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Sand

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29.04.2014
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Sand

Sand, Hitze, Sonne. Seit Tagen waren sie auf der Karawanenroute unterwegs. Weit weg von aller Zivilisation. Weit weg von aller Obrigkeit. Weit weg vom drohenden Gefängnis oder schlimmer noch: dem Galgen!
Auch wenn es beschwerlich war, durch den Sand voranzukommen, war es Abbas immer noch lieber als die drohende Strafe. Er war ein Dieb, ein Halunke, ein Mörder. Ein Leben zählte nicht, wenn er dafür genügend Reichtümer erlangte.
„Mein Freund, pass auf. Wir durchqueren gefährliche Gebiete. Hier gibt es Räuber und Gesetzlose“, erklärte Samir und zeigte auf den Horizont: „Siehst du die Berge dort hinten? Man erzählt sich, dass es dort eine Stadt gibt, die nur aus gestohlenen Gütern besteht. Kein Mann ist jemals von dort zurückgekehrt! Es gibt auch Gerüchte, dass dort ungläubige Dschinn leben…“ Ein Lächeln umspielte Samirs Mund. Auch Abbas wusste, dass Dschinn nur in den alten Geschichten auftauchten. Mit so etwas erschreckte man kleine Kinder.
Eine Unruhe erfasste die Tiere so plötzlich, dass der ordentliche Zug zu einem Durcheinander wurde. Was war los? Laut schreiend und mit Ruten auf die Tiere einschlagend, versuchten die Kameltreiber die Tiere wieder zur Ordnung zu bewegen. Auch Abbas und Samir mussten sich anstrengen, um nicht vom Rücken ihrer Tiere zu rutschen.
„Dort! Sieh!“, rief Samir aus und zeigte abermals auf den Horizont. Eine dunkelbraune Wand raste direkt auf die Karawane zu, verschluckte alles auf ihrem Weg und würde in wenigen Minuten bei ihnen sein. „Ein Sandsturm!“, rief Samir aus um die anderen zu warnen: „Schnell, runter vom Kamel und bedecke Mund und Nase mit einem Tuch“, erklärte er an Abbas gewandt.
Die einzelnen Kamele ließen sich auf den Boden nieder und ihre Herren kauerten sich auf der dem Wind abgewandten Seite an ihre Körper. Mund, Nase und auch die Augen gut vor dem Sand abgeschirmt. Dann war auch schon die Wolke herangerückt. Erst langsam, dann immer schneller füllte sich die Luft mit Sandkörnern und ließ die Kamele zu braunen Schatten werden. Schließlich verschwanden sie ganz und hätte Abbas sich umgesehen, hätte er nur gegen eine braune Wand gestarrt.
Der Sturm dauerte an, Sand prasselte auf seine Kleidung und drang durch jede Naht seiner Kleidung. Trotz des Tuches vor Mund und Nase fiel ihm das Atmen immer schwerer bis er in einen Dämmerzustand abdriftete und die Welt um ihn herum nicht mehr wahrnahm.

