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Saskat kehrt Heim

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31.03.2002
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Saskat kehrt Heim

Saskat beobachtete das Haus nun schon seit vier Tagen. In dieser ganzen Zeit regte sich nichts. Sie stand Morgens mit ihren dunkelblauen Ford Kombi um halb sieben auf der gegenüberliegenden Seite und starrte in die dunklen Fenster, hinter denen sich nichts regte.
Dann, nach etwa vier Stunden schaute sie auf die Uhr in der Armatur und legte den ersten Gang ein.
Sie fuhr zu Mittag in einen kleinen Imbiß, aß einen Hamburger, trank eine Tasse Kaffee und schaute aus den Fenstern, die zur Straße führten. Sie versuchte an nichts zu denken, und oft gelang ich das sogar. Manchmal, wenn sie den Kaffee zu den Lippen führte, zitterten diese, und sie setzte die Tasse wieder ab. Wenn sie gegessen hatte, bezahlte sie und gab immer ein großzügiges Trinkgeld.
Gegen Zwölf stand sie wieder auf der gegenüber liegenden Straßenseite und starrte auf das alte Haus.
Der graue verwilderte Rasen, der sich über die ganze Front erstreckte, war seit Wochen nicht mehr gemäht worden. Der dunkelbraune Bretterzaun war schief, hier und da hatten sich Latten gelöst und standen nun wie fordernde Arme ab. Die ehemalig gelbe Hausfront war verwittert. Die Farbe blätterte an vielen Stellen großflächig ab und legte den grauen Verputz frei.
Ihre Blicke wanderten zu den schmutzigen Fenstern. Einige waren zerbrochen, Vermutlich zerschlagen von übermütigen Kindern, die Steine hinein geworfen hatten. Sie schloß die Augen und konnte fast ihr Lachen höre, und die warnenden Stimmen, schnell zu verschwinden.
Das Dach hatte einige Zinnen verloren. Manche lagen auf dem Rasen und blieben dort, bis sie von Moos überwuchert waren.
So stand sie dort, tagelang, Die Stunden zählte sie nicht mehr.
Doch jetzt war es Zeit.
Es war Zeit.
Wundersame Ereignisse warfen ihre Schatten voraus.
Sie hörte es, das Haus, wie es nach ihr rief.


Saskat stieg aus und ging, ohne nach links oder rechts zu schauen über die Straße. Sie war ohnehin nicht viel befahren. Die Wege unbelebt, als ob die Menschen das Geheimnis kennen würden. Aber war es nicht so? Kannten sie es nicht schon immer?
Saskats Füße trugen sie bis zum kleinen Törchen, das im leichtem Wind hin und her schwang, als wollte es ihr winken.
Sie legte die Hand auf das kühle Holz und um sie herum wurde alles still. Das Quietschen der kaputten Dachrinne.
Das Poltern der auf Kipp gestellten Fenster.
Das Singen der Vögel.
Es war still, und nichts und niemand würde je wieder einen Laut von sich geben, den sie zu hören vermochte.
Sie stieß das Törchen auf und schritt in den Garten. Sie übertrat die Schwelle und tauchte in die Welt, die sie kannte. Sie blickte nicht um, wagte nicht einen letzten Blick auf die Welt hinter sich zu werfen. Die Welt, in der die Menschen lebten und liebten. Die Welt, die sie aufnahm, sie achtete und ächtet.
Sie dachte an Menschen, die sie kannte. Herr Siebert aus dem dritten Stockwerk des Mietshauses, in dem sie gewohnt hatte. Einen so netten Mann, so liebevoll und geduldig. Wie oft trug er ihr unnötiger Weise die schweren Tüten nach dem Einkauf in den fünften ohne auch nur ein Danke anzunehmen.
Ein Mann, mit einem Herzen wie ein Schwamm, alles nahm er in dieses auf. Er würde nie eine Frau bekommen, dick wie er war, und mit dem, von einer Gesichtsprothese bedeckten, von Krebs zerfressendem Gesicht.

Oder die lustige und rüstige Frau Münstermann, die jeden Tag fünf mal mit ihren drei Dackeln spazieren ging und im Hausflur immer mit ihr schwatze. Manchmal so lange, das Saskat erst den nächsten Bus zur Arbeit nehmen konnte.

Die Arbeit. Der kleine Blumenladen, der zwischen dem riesigem Kaufhaus und der großen Post beinahe lächerlich wirkte.
All die Düfte, die sie empfingen, jeden Morgen. Sie dachte an die Gestecke, die sie zusammen gestellt hatte. Sie standen immer noch in den Eimern im Schaufenster.

