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Schönheitsreparaturen

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06.10.2013
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Schönheitsreparaturen

Nun hat es wohl einen Streit gegeben. Es gab Streit. Ich stritt mich, könnte ich genauer sagen. Wie nun weiter? Das Kind ist mit dem Bade ausgeschüttet, in den Brunnen gefallen. Der Streit war ein Einschnitt, ein Streit wie ein Gewitter, das herunterkracht, ein Donner wie zerbrechendes Porzellan. Aber so war es nicht. Habe ich geschrien? Hat sie geschrien? Oder er? Ich denke nicht. Ich erinnere mich nicht daran. Er blieb ja lässig, lächelte, er lächelte so unbefangen wie nur möglich, so dümmlich wie der Affe vorm Spiegel, wie die Sonne auf einer Kinderzeichnung, wie der Pornodarsteller der unversehens der nackten Nymphomanin begegnet. Bloß kein höhnisches Lachen, habe ich gedacht. Du willst so lächeln, dass es unmöglich ist, dass ich es als höhnisches Lachen deute. Es soll ein Lächeln sein. Du bist nett, will das sagen, nicht aufreizend nett, nicht provozierend nett, nur einfach nett, will das sagen. Wie konntest du nett sein? Wieso denn nett sein? Wir stritten doch! Vor allem stritt ich mit ihr, deiner Frau. Schrie sie? Nein, sie sprach ruhig. Wollte sie nett sein? Oh nein, giftig war sie, wie man sagen könnte. Gift spritzte durch die ganze Wohnung, es spritzte aus ihrem Mund wie bei einer Kobra, es spritzte auf den Teppich, auf den alten Dielenboden, diesen alten Dielenboden, in den es sich hineinfraß. Zwei deutliche Löcher blieben dort zurück, als sei dort etwas hinabgefallen, ein schwerer Schrank vielleicht, der mit zwei Holzfüßen dort den Boden demolierte, diesen alten Dielenboden, der schön war, ein schöner alter Dielenboden, mit zwei weiteren Löchern nun.

Doch schlimmer als dieser demolierte Boden war, dass das Gift auch mich angriff. Es ätzte sich in mich hinein, wie ich glauben möchte. Ich versuchte es herauszusaugen, band meine Arme ab, die Beine, es sollte nicht zum Herzen gelangen. Dort musste es doch schließlich hineingelangt sein. Es half nichts, es ätzte sich hinein. Die Folgen des Streits waren minimal, würden minimal sein. Er hatte kaum Wirkung - das Geld, nun ja. Aber das Gift, das zeigt Wirkung.

Zuerst muss ich verstehen, wie es zu diesem Streit kommen konnte. Ich muss das verstehen. Was heißt denn das das: ich muss? Warum muss ich das verstehen? Es gab Streit, das genügt. Aber ich muss es wissen. Denn das Gift wirkt bereits. Ich kann an nichts anderes mehr denken, immer nur an diesen Streit, immer ist er da. Das ist das Gift.

Ich stand im Supermarkt in der Einkaufsschlange, wieder eine Kasse zu wenig besetzt, und der schmale Herr vom Leergut er zwängte sich durch den ganzen Laden, um zur Kasse zu gelangen, doch trotz seiner schmalen Statur, und obwohl er sich schlängelte wie die Kobra, es schien endlos zu dauern. Also warteten wir. Sofort in diesem Warten war der Gedanke an den Streit da. Ich dachte an diesen Streit, an das Gift, an die Folgen. Ich fragte mich: Warum dieser Streit? Und das rumorte, es schmerzte. Aber kam dieser Gedanke an das Gift erst als ich warten musste? Nein, er war die ganze Zeit da – vorher, nachher. Ich hatte die ganze Zeit daran gedacht, und nun gezielt, nun fragte ich mich genau das: Wie kam es zu diesem Streit? Ich muss das wissen.

Ein Wort gab das andere, so ließe sich das sagen. Damit ist alles erklärt, damit ist gar nichts erklärt. Wir steigerten uns da hinein, sie, meine Vermieterin, die Gift verspritzte, und ich, der laut und gehässig wurde, wie der schlecht erzogene, zu groß geratene Hund, der weiß, dass er groß ist und sich sein Bellen erlaubt. Ein Wort gab das andere, auf Gift folgte mein Bellen, wieder ihre Giftzähne, mein Knurren und Zähne zeigen, Körper anspannen, sie streckte sich in die Höhe, den Kopf am langen Schlangenkörper mir entgegenstreckend, ich wurde lauter, schnappte, geiferte. So gab ein Wort das andere, könnte ich sagen. Aber warum denn ein Streit?

