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Schöpfer und Erschaffene
„Hallo? Hey Mister, alles o.k.?“ Die Worte klangen wie durch Watte gedampft, als kämen sie von einem fremden Ort. Randal Winters öffnete die Augen.
„W-we-wer hat das gesagt?“ Ein junger Jogger blickte den am Boden liegenden Detektiv sorgenvoll an. „Gehts Ihnen gut? Sie sehen ziemlich fertig aus.“
Randal öffnete den Mund, um eine zynische Bemerkung zu erwidern, doch er wurde von einem starken Hustenanfall unterbrochen.
Der Jogger hielt sich angewidert die Hand vor die Nase, als ihm das Atemaroma aus Bier, Zigaretten und Kotze entgegen wallte. Der Detektiv wischte sich mit dem Ärmel seines abgewetzten Ledermantels über die geschwollene Nase. „Wo bin ich hier?“
„In den Pines, nahe dem Hasdow Mountain.“
Randal blickte den Burschen aus blutunterlaufenen Augen an. „Was sollte das?“
Der junge Mann setzte eine verwirrte Miene auf. „Was sollte was?“
Der Detektiv strich sich über das vom Schlafen aufgedunsene Gesicht. „Stellen Sie sich nicht dumm, warum erzählen sie so eine Scheiße?“ Der Jogger war baff.
„I-i-ich wollte doch nur fragen, ob Sie in Ordnung sind.“
Genervt verdrehte Randal die Augen. „Das mein ich nicht, das Andere von vorhin!“
Der junge Mann starrte Randal an, als wäre er aus einer Anstalt ausgebrochen.
„Sind Sie vielleicht irgendwie schizophren oder so?“
„DA SCHON WIEDER! SIE HABEN MICH EINEN VERRÜCKTEN GENANNT!“
Der Mann hob die Hände zu einer abwehrenden Geste und ging langsam ein paar Schritte rückwärts. „Sie sind ja paranoid!“ Randal verzog seine Mundwinkel zu einem irren Grinsen.
„Ach? Bin ich das? Tja, das bringt mein Job halt so mit sich.“ Der Jogger entfernte sich immer weiter. „Bitte bleiben Sie ganz ruhig. Tun Sie nichts unüberlegtes.“ Ein Zittern schlich sich in seine Stimme, als er in die glasigen Augen des Wahnsinnigen starrte.
Plötzlich griff der Detektiv in seine Manteltasche und hielt dem Jogger einen Revolver unter die Nase. Ängstlich starrte dieser in den Lauf der 45er Magnum.
„WILLST DU MICH ETWA PROVOZIEREN? HÖR AUF MIT DEM QUATSCH, ODER ICH TUE VIELLEICHT WIRKLICH ETWAS UNÜBERLEGTES!“
Der Jogger stieß einen spitzen Schrei aus und suchte das Weite.
Zähneknirschend starrte ihm der Detektiv hinterher. „Ganz ruhig Randal, komm runter.“, sagte er zu sich selbst und massierte seine pochenden Schläfen. Er atmete tief durch und versuchte das Hämmern in seinem Kopf unter Kontrolle zu bringen. „Ich sollte das Trinken sein lassen, ich hör ja schon Stimmen.“, murmelte er.
Wutausbrüche dieser Art, waren für Randal Winters nichts Neues, vor allem, wenn der Alkohol seine Hemmschwellen niederwarf. Seine Kontrollverluste hatten Randal schon immer zugesetzt. Sie hatten ihm nicht nur die Ehe, sondern auch den Job bei der Polizei gekostet. Als er damals den Kopf eines Kinderpornorings, mit der geballten Kraft des Strafgesetzbuches verhörte um ein Geständnis herauszubekommen, war endgültig Schluss. Drei Kollegen waren nötig um den aufgebrachten Randal Winters aus dem Verhörraum zu zerren. Sie konnten ihn jedoch nicht daran hindern, dem Verdächtigten beim Hinausgehen noch einmal die Kraft des Gesetzes einzubläuen. Als die Wucht der Gerechtigkeit den Mann im Gesicht traf und ihm ein Auge kostete, war Randals Kündigung damit endgültig.
