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Schaffensblockade, das Q und die tote Libelle
Ich habe eine Schreibblockade, und jeder erfahrene Leser wird wissen, was jetzt kommt: Hach, schon wieder so eine "lustige" einfallslose Geschichte über die Einfallslosigkeit.
Und ihr habt recht, wenn eure Gedanken voreingenommen sind. Schließlich ist dieses banale Thema total ausgeschlachtet, und man muss ihm schon etwas völlig Neues abgewinnen, um noch unterhalten zu können.
Aber hier, bei diesem Text ... keine Spur von unverbrauchten Ideen; ganz im Gegenteil: Ich werde im Folgenden absolut langweiligen, wiedergekäuten Müll niederschreiben; das habt ihr alles schon tausendmal - und vor allem - besser gelesen.
Um sich mit diesem Erguss überhaupt bis zum Ende zu beschäftigen, muss man schon ganz wild darauf sein, mal wieder eine vernichtende Kritik zu verfassen.
Aber hey! So ist das halt, wenn man eine Blockade hat. Es wäre vollkommen unlogisch, wenn die folgende Geschichte witzig wäre, denn dann hätte ich ja eben keine Schreibblockade.
Angefangen hat dieser Zustand trauriger Inspirationslosigkeit mit der Libelle. Es war Dienstag.
Es handelte sich um kein besonders großes Exemplar der Gattung Megaloprepus coerulatus, bedeckte aber dennoch die Buchstabenfolge qwertzu auf meiner Tastatur.
Unnötig zu sagen, dass ich gerade dringendst ein Q brauchte, um meine bis dato beste Geschichte zu vollenden. Ihr fragt euch jetzt bestimmt, welches deutsche Wort mit einem Q endet, aber genau hier liegt der Hund begraben: Ich weiß es selbst nicht mehr.
Darauf bedacht, den auf mich relativ eklig wirkenden Körper der Libelle nicht mit den Fingern zu beschädigen, stellte ich Überlegungen an, wie ich jenes Insekt ohne größeren Aufhebens von meiner Tastatur aus zurück in die freie Natur geleiten könnte.
In den folgenden Minuten reifte ein Plan heran, der mir zunehmends raffinierter erschien. Es ging unter anderem um einige Dornen, zwei Bretter, drei Kilometer, und die alten Turnschuhe, die in einer Ecke des Flurs vor sich hingammelten. Zusätzlich waren einige Nägel, sowie diverse Werkzeuge und Seile vonnöten, da weder Füße noch Hände da waren.
Gerade, als ich den Apparat vollendet hatte, wurde ich einer bösen, aktualisierten Gegenwart gewahr: Die Libelle hatte ihren Platz verlassen, und es sich auf dem Bildschirm bequem gemacht. Dort verdeckte ihr zuckender Leib eben jene Pointe, die so überraschend über mich hereingebrochen war, und die mein gesamtes bisheriges Schaffen in den Schatten stellen sollte.
Leicht angesäuert, schlug ich sie kurzentschlossen doch mit bloßen Händen tot. Fast zumindest. Denn ein letzter Hauch von Leben verbarg sich noch in dem schleimenden Körper, weshalb ich mit einem Faustschlag auf die obere Hälfte der Tastatur ein für allemal dieses dreiste Eindringen in meine schöpferische Phase beendete.
Es gibt an modernen Tastaturen eine ganz bestimmte, böse Taste. Sie ist nur ganz klein, und hat die Form, die man auch von diversen Fernbedienungen her kennt. Ein nach oben hin geöffneter Kreis, in den ein senkrechter Strich eindringt.
Drückt man diese Taste, fährt der PC sofort herunter.
Es wird nicht gefragt, ob man irgendwelche Änderungen speichern möchte, oder ob man sich wirklich ganz sicher ist. Nein, diese Taste ist absolut. Es ist eine totalitäre Taste, die, einmal betätigt, einen Prozess in Gang bringt, der unmöglich zu stoppen ist. Man könnte sie gewissermaßen mit dem roten Knopf in Verbindung bringen.
Tausend Gedanken gingen mir durch den Kopf, allen voran die Frage: Wann hast du zuletzt gespeichert?
Die subjektive Ewigkeit, in welcher der Rechner zu seinem Desktop zurückzukehren versuchte, nutzte ich, indem ich positive Gedanken heraufbeschwor, die alle in einer totalen Vernichtung sämtlicher Libellen dieses Planetens ausuferten.
