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Schaden Im Gehirn!
Mein Kopf rauscht wie ein Flanger, während der Fahrer vor sich hin brabbelt wie ein Äffchen.
„Wenn Sie mich fragen“, beginnt das Äffchen einen erneuten Sturzflug in narrative Untiefen.
„Wenn Sie mich fragen gehört da ein Wertewandel her.“
Ich halte meinen Kopf mit behandschuhten Fingern und lausche seinem Inhalt.
Der Fahrer spuckt weiterhin seinen politisch inkorrekten Wörterbrei aus.
Er scheint nicht zu bemerken, was mich schon seit Monaten quält.
Ich habe einen Schaden im Gehirn.
„Was ist falsch daran, wenn Frauen Kinder kriegen und sich um den Haushalt kümmern? Ist es denn etwas unehrenhaftes für Kind und Hof Verantwortung zu übernehmen? Nein, sag ich!“
Ich frage mich, ob der Typ das auch sagen würde, wenn seine Mutter da wäre.
Ich frage mich, ob solche Leute überhaupt eine Mutter haben.
Mein pfeifender, rumorender Schädel spuckt Bilder aus, die ich zuhause gesammelt habe.
Meine Frau, wie sie an der Bettkante sitzt, und ihre Zehennägel abzwickt. Zwick, zack.
Den ganzen Tag war ich mit ihr zusammen und hatte ziemlich viel Spaß. Sie auch. Sie hat nichts davon bemerkt, dass ich einen Schaden im Gehirn habe.
Schaden im Gehirn...
Der Wagen kommt in den Außenbezirken angekommen, wo bunte Frauen ihre Körper anbieten.
Der Fahrer kommt in thematischen Gefilden an, die sich um nichts drehten, wie ein schwachsinniges Universum, das von einem schwarzen Loch verschluckt wird.
„Warum sollten Frauen soviel bezahlt bekommen wie Männer? Sie SIND keine Männer!“
Ich sage dem Mann, dass ich hier aussteigen möchte.
Ich versuche, ihn auch beim bezahlen nicht anzusehen, weil ich nicht will, dass er bemerkt, dass ich einen Schaden im Gehirn habe.
Zittrige Finger lassen rote Lappen los, wackelige Beine schreiten hinaus in die Realität.
Harter Beton, beißender Gestank, scharfe Formen und Kanten.
Ich gehe an ein paar miesen Häuserfronten vorbei.
Die Nutten, die dort lehnen, versuchen mich anzumachen. Ich kann es nicht fassen.
„He, starker Mann! Du siehst aus als hättest du noch ein stärkeres Männlein dabei.“
Sie kostet kaum etwas.
Ich nehme ihre Hand und verstecke mein Gesicht in meinem Kragen, während ich versuche sie nicht anzusehen.
Erneut wechseln Scheine den Besitzer, kurz darauf betreten wir ein kleines Zimmer.
Schlicht, sauber- nicht schäbig aber nicht eben Luxus.
Sie sagt, Sie muss sich nicht erst frisch machen, und er auch nicht.
Bereit für den Wahnsinn, räkelt sie sich auf dem Bett, kümmert sich nicht darum, dass ich einen Schaden im Gehirn habe.
Sie trägt noch all ihre Kleider.
Ich knipse die Glühbirne an, und alles wird plötzlich Wirklichkeit.
Ich blicke sie zum ersten mal direkt an, und sehe, dass sie sogar ziemlich hübsch ist.
Ihr Minirock verrutscht langsam...
Plötzlich werde ich wütend. Ich stelle mich vor sie hin und sage mit einer Stimme, hart wie Holzklötze:
„Willst du dich über mich lustig machen?“
Und etwas heftiger:
„Sag schon! Na los!“
Auf verführerische Weise sieht sie mich an, nur leicht überrascht. Kein bisschen schockiert.
Ich werde noch wütender, das Rauschen in meinem Kopf macht mich fast wahnsinnig.
Wie von selbst legt sich das Messer aus der Tasche in meine linke Hand.
Sofort taut die Nutte auf, und starrt mich entgeistert an.
Sie blickt ruckartig zur Tür, dann auf das Messer, dann mir ins Gesicht.
„Was,... was willst du? Du mußt nicht bezahlen, wenn du nicht willst.“
Ich fühle mich verletzt, ehrlich. Tief drinnen, als ich bemerke, dass sie mich für dumm und pervers verkaufen will.
Diesmal schreie ich. Mein Hals schmerzt davon.
„Willst du mich verarschen, du verschissenes Arschloch?!“
Sie wird kaum etwas verstanden haben, die Worte entgleiten mir wie gewachste Lachse.
„Ich weiß, dass du es bemerkt hast! Du denkst wohl, du kannst mich verarschen, und so tun als wäre nichts!“
Die Szene konzentriert sich, der Raum, die Frau, das Bett- all das wirkt plötzlich wie aus einem Guss. Real und fest.
„Was hätte ich bemerken sollen?“
Ihre Worte kommen so unerwartet, wie aus der Schnauze eines Hundes.
Ihre Bedeutung bringt mich zur Explosion wie einen Vulkan.
Diesmal verbrennt der Schrei meinen Hals.
„Ich habe einen Schaden im Gehirn!"