Um sein täglich Brot und Bourbon zu verdienen, eröffnete er eine eigene Detektei. Durch seine Kontakte bei der Polizei, bekam er zwar einige Aufträge zugespielt, doch die waren nichts Besonderes und langweilten ihn schnell. Untreuen Ehemännern und Ladendieben hinterher zu schleichen war einfach nicht sein Ding.
Doch das änderte sich als vor einer Woche eine tränenüberströmte Frau, sein verrauchtes Büro betrat. Schluchzend hatte sie ihm erklärt, dass ihre kleine Tochter verschwunden sei und sie von einer Entführung ausging. Da die Polizei im Dunkeln tappte, habe man sie an ihn verwiesen.
Randal musste aber sehr bald feststellen dass seine ehemaligen Kollegen äußerst gründlich nachgeforscht hatten, denn selbst er fand keine Spur von der Vermissten.
Als er jedoch eines Morgens seinen Briefkasten entleerte, fiel ihm ein filmreifer Drohbrief in die Hände. Die Buchstaben waren aus Zeitungen ausgeschnitten, um die Handschrift zu verschleiern, der Inhalt reichlich kurz: „Stellen sie ihre Nachforschungen umgehend ein! Hochachtungsvoll: Die Kinder des schwarzen Mannes“
In seiner Wut über diese Dreistigkeit, zerlegte Randal beinahe das gesamte Büro. Dann begab er sich in sein Stammpub und versoff dort den gesamten Vorschuss, den er für den Auftrag erhalten hatte. Erstens, um sich zu beruhigen und zweitens, um ein Wenig zu feiern, denn durch den Absender hatte er nun eine heiße Spur.
Vor einigen Monaten hatte er im halb nüchternen Zustand eine Reportage über Sekten gesehen. Von Hare Krishnas bis Neo-Manson Anhängern war alles dabei gewesen, auch eine Bruderschaft aus Pseudosatanisten. Da diese Gruppe offiziell als friedlich galt, schenkte man ihr wenig Aufmerksamkeit. Während eines Interviews mit einem Mitglied, so erinnerte sich Randal, erwähnte dieser einen schwarzen Mann, der Teil ihres Glaubens sei. Diese Gruppe lebte in völliger Abgeschiedenheit auf dem Hasdow Mountain.
Nachdenklich betrachtete der Detektiv den schwarzen Berg, der wie ein titanisches Ungetüm vor ihm aufragte. Jetzt erinnerte er sich auch wieder wie er hierher gekommen war. Gestern in der Bar, war er in seinem Suff auf die Idee gekommen, die ganze Sekte im Alleingang und sturzbetrunken zu stellen. Vermutlich hatte er sich nach dem langen Marsch einfach auf den Waldboden gelegt und seinen Rausch ausgeschlafen.
„Du bist verdammt gut informiert über mich. War wohl doch nicht dieses Bürschchen, das mit mir geredet hat.“ Langsam steckte er seine potenzverlängernde 45er zurück.
„Was heißt hier bitte, Potenzverlängerung? Wer zur Hölle bist du überhaupt?“
Ich? Ich bin der Autor und schreibe diese Geschichte.
„Geschichte? Das soll wohl ein schlechter Witz sein. Und was soll überhaupt diese Sache mit dem verschwundenen Mädchen? Noch klischeehafter geht´s ja wohl nicht! Warum kann es keine hübsche Braut sein, die ich hinterher auf Teufel komm raus durchvögle?“
Das ist meine Geschichte und ich kann sie schreiben wie ich es möchte. Jetzt geh und finde das Kind.
„Ich bin doch nicht dein Spielball. Du kannst mich mal, ich mach ´nen Abflug und hol mir erst mal ne schöne Tasse Kaffee!“
Randal Winters blieb abrupt stehen.
„HE! Was soll das?“
Sein gesamtes Leben zog wie ein Film vor seinem inneren Auge vorbei und Tränen traten in seine Augen.
„Hör auf damit!“
Schluchzend sank er auf die Knie.
„Oh Gott, was passiert mit mir? Ich mach´s tatsächlich!“
Wie sollte er weiterleben? Seine angeborene Impotenz hatte ihm immer zu schaffen gemacht, deshalb kompensierte er sie mit seinen jähzornigen Wutausbrüchen.
„GEHTS NOCH? ICH BIN NICHT...oh shit!“
Plötzlich erinnerte er sich wieder daran wie er in der dritten Klasse die Lehrerin Mama genannt hatte.
