, bis dieser erstarrte.


Achtes Kapitel

Er hat nach diesem Vorfall das Bewusstsein verloren und ist später in seinem Bett aufgewacht. Doch was war wirklich geschehen? Was hatte Thomas Sanders durch die grauenhaften Blicke gesehen?

Es waren Visionen gewesen aus früheren Tagen des Jungen. Jonathan Goldberg, der adoptierte Sohn des Ehepaars Goldberg hatte keine liebevolle Fürsorge der Eltern genossen, sondern wurde auf brutalste und scheußlichste Weise von seinen Adoptiveltern misshandelt. Ihm wurden fürchterliche Schmerzen zugefügt, so dass seine zarte junge Seele auf das Schwerste zerstört wurde. Nach den Misshandlungen wurde Jonathan immer in das kleine Zimmer gesperrt, in dem nur das Klavier und der Schallplattenspieler standen. Das Einzige womit Jonathan sich seine Zeit vertreiben konnte war das Klavier. Der Geist des Jungen und dessen Wahrnehmungen musste auf das Schlimmste verwirrt und gestört gewesen sein. Doch er hatte ein ungeheures Talent fürs Klavierspielen. Jedoch hörte ihn niemand. Die Eltern kümmerten sich nicht weiter um den kleinen Jonathan. Der Hass auf alles Lebende, der aus dem schrecklichen Leid, dass ihm zugefügt wurde, entsprang, floss in seine Musik ein. Durch das ewige Leid, dass dem Jungen zugefügt wurde entwickelte er eine kranke Theorie. Er bannte seinen ganzen Hass den er für seine Adoptiveltern empfand auf die Schallplatte. Da das Leben ihm bisher keine Freude und Glück geschenkt hatte, wollte er das möglichst viele Menschen sein Leid nun teilen müssten. Jeder der die Platte anhörte sollte nun auch leiden wie er. Er wollte sich für seine Schmerzen rächen. Die Seele des Jungen konnte nur ihren Frieden finden, wenn er endlich von seinen Qualen erlöst werden würde.

Als Thomas Sanders am nächsten Morgen in seinem Bett aufwachte, staunte er nicht schlecht. Er konnte sich selten erinnern einen so wirren, schrecklichen und intensiven Traum gehabt zu haben, der ihm dazu noch derart real vorkam. Er wollte gerade aufstehen, als er Geräusche aus dem Eingangsbereich des Hauses hörte. Klar, das waren seine Frau und seine Tochter, die von der Großmutter heimkehrten. Er stand sofort auf und lief hinunter um sie zu begrüßen. Doch plötzlich sah er ein Paket, dass seine Tochter in der Hand hielt.
„Hier…kam per Post eben für dich an…was ist das?“
Sanders packte neugierig das Paket aus und konnte seinen Augen nicht trauen…es war die mysteriöse Schallplatte…

Martin Kluge
Marvin Grossmann

 

hallo martin
zuerst mal, coole story. :)
irgendwie hat´s mich stark an the ring erinnert. v. a. der kleine junge,der von seinen Eltern gequält wird und der anderen denselben schmerz zufügen will. auch die atmosphäre hat mich stark an diesen film erinnert. könnte aber auch daran liegen, dass ich ihn kürzlich gesehen habe.

schade finde ich, dass du aus dem schluss nicht mehr gemacht hast. für mich war die pointe irgendwie schon klar, obwohl sie nicht schlecht ist.

ich will aber nicht zu negativ sein, denn deine geschichte gefällt mir eigentlich. man kann flüssig lesen, der aufbau ist spannend und der einstieg ist gelungen.

jeled

 

Hey Martin,

echt ne gute Story. Is dir wirklich gelungen. Hat richtig Spaß gemacht die zu lesen. Konnte einfach nicht aufhören zu lesen, bevor ich am Schluss angekommen war. Glückwunsch!

Hab trotzdem noch ein paar (subjektive) Anmerkungen, die du dir ja vielleicht mal durch den Kopf gehen lassen kannst, wenn du magst...