Wenn ich zurückdenke, an die Zeit bevor wir stritten, sehe ich ihre kleine Tochter. Etwas verzogen, hatte ich immer gedacht. Aber ich sehe ihre Tochter, die die lange Treppe im Haus nach oben tappt, an meine Tür klopft, dann klingelt. Und schließlich steht sie vor mir und sagt, ihr Papa koche, er brauche dringend noch eine Zwiebel, ob ich die hätte, und er brauche dringend noch ein oder zwei Stücke Schokolade, ob ich die auch hätte. Ja, die hatte ich auch.
Ein gutes Verhältnis zu meinen Vermietern, so hatte ich stets geantwortet, wenn ich darauf angesprochen wurde, denn es sei ja nicht immer leicht, mit den Vermietern unter einem Dach zu wohnen. Aber nun dieser Streit, der mich nicht loslässt, der mich von innen gepackt hält, ich spüre ihn genau, im Magen sehr weit oben, dort sitzt er und packt mich. Gemeinsam mit der Wut, gemeinsam mit dem Gift sitzt dort der Streit selbst und lässt mich nicht los. Wie hatte es denn angefangen?

Ich wohne hier in dieser Wohnung so lange, so lange bis jetzt, da ich hier bald nicht mehr wohnen werde. Wie viele Jahre waren es bis zu diesem Jahr, dem letzten Jahr, das ich in dieser Wohnung gewohnt haben werde? Unzählige Male habe ich es nachgerechnet: ich zog in meinem dritten Studienjahr ein, zum Sommersemester, dann noch zwei Jahre Studium, dann vier Jahre beim ersten und drei Jahre beim zweiten Arbeitgeber: es macht neun Jahre, die ich nun hier wohne, glücklich gewohnt habe, bis jetzt, bis vor kurzem als das Glück endete und der Streit begann.

Als ich einzog vor neun Jahren war die Wohnung mein großer Luxus, ich konnte sie unmöglich bezahlen, die Miete nicht, die Nebenkosten nicht, Strom und Heizung noch obendrauf, jedes Einzelne beinah zu teuer für einen Studenten, der sich in diesen Altbau verliebt hatte. Etwas über hundert Jahre alt war das Haus, das ein Pfarrhaus gewesen war, ein Haus der Seelsorge, will ich meinen, ein Haus des Schlichtens. Warum dieser Streit?

Ausziehen muss ich bald, die Wohnung, so schön sie ist, so herrlich der Altbau, so nett die Vermieter waren, ja so nett! Ich kündigte meinen Auszug an, recht kurzfristig, recht schnell sollte es nun gehen. Ganz nett war das Gespräch mit meiner Vermieterin, deren Name ich gerade vergesse, nach neun Jahren unter einem Dach, nach neun Jahren nettsein, will und will mir ihr Name nicht einfallen. Das Gift, es wirkt, alles vergesse ich, nur diesen Streit nicht, er ist da, und meine Wut vergesse ich nicht, sie wütet. Alles kein Problem, hatte sie gesagt, wie man das sagt, bevor die Probleme auftauchen. Nenn zwei, drei Nachmieter, wenn es so schnell gehen muss, dann kannst du sofort raus aus dem Vertrag, sparst das Geld, wir suchen dann einen aus. Ich nannte drei, schnell ging das, die zu finden. So eine schöne Wohnung! So nette Vermieter, wie ich immer sagte. Das Studentenpärchen, das sich dann bei Vermieterin und Vermieter vorstellen durfte – ein Privileg! bei dieser Wohnung! – es passte irgendwie nicht: zu studentisch, zu paarig. Ja die, ja, vielleicht, wen hast du denn noch? Die Karriere-Single-Frau? Nein, nein, zu konservativ, mit Blazer kam die! Mit kleinem Sportwagen! Aber du hast doch noch wen, hieß es dann. Ja, der alleinerziehende Vater, der passte schon. Nur wenige Gespräche später hatten sich alle angenähert, alles sehr nett, wie mir die Vermieterin ständig bestätigte, wenn wir uns im Hausflur begegneten. Der Mietvertrag kam nicht zustande, aber alle hatten sich wieder auf ein Bier verabredet. Also kein Nachmieter, wie mir die Vermieterin mitteilte, und blickte traurig, und ich verstand zunächst gar nicht, dass sie eigentlich damit meinte, ich sollte traurig blicken, denn dieses Problem, dort wo es keine Probleme gäbe, war meins. Dann der Streit. Was hatte ich gesagt?

