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Schön/hässlich: Liebe
Schön/Hässlich: Liebe
„Was ist nur aus dir geworden?!“
Er gibt sich überhaupt keine Mühe, die Verachtung in seiner Stimme zu verbergen. Er mustert mich abschätzig von oben herab, die grausam-geschlitzten Augen zu einem fiesen Grinsen verzogen, dass seinen Mund noch nicht erreicht hat.
„Ja…“ meine Antwort geht im Rauschen des Windes unter, der die trist-gelben Blätter von den Bäumen reißt. Ich schlage meinen Mantelkragen hoch. Plötzlich ist mir kalt.
Seine Erscheinung ist bedrohlich, wie er im grauen Nieselregen so vor mir steht. Hochgewachsen, breite Schultern, die unter dem dunklen Trenchcoat wirken, als wären sie gepanzert wie die Haut eines Nashorns. Sein Gesicht ist hässlich. Noch viel hässlicher als ich es in Erinnerung habe. Was muss er die letzten Jahre alles getan haben?
Die Wangenknochen bilden Krater in seinem Gesicht. Dunkle, tiefe Schatten rahmen die gelblich verfärbten Augen, die wie die einer Schlange in den Höhlen unter der knochigen Stirn liegen. Dieses unerklärliche Gefühl der Angst breitet sich in meinen Eingeweiden aus. Wie jedes Mal, wenn ich einem derart beängstigend-hässlichen Menschen begegne.
„Sag mir: Siehst du Cecilia noch?“ Seine Frage schreckt mich aus dem Sog meiner Angst. Erst habe ich Schwierigkeiten, seinem Themenwechsel zu folgen, aber der lauernde Tonfall lässt meine Sinne vibrieren. Nun nichts Falsches sagen.
„Wen? Cecilia? Nein…“ Ich stottere fast. Die gelben Augen verengen sich zu Schlitzen. Er beugt sich leicht vor, meine Angst wird stärker. Er kann riechen, dass ich nicht die Wahrheit sage. Warum bin ich so ein schlechter Lügner? Meine Hände beginnen zu zittern.
Sein Blick ist unergründlich, als er mich erneut mustert. „Ich denke, ich werde sie besuchen!“, sagt er dann. Sein Mund verzieht sich zu einem Grinsen. Vielsagend. Diabolisch.
„Da wird sie sich bestimmt freuen.“, sage ich und blicke beschämt zu Boden. Er kann an meiner Stimme hören, dass ich nicht meine was ich sage, aber es ist ihm egal. Es kann ihm egal sein. Er steht in der Nahrungskette so Weit über mir. Einmal mehr wünsche ich mir, anders zu sein.
„Das wird sie…“ sagt er selbstsicher und richtet sich auf. Sein Blick verliert sich. Er hat das Interesse an mir verloren. „Nun, Jakob. Es hat mich gefreut, dich wiederzusehen!“ sagt er, in Gedanken bereits mit ganz anderem beschäftigt.
Auch er lügt. Er weiß, dass ich es merke. Es macht ihm Freude.
„Ich bin zurück in der Heimat, wir werden uns also bestimmt wieder häufiger begegnen!“ Für einen kurzen Moment fixiert er mich ein letztes Mal und ich erstarre wie die Maus beim Anblick einer Katze. Ich denke, ich muss nicht erwähnen, dass seine Worte etwas ausgesprochen Bedrohliches haben.
Ich nicke, doch er sieht es nicht mehr. Gabriels hünenhafte Gestalt hat mir bereits den Rücken zugedreht und stapft breitbeinig davon, durch den feuchten Herbstwind.
Ich greife meine linke mit meiner rechten Hand und zwinge sie gegen meine Brust, bis das Zittern aufhört. Verängstigt sehe ich mich um, aber ich stehe allein in der grau-tristen Allee. Die Straße führt kerzengeradeaus, gesäumt von dunklen Bäumen, deren schmutzig-gelbes Laub den Boden überzieht, wie ein welker Teppich. Nach einigen Minuten habe ich mich soweit gefangen, dass ich den Heimweg antreten kann.