„Ich schwöre dir, wenn ich hier rauskomme, prügle ich dich windelweich!“
Die größte Schmach aber, war seine Herkunft. Die Tatsache, dass seine alkoholabhängige Mutter ihn in einem besinnungslosen Moment mit ihrem eigenen Bruder gezeugt hatte, verfolgte ihn schon sein ganzes Leben lang.
„HÖR AUF SO ÜBER MEINE MUTTER ZU REDEN, ODER ZU SCHREIBEN, WAS AUCH IMMER! DAS IST ALLES ERSTUNKEN UND ERLOGEN!“
Langsam zog er die Magnum aus seinem Mantel.
„Du kommst dir jetzt wohl ganz toll vor, was?“
Er richtete den Lauf der Waffe an seine Schläfe. Es wurde Zeit diese endlose Schande, die er sein Leben nannte, ein für alle Mal zu beenden und die Welt so zu einem besseren Ort zu machen.
„HÖR AUF! Ist ja schon gut, ich spiel mit, ich spiel mit!“
Schön.
„Du bist ein richtiges Arschloch, weißt du das?“
Beschämt betrachtete er seine Hose, die im Moment des Selbstzweifels nass geworden war.
„Ich hab mich nicht...VERFLUCHT! Lass den Scheiß, ich rette ja schon das Kind!“
Randals Augen verzogen sich zu schmalen Schlitzen. Das Camp der Sekte, glich einem Gefangenenlager. Es war mit angespitzten Palisaden und Wachtürmen umzäunt.
„Sag mal, wenn du hier alles in der Hand hast, warum befreist du nicht einfach das Kind? Schreib dass die Sekte Massensuizid begangen hat und das Mädchen wohlauf ist, dann sind alle glücklich!“
Zu einfach. Achtung Spoiler, es wird noch Spannung und eine unerwartete Wendung geben.
Randal verdrehte die Augen. „Was für eine Freude.“, murmelte er sarkastisch, doch dann entdeckte er etwas. Zwischen dem Palisadenwall und einer Felswand, war eine kleine Spalte, groß genug, um sich hindurchzwängen zu können.
Randal überlegte gerade, wie er sich an den Wachen in den schwarzen Kapuzensweatern vorbeischleichen könnte, als eine dröhnende Stimme erklang.
„BRÜDER, ES IST SO WEIT! DER TAG AN DEM UNSER HERR UND MEISTER ZU UNS KOMMEN WIRD IST NAH! VERSAMMELT EUCH ALLE IN DER ZEREMONIENHALLE ZUR FEIERLICHEN OPFERUNG!“
Gehorsam kletterten die Wachen von den Türmen. „Praktisch.“, meinte Randal mit einem zustimmenden Nicken und huschte zu der Öffnung. Vorsichtig spähte er in das Innere. Kein Mensch zu sehen, nicht einmal ein Tier ließ sich blicken. Das Einzige, was über dem Camp lag, war geisterhafte Ruhe. Vor den zahlreichen Hütten hingen etliche weiße Banner, auf denen ein schwarzer Schatten abgebildet war. Im hinteren Bereich des Geländes, thronte auf einem Hügel das Haupthaus, das ein wenig an eine übergroße Bergbauernhütte erinnerte. Die Fenster waren mit schwarzer Farbe bestrichen und verwehrten so den Blick in das Innere. Geduckt schlich Randal über das Areal, auf das sich langsam ein grauer Nebelvorhang legte. Immer wieder blickte er sich um, ob nicht doch ein paar Wachen dagelassen worden waren, doch er hatte Glück. Trotzdem legte sich ein beklemmendes Gefühl auf seine Brust, irgendetwas an diesem Ort war ihm nicht geheuer. Eine seltsame Spannung lag in der Luft, als wäre sie elektrisch aufgeladen worden. Dann erreichte Randal endlich das Haupthaus. Skeptisch blickte er zu den pechschwarzen runenartigen Symbolen auf dem Türstock hoch.