Ihr Leben zog an ihr vorbei und bereicherte jeden Schritt, den sie auf das alte Haus zumachte.
Gesichter spiegelten sich in ihren Gedanken.
Gesichter von Menschen die sie kannte.
Menschen.
Die ihr ihre Träume erzählte, oder mit ihr in der Pause rauchten.
Die ihre Herzen verschenkten und die weinten, wenn sie traurig waren.

Nie hatte sie gelernt zu lieben, nie hatte sie gelernt zu weinen.

Sie stand vor der Haustür und drückte sie auf. Der modrige Geruch von alten und naß gewordenen Möbeln schlug ihr entgegen.
Die farblosen Tapeten an den Wänden, teils abgeblättert, teils tadellos, roch seltsam und Saska verzog die Schnute und legte die Stirn in Falten.
Die dunkle, mahagonifarbene Treppe wand sich wie eine Schlange an der Wand entlang.
Ehrfürchtig schaute sie hinauf. Am Ende der Treppe war eine Tür zu erkennen. Sie stand einen Spalt breit offen, und Saskat konnte das Murmeln von Stimmen dahinter hören.
Ein Seufzen schlich sie müde aus ihrer Kehle und sie legte die Hand an das feuchte Geländer.
Schritt für Schritt stieg sie die knarrenden Stufen hinauf ohne zu verweilen. Ganz bewußt atmete sie die feuchte Luft ein und mit jedem Atemzug kamen die Erinnerungen an die Menschen in dieser Welt.
An Kinder, die lachend auf der Straße spielten, an den Dackeln ihrer Nachbarin und an den Duft der Blumen.
„Ich werde das alles hier fürchterlich vermissen.“, sagte sie. Mehr zu dem Haus als zu jemand anderes.

Vorsichtig aber bestimmt stieß sie die Tür auf, die stöhnend den Raum dahinter frei gab.
Die Kreatur, die dahinter stand und auf sie wartete, schaute sie aus glutroten, tief liegenden Augen an.
Der riesige, haarlose Körper, der wie deformiert schien, bäumte sich, als ein Lufthauch in erfaßte und eine Art Gänsehaut auf seinen nackten Leib formte.
Die dolchartigen, gut 20 Zentimeter langen Krallen hob es, wie zu einem Gruß und winkte ihr.
Der Gestank der Kreatur war fürchterlich. Nicht zu vergleichen mit dem Duft der Blumen oder dem Geruch von Wäldern und Leben.
Saskat erwiderte den Gruß.
„Es wird Zeit nach Hause zu gehen, Saskat.“
Die Stimme der Kreatur war ein Sturm. Und sie gestattete keinen Widerspruch.
Saskat trat an eines der Fenster und schaute nach draußen.
Ein letztes Mal blickte sie in die wunderbare Welt, die sie bewohnen durfte, bis sie erwachsen war.
Nie wieder würde sie einen Himmel sehen, nie wieder würde sie ein Tier oder ein Kind sehen.
Nie wieder.
Langsam richtete sie sich gerade auf und die Haut auf ihrem Rücken spannte, bis sie riß. Hautlappen fielen links und rechts von ihr ab, mühsam schälte sie sich aus ihrer Haut, schlüpfte mit den Arme hinaus und streckte den Kopf beinahe anmutig aus der aufplatzen Haut ihres Schädels.
Vorsichtig zupfte sie mit ihren Klauen die toten Hautlappen von den Beinen .
Mißmutig betrachtete sie ihren neuen Körper mit ihren roten Augen.
„Zeit zu gehen, Saskat.“, sagte das Wesen und öffnete eine Tür, hinter der seltsam modrige Dunkelheit lag.
Gedämpfte Geräusche einer anderen Welt drangen zu Saskat und rief Erinnerungen in sie wach.
„Komm schon.“, sagte es mit rauchiger Stimme.
Saskat seufzte.
„Ja Daddy.“ erwiderte sie und schritt durch das Tor, durch das eisige Flammen loderten um die Zeit in den Raum zu verbrennen und kreischende Stimmen die Luft verpesteten.
In dem dunklen Abgrund erkannte sie zuckende Seelen und nach ihr greifende Hände.
Der Geruch kochenden Blutes legte sich auf die uralten Tapeten.
Verzerrte Gesichter streckten sich ihr entgegen, die Augen in Panik aufgerissen und die Münder zu brüllenden Fratzen verzerrt.
Saskat drehte sich zum Fenster, schloß die Augen und lustige Punkte tanzten unter ihren Lidern.
„Mach Dir keine Gedanken.“, sagte das Wesen das lächelnd in den Abgrund schaute und eine Hand nach Saskat ausstreckte.
„Viele von denen siehst du wieder. Menschen bleiben unserem Ort nicht fern. Viele siehst du wieder.“
Saskat spürte verwundert aber erleichtert ein Lächeln auf ihrem Gesicht wachsen.
Jedem seine Sünden.
Jedem Menschen seine Sünden, auf das sie nicht alleine ist.