Gabriel, Cecilia und ich kennen uns seit dem Kindergarten. Eigentlich kenne ich die beiden, seit ich denken kann. Wir waren gleich, als wir zur Welt kamen, wuchsen nebeneinander auf, spielten auf dem gleichen Spielplatz und lebten das gleiche Leben. Aber alles änderte sich, als wir in den Kindergarten kamen. Bis heute frage ich mich, was der Auslöser war.
Seine Eltern sahen normal aus. Brave, unauffällige Leute, nicht anders als die von Cecilia und mir. Zumindest erschien es mir so.
Im Kindergarten zeigte er plötzlich ein anderes Gesicht. Während Cecilia und ich in der Herde mit schwammen, stets darauf bedacht, nicht anzuecken, war Gabriel auffällig, gemein, brutal und intrigant. Aber gepaart mit einem unwiderstehlichen Scharm, blieb er trotz alledem meist unbehelligt.
Ich wollte sein wie er. Doch so sehr ich es auch versucht habe, ich konnte es nicht. Als seien meine Wut und mein Hass gefangen, konnte ich ihnen nicht freien Lauf lassen. So wurde ich schöner und schöner -während Gabriel von Tag zu Tag unansehnlicher wurde.
Eines Tages spielten wir gemeinsam draußen, in der Wiese hinter dem Kindergarten. Es war ein trüber Tag und die anderen Kinder blieben in der Nähe des Gebäudes, doch Gabriel wollte weiter hinaus, ins tiefere Gras. Ich wollte auch lieber beim Haus bleiben, aber ich traute mich schon lange nicht mehr ihm zu widersprechen, also folgte ich ihm. Gabriel trug einen hölzernen Stock, den er aus einer Hecke gezogen und von den Ästen befreit hatte. Sein Blick glitt suchend hin und her, wie der eines Raubtiers auf der Jagd.
„Lass uns doch zurückgehen“, sagte ich zaghaft, mit dünner Stimme, doch er machte sich schon damals nicht einmal mehr die Mühe mir zu antworten, also folgte ich ihm weiter.
Gedankenverloren lief er vor mir, vornüber gebeugt und wie zum Sprung bereit. Mit dem Stock schlug er das hohe Gras vor sich nieder, während ich unruhig hinter ihm her schlich.
Wir näherten uns dem Waldrand, der das Kindergartengrundstück begrenzte. Plötzlich erstarrte Gabriel. Die unerwartete Geste ließ mich zusammenfahren und auch ich blieb erschrocken stehen. Vor uns, im hohen Gras, im Schatten der Bäume, saß eine Katze mit grau gemustertem Fell. Vorsichtig ging Gabriel in die Knie. Ich ahnte, dass er nichts Gutes im Sinn hatte und ich wollte das Tier verscheuchen, aufstampfen oder schreien, aber ich war wie erstarrt und konnte mich nicht rühren. So sah ich also alles tatenlos mit an.
Gabriel ging in die Knie. Ich sah ihn nur von hinten, aber ich konnte den Ausdruck in seinem Gesicht erahnen, wie er in freudiger Erwartung auf das Kommende, freudig-fürchterlich grinste. Mit leisen Tönen lockte er das Tier und die Katze näherte sich uns aufmerksam. Das Bedürfnis zu schreien wurde stärker, aber mehr als ein zeitlupenhaftes Kopfschütteln brachte ich nicht zustande, während die Katze vorsichtig an der ihr entgegengestreckten Hand schnupperte.
