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Sanfte Erinnerungen

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10.04.2002
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Sanfte Erinnerungen

Sanfte Erinnerungen

Dieser Tag war eigentlich wie sonst. Sonne, eine kleine Brise von Norden und die alte gute Langeweile an meiner Seite.
Doch an diesem besonderen Tag sollte alles, und zwar alles ganz anders werden. Mein Weg führte mich in eine kleine Werkstatt in der nicht viel gearbeitet, dafür aber sehr viel geredet wurde. Und dann stand er da. Grün und schön. Putzig und mit den Charme einer junggebliebenen Engländerin.
Kleine Reifen die auf mich den Eindruck einer reifen Frau machten. Scheinwerfer die schon so manch eine dunkle Straße beleuchtet hatten. Ich traute meinen Augen nicht. Dort stand die Liebe meines Lebens. Wir wollen hier natürlich nicht von Frauen sprechen, wenn ihr wisst was ich meine.
Der Chef im schwarzen Overall kaute mir ein Ohr ab.
Er lehnte sich an das Garagentor und schlug seine Arme übereinander. Dann ging es los. Er redete und redete. Die Worte aus seinem Mund flogen mir wie bunte Noten um die Ohren. Eine schöner als die andere. Im Augenwinkel konnte ich beobachten, wie mir meine neue Liebe zuzwinkerte.
„Ja, keine Angst meine Kleine, bald bist du mir“, dachte ich damals:
Der Mechaniker hingegen überschwemmte mich mit einer Flut aus technischen Daten und Fahreigenschaften des kleinen Gefährtes.
Mir war das alles völlig egal. Ich wollte nur noch mit meinem Schatz alleine sein. Nur du und ich.
So wurden wir uns langsam handelseinig. Der Meister nannte mir den Preis und ich zahlte die paar Kröten um endlich mit meiner Freundin alleine zu sein.
Ja, das war’s. Ich fuhr mit ihr wie auf Wolken. Kleine rostige Staubwolken.
Doch ich wollte meiner Kleinen auf ihre alten Tage noch etwas Kosmetik verleihen.
Also ab in den Mediamarkt. Mal sehen was der so schönes hat. Lautsprecher, Radios mit CD. Oh Gott was soll ich nur kaufen?
Die Flut aus dem Elektronikangebot überrannte mich und füllte den Kofferraum meiner neuen Liebe.
Der Samstag kam immer näher und schon bald konnte ich mich dem Einbau der neuen Stereoanlage widmen.
Kabel links und Kabel rechts. Lautsprecher hier Lautsprecher da. Die Stereopracht hatte ihren Höhepunkt erreicht.
Doch was nun? Sollte das alles sein ? Nein in der nächsten Nacht flogen mir reihenweise Armaturenbretter um die Ohren. Eines schöner als das andere. Wurzelholz und Edellack. Esche, Kiefer und Kastanie.
Und schon am darauffolgenden Tag, verrichtete die alte Bauhaus-Stichsäge ihre Arbeit. Schöne Rundungen und kleine Kreise. Ritze, Ratze mit viel Tücke säge ich meinen Schatz in Stücke.
Heute kann ich mit Verlaub behaupten, dass ich „Armaturenbrettfachmann“ bin. Zwar hat so manch ein Beifahrer in meinem Auto gedacht, er fahre in einem Boot, doch in Wirklichkeit war er nur neidisch auf die vielen verschiedenen Sorten Holz, die ich im laufe der Jahre in dem Auto verarbeitet habe.
Die Tage vergingen und unsere Liebe flammte immer wieder auf.
Doch eines Tages steuerte ich uns etwas zu schnell in die Kurve. Die Beine meiner Kleinen schafften es einfach nicht so schnell zu laufen.
„Lauf , lauf meine Kleine sonst schaffen wir das nicht!“, dachte ich mir damals.
Doch das nützte nichts, sie war einfach zu müde um das durchzustehen. Die Reifchen quietschten und rutschten auf das stabile Verkehrsschild zu.
Das alte Blech musste dem neuen Zinkpfahl weichen. Wie lange hatte es seine Nase in den Wind gestreckt. Wie lange hatte es in der Sonne geglänzt. Alles war vorüber, alles so weit weg.
Dabei hatte ich so etwas nie gewollt. Nie hätte ich meiner großen Liebe schaden zufügen wollen. Nie hätte ich ihr diese Schmerzen gewünscht.
Doch so war es nun einmal. Die Nummernschilder wurden abgeschraubt, die Plaketten abgekratzt. Die Kleine wurde in die Garage geschoben. Fort und vergessen, vom Staub der Vergangenheit eingehüllt. Sollte das etwa das Ende sein?
Alles hatte so schön angefangen und wir sollten doch so glücklich werden, aber das Schicksal mischte unsere Karten anders.
Eines Abends spürte ich diese innere Unruhe in mir. Was war das? Ich lag doch so schön auf der Couch. Die Simpsons flackerten über den Bildschirm und ich hatte gerade erst die Diätchips ausgeschüttet. Doch ein seltsames Gefühl riss mich aus der so liebgewonnenen Idylle. Homer trank in aller Ruhe sein Duff, doch ich musste aufstehen und runter zur Garage. Es war kalt an diesem Abend und jeder andere hätte den Teufel getan, nur nicht hinaus in dieses Sauwetter.
Ja, und dann war da wieder dieser Funke, der Funke der bei unserem ersten Zusammentreffen aufgeflackert war.