Über den letzten Monat Miete müssten wir jetzt einmal sprechen, hatte ich so in etwa gesagt. Und dann kam das Gift! Ich hätte nun keine Lust, den letzten Monat noch zu bezahlen, jetzt sei es zu spät, wieder Nachmieter zu suchen. Ich möchte mir eigentlich vorbehalten, den letzten Monat nicht zu bezahlen. Ich zahl doch jetzt nicht den letzten Monat, weil ihr euch nicht einigen könnt! Ihr Scheiß-Spießer in euerm Altbau, sucht ihn doch selbst, den perfekten Scheiß-Nachmieter! Sucht es doch selbst, euer Scheiß-Geld in den Ritzen eures Scheiß-Dielenbodens. Von mir seht ihr nichts mehr, ich lach mich tot. Passte keiner? Das tut mir leid! Nein, da kann keiner passen, ich habe Menschen gesucht, Menschen, freundliche Menschen. Die können nicht passen. Aber das Geld könnt ihr vergessen, ich bin nicht euer Scheiß-Depp nach neuneinhalb Jahren! Nach neuneinhalb Jahren!

So führe ich nun jeden Tag das Gespräch in Gedanken zu Ende. Jeden Tag sage ich diese Worte in mich hinein, und dann verstehe ich den Streit.

Ich bin jetzt in der Wohnung zu Übergabe. Den letzten Monat Miete habe ich überwiesen. Bloß kein Rechtsstreit wegen dieser paar Hundert Euro. Ich habe noch einmal alles durchgesehen, es ist ordentlich. Weit ordentlicher als ich die Wohnung damals übernommen hatte, deren erster Mieter ich war. Sie war gerade renoviert, in Eigenleistung, da war nicht alles fertig, nicht jede Fußleiste war an ihrem Platz, eine Wand unverputzt, Fenster, Türen, Heizkörper sehr dreckig von den Renovierungsarbeiten. Jetzt ist es ordentlich, nicht perfekt, aber ordentlich.

Die Vermieter klopfen erst, dann klingeln sie an der Wohnungstür. „Bringen wir es schnell hinter uns“, sagt er, „das liegt doch in unser aller Interesse.“ „Na dann herein“, sage ich. „Wir können das ja jetzt schnell hinter uns bringen“, sagt er, „wir kennen die Wohnung doch.“ Und sie gehen hinein, in alle Richtungen blicken sie, die Blicke wandern die Decke hoch, zu den Fenstern, den Fußleisten. „Ach, die Fußleiste hier“, sagt er, „die fehlte noch bei deinem Einzug, oder?!“ Er bückt sich, sieht sie sich an: „Die müssen wir neu machen, die passt nicht, die ist, das ist ja mit bloßem Auge zu sehen, ein bisschen höher. Kannst du im Grunde nichts dafür. Ich trag das ins Übergabeprotokoll ein, wir machen die neu, die Fußleiste, die du angebracht hast.“

„Komm mal Schatz“, höre ich die Frau, die mittlerweile im Badezimmer steht, „das musst du dir anschauen.“ Wir gehen beide hinüber. „Hier, die Wand, total fleckig, überhaupt nicht richtig gestrichen, nur so schnell mal drüber. Das geht nicht, oder was meinst du?“ Er antwortet: „Jaaa, naja. Ist schon etwas fleckig“, und geht näher, „ist schon fleckig. Aber das liegt auch am Licht heute. Das ist echt ein brutales Licht heute.“ Ich wünsche mir, das Licht wäre brutal! Er träte in das brutale Licht, das durch das Fenster strahlt. Seine Nase, auf die ein Strahl fällt, beginnt zu bluten. Er spricht dennoch weiter: „Das ist das Licht, aber hier, naja, das stimmt, das ist wirklich fleckig. Was hat er da gemacht? Das ist wirklich fleckig! So will man da nicht einziehen!“ Ich erwidere: „Aber streichen bei Auszug ist doch gar nicht vereinbart gewesen! Und ich hab ja gestrichen, wegen der langen Zeit, die ich hier gewohnt habe.“ „Ja“, setzt er fort, „natürlich musst du streichen – nach der langen Zeit. Du hast hier nie gestrichen, das war überfällig! Aber lassen wir das erst mal. Wenn das alles ist, würde ich da einfach drüber hinwegsehen.“ „Aber hier“, sagt sie, wieder im Flur stehend, „würdest du da drüber hinwegsehen? Schau mal, hier, da waren zwei Löcher, große Dübel wahrscheinlich.“ „Ja“, ergänze ich, „da waren große Dübel, mein schweres Regal, mit den Bildbänden.“ „Schau doch mal, das müssen große Dübel gewesen sein. Richtig große Löcher hat er da gemacht. Ordentlich zugespachtelt sind die nicht. Aber wozu hat er auch diese riesigen Dübel gebraucht. Da könntest du ja zwei Elefanten aufhängen.“ Die zwei Elefanten sehen sich kurz an, tröten, prusten und verschwinden.