Gabriel ließ sie still gewähren. Für eine Sekunde keimte die Hoffnung in mir, dass ich mich irrte. Dass er dem Tier nichts tun würde, dass er beginnen würde, es zu streicheln, um sich dann wieder zu erheben, als es geschah. Seine Hand fuhr vor und ergriff die Katze am Hals. Ein erschrockenes Fauchen erklang aus der Kehle des Tieres, als Gabriel es zu Boden drückte. Sie schlug wild um sich und hinterließ blutige Kratzer auf seinem Handrücken, es schien ihn nicht einmal zu stören. In aller Ruhe hob er den Stock und es dauerte eine quälende Ewigkeit, bis er ihn schließlich auf das traurig kreischende Tier herabfahren ließ. Blut spritzte von der Spitze, als er das Holz ruckartig zurückriss und wieder und wieder auf den geschundenen Körper einschlug, bis das grausame Kreischen und Zucken endgültig erstarb.
Wie ein Reh im Licht heranrasender Scheinwerfer stand ich vor ihm, als er sich aufrichtete und sich mir zu wand. In dünnen, zittrigen Fäden hatte sich das Blut des Tieres auf sein Gesicht gelegt. Sein Blick flackerte, Wahnsinn in den Augen. Und dann begann sein Gesicht sich zu verändern. Die bestialische Tat grub sich in seine Miene. Ich konnte sehen, wie sich seine Augen eitrig gelb färbten, während sich seine Knochen ruckartig verformten und hornartig durch die Haut drückten. So schön ich war, so grausam hässlich wurde er.
In diesem Moment habe ich mir in die Hose gemacht.
Wenige Monate später wurde er fortgebracht. Ich weiß nicht, was er in all den Jahren gemacht hat und ich wollte es auch nie wissen. Cecilia und ich blieben dort wo wir aufgewachsen sind, aber wir waren nie wieder so eng befreundet, wie vor seinem Weggang. Heute wohnen wir im gleichen Haus und ich sehe sie häufig. Dann reden wir. Belanglosigkeiten, aber ich verzehre mich nach jedem ihrer Worte. Sie arbeitet als Kindergärtnerin und sieht heute noch so unscheinbar aus, dass es mir den Atem verschlägt, wenn ich sie nur sehe.
Ich muss den Weg nach Hause fast gerannt sein. Plötzlich stehe ich vor meiner Wohnungstür. Ich weiß nicht, warum ich mich noch einmal verstohlen umsehe, bevor ich die wenigen Stufen zur Haustür emporsteige und sie aufschließe.
Das ganze Haus wirkt unerklärlich falsch auf mich, wie die altmodische, hölzerne Treppe in dem nackten, grau gekachelten Flur. Als ich sie hinaufsteige, begleitet vom heißeren Knarren der Stufen, höre ich weiter oben eine Wohnungstüre aufgehen. Ich weiß, dass es Cecilia ist. Es freut mich, dass wir uns so häufig begegnen. Ich beginne meinen Mantel zu öffnen, um nicht nach oben sehen zu müssen, während ich die letzte Etage erklimme.
„Hallo Jakob“, begrüßt sie mich freundlich, als ich ihr Stockwerk erreiche und halblebig so tue, als hätte ich sie noch nicht bemerkt. Ich drehe mich zu ihr um und versuche nicht zu lächeln. Es gelingt mir nicht.
„Hallo Cecilia“, begrüße ich sie und trete ihr unsicher einen Schritt entgegen. Ihr Gesicht ist nichtssagend. Ihre Gestik leer. Sie sieht wunderbar aus.
„Woher kommst du?“ fragt sie scheu.
„Arbeit“, antworte ich knapp und sehe betreten zu Boden. Ich möchte ihr nichts von meinem Aufeinandertreffen mit Gabriel erzählen.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“
Sie kann es mir ansehen.
`Lüg sie an!`
„Ich habe Gabriel getroffen“, sage ich kleinlaut und lache innerlich über mich selbst.
Ihr Blick wird wachsam –und ängstlich. „So?“, fragt sie. Da ist etwas Undefinierbares in ihrer Stimme, was mich aufhorchen lässt.
„Ja… Er scheint wieder hier zu sein.“
„Wie sieht er aus?“ Die Spannung die diese Frage mitträgt, ist fast greifbar. Ich sehe ihr in die Augen. Ich möchte es nicht, aber bereits die bedeutungsschwangere Pause, die ich brauche um die richtigen Worte zu finden, lässt ihre Augen sich erschrocken weiten.