Also das 2. Kapitel fand ich nen bisl langweilig. War nicht sonderlich spannend (im Vergleich zu den anderen Kapiteln). Aber ich weiß, wie schwer es ist eine Person in die Geschichte einzuführen und dabei auch gleichzeitig die Spannung oben zu halten. Ist aber trotzdem akzeptabel, weil's danach ja gleich wieder spannender weitergeht.
Im 2. Kapitel bist du dann auch wenige Male in der Zeitform herum gesprungen (z.B.: Anfang 2. Absatz: Die Straße IST mittlerweile sehr düster geworden).

Und auch am Ausdruck würde ich in ein oder zwei Fällen nachmal feilen. Beispiele sollten dir beim Durchlesen eigentlich sofort ins Auge springen (z.B.: 2. Kapitel, Ende 2. Absatz: Doch nach kurzem Stöbern wollte er enttäuscht den Laden wieder verlassen, da er nichts Neues fand. Besser ist hier: Da er nichts Neues fand, wollte er den Laden nach kurzem Stöbern enttäuscht wieder verlassen. Klingt einfach besser und dann steht die Hauptintention des Satzes auch am Ende des Absatzes. Is besser... find ich). Dann könntest du auch noch das ein oder andere "nun" streichen...

Das 7. Kapitel sollte man nicht mit einem Dort beginnen, sondern mit: "Auf dem Anwesen der Goldbergs angekommen..."

Was mich dann noch ein wenig Stutzen ließ war die Tatsache, dass Sanders einfach so - ohne groß nachzudenken - den Jungen erstochen hat. Kann mir kaum vorstellen, dass er keine Skrupel hat diesen MORD zu begehen. Er ist ja auch kein beauftragter Killer. Egal, wie sehr er damit dem Jungen helfen würde...

Apropos Jonathan: Ich hätte die Schallplatte als Hilfeschrei erwartet und nicht als Rache (zudem dachte ich ja zwischendurch sogar, dass die Schreie auf der Platte Schreie von seinen Eltern sind). Aber das ist ja dein gutes Recht als Autor. Das macht das Schreiben ja auch so schön... :-)))

Naja, aber meine Anmerkungen sind ja nur peanuts.

Nochmals Glückwunsch zu dieser guten Geschichte!

Andre

 

Hi Martin,

deine Gesichte ist ganz ok, wenn auch stellenweise zu offensichtlich (was gewollt sein kann). Nur hab ich das Gefühl, das du manchmal nicht wirklich weißt was du willst. Mal Psychohorror, mal eine verflucht Tageszeitung, ein Laden der verschwindet. Etwas viel für eine Gesichte. Beschränkt dich lieber auf einen Part und baue den mehr aus.

Die Rechtferigung / Erklärung am Ende (Kapitel 8, Absatz 2) finde ich persönlich überflüssig.

XU jaXen

 

Hallo, nixzutun!

Das hab ich ja noch nie gehört, dass man Kreuze in die Akte malt für "unheilbar".
Eine nette Geschichte, auch wenn ich stellenweise Probleme hatte, zu verstehen, was das nun alles sollte. Dabei kamen die Erklärungen und Beschreibungen eher holzhammerartig statt subtil. Mir fiel auf, dass du viel wiederholst und manchmal viele Wörter machst, um etwas zu sagen, z.B. hier: "Er bekam das beklemmende Gefühl jedoch nicht los, dass ihn etwas Verborgenes beobachtete, ja ihn verfolgte und belauerte und nur darauf wartete loszuschlagen"
Ah ja: ein Gefühl "nicht los bekommen" klingt irgendwie komisch. Nicht literarisch.
Und dein Sanders macht ziemlich viel, weil er "erschrocken" ist: Fenster zu, rausrennen, usw.
Ich finde, jaxen hat recht: du hast da zuviel reinpacken wollen.

Liebe Grüsse
Arry

 

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