Im Wohnzimmer dann. Die Blicke fliegen überall hin, hasten durch den Raum, schneller und schneller, ein wirbelnder Tanz! Im Wohnzimmer dann der beschädigte Dielenboden. „Das darf nicht wahr sein“, sagt er, „der ist hundert Jahre alt! Das darf nicht wahr sein! Das kannst du nicht abschleifen. Der ist da völlig hinüber. Guck mal, wie tief das ist! Das darf nicht wahr sein! Du hast nichts gesagt? Das zeigst du uns jetzt so? Hoffst, dass wir das nicht sehen? Aber das geht gar nicht. Das darf nicht wahr sein! Da ist dir ein Schrank runtergefallen, dein schwerer Wohnzimmerschrank. Ist da voll draufgefallen, voll draufgeknallt. Da fällt mir nichts ein. Das muss ein Fachmann sehen. Die Wohnung können wir so gar nicht vermieten, das muss erst der Fachmann sehen, der dann vorschlägt, was man da machen kann. Voll draufgeknallt!“ Sie hockt am Einschlagskrater des Meteoritenschranks, sie hockt dort, blickt finster, dann gequält, als suche sie nach Überlebenden dort drin, in diesen beiden Löchern. Sie zischelt, schlängelt sich an den beiden Löchern vorbei zu mir: „Ich bin enttäuscht! Das ist alles so so sssso enttäuschend! Das sind wirklich riesige Löcher, das geht doch gar nicht, das ist doch keine normale Abnutzung, die sind riesig, diese Löcher!“ Sie liegt dort am Rande der Löcher, er hockt noch immer, fällt fast vornüber. Ich handle schnell und gebe ihm einen kleinen Stoß. Er fällt, er fällt. Ihr gebe ich einen starken Tritt. Beide verschwinden.

Ich bleibe allein zurück in dieser Wohnung, die nicht mehr meine ist. Ich sehe vor dem Hinausgehen noch einmal auf die fleckige Wand – sie ist nicht fleckig oder jedenfalls kaum.

 

Hallo,
also ich will mich kurz fassen und hoffe dabei trotzdem, dass es dir hilft. Ich habe nur die ersten vier Absätze gelesen. Der Text hat leider keine Lust auf mehr gemacht. Ich habe keine Ahnung um was es in der Geschichte gehen soll. Das ist alles so umständlich und schon im ersten Absatz hast du irgendwie 6-7 Vergleiche. Kobra, Gewitter, Pornodarsteller, Sonne, Affe, Porzelan, noch irgendwas. Weiß nicht, um was geht es denn überhaupt? Wozu das gannze? Es trägt doch nichts. Ich erkenne hier keine Substanz.

Nun hat es diesen Streit gegeben. Es gab Streit. Ich stritt mich, könnte ich genauer sagen.
Warum musst du drei Mal das Gleiche sagen? Ich empfand das nicht als einen witzigen stilistischen Griff, so ulkiger Comedian mäßig, sondern einfach nur gewollt und nervig. Tut mir leid, aber dein ganzer Text ist voll von solchen Wendungen. Kannst du mir erklären, welche Intention dahinter steckt? Vielleicht verstehe ich etwas nicht.
Was ist denn das auch für ein komisches Selbstgespräch, das der Erzähler führt. Wer redet denn so?
Zuerst muss ich verstehen, wie es zu diesem Streit kommen konnte. Ich muss das verstehen. Was heißt denn das das: ich muss? Warum muss ich das verstehen? Es gab Streit, das genügt.
Hä? Also ich verstehe Bahnhof.
Erzähl doch einfach die Geschichte, die du erzählen willst. Bläh sie nicht künstlich auf mit hohlem Firlefanz. Die Sprache macht ja eigentlich schon den Eindruck, als ob du es besser könntest.
lg, randundband

 

Hallo JimKnopf13,

leider geht es mir wie randundband. Mir ist auch unklar, was du mit diesem Stil erreichen willst, ich dachte jedenfalls: Was zur Hölle ist eigentlich das Problem des Erzählers??, und schließlich bin ich ausgestiegen.