Seine Hand ergriff die schmiedeeiserne Klinke, doch dann hielt er inne. „Wieso? Was ist denn?“ Von vorn reinzukommen ist keine gute Idee. „Auch wieder wahr.“, brummte er und schlich um das Haus herum. „Na los, erschaff eine Hintertür.“
Nein zu einfach. Der Detektiv entdeckte ein gekipptes Fenster. „Bingo!“
In seiner Laufbahn als Polizist hatte er mit unzähligen Einbrechern zu tun gehabt und war vertraut mit jeder ihrer Einbruchstaktiken. Er holte ein Klappmesser aus der Tasche und schob die Klinge vorsichtig in den Spalt zwischen Fenster und Rahmen. Er drückte kurz dagegen und mit einem dumpfen Klacken hob sich das Fenster aus den Angeln.
Blitzschnell lehnte er sich an die Hauswand. Mit pochende, Herzen lauschte er.
Nichts. Niemand hatte ihn entdeckt. Geschmeidig, wie eine Katze, kletterte er in das Gebäude.
„Geschmeidig wie eine Katze? Warum nicht wie ein Ninja?“
Sei still, ich schreibe die Geschichte.
In dem Raum war es stockdunkel, bis auf einen kleinen Lichtspalt am Boden. Ein tiefer, monotoner Männerchor erklang dahinter. Randal zog seine Magnum und schlich zur Türe.
„Es ist so weit, die Opferung kann beginnen!“, dröhnte eine Stimme dahinter.
Randals Blut gefror zu Eis. Diese kranken Irren wollten tatsächlich ein Kind opfern! „Nicht wenn ich es verhindern kann! Na? Klang das nicht cool?
Lass dir was Besseres einfallen wenn du der Sekte gegenüber stehst.
„Schreib doch selbst was, wenn du so schlau bist!“
Fängst du schon wieder an. Willst du dir nochmal in die Hose machen?
„Du bist ein sadistisches Arschloch! Ich lass mir was einfallen.“
Randal packte die Klinke und stieß die Tür auf.
„GLAUBT IHR NICHT DASS ES GERADE JETZT ZEIT IST ÜBER GOTT ZU REDEN?“, schrie er und betrat mit hocherhobener Waffe den Raum. „Wow, war ich das, oder kam das von dir?“ Ein blutrotes Licht erhellte den Raum. An den Wänden hingen die selben Banner wie vor den Hütten. In der Mitte des Raumes war mit schwarzer Farbe ein Kreis aus runenartigen Symbolen auf den Boden gemalt und inmitten dieses Kreises lag das weinende Mädchen.
Ein Halbkreis aus schwarz gewandeten Kapuzengestalten hatte sich um sie herum versammelt und starrte nun Randal überrascht an. Ein zwei Meter großer Hüne in einem roten Mantel richtete das Messer, das gerade eben noch auf das Mädchen gezeigt hatte, auf Randal.
„Du wirst uns nicht hindern, Eindringling!“
„Weg von dem Mädchen!“
Die Gestalten lachten auf.
„Was ist so witzig? Ich würde auch gern mitlachen.“
Gut ein Dutzend von ihnen, zogen schlagartig Pistolen und Gewehre unter den Mänteln hervor.
„Waffen fallen lassen, oder euer Boss atmet gesiebte Luft!“ „Du Narr. Ich würde mit Freude für meine Brüder in den Tod gehen. Selbst wenn du mich jetzt erschießt, bist du der Nächste!“
„Ich knall euch alle ab, wenn es sein muss!“ Der Hüne lachte erneut auf. „Du hast keine Chance. Wie viele Kugeln hast du in deiner Waffe? Sechs? Acht? Jedenfalls nicht genug! Tötet den Fremden!“, rief er seinen Ordensbrüdern zu.
„Mist, er hat recht. Hilf mir mal.“
Was soll ich den tun?
„Keine Ahnung, mach aus dem Revolver ein verschissenes MG oder so.“
Das passt nicht in die Geschichte.
„WILLST DU MICH VERARSCHEN? HAST DU MICH ETWA NUR HIERHER GEBRACHT DAMIT MICH EIN PAAR FREAKS ABKNALLEN KÖNNEN?“
Nein, natürlich nicht. Aber du bist der Held in der Geschichte, kümmere du dich darum.
