Hallöchen in die Runde.
Meine damalige Deutschlehrerin in der Oberstufe hat meine Meinung zu Thomas Mann negativ geprägt, sagte er sei eitel und arrogant gewesen. Nicht alles habe ich ihr abgekauft, einiges ausnahmsweise, warum auch immer zum Beispiel dies. Daher habe ich Mühe der Versuchung zu widerstehen, leichtfertig diesen Spruch als eitel abzutun. Ja, er lässt sich durchaus verstehen als "Da ich schön schreibe, bin ich überzeugt, dass mir das schöne Denken und Handeln gewiss leichter fällt als dem ...Durchschnitt!" Jemand, der so denkt, könnte das Verb schreiben in diesem Sinne sogar reflexiv begreifen: Ich schreibe mich schön.
Genauso gut allerdings lässt sich der Satz aus der mir angenehmeren Perspektive des Lesers deuten: "Wer in meinen Augen schön schreibt, der wird auch schön denken und handeln."
Meist stimmt das, aber nicht notwendig. Hier wird die Trennung zwischen Autor und Erzähler nicht beachtet. Ja, der Erzähler redet schön im Leserkopf, aber das kann er möglicherweise sogar, wenn der Autor selbst ein grandioser Kotzbrocken ist, ein verlogener, durchtriebener und zynischer Zeitgenosse, der sein Geld damit, vielleicht nicht nur damit verdient, so zu schreiben, dass seine Geschichten ein Bad in Glück für das Publikum sind.
Nun nehmen wir aber mal an, ein solcher übler Zeitgenosse schickt sich an, schön zu schreiben: Würde der Schreiberling allein dadurch ein besserer Mensch?
Meine These: Bedingt kann das tatsächlich sein. Vorausgesetzt, er liest das, was er schreibt. Ich meine nicht, dass er grob Korrektur liest, ehe er es zum Lektor gibt (die es "geschafft" haben im Literaturbusiness, machen wohl nicht mal das?). Ich meine, dass er seinen Text wirklich selbst aktiv liest, vielleicht sogar laut vor dem Spiegel und sich zuhört wie jemand aus der hintersten Reihe unter der Empore, dass er ihn nicht sogar mit Freunden in besonderem Hinblick darauf bespricht, was der Text über ihn selbst aussagt und was davon wie wahr ist. Schön schreiben kann nämlich auch gut dazu dienen, zu verdrängen.
Als Fazit dieses Beitrags: Nach meiner persönlichen Überzeugung kann nur was man aufnimmt, annimmt, darüber selbstreflektierend nachdenkt, zu einer seelisch-moralischen Verbesserung führen. Nicht das, was man produziert. Denn das, was man produziert, ist ja gerade das Ergebnis davon, wie man ist bzw. wie man wirken will, um das eigentlich Unschöne zu verbergen. Ein Ergebnis kann nicht das Wesen dessen ändern, was es hervorbringt.
Viele Grüße,
-- floritiv.