Viele Grüße,
Maeuser

 
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Servus Jim Knopf13,

das Erfreuliche gleich zu Beginn: Ich habe deine Geschichte nicht nur zu Ende gelesen, sondern vor allem den letzten Absatz mit wachsendem Vergnügen. Den Schluss der Geschichte fand ich wirklich gut, der war herrlich schräg, und der zeigte mir, dass da einer offensichtlich wirklich mit der Sprache umzugehen weiß und durchaus originell schreiben kann. Tja, und als Krönung quasi gab’s dann eine wahrlich abgedrehte Schlusspointe.
Dorthin zu kommen, also zum letzten Absatz (der leider furchtbar formatiert ist, ein wahrer Textziegel), war allerdings ein mühsamer Weg. Schon die ersten Sätze deiner Geschichte ließen mich ahnen (befürchten?), hier bediene sich der Autor einer besonders elaborierten Sprache, hier gilt es offenbar sorgfältig und aufmerksam zu lesen, um einen eventuell versteckten Hintersinn ja nicht zu übersehen.
Entsprechend konzentriert begann ich zu lesen, ertappte mich allerdings bald dabei, zu überfliegen zu beginnen, weil ich einfach keine Ahnung hatte, worum zum Henker es da eigentlich geht. Sehr mühsam, aber ich habe mich redlich angestrengt.
Als tauglicher Gradmesser für die Qualität von Lektüre (so sie nicht aus den Rubriken Experimente oder Seltsam stammt) hat sich für mich schon oft eine ganz simple Methode bewährt: Ich versuche, einem imaginären Gesprächspartner in wenigen Sätzen zu erklären, worum es geht, und zähle dabei die „äähs“, „hmms“, „tja, keine Ahnung“, „weiß nicht recht, wie ich das jetzt sagen soll.“ usw., die mir währenddessen über die Lippen kommen. Diese Zahl setze ich dann anstelle des x in die Vanderlöff-offshore-Feynstein-Gleichung ein (die ich jetzt nicht näher erläutern will, nur so viel: sie ist nicht nur äußerst komplex, sondern obendrein von sehr verlässlicher Aussagekraft), und als Ergebnis erhalte ich dann den sogenannten Textverständlichgkeitsquotienten. Ist dessen Wert größer/gleich 12,75, ist der Text verständlich, je höher, umso unzweideutiger. Ist der Wert hingegen kleiner als 12,75, heißt das nichts anderes, als dass die Verständlichkeitsgrenze unterschritten ist. Der erste Teil deines Textes erreichte gerademal 7,68. Dass hier der eine oder andere Leser den Hut draufhaut und aussteigt, kann ich zwar nachvollziehen, finde das aber gleichzeitig schade, weil deine Geschichte zum Ende hin für mein Gefühl wirklich immer besser wird.
Gelänge es dir, die ganze Geschichte in der Art des letzten Absatzes zu schreiben, könnte ich mir vorstellen, dass da was (zumindest für mich) noch Lesenswerteres herauskommen könnte.

Ein paar fragwürdige, bzw. fehlende Kommas sind mir aufgefallen und noch ein paar eigenartige grammatikalische Sachen. Die will ich jetzt allerdings gar nicht anführen, weil ich fast annehme, diese Exaltiertheiten sind gewollte Bestandteile deiner Textkonzeption.
Nur eines:

Ich versuchte es hinauszusaugen, band meine Arme ab, die Beine, es sollte nicht zum Herzen gelangen.

Ich nehme das jetzt einfach mal zum Anlass, etwas Grundsätzliches zum Thema hin & her zu sagen, weil ich die falsche Verwendung der entsprechenden Begriffe hier im Forum einfach haarsträubend oft lesen muss.
"hin" heißt: von mir (bzw. vom Erzähler) zu einem anderen Ort, "her" heißt: von einem anderen Ort zu mir (zum Erzähler). Was so viel heißt wie: weder kann ich in ein Haus herein gehen, noch eine Treppe herab steigen, jemand anderer allerdings kann in das Haus hereinkommen, sofern ich drinnen bin. Sollte ich draußen sein, kann er wiederum nur hineingehen, ist halt immer eine Frage der Perspektive.
Und ebensowenig kann ich etwas aus mir hinaussaugen, sondern nur aus mir heraus. Gar nicht so schwierig eigentlich.