„Schrecklich.“ Presse ich schließlich hervor.
Entsetzt schlägt sie die Hände vor dem Mund. Ihre offensichtliche Panik überrascht mich. Gibt es da etwas, was mir entgangen ist?
„Und nicht nur das“, fahre ich fort, nun aufmerksamer. „Er möchte dich besuchen.“
Ein heiseres Geräusch. Kaum mehr als ein Einatmen. Es könnte `Nein` bedeuten. Ihre Augen füllen sich mit Tränen.
Ich trete einen unsicheren Schritt auf sie zu und fasse sie an der Schulter. Über ihren Rücken erhasche ich einen Blick in ihre Wohnung. Esstisch, Stühle, ein Sofa. Wie gerne ich einmal dort sitzen würde.
„Mach dir keine Sorgen“, sage ich. „Wieso sollte er dir etwas Schlechtes wollen?“ Für meine Verhältnisse verstecke ich meine eigene Sorge recht gut.
„Ja, bestimmt“, antwortet sie bedrückt.
Ich nehme all meinen Mut zusammen, gehe noch einen weiteren Schritt auf sie zu und nehme sie zaghaft in den Arm. Ich spüre ihren warmen Atem an meinem Hals, dort wo mein Mantel offen steht. Ihr feiner Körper zittert.
„Ich bin da“, sage ich und drücke sie ein wenig fester. Sie löst sich und blickt mich an. Mitleidig, mein wunderbares Äußeres betrachtend.
„Ja.. Danke“, sagt sie. Sie glaubt nicht, dass jemand der aussieht wie ich etwas ausrichten kann. Tief in mir rüttelt etwas an den seinen Käfiggittern. Etwas will sich seinen Weg bahnen, mich von diesem Bild befreien.
Ich lasse sie los. Plötzlich scheint mir der Moment bedrückend.
„Nun ja, wir sehen uns“, sage ich, betont locker. „Sag, wenn ich etwas für dich tun kann.“
Sie tritt zurück und nickt freundlich-distanziert. Für den Bruchteil einer Sekunde hält sie inne, dann senkt sie den Blick, tritt zurück und schließt die Tür wieder.
Ich sitze auf meinem Sofa und vergehe in Selbstmitleid ob ihres herabwürdigen Blicks, als ich ihr meine Hilfe anbot.
Seit ich denken kann, bin ich in Cecilia verliebt. Ich habe mich nur nie getraut, es ihr zu sagen. Frauen wie sie stehen einfach nicht auf jemanden wie mich. Mit mir kann sie reden. Sie sieht einen Freund in mir. Nicht mehr. Aber was, wenn ich mehr sein möchte?
`Mehr…`
Ich nehme einen Schluck Rotwein.
Meine Wohnung ist eng, warm und dunkel. Die Schirmlampe, die an einem langen Kabel nur knapp über dem Esstisch baumelt, verbreitet mattes Licht das nicht bis in die Ecken dringt. Auf dem kleinen Couchtisch vor mir steht eine Flasche Wein, mittlerweile zu Dreivierteln geleert.
Cecilia ist nur wenige Meter von mir entfernt, fast greifbar nahe, und trotzdem so weit weg. Bisher war ich damit zufrieden, sie in meiner Nähe zu wissen, doch Gabriels bedrohliche Rückkehr hat dieses Gefühl der Sicherheit zerstört. Ich muss etwas tun. Nur was? Solange ich aussehe wie ich aussehe, wird sie mich nicht ernst nehmen.
`Nein!` Das möchte ich so nicht hinnehmen. Wer sagt, dass es immer so sein muss?
`Geh jetzt runter und frag, ob sie mit dir essen will!` versuche ich mir selbst zu befehlen, aber mir fehlt der Mut. Ich trinke noch einen Schluck.