Er schreckte aus seinem Zustand der Bewusstlosigkeit hoch. Kein Tuch war mehr um seinen Kopf geschlungen, auch kein Sand mehr unter seinem Körper. Stattdessen lag er in einem Bett! Er ließ sich zurück auf das Lager fallen, dann sah er sich erst einmal vorsichtig um. Er war in einem Haus, soviel stand fest. Der Sturm musste aufgehört haben, denn durch die Vorhänge der Tür blitzten Sonnenstrahlen in den ansonsten eher schummrigen Raum. Außer Abbas war niemand da.
Ihm wurde plötzlich bewusst, dass er in großer Gefahr schwebte. Immerhin war er ein Dieb und da er auch einer der einflussreicheren Diebesgilden angehörte, besaß er auch deren Amulett. Hektisch tastete er seinen Körper ab. Normalerweise müsste es gut verborgen um seinen Hals hängen, doch dort war nichts! Konnte er es verloren haben? Hatte man es gefunden? Nur, warum lag er dann hier und nicht in irgendeiner dunklen Gefängniszelle oder hatte man ihn gar auf der Stelle umgebracht und er befand sich in einer anderen Welt? Doch hätte er dann nicht das Amulett noch bei sich haben müssen? Viele Fragen schwirrten in seinem Kopf. Panik kam auf. Ihm war sein Leben doch so lieb. Er konnte nicht tot sein! Das war nicht möglich!
„Suchst du dies hier?“, tönte eine tiefe, ruhige Stimme durch das Halbdunkel und schwenkte das Amulett vor seinem Gesicht hin und her. Ich bin noch am Leben, schoss es ihm durch den Kopf und seine Panik legte sich leicht. Im gleichen Moment überkam ihn aber auch schon die Gewissheit, dass jemand ihn als Dieb erkannt hatte. Das würde sein Ende sein. Die Panik brach wiederum hervor. Doch er nahm sich ein bisschen zusammen und schaute erst mal in die Richtung der Stimme. Was er erblickte, war ein Gesicht. Gespenstisch erhellt durch eine Öllampe in der einen Hand des Mannes. Die andere hielt immer noch sein Amulett.
„Nenn mich Hakim“, erklärte der Mann und ließ das Amulett los. Es fiel auf Abbas.
„Das gehört dir“, sagte Hakim und holte im gleichen Moment ein zweites Amulett unter seiner Kleidung hervor. Es hing an einem langen Band um seinen Hals und war mit dem von Abbas identisch. Auch ein Angehöriger? Konnte es so einen Zufall geben? Abbas machte große Augen und endlich begann sich die Panik, die in ihm wütete, abzuklingen. Er betrachtete nun den Mann genauer, soweit dies im wenigen Licht auch ging: dunkle Augen, schmale Nase und ein dunkler Bart. Dazwischen ein leicht amüsiert wirkendes Lächeln.
„Wie soll ich dich nennen, Bruder?“, fragte Hakim nachdem das Amulett wieder verschwunden war. Abbas nannte seinen Namen. Mehr nicht, denn sein Herz musste sich erst einmal erholen.
„Ein durchaus passender Name für einen unserer Zugehörigkeit“, erklärte Hakim: „Komm nach draußen und iss etwas, Abbas“
Damit wandte er sich dem Vorhang der Tür zu und verließ den Raum, wobei die Sonne das Halbdunkel für einen kurzen Moment, da er den Vorhang beiseiteschob, verdrängte und strahlend hell in den Raum fiel.

