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Sara
Sara streifte sich ihre Sportklamotten über. Sie schaute nochmal kurz in den Spiegel bevor sie ihre Turnschuhe anzog und die Tür hinter sich zumachte. Sie lief ihre übliche Strecke. Es war noch heiß, aber nicht mehr so drückend wie heute Nachmittag. Sie spürte den Abendhauch und atmete die klare Sommerluft tief ein. Bald würde es dunkel werden, aber sie müsste vorher wieder Zuhause sein. Sie dachte an Hannes. Der Idiot hatte ihr mal wieder den Arbeitstag verdorben. Wann würde er endlich aufhören mit seinem blöden Gebalze? Er wusste doch von Leon. Und eigentlich müsste er doch endlich kapiert haben, dass sie sich nicht auf ihn einlassen würde. Naja, dachte sie, besser gar keinen Gedanken an ihn verschwenden. War dieses arrogante Arschloch ja gar nicht wert.
Sie kam im Park an. Hier war sie am liebsten. Die Wiesen und Bäume mitten in der Stadt taten ihr gut. Sie lief den schmalen Kieselweg entlang, der zwischen einem kleinen Wäldchen lag. Plötzlich spürte sie, wie eine Hand sie an der Schulter packte. Sie zuckte zusammen. Er schien wie aus dem Nichts gekommen zu sein. Sie drehte sich um, sah sein Gesicht und wollte schreien. Aber er war schneller, hatte seine linke Hand schon um ihren Mund gelegt und zerrte sie zwischen die Bäume. Sie bekam panische Angst und versuchte mit aller Kraft, sich zu wehren. Sie schlug um sich, versuchte, ihm zwischen die Beine zu treten. Aber sie hatte keine Chance, er war zu groß und kräftig. Er zerrte sie auf den weichen Waldboden. Es ging wahnsinnig schnell.
Als er abgehauen war, lag Sara tief verletzt und gedemütigt auf dem Waldboden. Sie versuchte zu atmen. Konnte sie das noch? Sie versuchte einzuatmen. Gut, immerhin lebte sie noch. Sie hob langsam ihren Kopf. Sah die kleinen Hölzchen die überall herumlagen und das Moos. Sie senkte ihren Kopf wieder. Sie wollte nicht aufstehen. Dafür hatte sie nicht die Kraft. Sie lag einfach da und fühlte sich schrecklich. Sie merkte, dass ihr kalt wurde und hörte, wie sie leise stöhnte.
Leon legte eine Decke um sie. Sie wusste nicht mehr, wie lange sie in der Kälte gelegen hatte. Sie hatte jedes Zeitgefühl verloren. Sie fühlte sich noch genauso schrecklich wie auf dem Waldboden. Wenn das Ehepaar sie nicht gefunden hätte, würde sie wahrscheinlich immer noch dort liegen. Leon sagte nichts. Er setzte sich einfach zu ihr und wollte ihre Wange streicheln. Sara wehrte ihn ab.
„Bitte nicht, Leon. Bitte lass mich allein.“
„Ich möchte dich nicht allein lassen. Ich werde dich nie mehr allein lassen.“
Sara vergrub ihr Gesicht im Kissen.
„Aber ich kann nicht… Ich kann nicht…“
„Sara, du musst gar nichts sagen. Wir werden ihn anzeigen. Glaub mir, wir finden ihn. Und dann bekommt er das, was er verdient. Er wird es nicht schaffen, uns klein zu kriegen. Dafür werde ich sorgen.“
Sara wollte nur schlafen.
Am liebsten für Immer. Für Immer und in alle Ewigkeit.