Sandsturm
Am Schlimmsten ist der Sand und wie er in jedes einzelne Loch deines Körpers kriecht. Deine Zunge staubtrocken. Deine Ohren taub. Deine Nase entzündet und die Augen verquollen. Es ist die Ohnmacht, welche einen dann durchdringt. Die Ohnmacht, alle Sinne verloren zu haben. Ohnmacht, nichts zu hören, nichts zu riechen, nichts zu sehen. Du liegst auf dem Boden. Dein Körper wird von Kräften herumgeschleudert, die du nicht zu besiegen schaffst. Und in deinem Kopf stolpern die Gedanken über einander. Mit verzerrtem Gesicht versuchst du Halt zu finden. Deine Hände aber – aufgeschürft – finden nichts. Deine Beine zappeln über den heißen Grund als eine nächste Böe dich erwischt. Sie reist dich in die Höhe, wenige Meter später landest du. Ein dumpfer Schlag. Ein stechender Schmerz. Die Kleider werden von deinem Leib geschält wie die trockene Schale einer Zwiebel. Wieder und wieder merkst du, wie sich glühende Sandkörner in deine Haut fressen. Dein Körper brennt wie Feuer.
Stunden danach wachst du auf. Als erstes denkst du daran, wie verdammt durstig du bist. Erst spät fällt dir auf, dass du keine Luft bekommst. Du kotzt. Sand und Blut. Vor allem Sand. Das Atmen fällt dir leichter. Nach minutenlangem Liegen streckst du zitternd deine Arme aus. Es knackst. Knochen oder Kleidung, fragst du dich. Da fällt dir auf, deine Kleidung ist verschwunden. Splitternackt kauerst du. Wo? Deine Finger versuchen die zentimeterdicke Sandschicht aus deinen Augen zu kratzen. Vergeblichst. An nichts kannst du dich erinnern. Nicht, wie du hier gelandet bist, nicht, was dich hier her gebracht hat. Langsam tastet deine Hand über deinen Körper. Alles brennt. Deine Ohren sind voller Sand. Auch der sitzt wie Beton. Du hustest. Das letzte Korn verlässt deinen Mund. Durst. Durst. Durstig. Du erhebst dich. Setzt dich auf den Grund. Heiß ist der. Du zuckst zusammen, als dich gewaltige Schmerzen durchfahren. Schmerzen im Kopf, in deinem Bein vor allem. Du schaffst es nicht, es zu bewegen. Du fährst es ab. Unter dem Sand, der auf deiner Haut klebt, spürst du, wie uneben dein Schienbein sein muss. Komisch uneben. Schmerzhaft uneben. Uneben... Was ein lustiges Wort. Du lachst, so gut es dir gelingt. Legst dich wieder. Wartest. Der Durst kehrt kompromisslos zurück. Er schleicht sich durch deine Därme über deinen Magen hinauf in die Speiseröhre. Füllt dich gänzlich auf. Du überlegst, wie dein Name lauten könnte. Du hast ihn vergessen. Er war sehr kurz. Dessen bist du dir sicher, glaubst du. Oder? Vielleicht doch nicht. Plötzlich packen dich kräftige Hände, ziehen dich hoch, helfen dir auf. In der Ferne hörst du fremde Stimmen in einer fremden Sprache. So nah und doch so weit entfernt. Jemand schüttelt dich. Berührt dich. Tastet dich ab, pult den Sand aus deinen Ohren. Nicht aber aus den Augen. Nach einiger Zeit wird dir ein Trinkschlauch an den Mund gesetzt. Du stöhnst, nimmst ihn und leerst ihn in wenigen Schlucken. Erst danach wird dir der seltsame Geschmack bewusst. Fischiger Geschmack. Der Geschmack von Urin. Dank deiner befreiten Ohren hörst du die Stimmen in fremder Sprache nun besser. Stimmen, welche mehr und mehr zu Lachern werden. Du ergibst dich erneut. Ein Aufschrei. Jemand schlägt dir ins Gesicht. Du gehst zu Boden. Bist wieder da, wo du am Anfang warst. Wütende Stimmen diesmal. Ein Klicken. Dir fällt dein Name ein. Ein Schuss beendet dein Leben.