Vor der Tür dauerte es einen Moment bis Abbas etwas sehen konnte. Doch nachdem sich die Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, erblickte er eine Stadt. Gelegen zwischen den Hängen der vorhin noch so fernen Berge. Vor ihm führte eine Treppe in einen tiefer gelegenen Innenhof. Dort befand sich ein Lager aus Kissen, die durch ein Zelt vor der Sonne geschützt waren. Hakim saß dort und bedeutete ihm, dass er sich auch bei ihm niederlassen solle.
Die Stufen der Treppe waren alt und ausgetreten und er musste aufpassen, dass er nicht den Halt verlor. Merkwürdig, denn an sich machte der ganze Komplex einen gepflegten Eindruck und das Alter war ohne genauere Untersuchung nicht abschätzbar.
Nachdem Abbas sich niedergelassen hatte, reichte ihm Hakim auch schon etwas Brot und Datteln.
„Du hattest Glück, Bruder, dass wir dich gefunden haben. Lange hättest du nicht mehr überlebt. Sandstürme sind gerade in dieser Gegend sehr gefährlich“, sagte Hakim, während Abbas sich stärkte.
„Was ist mit den anderen der Karawane?“, fragte Abbas.
„Sie bedeuten dir wohl etwas!?“, antwortete Hakim ausweichend und für Abbas war es nicht ersichtlich, ob es eine Frage oder eine Feststellung war.
„Die Karawane ist mir egal, doch begleitete mich ein Mann namens Samir. Er ist ein ehrbarer Händler, der mich als seinen Gehilfen anstellte“
Hakim sah ihn erstaunt an: „Ein Dieb, der einer ehrlichen Arbeit nachgeht?“
„Nun, eigentlich war es nur meine Gelegenheit der Hinrichtung zu entkommen. Doch er ist so etwas wie ein Freund für mich geworden. Er ist auf dem Weg zu seiner Familie“, rechtfertigte sich Abbas.
„Dann wird es dich freuen…“, merkte Hakim an und ein Tor an der gegenüberliegenden Wand öffnete sich. Waren da andere Menschen? Abbas hatte bisher noch niemanden gesehen.
„Du warst nicht der einzige, den wir in dem Sturm gefunden haben“, sagte Hakim und zeigte auf das nun offene Tor. Eine Gestalt erschien in der Tür. Gebeugt und allem Anschein nach gefoltert. Langsam schleppte sie sich auf den Platz hinaus. Die Hände und das Gesicht übersät mit Schürfwunden.
In der Mitte zwischen dem Tor und dem Lager blieb der Mann stehen und sah zu ihnen herüber. Für Abbas hatte es den Anschein, dass dieser sich kaum auf den Beinen halten konnte. Samirs Augen waren in den Überresten des Gesichts zu erkennen. Böse schienen sie zu funkeln.
„Er weiß von dir und deinem Geheimnis!“, flüsterte Hakim in sein Ohr: „Er wird dich verraten sobald ihr in der nächsten Stadt seid. Oder er wird dich gleich hier in der Wüste umbringen. Man wird dich vielleicht niemals finden. Du musst ihn töten!“
Widerstand regte sich in Abbas Innerem. Samir war ein Freund er war gutmütig. Natürlich, schon als Händler war er nicht gut auf Diebe zu sprechen, aber Abbas hatte ihm nie einen Grund gegeben, dass er ein falsches Spiel trieb. Es war einfach undenkbar, dass Samir ihn umbrachte.
„Töte ihn!“, flüsterte Hakim abermals in sein Ohr.
Andererseits traute er Samir doch schon zu, dass er ihn in der nächsten Stadt den Wachen auslieferte. Da half auch die kurze Freundschaft nicht. Samir war ein rechtschaffener Mann.
„Töte ihn!“, flüsterte Hakim ein drittes Mal in sein Ohr und plötzlich nahm er den neben ihm liegenden Säbel wahr.
Ja, Samir würde ihn bestimmt an die Wachen ausliefern. Das durfte nicht geschehen! Sein ganzes Leben hatte er auch ohne Freunde geschafft. Er würde es weiterhin durchziehen. Die Zeit war für ihn noch nicht abgelaufen. Das Leben gehörte ihm und keiner kam und tötete ihn einfach.
Abbas ergriff den Säbel und stand auf. Mit schnellem Schritt kam er auf Samir zu. Den Säbel hob er zum Hieb bereit über den Kopf. Hinter ihm sah Hakim befriedigt dem Schauspiel zu.
„Warte, Abbas!“, sagte Samir als er nahe genug bei ihm war: „Er ist nicht das, was er vorgibt zu sein!“
Samir krümmte sich zusammen. Er wurde von überraschenden Schmerzen gepeinigt.
„Er… er ist ein Dschinn!“, brachte Samir unter Stöhnen hervor. Abbas zeigte sich unbeeindruckt. Er war aber dennoch vor ihm stehen geblieben und hatte nicht zugeschlagen. Trotzdem war der Zorn immer noch stark in ihm.
„Warum wartest du? Er will dich nur Ablenken. Er führt dich in die Irre! Du musst ihm zuvorkommen!“, rief Hakim hinter ihm. Ungeduld lag in seiner Stimme.
„Er ernährt sich von Gefühlen, Abbas“, brachte Samir hervor: „Dein Hass macht ihn stark!“
Konnte das wahr sein? Ein Dschinn war eine Sagengestalt. So etwas gab es nicht! Das konnte nur ein Trick sein! Trotzdem ließ eine innere Stimme ihn zweifeln. Er ließ den Säbel sinken.
„Was tust du da, Bruder?“, rief Hakim die Szene beobachtend. Entsetzen schwang in seiner Stimme mit. Dies bestärkte Abbas darin Samir zu glauben.
„Du musst es beenden!“, erklärte dieser: „Du musst ihn töten! Töte ihn! Töte ihn! Töte IHN!“
Abbas Zorn wandte sich von Samir ab und konzentrierte sich auf Hakim. Er drehte sich um und hob den Säbel wieder in die Höhe. Er konnte Hakims Gesicht sehen. Doch war dort keine Spur von Furcht zu erkennen. Im Gegensatz, es war sogar ein leichtes Lächeln zu sehen, das durch die Mundwinkel zuckte. Nein! Das war alles falsch! Der Hass wurde nur von einem Objekt auf das andere projiziert. Dies alles diente nur dazu, dass er weiterhin Gefühle hatte! Er schluckte seinen Hass herunter. Dann rief er: „NEIN! Nein, ich werde keinen Töten!“
Den Säbel ließ er klirrend zu Boden fallen. Er zwang sich zur Gleichgültigkeit. Keinem der beiden würde er das nächste Wort glauben, geschweige denn für einen Gefühle entwickeln.
„Nein! Nein! NEEEEEEEEIN!“ Zorn blitzte in Hakims Augen auf als seine Konturen langsam begannen sich zu verwischen. Immer mehr löste sich von ihm und dem Lager auf bis sich schließlich ein Sandteufel in der Mitte des Innenhofs erhob. Ein paar Minuten verharrte er dort. Unbeweglich. In monotoner Drehung. Dann fiel er leise und ohne großes Aufheben in sich zusammen.