„DU MACHST MICH WAHNSINNIG!“
Ein Raunen ging durch die Menge. „Mit wem redet er da?“
Der Hüne in der roten Kutte blaffte seine Männer an. „Es ist völlig egal mit wem er redet. Er wird die Bruderschaft des Barrens nicht aufhalten!“
„Wer soll das denn bitte sein?“
„Er ist unser Schöpfer! Er kontrolliert, sieht und hört alles was wir tun!“
„Oh, den Typen kenne ich!“
„Du willst doch nicht allen Ernstes behaupten dass du, ein schwächlicher Ungläubiger, mit dem schwarzen Mann in Kontakt stehst? Dem Schöpfer allen Lebens!“
„Hey, ich glaub die meinen dich!“
Wie nett, ich habe einen Fanclub.
„Warum nennen die dich den schwarzen Mann?“
Na weil ich immer Schwarz trage.
„Ist ja ganz toll, dann sag deinen Jüngern sie sollen das Mädchen freilassen.“
Das geht nicht. Ich kann nur mit dir sprechen, äh schreiben, du weißt schon.
Randal seufzte. „Ok Jungs, die Party ist vorüber. Euer Schöpfer meint ihr sollt das Mädchen und mich gehen lassen.“
Der Anführer schüttelte den Kopf. „Nein, das kann nicht sein. In einer uralten Prophezeiung steht zwar, dass eines Tages ein Prophet erscheinen wird, aber das kannst unmöglich du sein!“
„Kann ich wohl!“
„Kannst du nicht!“
„Kann ich wohl!“
„Kannst du nicht!“
„Kann ich wohl!, Warum streite ich überhaupt mit dir Verrückten?“
„Wenn du tatsächlich der Abgesandte des Barrens bist, beweise es!“
„Ok, dann beweise ich es eben. Hey Schreiberling, hilf mir mal.“
Hmmm.
„Was?“
Ich könnte der Geschichte vielleicht noch eine unerwartete Wendung geben und dich sterben lassen.
„DAS IST JETZT NICHT DEIN ERNST! DU HAST MICH IMPOTENT GEMACHT, DU HAST MICH, MICH SELBST VOLLPISSEN LASSEN UND DU HAST MEINE FAMILIENGESCHICHTE NICHT GERADE ZUM GUTEN VERÄNDERT! DU HATTEST DEINEN SPAß, JETZT HILF MIR GEFÄLLIGST MAL!“
Nein.
Randal heulte verzweifelt auf. „Was muss ich denn noch tun? Soll ich etwa darum betteln?“
Wäre ganz nett. Fall auf die Knie und bete um Gnade.
„Ich soll beten?“
Die Typen machen´s doch auch, kann ja nicht so schwer sein.
Seufzend ging Randal Winters zum ersten Mal in seinem Leben auf die Knie. „Oh großer Barrens, hilf mir in dieser tragischen Stunde. Jetzt und in alle Ewigkeit,“
Amen.
„Also? Hilfst du mir jetzt?“
Sag „Bitte“.
„Das ist doch Alles nicht wahr. Hilf mir! Ich werde auch nie wieder frech sein, versprochen! Bitte.“
Schon besser.
Randal Winters öffnete die Trommel seines Revolvers. „Ok, wie ihr alle sehen könnt ist das Ding geladen. Ich werde mich jetzt selbst erschießen und ihr werdet merken dass mir nichts passieren wird.“ Der Sektenführer verschränkte ungläubig die Arme. „Das will ich sehen.“
Randal atmete tief durch. „Ok Schöpfer, lass mich jetzt nicht hängen.“ Zitternd hob er den Lauf an seine Schläfe und drückte ab.
Ein metallisches Klicken ertönte. Der Sektenführer lachte auf. „Na schön, das war ein Blindgänger, das beweist gar nichts.“ Der Detektiv nahm seinen gesamten Mut zusammen und drückte fünf Mal schnell hintereinander den Abzug. Als nichts geschah, öffnete er die Trommel und zeigte den Sektenmitgliedern die Patronen. „Puh, ich dachte schon du lässt mich hängen.“
„Das...das ist doch nicht möglich. Wie hast du...wie bist du...?“ Die anderen Sektenmitglieder sanken auf die Knie. „Er ist der Prophet! Er ist tatsächlich gekommen!“ Randall warf ihnen einen kühlen Blick zu. „Hab ich doch gesagt. Und jetzt lasst das Mädchen frei.“ Der Großmeister zuckte zusammen und schnitt hastig an den Fesseln des Kindes.