Mein Resümee? Eine sehr eigenwillige Geschichte, anfangs nicht gänzlich nachvollziehbar, im Gesamten aber doch ein Lesespaß.

offshore

 

Tjo, hallo erstmal,

ich finde den Text gut, der ist herrlich absurd. Der könnte was früher zur Sache kommen, aber ich finde dieses Scharwenzeln drumherum okay. Allerdings finde ich den Effekt am Ende, der könnte schon noch mehr knallen, also, es könnte richtig hart grotesk werden. Hier ruhig mal was trauen, und so Bernhard mässig leicht in den Wahnsinn abdrehen, das fände ich geil. Einfach volles Rohr. Sprachlich hast du das drauf.

Viel Spaß hier noch,

Jimmy

 
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Also erstmal herzlichen Dank für die (so unterschiedlichen) Leseeindrücke!!

Das hilft mir wirklich sehr weiter. Ich versuche mal, die aufgekommenen Fragen zu beantworten. Zunächst: Ich bin ja neu hier, und zwar bin ich vollkommen neu in diesem Metier. Ich habe noch nie einen literarischen Text so der Kritik ausgesetzt. (Mit anderen Textsorten habe ich mehr Erfahrung.) Deshalb bin ich für jeden Leseeindruck sehr dankbar!

Ich hatte den Text nicht so eingeschätzt! Dass die Hürden, um hineinzukommen sooo groß sind, hätte ich nicht gedacht. Da habe ich meinen Text ganz falsch gesehen. Und ich will ihn hier überhaupt nicht verteidigen, sondern nur noch ein klein wenig erläutern, was ich mir so grundlegend gedacht habe.

Erstens. Ich mag Literatur, die sperrig ist. Ich mag vor allem Literatur, die etwas riskiert, die meinetwegen auch riskiert, überhaupt nicht verstanden zu werden. Was aber nicht heißt, das ich jeden Text mag, der sperrig ist und der etwas riskiert. Im Gegenteil, die meisten Experimente gehören letztlich in die Mülltonne. Da würde ich meinen Text dann, zumindest stückweise, wohl auch abladen. Also ein gewisses Hindernis ist schon gewollt, aber wenn es dazu führt, dass kaum jemand den Text bis zur Hälfte schafft, dann liege ich daneben. Punkt.

Zweitens. Ja, ich kann durchaus gefälliger schreiben - glaube ich. Möglicherweise könnte das auf meinem Blog nachvollzogen werden. Aber das ist hier ja unerheblich. Der Text steht da so, wie er da steht.

Drittens. Wie jimmysalaryman schreibt: ja, es geht mir um ein gewisses drum herum scharwenzeln. Und die Bernhard-Assoziation trifft auch eine meiner literarischen Vorlieben :-)
Es ging mir darum, einen Ton zu finden für jemanden, der voller Ärger und Wut ist. Und der nur noch daran denken kann, aber im Grunde sich das Ereignis gar nicht in Erinnerung rufen will. Also von der Wut erfüllt einerseits, den Streit verdrängen andererseits. Deswegen lauter kleine Verschiebungen, wie in den ersten Sätzen, wo der Erzähler sich dem Sachverhalt annähert. Aus dem 'Es gab' wird ein 'Ich stritt'. Das ist ja etwas anderes. Naja, so die Idee. Und dann im zweiten Teil eher 'sachlich' zeigen, was geschieht, wenn die Personen dieses Streits aufeinandertreffen.

Viertens. Die Komplimente für den Schluss freuen mich. Ich denke schon, dass so ein Schluss vorbereitet sein muss. Am Ende einer eher 'normal' erzählten Geschichte, würden die meisten doch denken: so ein beknackter Schluss! Vielleicht täusche ich mich, aber der Schluss funktioniert nur - wenn er denn funktioniert -, weil ich das versuche vorzubereiten. Deshalb auch diese vielen Bilder und Vergleiche, die sich etwas häufen, zugegeben.

Ich werde erstmal nichts verändern an der Geschichte. Vielleicht findet sich ja noch der eine oder andere Leser mit einer Reaktion. Ich ändere jetzt nicht, weil ich gar nicht wüsste, wo denn anfangen, nicht, weil ich denke, die Geschichte vertrüge das nicht... (Ach so, eine kleine Änderung: Ich gliedere den etwas zu langen Abschnitt am Schluss. Aber davon haben die meisten Leser ja nichts, weil sie offenbar gar nicht bis dahin vordringen :-)

@ernst offshore: danke für den hin- und her-Hinweis. So genau wusste ich das nicht. Danke.