„Abbas! Abbas, wach auf!“
Samirs Stimme drang an sein Ohr: „Der Sturm ist vorbei. Wir müssen weiter“
Er schlug die Augen auf und fand sich an sein Kamel gelehnt in der endlosen Wüste wieder. Sand bedeckte seinen ganzen Körper. Er entfernte vorsichtig das Tuch von seinem Mund, sodass der Sand von seinem Gesicht abfiel. Sein Mund war staubtrocken. „Ich brauche Wasser“, erklärte er Samir, der über ihn gebeugt war.
„Wer gegen einen Dschinn gewinnt, der hat sich sein Wasser redlich verdient, mein Freund“, erwiderte Samir lächelnd und reichte ihm einen Wasserschlauch. Über das kühle Wasser in seinem Mund vergaß er für den Moment das, was Samir eben gesagt hatte, die Sonne, die Hitze und den Sand.

 

Hallo Dennis,

nun weiß ich nicht, ob dies Dein Erstling ist, jedenfalls habe ich die Geschichte aber mit insgesamt positiven Gefühlen gelesen.

Die Grundidee ist interessant, das Thema Wüste trotz oder vielleicht gerade wegen dieser lebensfeindlichen Umgebung, deren Purismus andererseits im Koran der Größe, Allmacht und Willkür Allahs zugesprochen wird, immer eine märchenhafte Umrahmung. Anfangs hätte mich interessiert, ob es in einem realen Land des asiatisch-afrikanischen muslimischen Raumes handelt oder in einer Parallelwelt - es gibt auch Orient-Fantastik in der Fantasy-Literatur (schon Tolkien gibt den Haradrim, den "Südleuten", die im "Herrn der Ringe" gegen Gondor und die anderen Verbündeten Mittelerdes kämpfen, unverkennbar orientalisch-indische Züge). Im weiteren Verlauf der Lektüre fand ich mich aber gut genug in die Atmosphäre hineingezogen.

Das allerdings, obwohl Du an der einen oder anderen Beschreibung noch etwas feilen könntest. In einigen Sätzen wird die Sprache etwas zu analytisch-aufzählend, statt weiterhin beschreibend zu sein. Aus der Perspektive der Hauptfigur Abbas rückt der Blick dann zu weit in die Außenperspektive.

Ein Beispiel - auch wenn ich schon gut im Geschehen drin bin:

Eine Unruhe erfasste die Tiere so plötzlich, dass der ordentliche Zug zu einem Durcheinander wurde. Was war los? Laut schreiend und mit Ruten auf die Tiere einschlagend, versuchten die Kameltreiber die Tiere wieder zur Ordnung zu bewegen. Auch Abbas und Samir mussten sich anstrengen, um nicht vom Rücken ihrer Tiere zu rutschen.

Eben verharmloste Abbas die Geschichten über Dschinn (ungläubige Dschinn? Lesen die die Tora? Die Bibel? Vielleicht lieber "gefährlich", "heimtückisch", "gefürchtet" oder stärkere Attribute, die sie vor allem im Hinblick auf den späteren Kampf mit dem Dschinn charakterisieren) als Ammenmärchen. Dann kommt plötzlich Unruhe auf - die erste Wendung und wie ich finde, im richtigen Tempo, an der richtigen Stelle für eine Kurzgeschichte. Hier könnte die Dramatik noch stärker einsetzen, indem sie bei der Innenperspektive ansetzt:

Etwa. "Was war das? Warum scheuten die Tiere plötzlich? Ihr kollerndes Röhren (diese Kamellaute kenne ich aus Dokumentarfilmen, hört sich ein bisschen an wie ein bayerischer Bier-Magen-Gesang :D, und sie erzeugen es mit einem Schallsack, der den Hengsten bei der Brunft manchmal zum Maul herausquillt und als Imponiergeste noch geschüttelt wird) übertönte die erschreckten oder zornigen Schreie der Reiter. Ein Tier preschte an ihm vorbei, die bisher so ordentliche Reihe drohte sich in heillosem Durcheinander zu verzwirbeln." Dieser Stil muss Dir im übrigen jetzt überhaupt nicht gefallen, ich bin kein Spontan-Formulierungskünstler und muss es auch nicht sein, aber stell Dir einfach vor, das alles läuft vor Abbas Augen ab.

Um nicht zu dicht im selben Absatz das Wort "Tiere" zu wiederholen, könntest Du schreiben: "Auch Abbas und Samir hatten Mühe, nicht von den hohen, steilen Sätteln zu rutschen."