„Oh Gott, was ist das hier? Wer bist du?“, wimmerte es. Randal nahm das weinende Mädchen in die Arme und streichelte ihr über den Kopf. „Mach dir keine Sorgen, es ist alles vorbei. Du kommst wieder nach Hause und diese Freaks werden weggesperrt.“ Der Großmeister fuhr herum. „Du willst uns einsperren lassen? Hast du denn gar nichts begriffen? Du bist der Auserwählte. Du bist im Geiste mit unserem Schöpfer verbunden und kannst durch ihn wirken. Dir stehen ungeahnte Möglichkeiten zur Verfügung. Du könntest die Welt beherrschen wenn du es wolltest!“
Randal trug das Kind zur Tür. „Komm wir gehen.“
Wütend schrie ihm der Großmeister hinterher: „Du Narr, du wirfst dein Talent vor die Säue! Verstehst du denn nicht dass du mit deiner Macht die Welt von allem Schlechten säubern könntest?“
Randal blieb stehen.
„Ja, das könnte ich, aber nicht mit eurer Hilfe oder der eures, Verzeihung, unseres Schöpfers.“ Plötzlich fiel sein Blick in den hinteren Teil des Raums. Scheinwerfer warfen ein gespenstisches Licht auf ein hölzernes Podium mit einem Buch darauf.
Randal deutete mit der Waffe auf das Podium. „Was ist das?“
„Unser Evangelium. Es beinhaltet die Prophezeiung die über dein Erscheinen berichtet.“
Randal lachte auf. „Euer Evangelium? Ist es auch in Menschenhaut gebunden und mit Blut geschrieben wie das Necronomicon?“
Mit einem seltsam nachdenklichen Blick senkte der Großmeister den Kopf und murmelte: „Nein, aber du tätest gut daran es zu lesen.“ Randal hob mit einem ungläubigen Grinsen eine Augenbraue. „Hey Schöpfer, was sagst du dazu?“
Lies es.
„Na schön, ich spiele mit. Aber keine Tricks! Warte hier Kleines, ich bin gleich zurück.“
Die schwarzen Kapuzengestalten bildeten ehrfürchtig eine Gasse und ließen Randal durchmarschieren. Am Podium angekommen betrachtete der Detektiv das schwarze Buch mit der silbernen Aufschrift „Ich schreibe Geschichte.“
„Euer Ernst?“
Er schlug die erste Seite auf und las.
„Hallo? Hey Mister, alles o.k.?“ Die Worte klangen wie durch Watte gedampft, als kämen sie von einem fremden Ort. Randal Winters öffnete die Augen. „W-we-wer hat das gesagt?“
Das Blut in seinen Adern gefror zu Eis. „Was zur Hölle ist das?“, flüsterte er. Randal schlug eine andere Seite auf.
Randals Augen verzogen sich zu schmalen Schlitzen. Das Camp der Sekte, glich einem Gefangenenlager. Es war mit angespitzten Palisaden und Wachtürmen umzäunt.
Randal ließ langsam das Buch sinken. „Was wird hier gespielt?“, hauchte er und schlug die letzte Seite auf.
Am Podium angekommen betrachtete der Detektiv das schwarze Buch mit der silbernen Aufschrift „Ich schreibe Geschichte.“
„Euer Ernst?“
Er schlug die erste Seite auf und las.
Als der Detektiv seine eigene Unterschrift unter den Zeilen las, glaubte er völlig den Verstand zu verlieren. Wie war sie in ein Buch gekommen das er noch nie zuvor in seinem Leben gesehen hatte? Langsam hob er den Kopf. Die Sektenmitglieder hatten sich um das Podium versammelt und blickten ihn erwartungsvoll an.
„I-ich hab das nicht geschrieben. Wie zum Teufel . . . Das warst doch du stimmt´s Schreiberling?“
Es ist deine Geschichte. Du hast sie selbst unterschrieben.
Die Erkenntnis traf Randal wie ein Hammerschlag. Er ließ den Blick durch die Runde schweifen.
„Auch wenn uns das Schicksal manches vorbestimmt, sind es trotzdem wir, die die Geschichte schreiben.“
„Was wird nun geschehen?“, fragte der Sektenführer.
Randal griff in die Tasche und holte einen metallenen Kugelschreiber hervor. „Ich nehme mein Leben selbst in die Hand und schreibe meine eigene Geschichte weiter.“, sagte er und setzte den Kugelschreiber an.