 
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Hej Jimknopf,

das ist ein Auf und Ab, in dieser Geschichte.

Nun hat es diesen Streit gegeben. Es gab Streit. Ich stritt mich, könnte ich genauer sagen.
Schönes Wort-Gesuhle. Es legt eine hauchdünne Schicht Komik über diesen und den folgenden Sätzen.

Der zweite Absatz hat das nicht mehr. Wirkt abrupt sehr viel dramatischer, mit dem Gift, das nicht zum Herzen gelangen soll.
Später beschreibt er den Ärger als oben im Magen sitzend, das fand ich passender.

Den dritten Absatz find ich lasch. Ich würd dem Erzähler gerne folgen, aber ich hab das Gefühl, dass er selber gleich einschläft, während er über Gift und Verliebtsein nachsinnt. Ärgert sich einfach gar nicht mehr, sondern wird allgemein.

Den nächsten Absatz find ich wieder super. Genau das Gegenteil vom Vorgänger.

Danach läuft die Geschichte nach meinem Gefühl zum ersten Mal sehr schön kontinuierlich bis zu diesem Punkt

Aber das Geld könnt ihr vergessen, ich bin nicht euer Scheiß-Depp nach neuneinhalb Jahren! Nach neuneinhalb Jahren!
(ich hätte kein Problem mit dem vorherigen Hin und Her, wenn ich dabei mitgehen könnte. Aber die Absätze wirken auf mich so unterschiedlich)

Ich bin jetzt in der Wohnung zu Übergabe.
Das gefällt mir dann wieder nicht so, d.h. obwohl ich die folgende Szene mit den Löchern gut finde, habe ich keinmal dieses Jetzt-Zeit-Gefühl.
Vllt auch, weil die Wut viel stärker im Sinne von präsenter wirkt, als er allein ist.

Tja, das ist grob, aber so ungefähr ist meine Einschätzung.

… jetzt habe ich Deine Antwort gelesen.
Ich würd nicht sagen, dass sollte gefälliger geschrieben werden. Aber Du schreibst, dass es Dir auch um den Versuch der Verdrängung ging. Das war wahrscheinlich das, was ich als Hin und Her empfunden hab.
Ich weiß nicht, ob und wie man "Verdrängung" deutlicher machen könnte ...

LG
Ane

 

Danke für die Kritik, Ane! Sehr hilfreich, wirklich!

Ob ich die Verdrängung wirklich deutlicher machen will, weiß ich nicht. Es ist ja vor allem dieses Scheitern, zu dem Streit überhaupt vorzudringen. Was dort 'genau' passiert ist, bleibt unklar. Und dann solche Sachen, dass ihm der Name der Vermieterin nicht mehr einfallen "will". Ist ja Unsinn, eigentlich.

Das Problem, das ich immer mehr sehe, ist die 'Dramaturgie' des Textes. Da hilft mir Dein Beitrag sehr. Dieses Auf und Ab habe ich selbst nicht so stark wahrgenommen. Aber es stimmt: das läuft nicht durch, sondern wechselt zu stark im Ton.

Der Bruch mit der 'Jetzt'-Zeit ist dann ganz so gewollt. (Ob es gut ist, weiß ich deshalb natürlich nicht...) Aber das Reflektieren sollte nun weitgehend heraus und die Situation 'für sich' sprechen. Zumeist versteht man solche Situationen ja nur ansatzweise, solange man in der Situation ist. Die große Wut kommt eben hinterher, wenn man die Situation wieder und wieder durchkaut. Sobald er wieder mit den Vermietern zusammen ist, so die Idee, versuchen alle (natürlich ganz und gar halbherzig) zunächst einmal die Situation konstruktiv zu lösen. Die Wut wollte ich hier also nur so zwischendrin hereinspielen lassen. Tjaa, ich merke selbst, wenn man seinen Text so sehr erklären muss, dann funktioniert er wohl nicht richtig.

Wenn ich etwas Zeit übrig habe, versuche ich einmal, ein paar Veränderungen anzubringen.

 

Hallo Jim!


Nun hat es diesen Streit gegeben. Es gab Streit. Ich stritt mich, könnte ich genauer sagen.

Ich finde das gut. Nur ist da keine deutliche Stufe zwischen den ersten beiden Behauptungen. Gut, beim zweiten Lesen der Geschichte erkennt man das schon eher, aber beim ersten Lesen sieht man diese Feinheit nicht, weil man den Erzähler noch nicht kennt.