Wie sich die Kamele hinlegen, finde ich anschaulich beschrieben. Aber "die einzelnen Tiere" klingt vielleicht doch ein wenig platt. Sicher zählt niemand ab, wie viele schon liegen. Besser formuliert wäre: "Nacheinander/Eines nach dem anderen legten sich die Tiere nieder." Oder klappten ihre langen Vorderbeine ein und ließen sich dann auf den Sand sinken. Spontan denke ich auch daran, dass die Männer sich ihre Turbane, Halstücher und Gewänder vor Augen, Mund und Nase ziehen. Dann hast Du mit einem kurzen Streiflicht auf ihre Kleidung der Gesamtatmosphäre - die ja nicht nur in Wüstensand, sondern auch in Habitus und Ausrüstung der Karawanenmitglieder besteht - einen weiteren, appetitlichen Akzent hinzu gefügt.

Er schreckte aus seinem Zustand der Bewusstlosigkeit hoch. Kein Tuch war mehr um seinen Kopf geschlungen, auch kein Sand mehr unter seinem Körper. Stattdessen lag er in einem Bett! Er ließ sich zurück auf das Lager fallen, dann sah er sich erst einmal vorsichtig um. Er war in einem Haus, soviel stand fest. Der Sturm musste aufgehört haben, denn durch die Vorhänge der Tür blitzten Sonnenstrahlen in den ansonsten eher schummrigen Raum. Außer Abbas war niemand da.

Auch hier könnten Erzähler und Leser evtl. noch mehr in Abbas wiedererwachendes Bewusstsein eintauchen. "Abbas´ Lider trennten sich blinzelnd." (Vorschlag). Kein Sand rieb mehr an seinem Körper, als er sich träge bewegte (ein schreckhaftes Erwachen ist nämlich keineswegs ein Hochschnellen, so rasch fährt das Nervensystem nicht aus der Tiefschlafphase, die einem beängstigenden Traum vorangehen muss. Nach und nach merkt Abbas, dass er sich in einer völlig anderen Umgebung befindet als eben noch. Darüber beschleunigt sich sein bereits aufgepeitschter Herzschlag noch mehr, er ringt sich aus der letzten Umklammerung des Schlafes empor, sitzt zuletzt in quälender Wachheit aufrecht. Versuche doch, das in wenigen Sätzen und Worten dennoch als schrittweisen Prozess zu beschreiben. Dann wird es noch (!) spannender.

Ihm wurde plötzlich bewusst, dass er in großer Gefahr schwebte.

Das kommt fast ein bisschen plötzlich. Besser vielleicht, es steht nachdem Abbas bemerkt hat, dass das Amulett fehlt, nach dem er mechanisch gegriffen hat. In der oben stehenden Form erscheint es mir, wie eingangs gesagt, ein bisschen zu sehr aus der auktorialen Perspektive beschrieben. Das nimmt dann leicht Spannung raus, wenn der Leser vor dem Protagonisten erfährt, in welcher Situation dieser ist.

Nun zum Mittelteil und Höhepunkt des Textes. Das ist immer so eine Sache, den zentralen Wendepunkt der Handlung so zu gestalten, dass er für das Publikum gut verständlich ist. Ich weiß, was für eine Wackelpartie das sein kann! Deinen Höhepunkt finde ich auch spannend geschrieben, nur verstehe ich nicht ganz, worin die Heimtücke des Dschinn besteht. Er will Abbas gegen seinen Freund Samir aufhetzen, der ihn angeblich als Dieb verraten und an den Galgen liefern würde. Dieser Punkt erscheint mir nicht ganz so glaubwürdig angesichts des offenbar gefolterten Zustandes, in dem Samir zur Tür hereinkommt: Der vermeintliche Verräter sieht nicht mehr sonderlich gefährlich aus. Und beide sind offenbar so sehr in der Gewalt des Dschinn - Hakim - dass es fraglich erscheint, ob einer der beiden überhaupt entkommen kann. Andererseits dürfte der Dschinn kaum Interesse daran haben, beide stupide festzuhalten, als vielmehr, mit ihren Ängsten zu spielen und sie gegeneinander aufzubringen. Es ist natürlich nur meine Lesart. Aber mehr glaubhafter Schwung könnte in die Handlung kommen, wenn Samir im Gegensatz zu dem erschöpften Abbas mit einem unerklärlich frischen Schwung und schurkischer Tatkraft hereinspatzierte, als sei er weder in einem Staubsturm gesteckt noch jemals Abbas Freund gewesen. Zug um Zug könnte der Leser verunsichert werden: Was hat zu dieser veränderten Haltung des sonst so friedlichen und gutmütigen Samir geführt? Woher nimmt er diese Frische, sieht gar verjüngt aus? Ist das überhaupt der Samir, mit dem Abbas eben noch durch die Wüste gezogen ist? Damit könnte das Un- und Übernatürliche erst richtig in die Handlung einziehen.

