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Schönheitswahn

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30.10.2003
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Schönheitswahn

Wir lümmeln uns gemütlich auf dem Sofa in meinem Wohnzimmer und sprechen, worüber alle Frauen sprechen, wenn das Thema Mann gründlich analysiert und auseinander gepflückt ist und man nach drei Stunden bereit ist über die wichtigen Dinge des Lebens zu sprechen.

Wir sprechen über uns. Genaugenommen über unsere Körper. Näher betrachtet ist es eigentlich nur der viel zu große unförmige Leib, der frau ab dem Hals abwärts durchs Leben begleitet, der nun zum x-ten Mal Mittelpunkt unserer Unterhaltung ist.

Ich nippe gerade an meiner Cola, während ich nach einem Toffifee greife und gleichzeitig überlege, ob wir die zweite Tüte Chips noch aufmachen sollten. Genüsslich kauend sage ich zu ihr: „Aber verdammt nochmal, was muss man noch alles tun, um endlich abzunehmen?“
Danke! Das bedarf wirklich keines weiteren Kommentars.

Also, wo kommt die andere Hälfte von mir her? Und viel wichtiger, wie werde ich diese aufdringliche Person wieder los?
Ich bin für jeden Tip dankbar.

Ich glaube ich habe das auch ausgesprochen, denn plötzlich sagt sie zu mir: „Wieviel bist du bereit dafür zu zahlen? Kannst du dir nicht vorstellen, dass der Preis zu hoch sein könnte?“

„NEIN!“ Wirklich Nein! Keine noch so kleinste Zelle in meinem Gehirn kann sich vorstellen, dass der Preis für einen schlanken ansehnlichen Körper; in irgendeiner Form zu hoch sein könnte.
Einmal bei H&M zu der Verkäuferin sagen: „Oh, sie haben die Bluse nicht kleiner? Das ist ja schade, aber aus dieser falle ich ja raus.“ Ein herrlicher Gedanke.
NEIN, es gibt keinen Preis, der dafür zu hoch ist. Schließlich ist meine Figur mein einziger Schwachpunkt, bei einer sonst durchaus liebenswerten, intelligenten Persönlichkeit. Aber jeder weiß doch, deine inneren Werte tragen diesen Namen, weil niemand auf der Straße dir hinterher pfeift und seinem Kumpel zuraunt: „Alter, hast du gesehen, wie humorvoll und intelligent diese Frau ist? WOW!“ Derartiges ist mir noch nicht zu Ohren gekommen?!

Sie schaut mich an und sagt: „Okay, ich erzähle dir, wie du schlank werden kannst!“
Ich traute mich kaum zu atmen! Nun war er da, der Moment in dem ich das wichtigste Geheimnis der Welt erfahren würde. Ein Geheimnis, dass man nur mit den wichtigsten Freundinnen teilt, dass man hütet wie die eigene Seele.

„Ich habe bis vor zwei Jahren noch 70 kg gewogen!“ Ha, ich würde es erfahren! Jetzt war ich ohne Zweifel! Heute noch würde ich das Geheimrezept mein eigen nennen können. Denn vor mir saßen vielleicht 55 kg, aber sicher doch keine 70.
„Ich habe einfach aufgehört zu essen!“ Ein langes gedehntes „Aaaaaha?!“ war mein einziger Kommentar. Sie erzählt weiter: „Ich hatte weder Hunger noch Appetit, noch irgendwie sonst das kleinste Verlangen auf Nahrung. Es war einfach vorbei!“
Ich klatsche begeistert in die Hände. „Oh Gott, du Glückliche! Das muss einfach DAS Geschenk sein! Einfach nicht mehr essen. Wow...“
„Klar! Am Anfang denkst du das. Schon nach kurzer Zeit wünscht du dir aber wieder essen zu können. Du willst UNBEDINGT, aber es geht nicht – Punkt! Keine Chance! Und dieser Zwiespalt lässt dich verzweifeln.“

Okay, das würde bei mir nicht funktionieren. Mein Körper würde eher danach schreien, mit heißem Öl übergossen zu werden, als dass er die Nahrungsaufnahme verweigern würde. Ich war nicht abgeschreckt. Nicht im geringsten.

„Na gut, Tor 1 scheint nicht das richtige für mich zu sein! Kann ich sehen, was hinter Tor 2 ist?“

„Koks!“ war die einfache und doch ein wenig ernüchternde Antwort.
Ich war verwirrt. Wie sollten die kleinen schwarzen Briketts zum Heizen dafür sorgen, dass ich abnehme. Ich überlegte was sie mir damit sagen wollte.
Vielleicht müsste ich einfach so viel Hitze erzeugen, dass es auf jeden Fall zu heiß wäre zum Essen. Fragwürdig aber denkbar wie ich fand.
„Natürlich habe ich aus einem anderen Grund angefangen zu koksen! Aber schon beim ersten Mal geht es dir einfach fantastisch. Du bist fröhlich, aufgekratzt, motiviert und voller Bewegungsdrang. Und irgendwann stellst du fest, dass du überhaupt keinen Hunger hast. Es gibt so viele wichtige und wundervolle Dinge auf der Welt, dass du auf keinen Fall deine Zeit mit etwas so nichtigem wie Essen vertun möchtest. Es gibt viel zu viel zu tun und zu sehen.