Passender erscheint mir zunächst das Zweifeln daran, ob es überhaupt Streit gab.
Zum Beispiel:
„Da hat es (nun) wohl Streit gegeben.“ Halbes Leugnen, sozusagen.

„Es gab Streit.“ Zugeben, aber noch mit der eigenen Beteiligung an dem Streit hinter den Berg haltend.

„Ich stritt mich, könnte ich genauer sagen.“ So, nun ist die Katze aus dem Sack. Und das ist dem Erzähler unangenehm, was man sehr schön an dem „könnte ich genauer sagen“ erkennt.

Der Streit hat einen tiefen Einschnitt gebracht, ein Streit wie ein Gewitter, das herunterkracht, ein Donner wie zerbrechendes Porzellan. Aber so war es nicht.
Dieses „sich Widersprechen“ zieht sich durch den Text, wenn auch noch nicht optimal verteilt.

Was mich jedoch hier an dem Beispiel etwas irritiert: Gewitterdonner ist lauter als brechendes Porzellan. Überhaupt, dieses Porzellan schwächt den Vergleich.

Wie auch immer, die Geschichte gefällt mir. Da kann man viel Interessantes herauslesen. Wie dem Erzähler das schlechte Gewissen keine Ruhe lässt. Wie er versucht, die Geschehnisse aufzuarbeiten, immer mal mit Rechtfertigungen und Erklärungsversuchen durchsetzt, aber auch mit schlichtem Verleugnen seiner Schuld.

Auch spannend die Dynamik des Streits, die sich langsam vor dem Auge des Lesers entfaltet, und dann sogar zu Tätlichkeiten führt.

Sehr schön auch, dass hier mal die Möglichkeiten eines Ich-Erzählers mehr als üblich ausgeschöpft werden. Denn ich bin der Meinung, ein Ich-Erzähler darf den Leser in einem gewissen Rahmen anlügen, bzw. etwas verheimlichen und auch Schönfärberei betreiben, solange der Leser die Chance hat, ihm irgendwann und irgendwie auf die Schliche zu kommen. Das ist dir mit diesem Text gelungen.

Gern gelesen!

Lieben Gruß

Asterix

 

Hallo Asterix,
auch Dir ein herzliches 'Danke' für die Kritik!

Ich finde das gut. Nur ist da keine deutliche Stufe zwischen den ersten beiden Behauptungen. [...]

„Da hat es (nun) wohl Streit gegeben.“ Halbes Leugnen, sozusagen.


Ist erledigt. Guter Punkt!


Was mich jedoch hier an dem Beispiel etwas irritiert: Gewitterdonner ist lauter als brechendes Porzellan. Überhaupt, dieses Porzellan schwächt den Vergleich.

Stimmt. Der Vergleich wird geschwächt, aber er wird konkret. Das Gewitter ist ja nur ein Bild. Das Porzellan wurde vielleicht wirklich zerschlagen. Ist etwas versteckt, zugegeben. Aber mir gefällts so eigentlich ganz gut. Die Bilder, die real werden, spielen ja noch eine Rolle.

Zu allem anderen kann ich nur sagen: Danke für die Blumen! Es freut mich sehr, dass die Geschichte doch bei dem einen oder anderen ankommt.


Ich habe nun auch ein paar andere Veränderungen vorgenommen, mit denen ich versuche, die bisherigen Kritiken und Vorschläge aufzunehmen. Einige Kleinigkeiten. Aber vor allem den dritten Absatz habe deutlich gekürzt, eine kurze neue Szene vor dem Ende.

Vielleicht ist die Dramaturgie jetzt besser?!

 

Hallo JimKnopf13,

auch mir hat deine Geschichte gut gefallen. Klar, der Einstieg ist nicht ganz leicht und ich musste auch zweimal lesen, bis ich verstanden habe, wer wann wo im Supermarkt und in der Wohnung steht. Wer sich streitet und wer darüber nachdenkt. Und vielleicht kann man es dem Leser nicht ganz so schwer machen. Ich kann gut verstehen, dass manche sehr zeitig aussteigen und nicht weiterlesen, weil zunächst keine Orientierung angeboten wird. Aber nunja, was soll ich sagen: wenn du mehr Leute ansprechen möchtest, dann würde ich dir Struktur vereinfachen. Wenn nicht, dann lass es so - ich mag die Geschichte!

 

Herzlichen Dank!
Ich muss noch ein mal darüber nachdenken. Vielleicht ist das Einstiegshindernis doch zu groß. Aber eine richtig gute Idee habe ich auch noch nicht, wie ich das anders machen könnte, ohne den Text völlig umzukrempeln...

 

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