Die Auflösung finde ich dem Umfang Deiner Geschichte angemessen, sie enthält eine kleine überraschende Wendung, und der Schluss, über das Trinken Rückkehr zur Normalität und zum puren, existenziellen Leben, ist sehr schön gestaltet. Wir setzen uns mit den beiden hin, trinken einen Schluck und atmen auf. Ja, fast könnte jetzt Tee gebrüht und unterm Funkeln der ersten Sterne eine Geschichte aus Tausendundeiner Nacht erzählt werden... Du siehst, insgesamt hat Deine Geschichte ein gutes Kopfkino bei mir erzeugt. Dafür - wie sagt man auf Arabisch Danke? :)

Gerne gelesen von
Roger

 

Hallo Roger,

vielen Dank für deine ausführliche Kritik. Geschichten geschrieben habe ich schon immer gerne. Doch außer in der Schule nie irgendwie veröffentlicht. Das ist in gewissem Sinne als schon ein Erstling.

Wahrscheinlich kommt das analytisch-aufzählende auch noch aus dieser Schulzeit...
Deine Beispiele im Vergleich haben mir jedoch etwas besser gefallen. Das werde ich bei der nächsten Geschichte mal versuchen.

Habe ich die Frage, ob es "ungläubige Dschinn" gibt, richtig verstanden?
Ich hatte etwas bei wikipedia recherchiert und dort wird behauptet (sicher kann man sich ja leider nicht immer sein:hmm:), dass der Koran zwischen gläubigen und ungläubigen Dschinn unterscheidet.
Als ich schrieb, habe ich jedoch nicht daran gedacht, dass dieses Thema nun ja wirklich kein Allgemeinwissen bei uns ist. Für Samir sollte es das jedoch sein. Also vielleicht noch einen Satz einfügen.

Zum Hauptteil: Es ist so gedacht, dass sich der Dschinn von starken Gefühlen ernährt. Nun gibt es zu erst einmal die Panik von Abbas, da der Dschinn ihn ja nicht gleich töten will, beruhigt er ihn. Dann kommt der Zorn, dass jemand das Samir angetan hat und in diesem beeinflussbaren Moment lenkt der Dschinn den Zorn um, sodass er auf Samir zeigt.

Ist das überhaupt der Samir, mit dem Abbas eben noch durch die Wüste gezogen ist?
Ich hatte das auch so vor und dachte, dass der Leser es besser erkennen würde.
Wenn das nicht so deutlich war, muss ich da vielleicht auch in Zukunft dran arbeiten.

Ich hoffe, dass dies alles jetzt nicht so sehr nach Selbstverteidigung geklungen hat, denn so war es nicht gemeint! Dies war eine der konstruktivsten Kritiken, die ich je in meinem Leben bekommen habe.

Vielen Dank,
DennisC

 

Hi Dennis,
mir gefällt das -für die heutige Zeit- unverbrauchte Szenario. Die Zeiten, wo man davon ausgehen konnte dass jeder Lawrence von Arabien etc. gesehen hat, sind ja schon länger her :)
Die Beschreibung des Sandsturms fand ich gelungen. Um mal einen Punkt herauszugreifen.

„Mein Freund, pass auf. Wir durchqueren gefährliche Gebiete. Hier gibt es Räuber und Gesetzlose“, erklärte Samir
Da war ich zuerst verwirrt, da ich automatisch davon ausging, dass auch Samir so wie Abbas selbst ein Dieb, Halunke etc. ist. Aber das muss ja nicht jedem so gehen.

Ihm wurde plötzlich bewusst, dass er in großer Gefahr schwebte. Immerhin war er ein Dieb und da er auch einer der einflussreicheren Diebesgilden angehörte, besaß er auch deren Amulett.
Leicht verwirrend - heißt das, dass nur einflussreiche Diebsgilden Amulette besitzen? Besitzt dann jeder "kleine" Dieb deren Amulett? Oder nehmen die einflussreichen Gilden nur "etablierte" Diebe die sich ihr Amulett verdient haben?
Vielleicht kannst du das irgendwie umformulieren.

Hektisch tastete er seinen Körper ab. Normalerweise müsste es gut verborgen um seinen Hals hängen, doch dort war nichts! Konnte er es verloren haben? Hatte man es gefunden? Nur, warum lag er dann hier und nicht in irgendeiner dunklen Gefängniszelle oder hatte man ihn gar auf der Stelle umgebracht und er befand sich in einer anderen Welt? Doch hätte er dann nicht das Amulett noch bei sich haben müssen? Viele Fragen schwirrten in seinem Kopf. Panik kam auf. Ihm war sein Leben doch so Lieb.