„Ich spüre es ganz genau, du wirst wieder zu neuem Leben erweckt. Einem Leben wie du es nie gehabt hast. Du sollst in neuem Glanz erstrahlen. Der Lack soll dich wie ein schönes Kleid umhüllen und dein Motor soll schnurren wie einst. Dann, das weiß ich ganz genau, werden wir wie damals unsere Liebe spüren.
Aber bis dahin bette ich dich in sanfte Erinnerungen!“


Dein Rüdi

 

Hi grisu!

Ich finde die Geschichte echt stark, vorallem weil du nicht eine Frau gemeint hast, sondern ein Auto. Das ist mal was total neues, find's super. Du hast es auch schön umschrieben.

Einfach klasse!

Tschaui!
Aitzo^-^

 

Hallo Grisu,

die Idee als Objekt deiner Begierde ein Fahrzeug zu wählen, ist schon sehr gut. Aber damit erschöpft sich dann auch mein Lob, denn was du daraus gemacht hast, ich leider nur ein fader Eintopf geworden(dabei können Eintöpfe verdammt gut schmecken!).

Diese Liebe zum Objekt hättest du noch intensiver, vielleicht sogar erotischer darstellen können.

Dass zum Beispiel dein Protagonist das Blech sanft tätschelt, vorsichtig mit dem Werkzeug an "ihr" rumhantiert,"sie" von unten beäugt,"ihr" vorsichtig den Rost abklopft, und so fort. Mehr Detailtreue hätte diese Zuneigung vielleicht eher rübergebracht.

Und, was ebenfalls an dieser Geschichte wichtig gewesen wäre, wäre eine Handlung, also keine schlichte Aufzählung der Vorzüge des Fahrzeugs, sondern entweder diese Zuneigung, die ein jähes Ende durch den Unfall findet, oder diese monatelange Arbeit an "ihr", bis es endlich zur ersten Fahrt kommt, also als Höhepunkt das Erlebnis, mit "ihr" fahren zu dürfen. Die Geschichte sollte auf irgendeinen spannenden Punkt zusteuern.

Ich bin selbst Oldtimerfan( 11 CV) und kann gut nachempfinden, dass man ab und zu mal zu einem Haufen Blech eine fast liebevolle Beziehung aufnimmt.
Schön fand ich übrigens, dass dein Protagonist mit dem Auto geredet hat, dies hätte man vielleicht auch noch mehr ausbauen können.

Gruß lakita

 

Hallo Iakita,

erst einmal vielen Dank für Deine Kritik. Ich schrieb die kleine Geschichte einmal meinem Bruder (Minifan) zum Geburtstag. Alles hat sich genauso zugetragen. Ich habe es nur etwas überspitzt in schöne Worte gepackt und an seinem Geburtstag zur Erheiterung der Gäste vorgetragen. Sicherlich hätte man viel mehr daraus machen können, aber in diesem Fall wäre es falsch gewesen. Eigentlich versteht man die Geschichte erst dann richtig, wenn man meinen Bruder auch kennt.

Gruss
Grisu :)

 

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