Stunden vergehen, während ich mit mir selbst ringe. Meine Gedanken kreisen um Cecilia und gelegentlich wirft Gabriel einen Schatten darauf. Die Flasche neigt sich dem Ende, ich öffne eine neue. Als ich sie aus der Küche hole, fühlt es sich bereits so an, als sei der Boden schaumig und uneben.
`Wieso soll ein Mann wie ich, nicht gut genug für eine Frau wie sie sein?` Der Gedanke überzeugt mich nicht, aber es erscheint mir mehr und mehr egal.
`Steh auf!`
Der Hausflur wirkt auf mich wie ein Tunnel, die Ränder verschwimmen. Unsanft schlägt die Tür hinter mir zu weil mir die Klinke entgleitet, als ich sie schließen möchte. `Na und?` Vorsichtig steige ich die Treppe hinab.
Als ich vor ihrer Haustüre ankomme, verlässt mich der Mut. Der wallende Rausch, der durch meine Adern strömt, genügt nicht mehr, um die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Kurz glaube ich, Stimmen aus Cecilias Wohnung zu vernehmen, aber ich muss mich täuschen. Sie hat nie Besuch.
Bevor mein Kopf klar werden kann, nehme ich mir die Entscheidung ab und klopfe energisch gegen ihre Tür. Dem Fluchtgedanken widerstehe ich nur mit höchster Konzentration. Eine gefühlte Ewigkeit regt sich nichts in der Wohnung. Es herrscht Totenstille. Ich muss mich am Türrahmen abstützen. Dann höre ich leise Stimmen, das Rücken eines Stuhls und Schritte, die sich der Türe nähern.
Als die Türe aufgeht, öffne ich den Mund um etwas zu sagen, aber Cecilias Gesichtsausdruck lässt mir die Worte im Hals stecken bleiben. Es ist nicht Angst in ihren Augen, keine Sorge. Nein, sie lächelt, aber es verschwindet, als sie mich sieht. Warum?
Mein Blick gleitet an ihr vorbei, hinein ins Halbdunkle ihrer Wohnung. Sie hat gekocht. Zwei Kerzen stehen auf dem kleinen Esstisch, eine geöffnete Flasche Wein, zwei Gläser und zwei volle Teller. Und dann sehe ich es –sehe ihn- und verstehe. Breitbeinig und breit grinsend, sitzt Gabriel auf einem der Stühle und beobachtet amüsiert was an der Tür geschieht. Seine elegant gekleidete, hünenhafte Erscheinung scheint den Raum in Cecilias Wohnung zu sprengen. Ihr Blick gleitet betreten zu Boden. Verwirrt starre ich sie an und bringe noch immer kein Wort heraus.
„Jakob..! Cecilia und ich haben gerade von dir gesprochen!“ Gabriels Stimme klingt hart, ironisch, belustigt, gemein und drohend. Abscheu trieft von jedem seiner Worte herab, wie Geifer von den Lefzen eines Dobermanns. Ich stehe da, kämpfe mit den Worten und verliere, wie er seinen Blick so auf mich gerichtet hält.
Ich bleibe stumm. Cecilia blickt auf.
„Jakob, bitte…“, sagt sie leise.
Ich drehe mich auf dem Absatz um und stürme die Treppe nach oben. Feucht verschleiert ist mein Blick, ich sehe nicht zurück. Hinter mir erklingt ein trockenes Lachen.
Diesmal ist es Absicht, als meine Tür krachend ins Schloss fällt.
Ich muss eingeschlafen sein, trotz der sich schmerzhaft im Kreis drehenden Gedanken. Als es nun an der Tür klopft, verlässt mich das Dunkel im Kopf nur langsam. Stöhnend erhebe ich mich. Was mich umgibt, wird nur träge klarer.
Es klopft erneut, weniger zaghaft.
Auf dem Wohnzimmertisch liegt die zweite Flasche Rotwein. Sie ist zerbrochen. Ich kann mich nicht erinnern, sie umgeworfen zu haben. Eine Lache hat sich unter dem abgeschlagenen Flaschenhals gebildet und ist auf den Boden getropft. Tiefrot auf dem dunklen Holz, erinnert sie an etwas anderes.
