- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 8
Sardinenleben oder Sommerfeeling
In Sommerstimmung schnappe ich mir mein Handtuch, meine Strandmatte und ein gutes Buch, schwinge mich auf meinen Roller und düse in das hiesige Freibad. Ich will Wasser sehen und meinen Arsch in die Sonne halten. Angekommen tummelt sich vor mir eine Schlange Bekloppter, die genau wie ich im bunten Hochsommerdress und mit Riesentasche unter dem Arm, nichts besseres zu tun hat, als bei 30°C um Einlass zu betteln. Vor mir schreit ein Kind, ich werde wohl gleich wahnsinnig. Vielleicht bekomme ich die Gelegenheit es unauffällig zu ertränken. Aber das muss wohl warten, wie's aussieht. Meine Freundin, die schon längst drin sein sollte, sehe ich in ihrem Auto mehrfach um den Parkplatz kreisen. Da bin ich doch einmal im Jahr froh, Zweirad zu fahren. Ich bin schon aufgerückt, werde aber von ihr erkannt und zu ihr gewunken. Was soll man da machen, ich verlasse meine Pool-Position und dringe zu ihr durch. Sie wollte mir nur sagen, das ich die Stellung halten soll, sie kommt nach. Danke, ich halte die Stellung, nun wieder am Ende der Schlange. Zum Glück einige Minuten später nicht alleine. Sie hat ihren Lupo fluchend auf dem Bordsteinabgestellt und hat Vernunft durch Schnaufen und Hysterie ersetzt. Da stehen wir nun. Und nun hinter uns ein weinendes Kind. Meine Umbringliste wird länger.
Die Alte am Tresen gibt überhaupt kein Gas, ich stelle fest, dass ich meinen Studie-Ausweis bergessen hab und werde dann irgendwann endlich um 3€ erleichtert. Wir sind drin. Von Kindern bespritzt, die mit dem Hintern zuerst anlaufnehmend ins Becken klatschen, umkurven wir den Hausfrauenclan um in die Jugendecke zu gelangen. Kaum durchgearbeitet finden wir tatsächlich ein freies Plätzchen. Klar hat das einen Haken, der Mülleimer steht direkt neben uns. Man ist ja nicht pingelig. Raus aus den Klamotten, rein ins kühle Nass. Zwischen Kindern und Omis hindurchgewühlt finde ich im Wasser ein Plätzchen zum stehen. Schön. Da bin ich also.
Unter der Nichtschwimmerkette hindurchgearbeitet, versuche ich ein Bähnchen zu Schwimmen. Stehen ist ein wenig langweilig.
Schwimmen allerdings gefährlich, stelle ich fest. Millimeter neben mir klatschen Körper aufs Wasser, unter mir tauchen Kinder her, an mir vorbei schwimmt ein alter Mann und kratzt mich mit seinem Zehennagel. Vor mir schwimmt ein köddelähnlicher brauner Brocken, der hoffentlich ein Stück Erde, Wurzel, Holz oder was auch immer ist, gefolgt von einem Pflaster. Das Kind finde ich nicht wieder, die in bunten Bikinis eingewickelten Blagen sehen nass alle gleich aus.
Ich breche ab. Unbefriedigt natürlich und da mir ein Junge vom Beckenrand auf den Kopf gesprungen ist, auch fast ertrunken.
Taktik Nummer zwei zur K(r)ampfentspannung ist der Versuch zu lesen.
Zwischen den Mülleimer und unsere Decken haben zu meiner Verwunderung noch ein paar Decken gepasst. Finde nur meine Schuhe nicht wieder, waren wohl im Weg.
Die Freundin cremt mal wieder, als ich ins Wasser bin, hat sie auch gecremt. Überhaupt cremen hier alle oder sprühen oder ölen. Ich bin mal wieder nicht im trend.
Buch aufgeklappt nach kurzem Plausch und Seite 54 aufgeschlagen. Neben mir ein Kind, ich ignoriere. Kreischende Mädels zur Rechten, ich ignoriere. Stefan ist geil, der hatte auch schon so viele. Aber Max will was von ihr. Soll sie Ja oder Nein ankreuzen. Ich ignoriere. Da kam wohl Stefan, die jaulenden Mädels erhoben sich und stürzten auf einen Typ zu und schmatzten rechts und links. ICH IGNORIERE. Versuch scheitert. Ich habe aber keine Zeit zu explodieren, muss vor einer Wespe weglaufen. Als ich wieder da bin, den Rücken Madame Dunkelbraun eincremen.
Ich habe Hunger, aber keine Lust, mich in die Schlange vorm überteuerten Kiosk einzureihen. Packe mein Käsebrot aus, welches, weil es in meinem Rucksack war, den ich eben als Kopfkissen vergewaltigt habe, seinen Umfang verdoppelt hat. Ich versuche die platten Krümel von dem Papier irgendwie in meinen Hals zu bekommen. Ich habe Durst. Ich werde auch ihn besser ignorieren. Dei Aschlange ist noch immer lang. Zwei Stunden später bin ich willens dem Freizeitstress zu entfliehen und trete den Rückweg an. Meine Freundin cremt noch, die Mädels kreischen und zeigen mit kunstbenägelten Fingern auf den Sonnenbrand auf meinem Rücken, wenigstens einer, der sich hier amüsiert. Ich gebe alles, um trocken am Becken vorbei zu kommen und stürze raus.
Werde den Sommer wohl in meiner 30-Quadratmeter-Wohnung auf der Couch verbringen. Und mir eine 10-er Karte fürs Solarium kaufen. Und inständig hoffen, dass ich spätestens im nächsten Jahr jemanden mit einem Auto kennenlerne, der sich nicht vor den Fischen im Baggersee ekelt...