Irgendwie passt diese pussyhafte Panik nicht so recht zu einem Halunken und Mörder.


schaute erst mal in die Richtung der Stimme. Was er erblickte, war ein Gesicht
Als Österreicher dachte ich mir hier "no-na-net" was soviel bedeutet wie "was denn sonst?" :) Vielleicht noch ein Adjektiv zum Gesicht?
Außerdem finde ich das "erst mal" entbehrlich.

„Du musst ihn töten! Töte ihn! Töte ihn! Töte IHN!“
Das würde vielleicht in einem Film funktionieren, wenn es der Schauspieler mit verschiedener Tonlage sagt, aber wenn ich es lese denke ich nur "wie oft denn noch?"

„Nein! Nein! NEEEEEEEEIN!“
Geht in die selbe Richting. Sehr klischee- & filmmäßig.

Wiederstand
ohne e

Ein paar Minuten verharrte er dort. Unbeweglich. In monotoner Drehung.
Unbewegliches Verharren und die Drehung gehen für mich nicht zusammen. Monoton klingt außerdem etwas zu technisch für meinen Geschmack. Und ich hätte echt gern erfahren, wie so ein Sandteufel denn aussieht.

Aber mehr glaubhafter Schwung könnte in die Handlung kommen, wenn Samir im Gegensatz zu dem erschöpften Abbas mit einem unerklärlich frischen Schwung und schurkischer Tatkraft hereinspatzierte
Diesem Kommentar von Roger schließ ich mich an.

Ist das überhaupt der Samir, mit dem Abbas eben noch durch die Wüste gezogen ist?
Ich hatte das auch so vor und dachte, dass der Leser es besser erkennen würde.
Ich hab's leider auch nicht erkannt. Der Hinweis ist, dass Samir nichts von dem Dschinn wissen dürfte, falls das Ganze nur eine Illusion war?

Noch ein Punkt:
Deine Charaktere heißen Hakim, Sabbas and Samir. Gibt es im Arabischen Raum ausschließlich Namen mit A, oder ist das Zufall? Bin öfter durcheinander gekommen wer denn eigentlich wer ist.

Trotz aller Kritikpunkte recht gern gelesen,
Gruß Irony

 

Hallo Irony,

danke auch für deine Kritik.
Der Rechtschreibfehler ist beseitigt.

Ich werde mir in den nächsten Tagen gedanken machen, was man so verändern könnte, um das Verständnis zu verbessern.

Die arabischen Namen habe ich mir der Bedeutung wegen ausgesucht:

Abbas: "düster"
Hakim: "Der Herrscher"
Samir: "Erzähler/Unterhalter"

Vielen Dank,
DennisC

 

Hi Dennis

Trotz der Wüste hat deine Geschichte etwas erfrischendes ;)
Hat bei mir insgesamt einen positiven Eindruck hinterlassen. Insbesonders der Aufbau und die Auflösung.
Bei den Beschreibungen fand ich manchmal schwächen. Unten habe ich einiges aufgezählt. Der Konflikt zwischen Abbas und Hakim wird etwas zu leicht gelöst und da könntest du das ganze noch "knapper" gestalten.
Vorschläge gabs ja schon von Irony

Dann war auch schon die Wolke herangerückt.
herangerückt finde ich nicht der dramatik entsprechnd. heranrücken tu ich einen Kasten an die MAuer oder ich rücke näher zu meinem Nachbarn. Sicher findest du ein besseres Wort
Sand prasselte auf seine Kleidung und drang durch jede Naht seiner Kleidung.
Wortwiederholung
und die Welt um ihn herum nicht mehr Wahrnahm.
wahrnahm
Ihm war sein Leben doch so Lieb
lieb
und endlich begann sich die Panik, die in ihm wütete, abzuklingen.
finde ich redundant
„Was ist mit den anderen der Karawane?“
finde ich holprig. besser: was ist mit den anderen Mitgliedern der Karawane
Doch er ist so etwas wie ein Freund für mich geworden.
offensichtlich ist er sein Frueund geworden, sonst würde er sich nicht um ihn sorgen -> darum die Relativierung besser streichen


lg
Bernhard

 

Hallo Bernhard,

danke für deine Kritik.
Auch hier habe ich die Rechtschreibfehler beseitigt (wer hat blos die Groß- und Kleinschreibung erfunden:rolleyes:).

Schön, dass die Geschichte insgesamt positiv aufgenommen wird.

Eine Frage habe ich aber noch (an alle gerichtet, die das Lesen):
Wenn ich die Geschichte ändere, soll ich dann irgendwie darauf verweisen, oder soll ich sie in einem neuen Thema veröffentlichen?