Gedankenverloren stolpere ich zur Tür und öffne sie. Cecilia steht davor, für mich wie hinter einer Nebelwand. Unsicher reibt sie mit ihrer Hand den eng angelegten Unterarm. Ich sehe sie an –tonlos- und warte. Sie sieht unsicher zu Boden. Ein Gefühl breitet sich in mir aus, etwas in diesem Maße ungekanntes, etwas rasendes.
Wortlos wende ich mich ab und gehe zurück in Richtung Wohnzimmer. Die Tür wird vorsichtig ins Schloss gedrückt. Ob sie eingetreten ist, kann ich nicht hören.
„Jakob, bitte lass uns reden!“ Ihre Stimme ist näher als ich es erwartet hätte.
„Worüber?“
„Ich wollte nicht, dass das passiert.“
`Und was ändert das?`, denke ich, sage aber nichts.
Ich drehe mich zu ihr um. Mit herabgesunkenen Schultern steht sie im dämmerigen Licht meiner Wohnung und sieht wieder zu Boden, als stünden dort die Antworten auf unausgesprochene Fragen. Ihr unscheinbares Gesicht sieht traurig aus. Der Anblick bewegt mich nicht, so wie ich es gewohnt bin.
„Versteh doch“, fährt sie fort, als sie lange genug auf eine Antwort gewartet hat. „Er kam einfach vorbei, es hat sich so ergeben und…“ Mir entgleitet ein Auflachen. Sie verstummt und zieht die Augenbrauen zusammen.
„Okay, wenn du nicht mit mir sprechen möchtest…“ sagt sie trotzig. Sie versucht den Spieß herumzudrehen. Früher hätte das funktioniert. Jetzt merke ich, wie sich die rasende Wut die in mir anschwillt, in ihrem rostigen Käfig hin und her wirft und kurz davor steht, sich zu befreien.
„Was, dann??“ frage ich. Der Ton meiner Stimme erschreckt mich selbst. Sie auch, ich kann es in ihren Augen sehen.
„Jakob, bitte. Du bist mir immer ein so guter Freund gewesen…“
Die Riegel brechen. Das über Jahre rostig und morsch gewordene Gestänge, kann das darin weggesperrte Untier nicht mehr halten. Ich sehe meine Hand nach dem Flaschenhals greifen. Geschmeidig, wie ich es mir nicht zugetraut hätte, gleite ich über den Couchtisch. Wie die Krallen eines Bären, jagt der Flaschenhals durch Cecilias Kehle und lässt den Aufschrei unter den schreckgeweiteten Augen lautlos bleiben, während tiefdunkle Bäche aus ihrem Hals sprudeln. Ich kann das Entsetzen in ihrem Blick sehen, die Fassungslosigkeit und den Unglauben, aber nun hält mich nichts mehr zurück. Wie tollwütig bin ich über ihr, stürze mich auf sie und lasse die Bestie tun, was sie immer schon tun wollte, was ich immer schon wollte.
Ich will Cecilias Innerstem nahe sein, sie ganz und gar spüren, und das tue ich. Ich öffne ihren zuckenden Leib, reiße auseinander was mir im Weg steht und vergrabe mein Gesicht in ihrem rot-glühenden Inneren. Näher kann ihr nun keiner mehr sein.
Als ich mich schwer atmend erhebe, kann ich nicht sagen, wieviel Zeit vergangen ist. Die anfängliche Wärme ihres Leibs ist bereits zu größten Teilen gewichen. Ich strecke mich, den Flaschenhals noch immer in der Hand und versuche mich zu sammeln, als ich spüre wie sich etwas verändert. Angespannt beuge ich mich vor und betrachte mein Gesicht in einer der dunklen Pfützen, die mein Werk umgeben.
Starr beobachte ich, wie sich mein Äußeres verformt. Hässlich brennt sich meine Tat für immer in mein Gesicht.
All die Schönheit verbrannt. Nun bin ich wie er.