Dann endlich öffnete ich WordPad (Word ist was für Idioten), lud die entsprechende Datei Gottestext, und stellte fest, dass meine aktuellste Speicherung zirka eine Stunde zurücklag. Bei einem Text, der mehrere Seiten lang ist, den man über Wochen akribisch ausarbeitet ... kein Problem.
Aber Spontanität heißt nunmal Schnellschuss.
Kurzum: Übriggeblieben waren die Worte Als ich damals.
Tja, was hatte ich denn damals?
Da ist man dermaßen vertieft, ja in orgasmischer Trance gefangen, schreibt ein Feuerwerk nach dem anderen, und dann vergisst man völlig, was damals eigentlich gewesen ist.
Was hatte ich auszusagen gedacht? Die vielen Facetten künstlerischer Bewegung, all die Momente, die man durch Worte manifestiert, bildgewordene Gewalt von Talent und Motivation, all die ...
Alles weg.
Und je länger ich trauerte, umso eindringlicher wurde mir die Zufälligkeit des Schicksals gewahr. Wenn es sich um keinen Zufall handelte, welchen Zweck hatte die Libelle verfolgt?
Es ist ja nicht so, alsdass ich die Terassentür richtig geöffnet hatte. Dafür war jener grausame Dienstag viel zu kalt und zu düster; wolkenverhangen, melancholisch.
Nein, das Tier war durch einen schmalen Spalt gedrungen, inmitten der Fruchtbarkeit meines Heims hatte es sich ein Nest, möglicherweise ein neues zu Hause gesucht, bis meine Hand den kühnen, seelenlosen Plänen einen Riegel vorgeschoben hatte.
"Und nun liegst du da, und hast alles versaut", brüllte ich. - "Schau dich an! Was hat es dir gebracht? Tot bist du, genau wie mein kreatives Denken!"
Es brachte nichts, ich musste mich konzentrieren.
Blockaden kommen unverhofft. Aber sie lassen sich lösen. Ich bin zu intelligent, als wenn ein Problem über längere Dauer Bestand haben dürfte.
Als ich ... - So war der Anfang gewesen. Hier hatte ich gespeichert. Das damals war erst einige Minuten später dazu gekommen.
Vielleicht ... aber nur vielleicht, gelingt es mir, den originalen Text wiederherzustellen, und diese Geschichte beherbergt dann dieses grandiose ...
Kuh! Das war es! Deshalb habe ich das Q gesucht.
Die Libelle, sie hat mich irritiert. Das muss man sich vorstellen! Ich hätte die Geschichte abschließen können, obwohl sie auf meiner Tastatur saß.
Alles lässt sich lösen. Ich bin wieder voll da .... Ahhhhhh ... das ist die Kreativität, die wie Strom durch meinen Körper fließt.
Es ist gigantisch. Zeit für eine Perfektionierung, eine leichte Abänderung.
Als ich damals eine Libelle war.
Genau so hat es zu sein!
Ein Protagonist, ein schizophrenes Ich; die Verbindung zur Vergangenheit, das niederschmetternde Zurückerinnern. All die Emotionen, das tragische, nicht mehr sein zu können, was man einmal war. Früher konnte man noch fliegen, aber es ist weg, und die Menschen schlagen einen mit Händen, töten einen, sehen sich selbst als Zentrum der Schöpfung!
Es fließt ... seht ihr den magischen Strahl? Ich bin wieder ich, und hier kommt es:
Als ich damals eine Libelle war, da gab es für die Kuh keinen Platz mehr. Lange dauerte es, bis sie mir wieder in den Sinn kam!
Na Hallo ... mir kommen die Tränen. In kurzen Sätzen das Universum einzufangen, ist das nicht Kunst?
Machen wir was draus:
Sein, oder nicht sein, das ist hier die Frage.
Eine Faust kommt und erschlägt die Libelle.
Und die Kuh sah, dass es gut war. Allerdings geriet sie in Vergessenheit.
Das ist ein toller Anfang. Das wird mehr als nur ein Schnellschuss. Ich bin dermaßen gut, es muss brilliant werden.
Fangen wir also Dienstag an, und schaffen jeden Tag etwas Neues.
Nehmen wir den Menschen hinzu.
***
Und die Affen klatschten in die Hände