Vielen Dank,
DennisC

 

Hi Dennis
Am besten ersetzt du die hier gepostete Geschichte mittels der Funktion editieren durch die neue Version. Ich mache das bei jedem Korrekturdurchlauf, damit nicht jeder Leser über die gliechen Fehler stolpern.

lg
Bernhard

 

Hallo Dennis,

so, nach ein paar weitestgehend offline verbrachten Tagen melde ich mich endlich zurück. Es freut mich sehr, dass Du meine Kritik so konstruktiv fandest - nicht anders will ich ja Kritiken anbringen. Und als Selbstverteidigung habe ich bestimmt keinen Deiner Sätze empfunden. Ich denke, das WK-Forum ist auch dafür da, dass man seinen Standpunkt an gegebenen Stellen auch in sachlicher Weise zunächst behauptet und um weitere oder noch konkretere Verbesserungsvorschläge bittet.

Da muss ich außerdem was zurücknehmen :). Tatsächlich wusste ich nicht, dass es doch die Unterscheidung zwischen gläubigen und ungläubigen Dschinn gibt. Da weißt Du also viel mehr als ich... Es sieht demnach so aus, als würde der Islam hier die anderen geistigen Wesen neben Allah stärker differenzieren, wo es im Christentum nur die Engel gibt, die schön brav ihr Halleluja singen. Und der eine, der doch mal harsche Manöverkritik gepaart mit Ansprüchen auf die göttliche Sohnes-Anerkennung gewagt hat... Nun, ich bin kein Orient-Experte und würde mich an Geschichten oder Märchen dieser Kulturregion selber nicht herantrauen.

Zu Deinem Höhepunkt: Ich denke, wie Du schreibst, würde die Pointe (hier nicht als Witz-Wendung zu verstehen) sicherlich noch klarer zum Ausdruck kommen, wenn Du allen drei Figuren - also Abbas, Samir und Hakim - schärfere Konturen gibst. Dies weniger nach ihren generellen Charakter_Eigenschaften, als nach ihren Reaktionen und ihrem Handeln in der Situation. Lass den Dschinn, Hakim, so richtig seine Gier nach menschlicher Gedanken-Energie zeigen, etwa wenn der Zorn in Samir aufwallt und gleichzeitig die Augen des Dschinn zu brennen anfangen, ein Ausdruck lechzender Bosheit in seine Gesichtszüge tritt und Samirs Wutgefühl vielleicht in eine unerklärliche Angst und Verwirrtheit umschlagen. Da bietet sich eine wahre Spielwiese zum Beschreiben der äußeren wie inneren Handlung.

Dann dachte ich in den letzten Tagen noch, ob vielleicht der Schluss noch eine etwas schärfere Wendung bekommen könnte, die den Ausgang offen und den Leser mit einem Gefühl von "Oh, oh, oh" zurück lässt. Einen solchen offenen Schluss braucht sie meiner Meinung nach aber nicht notwendig, da sie von Anfang bis Ende konsequent durch ihre Atmosphäre schon eine große Wirkung hat.
Ein solcher Schluss könnte sein, dass Abbas beim Trinken spürt, wie ausgelaugt und ausgezehrt er ist - anders, als er es vom Durstgefühl kennt, das ihn in der Wüste dann und wann überkommt, das aber bestimmt durch regelmäßiges, gut eingeteiltes Wassertrinken eindämmen lässt. Er fühlt sich ausgebrannt und ausgezehrt, als hätte der Dschinn, obwohl er ihm tatsächlich nur im Traum erschienen ist, ihm während dieser Zeit gleichwohl die Energie abgesaugt. Nun könntest Du überlegen, ob Du an dieser Stelle vielleicht einen Fremden ins Spiel kommen lässt, der plötzlich auftaucht, harmlos fragt, ob er sich ans Feuer setzen darf, und deutliche Züge des Dschinns trägt. Mit den Worten: "Ich komme, um mich selbst ein wenig zu stärken." Aber ich weiß, diese Ergänzung müsste behutsam und organisch in das Geschehen eingefügt werden, damit nicht die Glaubwürdigkeit der ganzen Geschichte ins Wanken gerät. Aber wie gesagt, ist nur ein spontaner Einfall von mir. Du musst ihn nicht gut finden und Dein Text braucht dergleichen nicht unbedingt.
Bleibt er beim jetzigen Ende, lese ich persönlich mehr die heiter-nachdenkliche Distanz des Märchenerzählens heraus: 1001 Nacht. Gibst Du ihm eine dramatische Schlusswendung, ist sie entschieden im Horror-Genre angekommen.

Viele Grüße
Roger

 

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