 

Hallo ProgMan

Also erst mal, schönen Dank für deine liebe Kritik.
Ob das mit der wörtlichen Rede so richtig ist, da bin ich mir auch nicht so sicher, da müsste ich bib. noch mal fragen.

Saskat war übrigends ihr Vorname.
Da sie kein Mensch war, fand ich es unpassend, ihr einen Menschennamen zu geben.
Das mache ich in solchen zusammehängen öfters,
( siehe Human Soul Saver / oder legnas Wiederkehr)
da glaube ich dann nicht, das nichtmenschen ihre Kinder Ingrid oder Knut nennen ;-)

Die Flüchtigkeitsfehler werde ich natürlich überarbeiten.
Obwohl ich die geschichten vor den posten noch einmal gelesen habe, sind sie mir nciht aufgefallen !!!

An sonsten finde ich es toll, das sie dir gefallen hat.
Liebe grüße

Rub.

 

hallo rub, tolle geschichte und teiweise echt gruselig! die fehler sind mir auch nicht aufgefallen. ich lese leider sehr ungenau. was solls, nochmal ein großes Lob an dich. avril

 

hallo rub.
wunderschön.
ich fand´s einfach nur wunderschön. hatte während dem Lesen einen ganzen Film im Kopf, wirklich toll. die Fehler habe ich gar nicht bemerkt.
liebe Grüße, alex.

 

Wow, ich bin richtig gerührt.
Danke ihr Zwei.
;-)

Rub.

 

Hallu Rub.,

mir hat die Geschichte auch gefallen. Das lag hauptsächlich an der Atmosphäre, die du geschaffen hast. Irgendwie morbid-faszinierend. Davon lebt die Geschichte.

Der Schluss hat gut gepasst, finde ich, weil sich die vorher aufgebaute Atmosphäre gut darin widergespiegelt hat.

Das mit den Fehlern ist mir auch aufgefallen, leider. Wenn etwas mein Lesevergnügen geschmälert hat, dann war es wohl das. Ich weiß nicht, wie oft du Korrekturgelesen hast, aber ich würde mehrmaliges Korrekturlesen jeweils nach einem gewissen zeitlichen Abstand empfehlen. Auf diese Art und Weise findet man die meisten Fehler, denke ich. Mir geht es jedenfalls so.

Wenn du editieren willst, hier ein paar Fehlerchen, die mir ins Auge gestochen sind:

Sie stand Morgens >>> morgens

Sie versuchte an nichts zu denken, und oft gelang ich das sogar >>> ihr

und konnte fast ihr Lachen höre >>> hören

Sie blickte nicht um >>> blickte sich nicht um

Die Welt, die sie aufnahm, sie achtete und ächtet >>> ächtete

Ein Seufzen schlich sie müde aus ihrer Kehle
>>> sich

Mehr zu dem Haus als zu jemand anderes >>> jemand anderem

schlüpfte mit den Arme hinaus >>> Armen

aus der aufplatzen Haut >>> aufplatzenden

Jedem Menschen seine Sünden, auf das sie >>> dass

Aber wenn ich die Fehler außer acht lasse (und das kann man ja reparieren :D ), dann gefällt mir die Geschichte inhaltlich und sprachlich recht gut!

Viele Grüße

Christian

 

Hallo Rub.!

Ich finde auch, dass dir die Geschichte gelungen ist; war eine nette und unterhaltsame Idee, die du anschaulich und bildhaft zu Papier gebracht hast.
Vor allem diese Stelle gefiel mir:

Die dunkle, mahagonifarbene Treppe wand sich wie eine Schlange an der Wand entlang.
Ist sehr schön ausgedrückt.

Ein paar Fehler sind noch drin, aber criss hat dich ja bereits darauf aufmerksam gemacht.
Eine Sache möchte ich noch hinzufügen:

Saskat beobachtete das Haus nun schon seit vier Tagen. In dieser ganzen Zeit regte sich nichts. Sie stand Morgens mit ihren dunkelblauen Ford Kombi um halb sieben auf der gegenüberliegenden Seite und starrte in die dunklen Fenster, hinter denen sich nichts regte.
Die Wiederholung würde ich versuchen zu vermeiden; ist nicht vonnöten und dürfte kein Problem sein, sie zu beheben.

Insgesamt hat mir deine Geschichte gut gefallen.

Viele Grüße,
Michael :)

 

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