Dieses Gefühl hast du von Anfang an. Ein einziges Mal probiert und du steckst voll drin. Diese geballten positiven Gefühle zu erleben ist einfach zu verlockend, als das man darauf noch verzichten möchte.
Also nimmst du es einfach weiter! Deine Laune steigt, deine Leistungskraft steigt,... dein Gewicht sinkt! Und all diese Faktoren zusammen bescheren dir einen wahren Höhenflug!“

Hm..., vor meinem geistigen Auge sehe ich mich aufgedreht wie ein mechanisch aufgezogenes Püppchen durch sämtlich Sportkurse der Stadt toben, immer auf der Suche nach mehr! Soweit so gut! Der finanzielle Faktor scheint mir zu einem echten Problem werden zu können bei diesem Lösungsansatz. Aber damit konnte ich mich auch noch später beschäftigen. Außerdem - ich spare dann doch jede Menge an Lebensmitteln. Guter Punkt! Wird auf der Pro-Liste notiert um nötigenfalls als Argumentationsgrundlage zu dienen.

„Das Problem ist nur, wenn du zu den Menschen gehörst, bei denen tief unter ihrer Fettschicht doch ein letzter Rest Vernunft und Selbsterhaltungstrieb schlummert! Dann weißt du nämlich genau, was die Drogen mit dir machen! Und dann wirst du auch aufhören wollen! Und du tust es dann wahrscheinlich auch. Und außerdem hast du ja sowieso nur gekokst, um dein Leben zukünftig in Größe 36 bewältigen zu dürfen!
Und dann stellst du fest, das die Welt in diesem Zustand betrachtet eine großes dunkles Loch zu sein scheint, die jedes Leben zu verschlucken sucht. Der Zustand der Freude existiert für dich nicht mehr. Weg, einfach verschwunden. Alles was du noch fühlst ist dieser unsägliche Kampf, der in dir tobt und der dir jegliche, noch so winzige, Energie raubt.
Und vielleicht fängst du an, Pillen zu schlucken. Es gibt so viele von ihnen! Kleine bunte Glücksbringer, die dir über den Verlust von Koks hinweg helfen. Und es gelingt ihnen sogar! Kunststück, sind sie doch nichts anderes, als gefährliche kleine Parasiten, die sich auf deine Kosten ernähren. Und die hartnäckig versuchen, auch noch den letzten Rest Überlebenswillen aus dir heraus zu saugen.“

Ich bin sehr still. Meine Augen haben sich während der letzten Minuten mit Tränen gefüllt. Sie schaut mich mit ihren großen dunklen Augen an und lächelt traurig: „Aber hey, glaub mir, wenn du damit durch bist und es schaffst ohne Drogen wieder ein normales Leben zu führen, dann wird das mit Sicherheit ein schlankes Leben sein!“

Ich drücke gedankenverloren auf meinen viel zu dicken Oberschenkeln herum und bemerke, dass diese viel zu dicken Oberschenkel vielleicht doch nicht der Mittelpunkt meines Lebens sein sollten.

Und dann sage ich zu ihr: „Weißt du was? Es gibt einen Preis, der ist mir zu hoch!“

 

Hallo Nuffe,

sei mir nicht bös, aber das ist in meinen Augen noch keine Geschichte - naja, zumindest keine klassische Kurzgeschichte. Eher vielleicht eine Theaterszene, denn dein Text besteht eigentlich nur aus Dialog.

Um daraus eine Geschichte zu machen, fehlt etwas Handlung. Und man müsste aus den beiden Frauen echte Charaktere machen. Weil die Dünne keinen Namen hat, dachte ich anfangs, hier spricht die Ich-Erzählerin zu einer Art "besserem Ich" wie in der Waschmittel-Werbung.

Noch zwei Vorschläge:
1.) Ich vermeide Ausrufezeichen. Meiner Ansicht nach muss der Text aus sich heraus (inhaltlich) aufregend sein. Die Interpunktion kann ihn nicht aufregend machen.
2.) Nie mehr als drei Sätze Text für einen Dialogbeitrag. Sonst wirkt es langweilig, wie ein Monolog. Besser den Sprechenden irgendwas tun lassen und dann weiterreden lassen. Oder den Dialogpartner zu Wort kommen lassen.

Grüße und nichts für ungut,
dein Stefan aka leixoletti

 

Hallo Stefan,

vielen Dank für meine erste, nicht familiäre Kritik :-).

Deine Punkte sind für mich sehr einleuchtend und ich werde daraus lernen.
Ich bin froh, dass ich mich "getraut" habe, meine Geschichten einmal anderen zum Lesen zur Verfügung zu stellen und mich auch mit der Kritik auseinander zu setzen.

Wenn alle Beiträge so konstruktiv sind wie deiner, dann kann ich hier sicher eine Menge lernen.

Danke,
Nuffie

 

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