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Samira im Staub von Bethlehem
Samira und die hebräischen Soldaten
Die Haustür tanzte unter ihren Fäusten. Bald würde der Riegel brechen. „Aufmachen!“, rief ein Soldat. „Oder wir treten die Tür ein.“ Samira erkannte seinen hebräischen Akzent. Sie drückte ihre Puppe fest an sich, rang mit den Tränen. „Weine nicht, wenn sie vor dir stehen“, sagte Mama immer. „Du musst stark sein. Dein Vater war es.“ Sie hatten ihn vor ihrer Geburt geholt. Ihr Bruder Ahmad war jetzt der Beschützer.
„Ich öffne die Tür“, sagte Ahmad. Die Schläge verstummten. Er schob den Riegel beiseite. Die Männer stürmten auf ihn, schlugen ihn, er ging zu Boden. Ein schwarzer Stiefel drückte seinen Kopf gegen die Holzbretter.
„Bist du Ahmad Halawi?“, brüllten sie.
„Tut ihm nichts“, schrie Samira. Eine Hand zerrte sie weg.
„Was wollt ihr?“, keuchte Ahmad. Das Blut floss ihm aus der Nase. Sie richteten ihn auf und schleiften ihn ins Dunkel der Nacht. „Samira!“, rief er. „Sag Mama, dass ich wiederkomme.“ Samira stand regungslos vor der Tür. Als seine Beine hinter der Wand verschwanden, brach sie in Tränen aus.
„Was ist passiert, Samira?“, fragte ihre Mutter. Sie trug den Brotkorb herein. „Warum hockst du hinter der Tür und wo kommt das Blut her?“
„Ahmad ist weg“, schluchzte Samira. „Sie haben ihn verschleppt.“ Jede Dreijährige in der Westbank kannte dieses Wort.
„Komm zu mir.“ Sie umarmte Samira, küsste sie und lockerte ihre Faust, die sich in ihre Puppe eingegraben hatte. Samira schloss die Augen. „Wir gehen jetzt schlafen. Morgen kehrt er inschallah zurück.“
„Mama“, flüsterte Samira. Ihre Augen blieben geschlossen. „Ich möchte vorher beten, dass Allah die Soldaten verschwinden lässt.“
Am nächsten Tag hörte Samira wieder Soldatenstimmen von der Straße. „Vorwärts, du Terrorist“, rief ein Soldat. Samira schaute durch das Loch neben der Tür. Sie sah ihren Bruder, Gewehre drückten in seinen Rücken. „Ahmad“, schrie sie. „Ahmad!“
Zwei Soldaten drehten sich mit einem Ruck um, hielten ihre Gewehre im Anschlag und rückten auf die Haustür vor. Ein Riese und ein Zwerg. Der dritte Soldat blieb mit Ahmad zurück. Samira versteinerte. „Hier lebt noch eine Terroristin“, flüsterte der Riese. „Schau mal da unten.“ Der Zwerg lugte durch das Loch, direkt in Samiras Augen. „Festnehmen, festnehmen!“, brüllte der Zwerg und schob den Lauf seine Waffe durch das Loch. Der Riese trat die Tür ein und kroch hindurch. Samira umklammerte das Gewehr und riss es dem Zwerg aus der Hand. Mit einem weiten Schwung schlug sie den Kolben gegen den Kopf des Riesen. Der Riese kippte um und blieb liegen. Der Zwerg rannte um sein Leben. Samira verfolgte ihn, packte ihn an den Armen und warf ihn auf die Füße des dritten Soldaten. Beide schrien auf und flüchteten.
„Samira, du hast mich befreit“, rief Ahmad. Er rannte auf seine Schwester zu, umarmte sie. Samira weinte vor Glück. „Danke“, flüsterte er in ihr Ohr. „Ich vermisse dich.“ Ahmad fing an zu zittern. Sie öffnete die Augen.
Samira schreckte aus ihrem Bett hoch. Die Wand wummerte, das Haus vibrierte. Ihre Mutter rannte auf sie zu, Samira streckte ihr die Arme entgegen. Da brach die Wand über Mutter zusammen. Ein Bulldozer blieb neben Samiras Bett stehen und setzte wieder zurück. Sie schrie. Das gleißende Sonnenlicht fiel durch den Staub in der Luft auf Mutters Arm, der unter den Trümmern herausragte. Samira ergriff ihre Hand, drückte sie an ihr Gesicht. Die Hand streichelte Samira ein letztes Mal über die Wange. Dann rollte der Bulldozer wieder rein.
„Salam, meine Liebe“, sagte der Mann mit einem Lächeln. „Herzlich willkommen.“ Samira kannte sein Gesicht von dem Foto mit Mutter und Ahmad.
„Vater! Mutter, du bist auch hier!“
Nur Ahmad musste bleiben.